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unb die(Semeinben grundmertstsuerpflicht�z gemacht worden. Das geschah insbesondere deshalb, um den beiden waldreichen Kreisen Zerbst   und Ballenstedt   Einnahmen für ihren Land­stragenbau zu verschaffen. Der Steuersatz ist für sie auf ein Maximum von 1 vom Tausend festgesetzt worden. Von der Erundwertsteuer befreit ist ferner mit 1600 Quadratmeter jedes erste Grundstück, auf dem sich ein zu Wohnzwecken dienendes und bewohntes Gebäude befindet.. Für jedes wei tere Wohngebäude sind 200 Quadratmeter steuerfvei. Diese Steuerbefreiung erfolgte wegen der Zwangswirtschaft im Wohnungswesen und der aus ihr hervorgehenden Wohnungs- bauabgabe. Kein Mieter braucht also anzuerkennen, daß Erundwertsteuer auf ihn abgewälzt werde. Aus dieser kurzen Inhaltsangabe des Gesetzes geht klar hervor, daß der Staat Anhalt   ausschließlich im Interesse des Volkes gehandelt hat. Wir erwarten deshalb vom Reichs finanzminister, der feit mehreren Tagen von den Deutsch nationalen mit Protesten gegen dies Gesetz belästigt wird, daß er sich jeden Eingriffs zugunsten der Großgrundbesitzer ent hält. Statt Rsichsexekutive wäre viel notwendiger, daß sich das Reich das anhaltische Steuerbeispiel zum Vorbild nimmt, um so einen ernsten Schritt zur Gesurn düng der Finanzen des Reiches zu machen.
Die kommende SeMbelastnng. Die Sozialdemokratie hat bei ihrem Kampf gegen die Be seitigung der Getreideumlage keineswegs ihrer bis! herigenForm das Wort geredet. Sie verlangte Sicher- stellung der Brotversorgung und wollte verhin dcrn, daß Brot zum Spckulationsobjekt gemacht werde. Des balb schlug sie einen direkten Austausch von Getreide gegen Stickstoff vor. Für den Fall, daß dieser Vorschlag, der mit dem in allen Einzelheiten bereits vorliegenden Gesetzentwurf der preußischen Staatsregienmg im Prinzip übereinstimmt. keine Zustimmung bei den bürgerlichen Parteien findet, hatte sie folgenden Eventualantrag eingebracht: Eine Berbilligung des Brotes um jeweils zwei Fünftel des Marktpreises für Minderbemittelte, zu denen auf jeden Fall die breite Masse der Sozialrentner, Kriegsopfer, Kleinrentner, Erwerbs lose», Armengeldemp fanger und der Kinderreichen zu rechnen ist, ist unter Deckung der erforderlichen Mittel durch Zuschläge zur Vermögenssteuer zu bewirken. Diese Belastung des Besitzes muß vor Deginn des neuen Wirtschaftsjahres durchgeführt sein; eine entsprechende Abänderung des Vermögenssteuergesetzes ist dem Reichstag bis zum 15. April 1923 vorzulegen. Bor dieser ge- setzlichen Sicherung der Berbilligung darf die Reichsgetreidestelle nicht aufgehoben werden." Aber auch dieser Antrag, der verlangt, daß erst die Besitz- belastung durchgeführt ist, ehe die Umlage beseitigt wird, wurde von den bürgerlichen Parteien abgelehnt. Daß' darin die Ab- neigung enthalten ist, überhaupt den Besitz für die Brotver- l illigung zu belasten,, zeigt sowohl der Wortlaut des Antrages der bürgerlichen Parteien als auch die Definition, die ihm. insbesondere durch den Redner der Deutschen Volkspartei  , ge- geben wurde. Er erklärte ausdrücklich, daß die Deutsche   Volks- Partei sachlich mit den Deutschnationalen vollkommen überein- stimme. Der Antrag der Deutschnationalen   aber will die Mittel für die Browerbilligung allenleistungsfähigen Schichten" auferlegen. Wer leistungsfähig ist. geht aus dem Beschluß des Reichslandbundes hervor, in dem es heißt: Eine einseitige Belastimg des Besitzes muß abgelehnt werden, ebenso die Aufbringung der Mittel nur durch die Landwirtschaft. Es sind auch diejenigen heranzuziehen, die infolge ihrer Einkünfte zu den Leistungsfähigen und somit zu den Besitzenden im weiteren Sinne zu zählen sind." Die angebliche Brotverbilligimg durch B e s i tz b e- l a st u n g wird also dieselbe Komödie wie die Zwangs- a n l e i h e. Es wurde eine Belastung des Besitzes versprochen und später wurde diese Belastung den Besitzlosen auferlegt,
die heute schon die große Last der Staatsausgaben tragen. Im Monat Februar z. B. sind von den 103 Milliarden Ein- kommensteuer 97 Milliarden durch den Lohnab- z u g aufgebracht worden, obwohl in dem Monat Februar für die Veranlagungspflichtigen der Borauszahlungstermin liegt, an dem sie aber, wie diese Zahlen zeigen, auch nicht gezahlt haben. Der Versuch, die Abwälzung der Lasten für die etwaige Brotverbilligung auf die Masse der Bevölkerung zu legen, liegt um so näher, als für diese Zwecke bereits bei dem heutigen Preisstande für die 19 Millionen Menschen, die den Anspruch auf die Brotverbilligung haben, der ungeheure Betrag von 750 Milliarden Mark erforderlich ist.
Die Dreisäulenmacht. Arbeiter, Angestellte, Beamte. DieGermania  " widmet dem Vertrag, den der All. gemeine Deutsche Beamtenbund mit den freigewerkschaftlichen Organisationen: ADGB  . und AfA-Bund, geschlossen hat, längere Ausführungen, in denen es heißt: Rund 1l> Millionen Mitglieder umschließt die nunmehrige sozial- demokratische Einheitsfront der Arbeitnehmer, die Dreifäulen» macht der Organisationen der Arbeiter, Angestellten und öffent- lichen Beamten. Di« Hartnäckigkeit, mit welcher seitens der Sozial- demokratie seit Iahren nach der Erreichung dieses Zieles gestrebt wurde,- läßt erkennen, wie sehr sie bemüht ist, das wirtschaftlich« und öffentliche Leben, d. i. letzten Endes der Staat, ihrem Macht- willen zu unterwerfen. Die bekanntenAktionen" der Hewerk- schasten bewegten sich bisher ja nach der gleichen Richtung. Die Sozialdemokratie und die mit ihr auf gleicher Linie marschierenden wirtschaftlichen Verbände dürfen sich jedoch nicht wundern, wenn ihr Druck Gegendruck erzeugt. Sie müssen sich davon über» zeugt halten, daß sich die Aktionen im Rahmen des höchsten Ver» antwortlichkeitsgefühls bewegen muffen, wenn anders die Bolls- gemeinschaft und die heut« nicht minder wie früher notwendige Stoatsautorität empfindlich leiden sollen. Dazu können wir nur sagen: wir wünschten, die Dinge lägen so, wie dieGermania  " sie sieht. Leider gehört aber vor- läufig nur ein Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeit- nehmer auch der Sozialdemokratischen Partei an. Was die Germania  " sieht, ist für uns nur ein Wunschziel, nicht etwas schon Erreichtes. Im übrigen ist einem so gewaltigen Verband von Verbänden gegenüber die Sorge am wenigsten begründet, daß er die Volksgemeinschaft schädigen könnte. Stellt er von ihr doch einen so großen Tell dar, daß er das Ganze nicht schädigen kann, ohne sich selbst zu schädigen. Darum ist der erfolgte Zusammenschluß im Interesse nicht nur der Organisierten, sondern auch der Volksgemeinschaft selbst lebhäft zu begrüßen. Die Reüe Sikorskis. Die Posener Rede des polnischen Ministerpräsidenten S i k o r s k i hat, wie sie mußte, in Deutschland   peinliches Aufsehen erregt. Auf der einen Seite war in Deutschland   die .leberzeugung im Wachsen, daß man zur polnischen Republik, die keineswegs ein bloßerSaisonstaat" ist. in ein möglichst gutes Nachbarvsrhättnis zu kommen trachten müsse, auf der anderen Seite galt bei nnsgerads der gegenwärtige Minister­präsident Polens   als ein Mirnn, von dem vorsichtig aus- gedrückt der Verständigungsgedanke keine f o große Schädi- gung zu erwarten hätte, wie vielleicht von manchem anderen.' Run Hot aber gerade Herr Sikorski durch seine Posener Rede denen Wasser auf die Muhls geleitet, für die der RufFeinde! ringsum!" der Inbegriff aller nationalen Polifik ist. Von polnischer Seite wird uns nun mitgeteilt, daß Herr Sikorski die Behauptung, Deutschland r ü st e zu Revanchetaten, nicht aufgestellt habe. Auch habe sich sein Tadel wegen des Nichterlernens de? polnischen Sprache nicht an die Deutschen  im allgemeinen, sondern nur an die Mitglieder des Konsisto- riums gerichtet, deren eines beim offiziellen Empfang erklärt
habe, kein Polnisch zu verstehen. Auch die Sätze über das Recht des Stärkern und über die Stellung Danzigs   sollen, so wie sie in der deutschen   Presse gestanden haben, nicht aus- gesprochen worden sein. Aber auch wenn man diese Aeußerungen streicht, so bleibt von der Rede doch genug übrig, um den Schluß zuzulassen, daß auch die gegenwärtige polnische Regierung nicht wünscht, Bestrebungen in Deutschland   zu ermutigen, die aus eine ent- schiedene Besserung der nachbarlichen Berhältniffe gerichtet sind. Eine solche Tatsache wäre im beiderseitigen Jntcresie zu bedauern, aber man muß, wenn sie gegeben ist, auch mit ihr rechnen. Gbersthleftsche Putschgerüchte. Ein Sclbstjchutzmanöver? Schon seit einigen Tagen ist die Rechtspreff« eifrig bemüht, Potfchvorbereitungen der Polen   in Oberschlesien   zu melden. So- wohl bei den Gemeindebehörden in Oberschlesten wie bei dem Ober- Präsidium ist von derartigen Vorbereitungen nichts bekannt. Wie verlautet, sollen diese Nachrichten systematisch nach Anweisung aus München   in Oberschlesten an die deutsche Presse gegeben werden. Damit soll die Notwendigkeit der Aufrechterhalt ung des Selbstschutzes bewiesen werden. Es ist dringend notwendig, daß die Behörden diesen Dingen ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Die Leiden der Minderheit. Beulhsn. 13. April.  (MTB.) DieMorgenpost" meldet aus R a t i b o r: Am Mittwoch abend wurde hier der Leiter der deutschen  Minderheitsschulbewegung In Hohenbirken, Bauer, als er von seiner Arbeitsstätte zurückkehrte, von der polnischen Ortspolizci verhaftet. Man befürchtet, daß er nach Krakau   verschleppt worden ist. Nach einer weiteren Meldung desselben Blattes aus K a t t o w i tz wurden in der Nacht zum Donnerstag wieder zahlreiche Schaufenster und Schilder an Häusern, die Deutschen   gehören, mit Pech besudelt. An vielen Stellen ist ein Totenkops zu sehen, um den herum geschrieben ist:Die Deutschen   müssen raus", undRaus mit den Juden!" Satkowih. 13. April.  (Mib.) Zum Vorsitzenden der Stadtver- ordnetenoersammlung wurde nach dem Rücktritt des bisherigen Bor- stehers ein deutscher Studienrat gewählt, der die polnische Sprache beherrscht. Die polnischen Stadtverordneten erklärten in der letzten Sitzung, er beherrsch« die polnische Sprach- nur manael- Haft und sei deshalb für das Porsteheramt ungeeignet: Be- schlüsse, die die Stadtverordnetenversammlung faffe, seien ungc  - s e tz l i ch. Darauf verließen sie die Sitzung und machten dadurch die Versammlung beschlußunfähig. In K ö n i g s h ü t t e wurde vor einigen Wochen zunächst der alte langjährige Stadtverordnctenvai- steher, ein deutscher Rechtsanwalt, wiedergewählt, legt« aber nach kurzer Zeit das Amt nieder, da er die Leitung in polnischer Sprache nicht durchführen tonnte. Infolge Uneinigkeit der deutschen   Frat- tionen wurde dann ein Pole zum Vorsteher gewählt. Oberbürger- meister B r a h l ist wegen der Schwierigkeiten, die das Amts- sprochengesetz seiner Amtsführung bereitet, zurückgetreten. Es ist zu befürchten, daß in absehbarer Zeit die Mehrzahl dcr deutschen städtischen Beamten in ganz Polnisch-Oberschlesien ihre Aemter niederlegen. Polnische Beamte stehen in genügender Zahl nicht zur Verfügung._ Lehrerbilöungsfragen. Der 30. Ausschuß des Reichstags folgte der Anregung her sozial- demokratischen Fraktion, die Reichsregierung zu ersuchen, ihren ob. lehnenden Stanopunkt in der Lehrerbildungssrag« nach- zuprü en und dem Reichstag beschleunigt ein entsprechende, Gesetz vorzulegen. Es ist, erfreulich, daß Sachsen   und Thüringen  im Einoernehmen mit der Reicheregierunz die Initiative«rgriffcn haben und bereits jetzt ihren Landesrersammlungen entsprechende Vorlagen unterbreitet haben. Falls die Regierung nunmehr ihren Standpunkt revidiert, würde es erwünscht sein, daß Thüringen   und Sachsen   beschleunigt ihre Lehrerbildung durchführen, damit sur da, Reich schon in diesen Ländern ein« gute Grundlag« geschaffen wird.-_ Zeitungsverbok. DieFrankfurter Rachrichten" sind wegen eines ArtikelsZweierlei Matz" gegen den Mtnisler de, Innern Severing auf Grund de? Schutzgesetzes auf zwei Wochen verboten.
Der Proletarier und das Kabarett. Das deutsche Kabarett, heute noch Doinäne des zahlenden Bürgertums, weist manche Voraussetzungen für eine proletarische Kunst- und Unterhaltungsstätte auf. Wenn an dieser Stelle über- Haupt von Berliner   Kabaretts gesprochen werden kann, so geschieht es nicht referierend. Weder der Nackttanz noch das billige Chanson kümmern uns. Die Lüsternheit dessen, der mit alkoholgetrübtem Aug' geschlechtliche Reizungen sucht und die Muffigkeit des an- deren, der das Strafgesetz gegen die Nacktheit aufruft: es sind mittel- bare Folgen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, Erscheinungen einer Welt, in der wir nur zufällige Gäste find. Nur dem Satten ist Celly de Rheydt ein Problem. Der Hungrige kann weder Ge- schmack finden an sexuellen Reizmitteln(seien es nun Bilder oder Worte) noch kann erAnstoß nehmen". Der Lüstling sowohl wie der Vrunner es sind beide bürgerliche Typen. Das gute Kabarett, in bewußter Anlehnung an die Pariser  Montmartre  -Kunst einige Male in deutschen   Städten, wie München  und Berlin  , versucht, hat längere Lebensfähigkeit nicht bewiesen. In Paris   lebt das literarische Kabarett von jenen, die es schaffen: von Literaten. In Berlin   muß es sich darauf beschränken, dem Spieher, der es besucht, den karikierenden Spiegel vorzuhalten. Der gutgelaunte Bürger hat es manchmal gern, sich verspotten zu laffen zuniol. wenn er in dem Geaenstand des Spottes nicht sich selbst wiedererkennt, fondern seinen Kompagnon. Wehe aber, wenn er sich seihst getroffen fühlt! Wenn ein bürgerliches Gemüt oerletzt ist, bringt es sogar eine Einheitsfront mit dem geschäftlichen Associe zustande.. Also muß dos Berliner   literarische Kabarett Kompromiffe schließen: ei» bißchen Spott und«in bißchm Frauenfleisch: Satire und Spibenhoschcn: Verhöhnung und Versöhnung. Der literarische Kabareitkünstler meist ein bewußter Proletarier gleicht jenem schreibenden Literaten, der den Lesern einer bürgerlichen Zeitung den geistigen Fortschritt darstellen soll. Er mildert, er muß mildern, weil jedes bedeutungsvolle und vorwärts weisende Ereignis im Reiche des Geistigen die bürgerliche Welt, die Welt des Lesens, negiert. Solange also das literarische Kabarett auf bürgerlichen Besuch angewiesen ist, muß es unvollkommen bleiben. Di« Sängerin der beißenden Satire ist zugleich Reklameträgerin der oder jener Mode- firma. Hart neben dem antibürgerlichen Witzbold steht. auf dem Programm das Seidenmodehaus. Das Dekollete« mildert die Ironie. Während man sich über seinen Kaiser lustig macht, blinzelt der wilhelminische Untertan nach dem entblößten Frauenbein. Das Kabarett kann nur dann literarisch sein, wenn es prole- tarisch wird. Nicht wegen der hohen Geistigkeit meidet es der Ar- beiter heute, sondern wegen der hohen Eintrittspreise. Schlimm ist es, daß der Proletarier sich mit dem billigen, auf Knall- und Tränen- effekte gestellten Vorstadtkabarctt begnügen muß. Dort ist er in einer fremden Welt, in der die bourgeoise Lüsternheit, der bürger- liche nationalistischeHumor" und das sentimentale Chanson herrschen. Zwei Berliner   Kabaretts, die ich in dieser Woche besuchen konnte, bestätigen das oben Ausgeführte: dieRote Nachtigall in der Elsoffer Straße und dieWilde Bühne" in der Kantstraße,
DieRote Nachtigall" hätte ein proletarisches Kabarett das erste in Deutschland   werden sollen. Das.wurde es nicht. San- dcrn Herr Peter Sachse leitet es. Peter Sachse hat einen Kabarett- und Bariete-Trust einen geschäftlich sehr ergiebigen Betrieb, der es dem Inhaber gestattet, seine Mitwirkenden cm einem und dem- selben Abend abwechselnd an seinen verschiedenen Bühnen aus- treten zu laffen, und so mit einem verhältnismäßig steinen Ensemble mehrere Theater zu versorgen. Das Geschäft geht anscheinend gut. Sachse erwirbt ein Kabarett nach dem anderen. Und leider auch die billigen die Amüsementsfallen für da« Proletariat. DieRote Nachttgall" hat Ringclnatz ausgenommen das übliche Klischeeprogramm: die Dorstadtsoubrette mit schlechter Stimme und Goldplomben, einen Konserencier mit den üblichen Begrüßungsphrasen, ein paar Tänzer. An dem Tag, an dem ich das Kabarett besuchte, trug ein Flüchtling aus dem Ruhrgebiet  , ein aus Mitleid und Patriotismus zugelaffener Intellektueller, Gedichte von Dehme  ! und Heine vor. Und ffe gefielen dem Publikum, das aus einfachen Menschen zu bestehen schien. Joachim Ringelnatz  , den einzigen literarisch ernsten Mitarbeiter des Kabaretts, konnte Ich leider nicht mehr hören. Ein Beweis dafür, daß es gesund gewesen wäre, aus derRoten Nachttgall" eine proletarische Kleinkunstbühn« zu machen. Leider aber wird die Literatur nicht in der Elsofler Straße heimisch, sondern in der westlichen Kantstraße, wo die Leute zahlen können. Natürlich schließt die Literatur hier jene notwendigen Kompromiffe. von denen ich oben sprach. Trude Hesterberg  bringt eine Mehringsche Sartre   gegen die Presse, Paul Nikolaus  hat reizende steine Bosheiten gedichtet. Allein, diese ganze antt- bürgerliche Tendenz geht in diesem Milieu verloren. Eine Propa- gcmda gegen das Bourgeois«, vor der Bourgeoisie betrieben, ver­liert ihre Wirkung. Der Witz verpufft und gleitet an dem Bauch- des Zuhörer» ab. Dieser Witz erfordert ein Publikum ohne Bauch. Dann könnte man auch die Kompromiffe weglassen: eine Wehstage auf den sterbenden Mittelstand zum Beispiel, für den der reich ge- wordene Klassengenoffe gern eine Träne zur Berfügung stellt, um seinen Beutel zu retten.
Der Wert des Kabaretts besteht in seinen Propagandamöglich- leiten. Es darf ffch«her ein« scharfe Tendenz erlauben, als die große Bühne. Es hängt inniger mit den Ereigniffen des Tages zu- jammen, mit den Geschehnissen der Politik. Es kann auf direktem Weg erzieherisch wirken. Deshalb ist ein Puritonismus, der das Kabarett gering schätzt, nicht am Platze. Es könnte«ine Kleinkunstbühne geben, auf der der soziale Kampf ins Geistige, Witzig-Amüsante übergeleitet wird:«Ine Satire, mit dem Zweck, den.Brotgeber" und seiner Welt jener Würde zu entkleiden, die ibnen der Besch verleiht. In diesem Theater würde sich der Proletarier heimisch fühlen. Omega,
Der R-ichsknnsswark über die moderne Bühne nkunll. Aus Darmstadt   wird geschrieben: Vor einem gewählten Publikum hielt Reichskunstwart Dr. Redslob in Donnstodt einen fesselnden Vortrag über die Beziehungen der bildenden
Kunst und Bühne. In geistvollen Thesen brachten sein« Aus- führungen den Beweis, daß sich in der modernen Dühnenkunst Deutschlands   mit einer seltenen Klarheit das Geschehen unserer Zeit, all unsere geistigen, materiellen und kulturellen Nöte widerspiegeln. Und zwar nicht nur in den Erzeugliissen der modernen Buhnen- litemtur, sondern in der ganzen Art. wie wir auch klassische Stuck« heute durchdringen mit dem Geist unserer Tage wie wir sie mit unserem Gefühl ersoffen und au» unserem seelischen Bedürfnis heraus gestalten. Und weiter, daß dies« modern« Bühnenkunst nicht nur die Nöte unserer Gegenwart, unser kulwvell-aeistiges Leid wider- spiegelt, sondern daß ihr kraftvoll gestaltender Ausdruck auch gleich- zeitig Beweis dafür ist, daß wir nicht kusturellem Untergang, sondern Aufstieg entgegengehen, daß die moderne Bühnenkunst heute schon«in kraftvoll betonter Wille zum Leben und zum kulturellen Neuschöpfen ist. Der Urwald von Ceylon und sein Leben" war der Inhalt eines sehr gedankenreichen Vortrages, den P r o f. D r. Günther in der Urania hielt. Meisterhaft verstand er es, den Zuschauern die tropisch« Natur schauen zu lehren, denn die Natur drängt sich nie- mandem aus. Ein« jede Landschaft hat ihr Antlitz und es tcmmit nicht darauf an, was man sieht, sondern, wie man sieht. Einführend in das Iropengebiet, erstrebte der Redner zuerst bei den Zuhörern ein« Loslösung von festgesetzten Begrissen. Denn diese hindern daran, das Wesentlich« auszunehmen. Die Gedanken an die tropisch« Ueppigkeit, die Farbenpracht und den Dust muffen nämlich von Grund aus aufgegeben werden. Wir haben eben die Vorstellung der Ueppig» beit aus unserer Natur herausgenommen. In Ceylon ist aber alles nicht so aus die Jahreszeiten zusammengedrängt. Bei dem herrschen- den gleichmäßigen Klima können die Pflanzen das ganze Jahr an sich bauen. Di« Tropewbäume haben eine holzartige Entwickelung, sie haben nicht den Blätterreichtum. der unsere Bäum« schmückt. Ein glitzernder Wald ist dcr Tropenwald, der sich schlecht photographieren läßt. Di« Tropenlandschast bringt eine Ermüdung mit sich, daher ist auch die Lebensverneinunz der Religionen verständlich. In Dsutschtand hat man Baumarten, in Ceylon 1500. Der dortig« Urwald ist beleuchtet bis aus den Grund. Man sieht sehr individuelle Bäume, sie setzen voneinander ab und plastisch steht man die einzei- nen Kuppeln. Der Urwald der Höhe wechselt mit Steppe. Im trockenen Dschangel(der Redner verwahrt« sich gegen die Bezeich- nungDschungel) gewahrt man die Wolfsmilch als Boumart. Die Palm« spielt im Urwald von Ceylon keine Rolle, wohl aber an der Meeresküste, weil dies« mit Kokospalmen besetzt ist. Orange trifft man unter den Farben häufig an. Do, Grün de  , Papageien ist keine Schutzfärbung, im Gegenteil, er fällt im Urwald auf. Als Höhlenbrüter braucht der Papagei auch keine Schutzfärbung Indem Prof. Günther eindrucksftart für den Schutt der Natur warb, brachte er. dank seiner harmonischen persönlichen Einstellung zu der Natur. mm� Zuschauer zu einem seelischen Erfassen, der. wenn auch nur im Lichtbild, geschauten Schönheiten. e. d. ilrno H»l;. der am 2«. April sein 60. Lebenssahr vollendet, ist von 63 Professoren der Literatur und Aefthetik an deutschsprachigen Hochschulen des In- und Auslandes zur Verleihung des Nobel- Preises für Literatur vorgeschlagen worden: es sind da»»wei Drittel der Vorschlogsberechtigten deutscher Zunge überhaupt.