flr.169 ♦ 4H. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
doanerstag, 12. flpril 1923
Die Kunst dem Landvolk! Knltnrbilder von einer deutschnationalen Schmiere.
Heber das ostelbische Cunfertum, wie es m Pommern , Schlesien ,! Preußen, Brandenburg und Mecklenburg daheim ist, ist viel ge- schrieben und noch mehr geredet worden, und Friedrich IL, der, wie Max Maurenbrecher (ausgerechnet!) nachgewiesen hat, gar nicht so liberal war, wie ihn seine Verehrer hinzustellen belkben, hat alles Erdenkliche getan, um zuungunsten des Bürgertums den Junker als! Offizier, Land rat und Staatsbeamten zu verewigcn. Hin und wieder kann man von einem, der bei irgendeiner Gelegenheit mit so einem Herrn in nähere Berührung getreten ist, wohl die Meinung hören:! .Ach, das sind in Wirklichkeit ganz gemütliche Kerle." Es wird ober viel zu wenig darauf geachtet, daß sich diese Gemütlichkeit nur bei Wein und Kognak zeigt und daß diese Menschen geistig-seelisch s«t Jahrhunderten auf derselben Stufe stehen. Wenn sie das Wort Kultur hören, so meinen sie, es bedeute eine neue Kognak- oder Aigarrenmarke. Diese Beurteilung ist keineswegs übertrieben, wenn man die folgende ungeschminkte Darstellung eines angeblichen Der- suches Lest, der Landbevölkerung Kunst und Bildung nahezubringen, j Theater, LanSbunöfest und Likör. i Im Oktober 1922 gründete ein Geheimrat Sch.-Wilmersdorf! ein Theaterunternehmen, das in den kleinen Orten der Mark! Brandenburg , Schlesiens, Mecklenburgs, Hannovers und Waldccks für dke Mitglieder des Reichslandbundes Aufführungen veranstalten sollte und in d e Dienst« der DLBH.(Deutsche Landvolkshochschule) kam. Die DLBH. ist ein.Kulturunternehmen" deutschnationaler Kroise und hat es sich angeblich zur Aufgabe gemacht, der Land- bevölksrung Lchroorträoe über Oskoncmi« usw. zu halten. Als künstlerischer Leiter wurde von Sch. ein Herr eingesetzt, der als Schauspieler zwar nur klein« Rollen gespielt hatte, aber am ehe- maligen Kgl. Schau'melhause in Berlin tätig gewesen war, ein Um- stand, der ohne weiteres für Qualität bürgte. Daß dieser Herr, H. mit Namen, Ofsizicr gewesen war, bedarf keiner Bestöti- gung. Der Ton, den er den Schauspielern gegenüber anschlug, bewies es. Jedes dritte Wort war:„Dis'ip'in",.Unbedingke Ausführung meiner Befehle".„ZRHikärisches PMchlg-fühl" u'tp. Beim Engagementsabschluß wurden die Schauspieler gefragt, ob sie jüdisch seien, und mußten darauf Ehrenwort und Handschlag geben. Die Schauspieler wollten natürlich nicht ohne Garantie abschließen und fragten H., ob er im Bühnsnverein sei, da er im anderen Falle ihre Gage bei der Dühnengenossenschaft hinterlegen müsis. H. v- rsicherte, er fei im Bühnenverein angemeldet, und im übrigen stehe die Partei hinter dem Unternchinrn. Die Teuerung setzte«in, und«s wurden neue Schauipielertarife festgesetzt, die sich Eeheimrat Sch. außerstande erklärte, zahlen zu können, obwohl die Verträge ausdrücklch besagten, daß man die jeweils von der Genossenschaft seslgeieh'e Mindesigaqe bezahlt, und obwohl sich die DLVH. für jede Vorstellung in Naturalien. 10 Zentner Roggen, bezahlen ließ. Das Enlemble war nur 8 Mann stnrL und für Roggen wurden täglich größere Preise erzielt. Trotzdem weigerte fich Sch., die Tarife zu zahlen, und zwang die Schauspieler unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen Notlage, einen neuen Vertrag bis zum 31. März 1923 einzugehen, in b-m ihr« Gagen um zirka 40 Proz. unter Tarif festgesetzt wurden. _ Nach iaber Vorstellung fand ein„Landbundsesl" statt. Dabei floß als Beweis dafür, wie man auf dem Lande die Rot der Zeit spürte, der Wein in Strömen, und Likörslaschen standen reihenweise aus den Tischen. Es wurde getanzt, und fr« Herren Junker„benehmen" sich dabei.— Der Rest sei Schweigen! Zwischen- durch mußten die Schauspieler kubarckloorträge halten, und wenn die Stimmung ihren Höhevunkt erreicht hatte, wurde gesungen, und in d-r feuchtesten Ecke„Heil dir im Siearrkranz". In G a r g a st im Oderbruch kam es sogar zu Prügelszenen, bei der sich die Herren Junker gegenseitig die Hakenkreuze herunterrisien und sich Bierseidel an den Kopf warfen. Dabei wurde aus einen Schau- svieler, als er auf die Toilette gehen wollte, um dem widerlichen Eßbaren dieser Herren zu entrinnen, sogar ein Revolver abgefeuert. Also Manieren, wie sie auf der Welt heute nur noch bei dem übelsten Boldgräber gesirndel in Wildwest vorkommen dürsten. Antisemitische Propaganda. Begleitet wurde die Tournee von einem Freiherrn von L., einem bekannten Judenfresser aus dem Kreis des in der letzten Zeit oft genannten Herrn Müller von Hausen. Dieser adlig« Pro-
fessor. den man, wenn er nicht den Mund auftun würde, in der Tat für einen Rabbiner halten würde, machte unterwegs in Anti- semitismu» Ausdrücke wie»Judenschwein" waren gang und gebe, und dieser Kulturträger schreckt« nicht davor zurück zu sagen, daß man die Juden für vogelfrei erklären, sie anspucken und totschlagen, und daß sie, wenn sie überhaupt eine Lebensberechtigung hätten, nur vor den Wagen gespannt werden und den Zaum im Maul wie ein Zugtier haben müßten. Der Erfolg der Schimpferei war, daß nach einer Vorstellung die Landbündler einen Schauspieler auf- forderten, in Berlin bei Sch. vorstellig zu werden, damit die Souffleuse aus dem Ensemble entfernt würde, weil sie— jüdisch aussehe! und nicht in ihr« Kreise hineinpasie. Nach einiger Zeit konnte dann auch das Geheimnis gelüftet werden, das noch immer den Spielleiier, den ehemals königlichen Hofschauspieler umwitterte. Di« Schauspieler waren mit ihm in einen Konflikt geraten, den sie bei der Bühnengenosienschaft aus- zutragen gedachten. Dabei bekamen sie auch heraus, daß H. beim Vertragsabschluß falsche Angaben gemacht halte und gar nicht im Vühnenverein angemeldet war, so daß der Bühnenverein in diesem Falle keine Einwilligung zur Entscheidung vor dem Schiedsgericht gab. Das Eewerbegericht aber kostet« G«ld, und dos konnte ein Schauspieler bei der DLHD. nicht auftreiben Den Höhepunkt er- reichte aber H. wenig« Tage später in der Weihnochtswoche, als er sänitlichen Mitgliedern zum 1. Januar 1923 die Kündigung aussprach unter dem Hinweis, daß ihm die Fortsetzung des' Vertrags- verhältnisies mit diesen Schauspielern nicht zugemutet werden könne. Eifrig« Vorstellungen der Cnsemblemitglieder bei Herrn Sch. veranlaßt«« diesen endlich, H. herauszusetzen und«inen Leiter einzustellen, der nicht bei jeder Gelegenheit den Künstlern die Faust unter die Nase hielt. Im übrigen blieb die Honorierung gleich niedrig. Schaufpisler werden nicht bezahlt! Zurzeit nun warten die Schauspieler auf Ihr« Gage, die man ihnen seit 1� Monaten schuldig ist. Als am 31. März die Spielzeit abgelaufen war, versuchten die Schauspieler, Herrn Sch. Zu sprechen Sie wurden von ihm zu einer Konferenz zusammengerufen, und nach- dem Sch. ihnen gesagt hatte, sie möchten auf ihn warten, er besorge sich dos Geld und fei in kurzer Zeit wieder bei ihnen, saßen die Mitglieder geschlagene sieben Stunden im Bureau, bis sie sich durch ein Telephongespräch überzeugen mußten, daß— Sch. bei einer Geburtstagsfeier in Karlshorft weilte. Als sie diesen merkwürdigen Herrn Geheimrat in späteren Tagen endlich einmal zu fassen bekamen und von Geldzahl-n nicht die Rede war, machte ihm eines der Mitglieder das Angebot, daß er ihnen einen Wechsel über die in Frage kommend« Gag« ausstellen möchte, den sie in vier Wochen einlösen könnten, damit sie überhaupt etwas von ihrem Gelde zu sehen bekämen. Da sagte Herr Geheimrat Sch.:„Das kann ich nicht machen, mit Wechseln habe ich mein« Erfahrungen, Das kann mir nur«inen Reinfall bringen!" » Es fällt einem sehr schwer, hier mit der rechten Bezeichnung des Verfahrens, armen Schauspielern ihr« Gagen vorzuenthalten, zurückzuhalten. Die polizeilichen Aufsichtsbehörden, die koch sonst so furchtbar peinlich sind, wenn es sich um Theaterangelegenheiten handelt, täten wirtlich gut, sich mit der Angelegenheit des merk- würdigen G heimrot Sch. und der noch merkwürdigeren Deutschen Landvolkshochschule recht eingehend und recht geschwind zu beschäf- tigen. Das Ganze in seiner kaum zu überbietenden Realistik ist aber ein echtes Stück der in den dunkelsten Winkeln Deutschlands noch immer üppig wuchernden deutschnationalcn junkerlichen Fusel- kultur. Opfer der Arbeil. Dem Schlosser Karl Tippe! au« der Pankitr. 42 fiel in einer Fabrik in Borsigwalde bei Montage- arbeiten ein Kuellrog auf den Kopf. Er erlitt einen schweren Schädelbruch, an dessen Folgen er unmittelbar nach Ein- lieserung in das Rcinickendorfer Krankenhaus verstarb.— Beim Arbeilen an eine», beweglichen Hebekran wurde der Vorarbeiter Friedrich Mielchend, Markgrafeudamm 12. durch einen herab- fallenden Ausleger eines beweglichen Hebekianes so schwer verletzt, daß er ebenfalls lurz darauf verstarb.
Der Serliner Haushalt 1 923. Ein ungedeckter Fehlbetrag von 30 Milliarden Mark. In der gestrigen Magistratssitzung gab Kämmerer Dr. Kar- ding den ersten Ueberblick über den Haushaltsvoranschlag für 1923, der am Sonnabend mst den Bezirks! ürgermelstern in ge- meinschaftlicher Sitzung beraten werden soll. Der Haushalt ist nach dem Stande vom 1. Oktober 1922 aufgestellt, d. h. Einnahmen und Ausgaben sind so eingestellt, wie sie nach dem Geldwert jenes Tages und den damals geltenden Löhnen, Preisen, Steuern usw. angenommen werden tonnten. Es versteht sich, daß auch diesmal die Ausgaben unbarmherzig auf die geringstmögliche Höhe herabgedrückt werden mußten. Dies ist in eingehen- den Verhandlungen der zentralen Finanzoerwaltung mit den ein- zelnen Bezirken und Zentraloerwaltungen geschehen. Während 1922 der Haushalt noch mit rund 13 Milliarden abschloß, steigt die A b ich l u ß z i f s e r nach dem Stande vom 1. Ok< tober 1922 aus öS Milliarden. Davon entfallen in der Ausgabe 25 Milliarden auf die Bezirke, 39 Milliarden auf die zentralen Ber- waltungen. Unter diesen 39 Milliarden befinden sich 4,4 Milliarden für Berwaltungskosten, 8,3 Milliarden für zentrale Jugend-, Wohl- fahrts- und Gesundheitspflege, 4,6 Milliarden für Kapital- und Schuldenverwaltung, 9,8 Milliarden für zentrale„Gemeindebetriebe. Die großen zeniralverwalteten Werke mit taufmänni- scher Buchführung, namentlich die Gaswerke Wasserwerke, Elektrizitätswerke sind nur mit ihren Ueberschußbeträgen in den Haushalt aufgenommen. Der Gesamtausgabe von 55,2 Mlliarden steht ein« Gesamteinnahme von öl Milliarden gegenüber. Darin End Steuern mit rund 11 Milliarden und die Üeberschüsse er zentralen Werke mit rund 2 Milliarden entlzalten, serner die verschiedenen Gebühren und die Desoldungszuschüss«. Di« Deckung des Fehlbetrages von 4,2 Milliarden wird zum weitaus größten Teil aus den Einnahmen und Mehreinnahmen erwartet, welch« die Gemeinden nach dem Entwurf des Finanz- ausgleichsgesetzes erhalten sollen, namentlich aus der Erhöhung der Umsatzsteuer und der Steigerung des Gemeindeanteils auf 25 Proz., die mit 3 Milliarden veranschlagt ist. Das Bild ist unter der Vor- aussctzung schnellsten Zustandekommens des Fmanzausgleichsge- setze? nicht so ungünstig, wie es erwartet worden ist. In- dessen liegt der gewählt« Sttchtag, der 1. Oktober 1922, am Ansang der ungeheuren Geldentwertungswende der letzten Monate. Seit- dem haben sich die Ausgaben vervielfacht, während die Einnahmen, insbesondere die Steuereinnahmen sich der Geldentwertung nur langsam und unvollkommen angepaßt haben. Man rechnet noch dem Stande vom 1. April 1923 auf Grund vorläufiger Durch- Prüfung mit einer Sleigrnrng der Ausgaben gegenüber dem 1. Oktober aus das Zwölf- bis Fünszehnsache, während bei den allge- meinen Verwaltungseinnahmen nur eine Steigerung auf -das Zehn- bis Zwölffache erwartet werden kann und die Steuern gegenüber dem Oktoberstande sich in sehr viel geringerein Maße vervielfacht haben. Diese verschiedene Entwicklung in den Ausgaben und den Einnahmen bringt den Haushalt 1923, der schließlich doch aus den Stand vom April ge- bracht werden muß. in außerordentliche Not. Die gesamte Ausgabe schwillt nach dem heutigen Geldwert aus 537 M i l l i. arden an, denen nur 517 Milliarden laufende Verwaltungseinnahmen gegenüberstehen. Die Einnahmen aus den Werksüberschüssen, Gütern und Forsten erhöhen sich unter Beibehaltung der gegenwärtigen prozentualen Abgabe auf 52 Milliarden, die Einnahmen aus den Steuern nur von 11(elf) Milliarden auf 195(einhundertundfünf) Milliarden. Ans den neuen Steuern und den erhöhten Steuer- nntcilen des Finanzausgleichsgesetzes werden nach dem Aprilstande 59 Milliarden erwartet, wovon 37(siebenunddreißig) Milliarden aus der Umsatzsteuererhöhung. Es bleibt nach einer' v o r l ä u f i- gen Schätzung der Mehrausgaben und Mehreinnahmen ein ungedeckter Betrag von rund 39 Milliarden Mark. Eine genaue Nachprüfung der einzelnen Ausgaben, und lkin- nahmegruppen auf den Umfang der Steigerung gegenüber dem Oktober 1922 ist noch im Gange. Erst wenn sie vorliegt, wird ein zuverlässiges Bild möglich sein. Schon heute ober ist unzweifelhaft, daß ein völliger Ausgleich von Einnahme und Ausgabe, wenn überhaupt, nur unter schweren Opfern möglich sein wird. • Di« Finanz, und Steuerdeputation beschäftigte sich gestern mit der Aufnahme einer I n h a be r- P a p ie ra n l e ih e. Die Stadt Verlin will, wie bereits gestern an dieser Stelle aus- führlich mitgeteilt, die Genehmigung für einen Anleihebetrag
(?!achdruck«erdoten. Der M-Nk-Verlag, BerNn.l Drei Soldaken. 83� Don John dos Pasfos. Au» dem amerikanischen Manuskript tidcrsetzt von Julian® u m p e r z. Handsome machte einen Schritt vorwärts auf Andrews zu und schlug ihn mit der Faust zwischen die Augen. Sterne tanzten ihm plötzlich vor dem Gesicht, und das Zimmer wir- Helte herum, hart schlug sein Kopf auf den Boden. Er stand wieder auf. Di« Faust schlug ihn wieder auf dieselbe Stelle, blendete ihn, die drei Gestalten und das l>elle Rechteck des Fensters wirbelten durcheinander. Ein Stuhl krachte mit ihm zu Boden, und ein harter Stoß im Hinterkopf lieh auf einen Augenblick alles schwarz werden. .Genug, laßt ihn zufrieden!" hörte er eine Stimme weit weg am End« eines schwarzen Tunnels. Ein ungeheures Gewicht schien ihn niederzuziehen, als er, von Tränen und Blut geblendet, aufzustehen versuchte. Zuckend« Schmerzen schössen wie Pfeile durch seinen Kopf, Handschellen lagen um seine Handgelenke. .Steh' aufl" schnarrte eine Stimme. Er stand auf, schwaches Licht trat durch die strömenden Tränen in seine Augen. Seine Stirn brannte, als ob heiße Kohlen dagegen gepreßt würden. .Achtung, Gefangener!" schrie die Stimme des Offiziers. .Marsch!" Automatisch hob Andrews den einen Fuß und dann den anderen. Er fühlte in seinem Gesicht die kühle Lust der Straße. Auf beiden Seiten tönten die harten Schritte der Militärpolizisten. In ihm schrie eine Stimme, gellend. 6. Unter den Rädern. 1. Die offenen Abfalleimer klapperten, als si" in den Last- krastwagen verladen wurden. Schmutz und ein Geruch ver- saulter Dinge lag in der Luft, wo die Männer arbeiteton. Eine Wache stand dabei mit gespreizten Beinen, den Gewehr- kalben fest n-'e die Erde gestützt. Der Morgennebel lag lies inib vo" r.rc st'- ocien Fenster dos Hospitals. Aus der Tür kam ein starster Karbolgeruch. Der letzte Abfalleimer wurde ipus den Wagen verladen, die vier Gsfanseneu und die Wache
kletterten hinaus und suchten sich, so gut sie konnten, einen Platz zwischen den Eimern, aus denen blutiges Verbandszeug und Asche herauskam, und der Kraftwagen fuhr ratternd ab nach der Stelle, wo der Müll verbrannt wurde, durch die Straßen von Paris , am frühen Morgen. Die Gefangenen trugen keine Uniformen. Ihre Hemden und Hosen waren stark mit Fett und Schmutz befleckt. Ihre Hände waren mit zerrissenen Kanevashandschuhen bekleidet. Die Wack>e, ein schläfriger Jüngling, der ununterbrochen freundlich grinste, hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. wenn der Wagen Kurven nahm. „Wie viele Tage wird man mst so'was beschäftigt, Happy?" fragte ein Junge mit milden, blauen Augen und heller Gesichtsfarbe und rötlichem, gelocktem Haar. „Weiß nicht. Junge. So lange, wie es ihnen Spaß macht." sagte der stiernackige Mann neben ihm, der ein Gesicht wie ein Boxer mit einem schweren, ausladenden Kinn hatte. Dann, nachdem er den Jungen einen Augenblick angesehen hatte, das Gesicht zu einer Art erstauntem Lachen verzogen, fuhr er fort: „Sag'mal, Junge, wie zum Teufel bist du hierher ge- kommen?" „Ich habe einen Fordwagen gestohlen," sagte der Jung« heiter. „Was?!" „Und für 500 Franken verkauft." Happy lachte und hielt sich an einem Ascheneimer fest, um nicht von dem schleudernden Lastauto heruntergeworfen zu werden. „Sache, was Kerl?" schrie er.„Mach' du das'mal nach." Die Wache grinste. „Man hat mich nicht nach Leavenworth geschickt, weil ich nock, so jung bin," fuhr der Junge heiter fort. „Wie alt bist du denn, Junge?" fragte Andrews, der gegen den Fuhrersitz gelehnt stand. „Siebzehn!" antwortete der, wurde rot und senkte die Augen. „Du mußt ja wie der Teufel gelogen haben, üm in diese beschissene Armee hereinzukommen," brummk die tiefe Stimme des Wcgcnsührers, der sich gerade hinübergebeugt hatte, um eine Ladung Tabaksaft auszurotzen. Der Führer zog ruckartig die Bremsen an. Die Eimer schlugen gegeneinander, der Junge schrie auf vor Schmerz:
„Führe deine Pferde ordentlich! Hast mir beinahe das Bein gebrochen!" Der Wagenführer ließ eine ganze Kette Flüche los:„Per- dämmt noch'mal! Diese rammdösigen Wolkenglotzer von französischen Bastarden! Was laufen die uns gerade in den Weg?" „Wer sich hier sein Bein oder was anderes bricht, der kann nur froh sein. Glaubst du nicht auch, Ka-setao?" flüsterte der vierte Gefangene. „Da muß einem mehr passieren, als ein Beinbruch, um aus dem Arbeitsbataillon hier'rauszukommen, Hoggenback. Nicht wahr, Wache?" sagte Happy. Das Lastauw holperte weiter und ließ einen Schwaden von Staub und Gestank hinter sich. Andrews bemerkte Plötz- lich, daß sie die Kais am Fluß entlang fuhren. Notre Dame stieg hell im nebeligen Sonnenlicht auf. Er starrte lange hin- über. Wie ein Mann, der vom Boden einer tiefen Grube aus die Sterne ansieht. „Mein Kamerad, der mußte nach Leavenworth auf fünf Jahre," sagte der Junge, nachd«m»sie lange Zeit geschwiegen und nur auf das Rattern der Eimer im Wagen gehört hatten. „Der hat dir wohl geholfen, den Fordwagen stehlen?" stagte Happy. „Ach was, Ford! Der hat einen Lebensmittelzug ver- kaust. War Eisenbahner. Hat nur fünf Jahre bekommen, weil er von Beruf Steinmetz ist." „Fünf Jahre, das ist genug für jeden," murmelte Hoggen- back mürrisch. Er war ein brestfchultriger, dunkler Mann, der immer den Kopf beim Arbeiten senkte. „Ich traf ihn in Paris : wir waren in der Olympia zu- sammen, mst einer verdammt netten Gesellschaft. Dort wur- den wir gefaßt und aus die Bastille gebracht. War einer von euch schon'mal auf der Baftille?" „Ich!" sagte Hoggenback. „Das ist kein Spaß, was?" «Jesus Christus !" rief Hoggenback aus. Sein Gesicht überzog sich mit einem wütenden Rot. Er wandte sich ab und sah auf die Zivilisten, die am frühen Morgen schnell durch die Straßen schritten, auf die Kellner in Hemdsärmeln, die die Eafolische abwuschen, auf die Weiber, die Handwagen voll Gemüse über die Pflastersteine schoben. _(Fortsetzung folgt.)