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verstäiüngen prüfen zu lassen, während ein eigener konkreter Vorschlag mit einer solchen Begutachtung unvereinbar ist. Vor allem genügt es nicht, immer wieder in mehr oder minder deutlichen Ausdrücken die eigene Verhandlungsbereit- schoft zu bekunden, wenn Woche für Woche vergeht, ohne daß man sich zu einem solchen Entschluß aufrafft. Der Reichs- kanzler hat mit seinen Münchener Redewendungen der bayeri- schen Regierung Knilling und den sogenanntenVaterländi- schen Verbünden" gegenüber weit mehr als seine Schuldigkeit -getan, denn den bayerischen Hofbräupolitikern schuldet man g a r n i ch t s, während man den Frontkämpfern an der Ruhr und am Rhein alles schuldet. Deshalb haben wir die letzten Erklärungen Cunos bei der Trauerfeier im Reichstag für die Opfer des Essener Blutbades rückhaltlos begrüßt: aber wir erwarten, daß diesen Worten auch Taten folgen. Die Gelegenheit zum Handeln ist in der französisch-belgi- sehen Erklärung gegeben, wonach die Einbruchsmächte ihr Unternehmen fortfetzen zu wollen versichern, bis Deutsch - land Vorschläge über re ich t. Die Reichsregierung kann solche Vorschläge um so eher machen, als sie bereits vor dem Einmarsch ein Angebot unterbreiten wollte und nur durch Poincarä daran gehindett wurde. Indem sie am Eingang eines neuen Vorschlages auf diese nackte Tatsache einfach hin- weisen würde, könnte sie der Gegenseite einen sehr empfind- lichen moralischen Schlag versetzen. Die gegenwärtige Sllua- tion ist jedenfalls für eine wirklich aktive Politik günstig. Es gilt sie auszunutzen. Unter der Politik der versäumten Ge- legcnheiten hat das deutsche Volk wahrlich schon genug ge- litten. Wird ein neues deutsches Angebot, dem die deutsche So- zialdemokratie mit gutem Gewissen ihre Zustimmung geben kann, abgelehnt, nun, dann wird mit erneuter Ent- schl o s s e'n h e i t und mit rückhaltloser Unter- stützung der gesamten deutschen Arbeiter- klasse der Kampf in der bisherigen Weise fortgeführt werden. Aber die deutsch Arbeiterklasse hat auch einen Anspruch darauf, zu wissen, woran sie ist. Insbesondere die kämpfenden und leidenden proletarischen Schichten an der Ruhr benötigen der Ueberzeugung, daß ihr Kamps und ibre Leiden nicht unnötig verlängert werden. Sie müssen die Ueber- zeugung gewinnen, daß die Regierung weiß, was sie will. Der Reichsminister für auswärtige Angelegenheiten wird morgen im Reichstag bei der Beratung seines Etats Gelegen- heit haben, dem deutschen Volke und der ganzen Welt zu sagen, wie die Regierung Cuno ihrerseits dazu beitragen will, den Frieden wiederherzustellen, den die Gegner gebrochen haben.

Saperisch-'lkischer Uedermut. Dreiste Verhöhnung des Staatsgerichtshofs. Während sich die Berliner Rechtspresse einschließlich der Deutschen Allgemeinen Zeitung" über den Zugriff der Ber - liner Polizei gegen dieReichsleitung" der verbotenen Deutschvölkischen Freiheitspartei erregt, versucht man in München aufs neue, einen Konflikt mitdem Reiche künstlich herbeizuführen. Zwei sonderbare Heilige, die Redakteure desVölkischen Beobachters" und des ihm gleichgeartetenMiesbacher An- geV�", weigern sich, vor dem Staatsgerichtshof zu erscheinen. Die sogenanntenVaterländischen Kampsverbände"/ an deren Leitpnq Ludendorff beteiligt ist, senden eine Deputation zu dem bayerischen Ministerpräsidenten, um ihm die freche For- derung zu unterbreiten, er solle auf keinen Fall dem Ersuchen des Staatsgerichtshofes Folge leist°n und etwa den Haft- b e fe h l gegen die beiden mutigen Deutschen ausfichren lassen. Herr v. Knilling hat die Deputation, soweit bis jetzt bekannt ist, nicht etwa wegen Nötigung eines Beamten zu einer pflicht- widrigen Handlung sofort festsetzen lassen, aber er läßt wenig- stcns offiziös erklären, daß die bayerische Regierung einen

solchen Haftbefehl selbswerständlich ausführen lasten müste, sobald er in München eintreffen würde. Ein Berliner Blatt will allerdings schon erfahren haben, daß die bayerische Re- gierung das Ersuchen nach Leipzig zu richten beabsichtige, keine weiteren Haftbefehle zu erlassen, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Inzwischen zieht derVölkische Beobachter" schärfere Saiten auf. Er nennt den Staatsgerichtshof zum Schutze der RepublikStaatstzerichtshof zum Schutze der jüdischen Vorrechte", höhnt über dieunantastbaren Persönlichkeiten Fritz Eberls und Dr. Wirths", erklärt, daß sein Redakteur pflichtgemäß nicht erschienen war" und stellt seine Forderungen: Jetzt muß dieser Hohn auf uns alle aber ein Ende haben. Wir erwarten von der bayerischen Regierung, daß sie in Erkennen ihrer selbständigen Pflicht dem deutschen Bolle gegenüber sofort ein« Erklärung abgibt, daß sie den vom Staatsgerichtshof ausgesprochenen Haftbefehl gegen Dietrich Eckart nicht anerkannt. Sie hat, im Gegenteil, zu fordern, daß sofort die gesamte Kommunistische Partei aufgelöst, ihre Gelder beschlagnahmt, ihre Zeitungen aufgehoben, ihre Führer oer- haftet werden.... Man sieht, daß Bescheidenheit eine Eigenschaft ist, die d?n Völkischen nicht ziert, wenn er in München beheimatet ist. Der Dietrich Eckart fühlt sich trotz des Haftbefehls so sicher, daß er allerdings unter Verantwortlichkeit seinesHauptschrift- leiters" Rosenberg! das Leipziger Gericht den Staat sgerichtshof des Börsen st aates" nennt und dann etwa in diesem Stile fortfährt. Nachdem die Schergen der jüdischen Börse unsere Partei in ganz Norddeutschland verboten und eine Anzahl völkischer Führer im Zeichen der nationaljüdischen Einheilsftonl ins Gefängnis ge­setzt haben, wird jetzt auch nach Bayern übergegriffen. Fritz E b e r t, der ZNunitionsstreikorganisator und augenblicklicher oer- sassungswidriger Präsident des sogenannten Freistaates Deutsch . land, fühlte sich in seiner hohen Würde beleidigt, weil Dietrich Eckart zu einigen drastischen Zeichnungen ein Gedicht auf Seine Unantastbarkeit gemacht hatte.... Dieses humoristische Gedicht genügte, um die Republik in Gefahr zu bringen oder viel- mehr: Es gab den B o r w a n d, umgesetzmäßig" eine dem Judentum und seinen Schergen verhaßte Zunge zum Schweigen zu bringen Auch Dr. W i r t h war beleidigt, weil derVölkische Beobachter" mehrere seiner eigenen Reden gegenüberstellte und an- gesichts dieserLeistungen" sagte, wie es im Kopse dieses Er- füllungsdvktors aussehe, könne wohl nur ein Psychiater feststellen. In dieser Tonart ist das ganzeBlattcm, einem ein- zigen Tage gehalten. Im Feuilleton z. B. wird unter dem TitelDer Feind im Land" der Besuch des Reichspräsidenten in München geschildert: Viele empfinden den bitteren Hohn, den Munition?- streikorganisator vmr 1S17, einen der vorbereiler des deutschen Zusammenbruches gleich einem Souverän empfangen zu sehen.... Pfiffe, Johlen, Gelächter! Em Jüngling überreicht demLandesvater" die rote Badehose. Das Auto springt an. Eine Flaggenparade gleichartiger Ehren- wimpel grüßt zu beiden Seiten. Vereinzelte Hochrufer c r- sticken unter den Fäusten der deutschgesinnten Mehrheit, die niemals dem Mitakteur des 9. November verzeihen wird. Kreuz und quer durch München geht die beschämende Rundfahrt des Relchspräsidenien...." So geht es fort mit Grazie ins Unendliche! In jeder Nummer desVölkischen Beobachters" werden ähnliche T ö n e angeschlagen, ohne daß ein bayerischer Staatsanwalt oder die bayerische Regierung Veranlassung nähmen, gegen diese schamlose Methode einzuschreiten. Sogar dem drestten Ansinnen, den Haftbefehl nicht auszuführen, wagt die baye- rische Regierungspresse nur mit schwächlichem Verlegenheirs- gered- zu begegnen. In B c r l i n aber entrüsteten sichnationale" Blätter dar- über, daß man den V e r b ü n d e t en der Hitler-Leute wenig- stens in P r e u ß e n ihr Treiben unmöglich macht. Und man

Ssrgen des Kurfürstendamms. Von Joseph Roth . Ter Kurfürstendamm hat auch seine Sorgen es ist nicht zu leugnen. Ich bin dank einem gnädigen Schicksal in jener Konditorei, die wie eine Bonbonniere aussieht, mit Goldzierrat und Stukkatur und der süßen Ornamentik aus Marmor mit Schlagsahne. Rings an den kleinen Tischen sitzt, in runde Kampfgruppen ge- trennt, die ganze Einheitsfront des westlichen Bürgertums, löffel- bewehrt und siegreich im Krieg gegen Schokoladeeis, das auf dem schlüpfrigen Schlachtfeld aus Porzellan strategische Rückzüge vollführt. Man sieht: Gattinnen mit Perlenbesatz: Schwiegertöchter in mittlerem Alter, den Ansatz verräterischen Doppelkinns durch gestreckte Kopfhaltung bekämpfend: Männer mit Haarausfall infolge Dioi- dendenstudiums: angehende Schwiegersöhne(d. h. Schwiegersöhne, die es angehen), auf Taille genäht, die Silhouette des modernen Mannes wahrend, oben breit, unten schmal, eine umgekehrte Pyra- mid«; die jungen Töchter, Zielsiguren der tresslichen Schützen, heute noch in dustigem Kleidchen, morgen schon jene Gewichtigkeit an- deutend, zu der die Mitgift verpflichtet; ferner befreundete Jung- gesellen, die beharrlich auf die Sicherung eines behaglichen fremden Heims hinarbeiten, mit garantiertem Suppen- und Liebesgenuß: und hier und dort auch eine kleine Gouvernante, als Stütze der Hausfrau attachiert und erbarmungslos der ganzen Gutherzigkeit der Gesellschaft ausgeliefert. Diese Menschen haben auch ihre Sorgen es ist nicht zu leugnen. Da ist zum Beispiel der kleine Dagobert, zu Hause gelassener Sproß jenes Mannes, der mit gespitzten Fingern über die Glatze streicht und dabei gähnt. Während des Gähnens erinnert er sich, daß man die Hand vor den Mund halten soll aber dann ist es schon zu spät. Dieser Dagobert höre ich, zu HauseDago" gerufen, ißt partout keine Hülsenfrüchte. Er hat was gegen Hülsenfrüchte, der kleine Dago. Meiner Lucy schütte ich zwei Eier in die Schokolade so merkt sie's nicht!" sagt eine Dame mit blonden Lockenornamenten. Mein Mädchen geht jeden Nachmittag mit den Kindern spa- zieren." äußert eine Mutter mit nackten Armen. Man muß sehr achtgeben auf diese Mädchen haben Sie jetzt «in gutes, meine Beste?" Ich erfahre unter anderem, daß die Frau Grünberg zu Lah- mann nach Dresden gefahren ist. Sie hatteSummen im Kopf", die Arme.(O, was für ein« prachtvoll« Ironie der Sprache, die für den Besitz dasselbe Wort hat, wie für das Leiden.) Der Mann der Frau Grünberg hat sie begleitet. Nun spricht er jeden Tag mit Berlin , der Arme, mit der Börse, um Summen gegen das Summen zu verdienen. Auch die kleine Frau in Grün aspiriert auf Lahmann, drei Wochen würden ihr genügen.Ich weiß noch nicht, mein Kind" sagt ihr Mann. Er hat schwarze Borstenbärchen an den Fingern. Frau Nerz(sie heißt kostbar, wie ein Pelz) war gestern mit ihrer Tante bei Fridericus Rex.Der vierte Teil ist pyramidal,"

sagt ein Mann mit ungarischem Akzent er könnte Cserepy heißen. Diese Schlacht ist fabelhast herausgekommen," lobt der Glatzköpfige, ein Sachverständiger in Strategie. Sein Angesicht schreit nach dem Korps Roßbach. Und ein angehender Schwiegersohn trommelt den Fridericus- Rex-Marfch mit dem Löffel auf die Porzellanschale. Herr und Frau Bormann kommen eben aus dem Theater. Herr Bormann hat einen geröteten Nacken. Wenn er sich geistig anstrengt, äußert es sich in einer Färbung des Hinterkopfes. Herr Bormann. trägt einen Smoking. Frau Bormann hat»in Stilkleid und ein langstieliges Lorgnon. Wenn ihr der Kellner Kaffee bringt, prüft sie das Getränk durch das Glas. Das erweckt den Anschein, als hätte sie einen kurzsichtigen Gaumen. Herr und Frau Bormann waren inW. U. R." Sie stammen aus Rußland , wie man an den Konsonanten hören kann. Aber sie haben sich mittels deutscher Harpen «" kulturell assimiliert. Wir fahren zu Lahmann" sagt Frau Bormann. Das hat mir noch gefehlt denkt der Gatte der grünen Frau. Er erhält einen Rippenstoß, offenbar, damit er ein stärkeres Vc- dürfnis nach einem Sanatorium oerspüre. Wir geben das Silber zu den Schwiegereltern," sagt Frau Bor- mann, und das nicht etwa, um mit dem Besitz von Schwieger- eltern zu protzen. Und. da alles schweigt, sagt Frau Bormann laut: Silber wird jetzt so gestohlen, man liest nur von Silber!" In de.c Zuhörenden, die auch Silber besitzen, macht sich ein leiser Widerstand geltend. Der Glatzköpfige gähnt und fährt zu spät mit der Hand nach dem bereits längst geschlosicncn Mund. Auch ist der Gedanke an Einbruch nicht angenehm. Man ruft: .-Zahlen." Die Gouvernante hilft so vielen Damen in den Mantel, als ihr möglich ist. Gott hätte den Gouvernanten sechs Hände mitgeben lyüsien. Zum Schluß schlüpft sie selbst in ein dunkelblaues dünnes Föhn- chen. Sie geht neben den Herrschasten einher, wie ein Gebrauchs- gegenständ, der zufällig Beine bekommen hat. Auf der Straße ist es kühl geworden, ein Wind geht und es ist leider Gottes kein freies Auto �u finden. Man steht am Rande des Burgersteigs und späht nach leeren Wagen. Nicht einmal ein Auto," sagt Frau Bormonn. Und die armen braven Bürger zerstreuen sich zu Fuß und der ganze Kurfürstendamm widerhallt von den Sorgen seiner Geschöpfe. Morgen wird der Polizeibericht melden, wieviele Menschen in dieser Nacht aus dem Leben geflüchtet sind, statt zu Lahmann. Es hat jeder seine Sorgen in dieser Wcllt....

Die russische Phädra. Die russischen Kammerspleler oer- sagen sehr. Was ihren weichen Sprachkünstler Brjussosf und Schiller veranlaßt hat, die Racinesche Sprache, diese klingende Weichheit, diese gefühlvolle Rhetorik, diesen Ueberschwang der melodisch ab­geteilten Alexandriner nachzuahmen, das wird von den russischen Kammerspielern nicht wieder erweckt. Es fehlt ihnen eigentlich die

hätte doch viel mehr Anlaß zu fragen, was der Ober« reichsanwalt und was die Reichsregierung ge- t a n haben, um gegen die Hitler , Eckart und Konsorten das Gesetz zum Schutze der Republik zur Anwendung zu bringen, nachdem der Staatsgerichtshof die Nationalsozia- listische Partei ausdrücklich als oerboten bestätigt hat. Auf unsere Fragen an die Reichsregierung über ihre Tätigkeit oder Untätigkeit in dieser Richtung harren wir bisher noch vergeblich der Antwort!

Ungebetene Gäste. Tie Auslandsprspaganda der deutschen Monarchisten. Die abgetakelten deutschen Generäle kennen anscheinend auch während des Existenzkampfes des deutschen Volkes an der Ruhr keine andere Aufgabe, als den Kampf gegen die deutsche Republik und die Diskreditierung der deutschen Politik im Auslande. Zu ihren bisherigen Bemühungen, die Sympathien für Deutschland im Auslande herabzusetzen, kommt nun ihr neuester Versuch, auch Finnland in den Kreis ihrer Agitationsgebiete einzubeziehen. Wie uns aus Heising- f o r s gemeldet wird, ist dort vor einigen Tagen eine Gruppe deutscher Monarchisten mit dem Grafen v. d. Goltz an der Spitze eingetroffen, und zwar mit der Absicht, eine groß- zügige Agitation in Finnland zu entfalten. Dieser Besuch hat in den breitesten Kreisen der Bevölkerung heftige Erregung und Empörung ausgelöst, da General o. d. Goltz, als Leiter der deutschen Strafexpeditionen" im Jahre 1918, sich den Ruf eines erbarmungslosen Henkers in Finnland erworben hat. Im Zentralorgan der finnischen Sozialdemokratie Suomen Sosialdemokraatti" macht der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Genosse Reinh. Soentorzetski folgende Ausführungen: Auf wessen Einladung sind die Herren v. d. Goltz, Meurer und Bruck nach Finnland gekommen? Die Regierung hat sie nicht eingeladen, der Reichstag ebenfalls nicht, als Gäste des Prä- s i d e n t e n können sie nicht angesehen werden, und am oller- wenigsten als Gäste des finnischen Volkes. Die Sympathie Finnlands für das deutsche Volk ist aufrichtig und allgemein. Aber diese Sympathie richtet sich an die Adresse der deutschen Republik. Unser Zorn ist aufrichtig, wenn wir über die französischen Gewalttaten im Ruhrgebiet sprechen. Aber wenn die Vertreter jener deutschen Politik, deren giftige Früchte jetzt das deutsche Volk genießen muß, hierher kommen, so verringern sie durch ihren Besuch nur den Aufschwung jener Sympathien, der in letzter Zeit zugunsten Deutschlands zu verzeichnen war. Zu frisch sind noch in der Erinnerung dieExpeditionen" des Grafen v. d.' Goltz im Jahre 1918. Ihre blutigen Spuren sind noch nicht verschwunden, und deshalb verlangt die finnische Arbeiterklasse, daß auf den Gräbern der gemordeten finnischen Arbeiter keine fascistischen Orgien gefeiert werden. Wir sind erstaunt, daß die deutsche Regierung und die deutsche Diplomatie diese taktlose und für Deutschland selbst schädliche Reise der Herren Goltz, Meurer und Bruck nicht verhindert haben. Wir möchten glauben, daß dieser ungebetene Besuch auch in Deutschland selbst nicht unbeachtet vorübergeht. Würden die wir k- lichen Vertreter Deutschlands nach Finnland kommen, so unter- liegt es keinem Zweifel, daß sie hier mit offenen Armen vom Volk« empfangen werden würden. Kann denn Graf v. d. Goltz in den schweren Tagen de? Ruhrkompfes wirklich keine andere Be- schäfligung finden, als monarchistische Paraden auf den Plätzen von Helsingfors abzuhalten?" Wir haben diesem Protest unseres finnischen Partei- organs nur wenig hinzuzufügen. Auch wir betrachten die Propagandareise desBaltikumers" Graf v. d. Goltz als eine unverzeihliche Provokation, die nur geeignet ist, das Ansehen Deutschlands im Ausland« herabzusetzen. Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit mit dieser monarchistischenAktion" nicht das geringste gemein und lehnt es entschieden ab, mit ihr auch nur im entferntesten in Verbindung gebracht zu werden.

Melodie, sie sind nicht imstande, jeder Gelenkigkeit des Verse» noch- zufolgen. Sie bauen sich von vornherein pompös in die Szene, die wieder ziemlich einfach, ziemlich barbarisch das Altertum andeuten soll. Aber der Mensch, der so massiv im Räume steht, verliert an Menschlichkeit, wenn cr sich nur auf die schöne 5)aUung stilisiert, wenn er selbst im Zusammenbrechen seines Körpers nur nach bild- licher Wirkung strebt, nicht ober nach seelisch wirkender. Welch merkwürdig unanständiger und grausamer und bestialisch verspielter Stoff, diese Geschichte von der athenischen Königin Phädra, die ihren Stiefsohn Hivpolyth liebte! Dieser Hippolyth war ein merkwürdig verdorbener Mensch, nicht etwa ein kalter junger Herr, der sich überhaupt nicht an junge Mädchen heranwagte, cr war ein Lüstling von jungen Jahren. Er entzieht sich seiner leiden- schastlichen Stiefmutter nur, weil er bei einer anderen, jüngeren, lustigeren Dame des athenischen Hofes mehr Glück erhofft. Und diese Phädra, die ihr berühmtes Liebesgcstöndnis, das bei Euripides noch brennender ist als bei Racine, herstainmelt, sie gehört der Sage nach nicht ohne Grund zur Blutsverwandtschaft der Medea . Gleich, wenn sie glaubt, daß Thescus, der Gatte, der nebenbei bemerkt, zwar ein Held, aber auch ein sehr loser Vogel ist, des Todes abging, will sie sich zügellos dem Abenteuer bingebcn. Es herrschte da ein Misch- masch von einer kuriosen Familientragödie, die sich in der hellenischen Hauptstadt abspielt. Es ist eigentlich ein toller Naturalismus, anttk verbrämt, mit der Grohmäuligteit des Mythos aufgetakelt. Und wenn zum Schluß alle beteiligten Liebhaber und Liebhaberinnen entseelt am Boden liegen, dann haben die olympischen Götter tüchtig mit der Schwäche des Menschenherzens aufgeräumt. Max Hochdorf . Einen heileren Abend veranstaltete am Freitag im Hammonium- saal in der Steglitzer Straße Hans G e h r k e, ein der Oefsentlichkeit noch unbekannter junger Rezitator. Mit geschulter Sprache und ancrkenenswertem Geschick trug er Gedichte und humoristische Skizzen von B. v. Müncbhausen, Ludwig Fulda , A. Heidmonn. Fritz Reuter , Waldemar Bonsels u. a. vor, die cr nach dem Wort Büschs:Humor ists, wenn man trotzdem lacht" ausgewählt hatte. Es wäre nur noch zu wünschen, daß er auch her Klangfarbe der Worte noch ein wenig mehr gerecht würde. Der zweite Test des AbendsAllerlei Kunterbunt" hätte besser weitere Rezitationen bringen sollen. Dock ist es nickt ausgeschlossen, daß Hans Gehrke nock einmal ein beliebter Varietekünitler wird. Der Abend fand zugunsten der Abteilung' Moabit der Sozialist-- schen Arbeiterjugend statt. Der Rezi.ator. ein Freund der Arbeiter- jugcnd, wäre sicher bereit, seine Kunst auch sonst in den Dienst der Arbeiterjugendbewegung und der Partei zu stellen, gemeinsam mit seiner Frau, d-e Lieder zur Laute singt. Darüber hinaus aber ist es Pflicht,«ine noch größere Oefsentlichkeit auf den jungen Rezitator Hans Gehrke aufmerkkam zu wachen.' zeb. Ajchenbrödcl Kunst. Dos R e i ch s b a u w e s e n ist jetzt nach der Auflösung des Rcichsschatzminist-riums der Zuständigkeit des Reichs Ministeriums der Finanzen unterstellt worden. Man scheint also die mit dem Reichsbauwesen zusammenhängen- den Fragen, die zum Teil eminent künstlerischer Ratnr sind, samt und sonders nach fiskalischen Gesichtspunkten behandeln zu wollen. Und das m einer Zeit, wo eine frisch ausstrcbende deutsche Baukunst nach praktischer Betätigung und Pflege veriangt,