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die liberalen Wähls.r nur dann bei der Stange zu halten find, wenn man ihnen das rote Schreckgespenst recht grell an die Wand malt. Wer aber die Dinge nüchtern betrachtet, der weiß, daß die englische Arbeiterpartei als die ZZertretcrin p r a k t i- scher Arbeiterinteressen niemals aus bloßer Prin- zipienreiterei gewaltsame Eingriffe in die Wirtschaft vor- nehmen wird, die zum Schaben der Arbeiiterschaft ausschlagen, sondern daß sie das sozialistische Prinzip methodisch, ohne Ge- waltexperimente zum Vorkeil der Ärbeitnehmerschaft anwenden will. Diese Tendenz zum praktischen Arbeiter- s o z i a l i s m u s ist auch in dem grundsätzlichen Antrag der Partei, dem Antrag Snowden, klar erkemnbar. Zum Ueber- fluß mag daran erinnert sein, daß der Widerpart dieses prak- tischen Arbeitersozialismus, der Kommunismus, bei der politisch und gewerkschaftlich geschulten Arbeiterklasse Englands keinen Boden gefunden hat. Im Unterhaus sitzt nur ein einziger Kommunist. Werden wir uns des großen Umschtvungs bewußt, der sich seit dem Ausgang des Weltkriegs vollzogen hat! Auch früher schon gab es in Deutschland   eine große Sozialdemo- k r a t i s ch e Partei, die aber durch das System des Obrigkeitsstaates gewaltsam an jeder politischen Machtausübung oerhindert wurde. Zur selben Zeit gab es für die Arbeiter Englands schon verfassungsmäßige Möglich- keiten, sich durchzusetzen, aber der Wille dazu, repräsentiert durch eine starke sozialistische Partei, war nicht vorhanden. Letzt gibt es in den beiden größten Industrie- ländernderAltenWelt.DsrrtschlandundEng- la nd, gleich starte, gleich gut organisierte. auf dem Boden der gleichen Weltanschauung stehende Arbeiterparteien, die in der sozia­listischen Internationale eng miteinander verbunden sind«nd brüderlich miteinander arbeiten. Das ist eine neue Taffachs, die geeignet ist, uns in dieser stürmischen und für das Proletariat so sorgenreichen Zeit mit neuem Mut und neuer Zuversicht zu erfüllen. Mag die deuffche Bourgeoisie den angeblich bevorstehendenUntergang des Abendlaud-s" beweinen die arbeitenden Lülker, ihre Erben in der politischen und wirtschaftlichen Beherrschung der Welt» sehen mit jüngeren und klareren Äugen etwas Neues und Großes am Horizont emporsteigen. Dienst an ihm. Kampf dafür, das ist es, was dem Leben jedes denkenden Mannes, jeder denkenden Frau der Arbeit den höchsten Inhalt verleiht.
Toamristhtsth Eisenfresser. Oder die gepanzerte Iowjetfanst. Der bayerisch-kommunistische Landtagsabgeordnete Eisen- berger lebt jetzt in Maskau gute Tage. Er hat auch die sowjet- russische Westfront besucht und schreibt darüber, voll der besten Eindrücke, derRoten Fahne" in Berlin  : Von Jorzevv au» bestiegen die Delegierten den Zug des Ober st kommandierenden der Westfront, des Eenosien Tuchatschewsski. Während die Gedanken von Zehntausenden rufst- scher Arbeiter und Bauern der Wcltrcvolution entgegeneilten, wurde hier in verlraulichen vebaiteu noch einmal da» Eisen geHärtel, das die Bourgeoisie jenseits derrussischen Erde tödlich treffen soll und wird. Diese Bereitschaft im Osten muh dem deutschen   Proletariat vor­anleuchten, wenn es sich jetzt an die Lösung seiner geschichtlichen Auf- gäbe macht. Es ist jetzt die Stunde, in der den deutschen   Arbeitern in aller Offenheit gesagt werden muß. daß sie in dem Kampf, der ihnen bevoffieht, den Rücken frei haben, wie eine» Halm niedectckkcn wird die russische Armee de» polnischen Wall, der sie in der Schicksalsstunde des deutschen   Proletariats von ihm trennen sollte. Towarischtsch Eisensresser führt uns herrlichen Zeiten ent- gegen. Aber wer sich ihm in den Weg stellt, den zerschmettert er. Aus die deutschen   Arbeiter werden diese militaristischen Großsprechereien kemen Eindruck machen, der Mensch müßte einem ja leid tun, der derglsichen ernst nähme! Wie aber wird
Jrühlmg an öer Drehbank. Bon Joseph Roth  . In der großen Fabrikhalle sind die Esröusche der Maschinen eingefangen, die Geräusche und ihr verzehnfachtes Echo. Wenn man in der Mitte der Halle steht, ist es, als befände man sich im Mittel« puntt dieses technischen Jahrhunderts, im Herze» dieser Welt, deren Leben vom Radriemenschwung der Maschinen erzeugt und erhalten wird... Blaugekittelte Zyklopen, stehen die Arbeiter an den Maschinen. Im unerbitttichen Gleichmaß ihrer Well heben sich ihre Arme und senken sich wieder, wie Hebel aus Fleisch und Blut und Knochen. Die Maschine hat ewig die gleichen Bewegungen und ewig den gleichen Klang. Und der Mensch, ihr gleich geworden, w seinein Bewußtsein das Bild ihrer Bewegung und den Laut ihres Lebens festhaltend, erhall die straffe, spaffame Geste des Mechanismus und das tonzentrierte Antlitz eines Wesens, das mit dem geringsten Aufwand die größte Wirkung erzeugen soll. Wer zweifell daran, daß sie Brüder sind? Als hätte sie ein Schoß geboren, e i n Brüstepaar gesäugt: Söhne eines Geschlechts. Brüder geworden durch das glctche Leben, den gleichen Tag, denselben Gang, dieselbe Halle. In ihren Augen der Abglanz des rätselhaften Metalls, unterirdischer Materie und ihre Seelen- durch das Objekt ihres Tuns verwachsen mit den unergründlichen Urgründen der Erde, so stellen sie den Zusammenhang her zwischen dem Anfang alles Seins und der Entwicklung komplizierten Menschengeistes-. Miller zwischen den Tiefen der Erde und den Höhen des Gedankens. Es ist Frühling draußen. Hier aber ist die Well ohne Grün, eine Unterwell sozusagen fortgesetzt auf der Oberfläche der Erd- kugel. Das matt- Milchscheibenglas ist hier der einzige Zusammen- hang der Halle mit dem Frühlingslicht der Umwelt. Es dämpft die Helligkeit des Tags und das profane Licht des Lebens. Hier hat sich der Gott des Metalls sein eigenes Reich errichtet. Seine Schei. ben halten den Sonnenschein aus und lassen gläserne Filter gleichsam, nur seine unbedingt notwendigen Bestandteile durch. Hier und dort glüht eine elektrische Birne auf. ewige Lämpchen der Maschinengottheit. Und ein brausender harter Choral steigt aus dem Innern der eisernen Leiber. Eine unerbittliche Orgel, zum Preise des Werktags klingend, und des gebändigten Chaos. Aber mitten in der Welt der blauen Zyklopen lebt eine Frau, ein Mädchen, aus der Außenwelt verirrt und»in Zeichen des sieg- reichen Frühlings. Sie trägt eine dunkelblaue Schürz« und ein Häubchen. Sie trägt grobe Männeffchuhe. Aber ihr Hals ist bloß und von einem ganz dünnen, silbernen Kettchcn geziert. Und sie heißt: Lieschen. Sic ist da und dort, sie bückt sich, um Fellspäne zusammenzukehren und man sieht verstohlen« kleine Nackenhärchen. Sie ist blaß und verstaubt, wie manchmal ein junger Daum in der Mite eines steinernen Fabrikhojs. In der Pause schlürft sie aus
ein solcher Geist der Westfront, wie er sich in diesen wüsten Prahlereien kundgibt, auf den polnischen Nachbar wirken, diewie ein Halm niedergetreten" werden soll, wenn er gegen den Willen Moskaus   aufzumucken wagt? Es wäre freilich ein Witz der Weltgeschichte, wenn ein Eisenberger im- stände wäre, internationale Verwicklungen hervorzurufen, aber daß gerade die dümmsten Jungen das größte Unheil anrichten können, hat man schon mehr als einmal schaudernd erlebt.
Der Devifionär. Wir haben im An'chluß an eine Meldung derFrankfurter Zeitung  " in unserer Sonntagsn ummer darauf hingewiesen, daß der E t i n n e s- K o n z e r n jenebesonders bedeutende Industrie- v erwaltung szentrale ist, die in der Vorwoche außerhalb der Börsen- stunden, also außerhalb der dämpfenden Kontrolle der Reichsbank, nach beträchtlichen Sterlingbeträgen in Berlin   Umfrage hielt" und dadurch die ganze Markstimmung erst zu dem machte, was sie nach und nach bis zu dem neuen Marksturz am letzten Mittwoch ge- worden war. Run finden wir imKladderadatsch" unter dem Titel Der Devisionär" eine Szene zwischen dem allgewaltigen Chef eines Welthauses, dem Börsenbeauftragten, dem Regierungsvertreter und der bewundernd stehenden Gefolgschaft des Gewaltigen. Es handelt sich um die Zeichung der Dollarcmleihe, die nach des Chefs Anfangsworten den Franzosen zeigen soll, daß alle ihre Drohungen in den Wind geredet sind. Im zweiten Akt ist de» Chcss Zeichnungslust schon mehr durch die Meinung bestimmt, daß die Rcich-bank Devisen nicht mehr beleihe. Da meldet der Dörsenbeauf- tragte, daß die Reichsbank schon wieder mit sich reden laste, worauf der Ebef in tiefes Sinnen verfällt. Auf feine Frage über die Zeich- nungstätigkeit entspinnt sich folgender Dialog: Der Börsenbeauftragte: Bei den kleinen Leuten, ja! Di« Zehn, und Zwanzig-Dollar-Zeichnungen fluschen. Höhere B«. träge allerdings Der Chef de» Welthauses: Ich dachte mir's gleich. Der Dollar stieg in den letzten Tagen so erfteulich... Ja, dies wackere, kleine Volk! Immer onfcrt es. wie bei den Kriegsanleihen, dem Vaterlande fem Letztes. Auch wir wollen bis zum Letzten durchhalten. Es gilt den Endkampf. Frankreich   soll uns diesmal unter kemen Umständen niederringen. Freilich, freilich, wenn es die Goldanleihe für nicht rechtsbeständig erklärt und die Zeichner auf die Folgen hinweist... Der Schlußakt aber läßt den Regierungsver trete? mit dem Schreckensrus hereinstürzen, daß statt 800 nur 50 Millionen ge­zeichnet worden seien Niederlage de» vaterländischen Gedankens! Daraus spielt sich folgendes ab: Der Chef des Welthaufes: Dabei habe ich mich opfermutig mit ganzen dreißig Dollars beteiligt. Aber meine Herren Kollegen. Was soll man machen! Zumal Frankreich   die Rechts- beständigkeit der Anleihe verneint und allen Zeichnern gedroht hat Der Regierungsvertreter: Ein kecker Bluff, auf deutsche Feigheit und deutschen   Eigennutz berechnet! Nebngens hat sogar die Revarationskummission die französische   Auffasiung amt- lich für unhaltbar erklärt, da hätten Sie, Herr Kommerzienrot, mit Ihrem Millionen besitz an Devisen«ntschlosten eingreifen und uns zu einem Erfolge verhelfen sollen! Der Chef des Welthauses: Ich? Ich muß meine De- vifen bewahren. Wir müssen uns stark machen, um bis zum Letzten durchhalten zu können. Und Devisen machen stark. Dies« Schilderung praktischen Führerdeutschtums in schwerer Zeit gerade im �kladderadatsch" zu finden, der. wie so vieles andere und kraft de» Devijcnhorts immer mehr, Herrn Hugo Stinnes  gehört das ist das eigentlich und bitterlich Lustige an der Sache!
Zlesth vor Gericht. Die Verhandlung gegen den früheren Studenten und jetzigen Kaufmann Flefch ist gestern auf Antrag der Verteidigung vertagt worden. Zur Vertagung führten die reichlich unklaren Aussagen eine? Zeugen Nif W e i ß, der von der Verteidignng als Polizei- spitze l bezeichnet wurde, und nicht weniger als 43 mal in Unter- suchung gesessen hat. Das Gericht beschloß, die Kommissare MaSlak und Scherl« der Abteilung I A de» Polizeipräsidiums zu laden, sowie einen nicht erschienenen Zeugen Schacht vorführen zu lassen, um die reichlich dunklen Zusammenhänge aufklären zu können.
einer Taste ohne Henkel Frühstückskaffe« und spreizt den kleinen Finger der rechten Hand vornehm, wie die Damen tun, die jetzt unter Schlafdecken liegend, ebenfalls Frühstück schlürfen. Und manch- mal schickt sie ein Zyklop« um etwas und sie rennt, leicht und die Schwere der Stiesel besiegend, über die gestrengen Steinfliesen, einen Uebermutssprung wagend, ein freigelassenes Reh. Und st« ist achtzehn Jahr« alt und drei Monate.
dke Seele öer Techalk. Bon Willy Möbus. Die Technik früherer Jahrhundert« kann sich nicht rühmen, auf die Künstler jener Zeiten sonderlichen Eindruck gemacht zu haben. Bi» hinein in daz neunzehnte Jahrhundert fehlt fast jede bild- mäßige, von künstlerischem Empfinden burchseelte Darstellung tech­nischer Dinge. Hierin ist ein« grundlegende Aenderung eingetreten, eine wahre Revolution. Die Technik der Neuzeit mit ihren uner- hörten Leistungen übt einen mächtigen Zauber auf den schafsenden Künstler aus, die de? Technik dafür dankten, indem sie begüsterte Künder ihrer Schönheit wurden. Sie fanden die Seele aller dieser als kalt, nüchtern, ja als widerlich verschriene Dinge, die in ihrer Gesamtheit so unendlich vielgestaltig sind, daß das Hirn eines Men- scheu zu klem ist, um ihren Inhalt restlos erfassen zu können. Es mag seltsam erscheinen, daß die Seele der Technik erst in unserer Zelt gefunden wurde, wenn man weiß, daß im Mittelalter viele Techniker auch gleichzeitig Künstler waren. Es möge hier nur an den großen Leonardo da Vinci   erinnert werden, den die Menschheit fast ausschließlich als Künstler wertete, weil sie ihn als Techniker nicht zu schätzen vermochte. Alle diese Männer des Mittel. alters haben selten technische Motive bei ihrem künstlerischen Schaf­fen gewählt. Das mag nicht zuletzt darin seinen Grund haben, daß das Mittelalter genau so wie das an technischen Leistungen ihm weit überlegene Altertum bei allen seinen Bauten auf die Kraft der Menschen und Tiere angewiesen war. Einer unsäglichen Quälerei, einer wahren Marter waren diese schaffenden Menschen und Tiere ausgesetzt, wenn es galt, gtoße Lasten zu bewältigen, sie mühsam weite Strecken auf schlechten Wegen mit primitiven Hilss- Mitteln zu transportieren, sie später am Bauplatz an ihre Stelle zu bringen. Diese mechanische Arbeit, die unsere Zeit mit»hren tech. nischen Hilfsmitteln, durch Eisenbahnen, Automobile, Schiffe, spielend bewältigt, mußte niederdrückend auf die Menschen wirken. Wenn die Technik der Neuzeit sich von dieser Schwerfälligkeit befreit hat, wenn sie souverän über Naturkräfte zu herrschen, mit ungeheuren Lasten zu spielen scheint, und den Menschen von wahr- Haft erniedrigender Sklavenarbeit befreit, und so den Weg zu einem besseren Dasein vorbereitet hat, so will es als selbstverständlich an- muten, daß begnadete Künsller sich willig in ihren Dienst gestellt haben. Gerade de? Mensch unserer Tage versucht herauszukommen aus der harten Wirklichkeit, er sehnt sich nach einem seelischen Inhalt seiner Arbeit und seines Lebens, der übereinstimmt mit den Fort- schritten der Technik und der Erkenntnis. Die Arbeit soll, sie muß durchgeistigt werden. Da hat der Künstler&n Priesteromt   zu er. Men. Er soll den schafsendenen Menschen die Seele seiner Arbeit zeigen. Ein Bild, das einen technischen Vorgang, eine technische An-
Nur ein Sierabenö... Eine Erklärung Roßbachs. Der Verisidiger des jetzt nach Leipzig   übergeführten Oberleut- nants Roßbach verbreitet folgende Erklärung Roßbachs zur lctzen Rede des Ministers Scoering: Wenn Minister Severing gesagt hat, es habe in den Kampf- organisationen der Deutschvölkisoyen Freiheitspartei die Absicht be- standen, bis zum 31. März loszuschiagen, so ist das u n w a h r. Ebenso unwahr ist es, daß zu der nach Wannsee   einberufenen Deffammlung am 17. März m derEiche" zwei Reichswehrtommandeure ein. geladen worden feien, unter der Mitteilung, daß ihnen der Beschluß unterbreitet würde, daß spätestens bis Anfang April der groß« Schlag gegen die Linksorganifationen erfolgen sollte. Wenn Mi- nister Severing wirklich im Besitz solchen Materials ist, so können das nur Aussagen von Reichswchroffizieren sein. Dies« Aussagen, falls sie wirklich vorliegen, entsprechen nicht der Wahrheit. Die Veffammlung vom 17. März war überhaupt nur ein Bier- abend. Für dies« Tatsachen sind objektive Zeugen, zwei Kom- missare der Abteilung IA. die ihrem Erstaunen darüber Ausdruck gaben, daß sie statt der erwarteten Bersarnmlung einen Bierabend vorfanden. Allein dieses Material liefert den untrüglichen Beweis dafür, daß Minister Severing insoweit unrecht hat, als die Vor- gänge auf dem Bierabend in Wannfee in Frage kommen. Wenn aber Minister Severing der Ansicht ist, es könnten Einzelheiten i n, Staatsintereff« nicht mitgeteilt Werden, so möge er nicht vergessen, daß diese Einzelheiten Roßbach ebenso gut bekannt sind wie ihm, und daß die Zeit kommen könnte, wo das Staats- interesfeandersverstandeuwirdalsvonMinister Severing."_ Die Reinheit Üer presse. Das Preßgesetz, das die Republik   Deutfchö st erreich flch neben einem vorbildlichen Iournalistengesetz gegeben hat, schreibt vor, daß entgeltliche Veröffentlichungen im Text der Zeitungen und Zeit- schriften dem Leser als bezahlt kenntlich gemacht werden müssen. Gewisse bürgerliche Zeitungen Wiens hatten diese, gerade auf sie gemünzte Vorschrift dadurch umgangen, daß sie den geforderten Hin- weis nur an versteckter und von den bezahlten Artikeln weit ent- fernter Stelle brachten, diese Artikel selbst aber nur mit einem+ bezeichneten. Infolge der Aufdeckung dieser Manöver durch die Arbeiter-Zeitung  " hatte die Staatsanwaltschaft einge- griffen, nach anfänglichem Erfolg jedoch war sie vor dem Oberlandes- gericht unterlegen, da der Senat des Herrn W e s s e l y den-h-Blättern recht gab. Run hat aber der Obeffte Gerichtshof als Revisionsinstanz jenen Freispruch als das Gesetz verletzend erklärt, was zur Folge hat, daß bei neuer Betätigung der-h-Praxis eine abermalige Anklage zur Verurteilung wird führen müssen. Diejenigen Zeitungen, die im Text bezahlt« Reklameortikel auf» nehmen, werden also fortan, entsprechend dem Gesetz, dem Leser gleichzeitig zurufen müssen:Was du hier liest, ist von der Bank, der Modefirma, dem Vergnügungsbetrieb, der Schiffgesellschast usw. bezahlt." Natürlich geschieht das nicht mit diesen Worten: ober die betreffenden Blätter erscheinen bereits mit dem deutlichen Hinweis, daß die 4--Artikel bezahlt sind. Mit der Zeit wird die Bestechungspraxis dem Kapital und seiner Presse wohl durch dies« erzwungene Selbstdenunziatto» abgewöhnt werden. So reinigt die sozialdemokratische Presse da» öffentliche Leben.
Die schimpfende Exzellenz. Das Wiener   Schwurgericht ver- handelte über eine Beleidigungsklage des amerikanischen   Schrift- stellers Upton Sinclair   gegen den ehemaligen österreichischen Ministerprälidenten und Kirchenrechtslehrer Hussarek, der in einer am 22. September v. I. in der christlichsozialenReichs- post" effchienenen KritikRevision und Prosit" von Sinclair qe- schrieben hat, daß er ihn für einen Schurken halte. Die Ge- schworenen bejahten die Schuldfrage mit 9 gegen 3 Stimmen und erkannten mit-9 Nein und 3 Ja. daß der Wahrheitsbeweis nicht erbracht worden sei. Der Gerichtshof verurteilte Dr. Hussarek zu einer Geldstrafe von 500 000 Kronen, im Nichteinbringungs- falle zu 24 Stunden Arrest. Die zweite Lausanner Orient-Konferenz ist gestern eröffnet worden. Es fanden nur Begrüßungen statt.
löge einfach abschildert, ist noch kein Kcmstwerk. Wenn ober dieses Bild zu leben scheint, so daß die Dinge darauf zum Beschauer sprechen, daß er betroffen vor ihm steht und es nicht vergessen kann, immer und immer wieder seiner gedenken muß. wenn er technische Wirklichkeit sieht, dann hat es seine Aufgabe erfüllt. Der Künstler, der es schuf, wurde zum Künder der Gegenwart, deren Seele cr der Zukunft übermittelte._ Die Mgman-Tanzgruppe in der Volksbühne. Unter all den Tanzreformern, die feit der Duucan und Dalcroze in Hellerau   dem Tanz eine neu« künstlerisch« Bedeutung gewinnen und ihm neue Aufgaben stellen wollen, ist Mary Wigman   vielleicht die kühnste und konsequenteste. Im Anschluß an die Theorien Rudolf von Labans, der eine neue Raumlehre der Bewegung schuf, hat sie sich den Tanz als Ausdruck seelischen Erlebens durch den bewegten Körper(den ganzen Körper) im rhythmisch erfüllten Raum zum Ziel gesetzt. Mit strenger Beharrlichkeit, mit eisernem Willen, der ihren Körver zu ihrem willfährigen Instrument machte, ist sie von Jahr zu Jahr fortgeschritten, immer neu« Anläufe und Schwünge nehmend, experimentierend und probierend, mit dem Mut zum Ab- feittqen und auch einmal Mißlingendem. Sie hat den Tanz ohne Musik eingeführt und ihn damit als Kunstwerk van eigenen Gnaden. nicht bloß als verkörperte Musik begründet. Wenn sie die Musik anwendet, will sie doch nicht deren Sklavin sein, sondern sie in ihrem Gffamtkunstwerk von Körperbewegung im Räume als ein Glied betrachten. Sie läßt sich zu ihren Tanzschöpfungen die Musik komponieren, die oft primitiven Eindruck macht und sich aus der Rhythmus gebenden Begleitung von Hand trommein, Gongs und Hölzern beschränkt. Es war ein verdienstvolles Wagnis der Voltsbühne, ihre Mi!» glieder mit dieser Wegbahnerin twenn noch nicht Wegweiserin) be- kanntgemacht zu haben. Und es war eine schöne Probe künstlcrisibcr Reife, daß das dicht geMte Haus mit solcher Andacht dem Un- gewohnten folgte. Wer allerdings mit der Vorstellung vom alten Ballett, der mehr oder weniger anmutigen Beinakrobatik kam. der durfte eine heilsame Enttäulchung erfahren haben. Hier war kein leichtes Gaukeln, sondern kraftvoller, mehr herber und monumentaler denn gefälliger Ausdruck tiefen, seelischen Erlebens. Mary Wig- man kam diesmal als Führerin einer Gruppe und brachte ein neues Problem mit.(Denn bisher hatten wir wohl expressionistisch« EinzelLänzerinnen. aber außer den andersgencbieten Lohelände- rinnen keine Gruvpe, vor allem kein« Gruppe'im Kontakt und Kampf mit dem Führenden.) Die Schar der jungen Tänzerinnen isi prachtvoll diszipliniert, straff geschult aber die Eigenart des einzelnen ist dabei gewahrt. Was der einzelne nicht oder niäft immer kann, die Erfüllung des großen Raumes gelingt der Gruppe glänzend. Freilich manches ist noch abstrakt(wie in der herben Kunst des guattro ccnto), es klingt und singt noch nicht. Aber welch gewaltiges Wollen m diesem Auf- und Abschwellen, in diesem Wogen und Gleiten, Schwüngen und Sprüngen von Körpern, die imKreise" bei aller Freiheit des Ausschwingens, der zu- fammenhalteirden Kraft des Zentrums gehorchen, imChaos" entfesselt durcheinander wirbeln und die Führerin verschlingen. Diese Szenen aus einem Tanzdrama" bedeuten etwas durch» aus Neues, das man erfüblen muß wie eine sinfonische Mu- sik. Wie Musik ist auch diese seeli ch orientiert« sinnvolle Be-