entfallen und die Arteitsrnhe kann nur«ne de» schränkte sein. Wir fordern aus diesem Grunde unser« Genossen und Freunde auf, in zwanglosen abendlichen Zusammenkünften am 1. Mai der Bedeutung des Tages, welcher in allen anderen Staaten der Mani- festation gegen Imperialismus, Militarismus und Kapitalismus , gegen die nationalistische Derirrung, gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der Völker und gegen den volksfeindlichen Klerikalis- mus gewidmet ist, zu gedenken. Im Geiste find wir am 1. Mai bei unseren Genossen in Oester- reich und Deutschland , in England, Frankreich und Rußland , wie überall, wo der freie Geist noch nicht in Ketten ge» morsen ist, und drücken ihnen in unverbrüchlicher Solidarität die Bruderhand. Hoch der internationale Sozialismus, trotz alledeml
Schweper und Degoutte. Eine schwierige Preisfrage. An zwei Stellen des Deutschen Reiches wird das Prole- tariat am 1. Mai nicht öffentlich demonstrieren dürfen: im Ruhrgebiet und m München , im Machtbereich des Generals Degoutte und in dem der Herrn Hitler bzw. seines Domestiken S ch w e y e r. Wenn man unter den Werttätigen unseres Volkes die Preisstage veranstalten würde, wer in diesem Falle in ihren Augen verabscheuungswürdiger ist, der französische Oberst- kommandierende oder der bayerische Schattenminister, so wäre dieses Problem nicht leicht zu lösen. Denn der Franzose sitzt in Düsseldorf als Feind im Lande, er hat von seinen Pariser Auftraggebern die Anweisung, die deutsche Bevölkerung durch Schikanen, Brutalitäten und Demütigungen mürbe zu machen, und er geht an diese seine Aufgabe mit allen Gewohnheiten und Vorurteilen heran, die er als stanzösischer Militär von seiner Heimat hergebracht hat. Da nun die fran- zösische Bourgeoisie in der roten Fahne ein„embldme sdditieux", ein aufrührerisches Abzeichen, erblickt, das sogar unter das Strafgesetz fällt, da sie die Feier des 1. Mai als ein revolutwnäres Verbrechen seit jeher beschimpft und jeden Versuch einer öffentlichen Mai-Demonstration durch Militär und Polizei zu sprengen gewöhnt ist, so wäre es eigentlich ein Wunder, wenn die französischen Generäle im besetzten Gebiet die geplanten Kundgebungen der deutschen Arbeiterklasse nicht verbieten würden. DerDayer dagegen geht kaltblütig-provozierend gegen die eigenen Volksgenossen vor, deren Ueberlieferungen und Ideale er ganz genau kennt. Die Begründung seines Verbotes ist so unwahrhastig und unwahr, daß sie seine Tat nur noch erbärmlicher erscheinen läßt. Der wirkliche Grund dieser Maßnahme dürfte viel einfacher sein: Herr Hitler , der ungeniert seine bewaffneten Feldübungen und Straßenparaden veranstalten darf, bat mit Recht gefürchtet, daß die Mai- Kundgebung des Münchsner Proletariats so gewaltig sein würde, daß der ganze Zauber seiner gerüsteten Banden, mit denen er die Knilling-Schweyer-Regierung terrorisiert, bei diesem Vergleich in Nichts zerrinnen würde. Er hat das Um» zugsverbot gefordert und erwirkt. Es ist übrigens nicht das erstemal, daß er bei der sogenannten bayerischen Staats» autorität im Kommandowne seinen Willen durchsetzt. Ueberlegt man sich die Wirkung dieser beiden Mai- Verbote an und hinter der Ruhrfront, so liegt die Antwort in beiden Fällen nahe: die Maßnahme der französischen Militär» behörde wird den Zorn der Arbeiter gegen die Fremdherr- schast steigern, ihren Willen zum passiven Widerstand gegen den Eindringling stählen; die Maßnahme der bayerischen DeHörden kann diese Stimmung nur erschüttern, denn sie ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeiter im unbesetzten Gebiet und ein D o l ch st o ß in den Rücken der Arbeiter im Macht» bcreich des fremden Militarismus! lv-MIauten-Mai-Aeier In Paris . Alle Arbeiter werden, wie mmmehr feststeht, morgen für 1l> Minuten die Arbeit niederlegen. Vonar Law hat eine einmonatig« Erholungsreis« zur See angetreten. Laut„Daily Expreß " wird C u r z o n stellver- tretender Premierminister.
völkisches Bekenntnis zum Umsturz. Der Bund„Bayern und Reich" hat in seinem Programm ler bayerischen Regierung Unterstützung„gegen jede Er- chütterung der Staatsordnung" zugesagt. Dagegen polemi» iert das„Heimatland", das Organ der sogenannten„vater- tändischen Bewegung" Bayerns mit folgenden Ausführungen: Di« vorbehaltlos« Unterstützung der Regierung„gegen jede Er- schütterung der Staatsordnung" ist nicht nur e i n e A b j a g e an die m der Selbstlchutzbewegung bisher allgemein verfolgte Taktik, son> dern sie ist auch praktisch in den Verhältnissen durch nichts gerecht- fertigt. Sie bcdeukek zudem, und das ist ausschlaggebend, einen Der- zichl aus die Verwirklichung der letzten Ziele der denischeu Freiheit»- bewegung. Es handelt sich hier nicht um einen der sonst so beliebten urbayerischen Temperaturausbrüche, sondern um eine wohlerwogene Prinzipienerklärung. Hoffentlich kommt man nun jetzt nicht mehr mit der Ausrede, der geplante völkische Umsturz sei nur eine bavernseindliche Hetzphantasie und ein Produkt von Spitzelberichten.
Jungsozialisten gegen yitlerei. Goslar a. H., 30. April. (Eigener Bericht.) Der Reichs- ansfchuß der Jungsozialisten hielt am Sonntag in Gas- lar eine Tagung ab, an der Vertreter der Jungsozialisten aus allen Teilen des Reiches teilnahmen. Es wurde folgende Entschlie- ßung gefaßt: Der Reichsausschuß der Jungsozialisten nimmt mit tiefstem Abscheu Kenntnis von dem blutigen Ueberfall bayerischerFascistenauf eine friedlich« jungsozialistische Zu» sammenkunft in München . Er richtet an die Reichsregierung die dringende Aufforderung, diesem gewissenlosen, das Ansehen de? deutschen Republik sehr schädigenden Treiben schnellstens ein Ende zu bereiten. Ein weiteres tatenloses Zusehen der Regierung zwingt die Betroffenen zur Selbsthilfe und beschwört die Gefahr eines Bürgerkrieges herauf. Gleichzeitig erwartet der Reichsausschuß von den republikanischen Parteien, daß st« un- besorgt für ein rücksichtsloses Nachprüfen der verantwortlichen Stellen sich einsetzen. Die Iungsozialisten im Reiche aber ruft er auf. mit erhöhtem Eiser für die Ideale des demokratischen Sozialismus zu kämpfen._ preußische Sieölungstätigkeit. Im Siedlungsausschuß des Preußischen Landtag » machte die Regierung zahlenmäßige Angaben über die Siedlungstätig- keit der letzten Jahre in Preußen. Auf Grund des Siedlungs» gesetzss sind in den Jahren ISIS bis lS22 insgesamt 7417 Neusiedlungen auf 70 000 Hektar geschaffen worden. Di« gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften haben jetzt noch einen Landoorrat von: Eigene Scholle in Brandenburg 7000 Hektar, Landbonk in Berlin 1600 Hektar, Pommersche Landgesellschaft in Stettin 9000 Hektar, Ostpreußische Landgesellschaft in Königsberg 1100 Hektar, Schlesische Landges-llschast in Breslau 1600 Hektar. Zur Frag« der Roggen- rentenbeleihung wurde mitgeteilt, daß schon über 25 Milliarden Mark Roggenrcntenbnlfe vorhanden sind. Zur Förderung der Siedlung lall«ine Anleihe in Höhe des Gegenwartswertes von 13 Millionen Zentnern Roggen, also von 600 Milliarden Mark, auf» genommen werden. Au» dem Aufkommen der Wohnungsbauabgrbr soll«in angemeflener Teil dem Landwirtschaftsministerimn für samt- liche Siedlungsbauten zur Verfügung gestellt werden.
Der Reichslagsaulrag aus Freigabe d« Sinigsplatzes zum 1. Mai ging, wie berichtigend bemerkt fei, nicht von den Sozialdemo- Kraten, sondern von den Kommunisten aus. Diese erklärten sich je- doch mit seiner Zurückstellung«inverstanden, lveil sie den Kamps gegen das Bersammlungssprengungsgefetz als wichtiger anerkannten. Auflösung der Hitler-Parlei ia Hetzen. Das hessische Innenministerium hat auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei im Bolksstaat« Hessen verboten. Ihre in Hetzen bestehenden Orte- gruppen werden für a u f g« l ö st erklärt. Marln zum 26. Male gewählt. Die.HumanitS" teilt mit, daß Andre Marty zum 26. Mal« zum Gemeinderat ernannt worden ist.
sterium wird abgeschafft. Daraus sollte man schließen, daß es doch eigentlich nicht sehr nötig oder nützlich war; warum hat man es dann bis jetzt beibehalten und hätte es weiter gefüttert, solange die Klerikalen kuschten? Was die Verdienste betrifft, so bringt das etwas übersprudelnde Blatt der Familie Mussolini , das„Popole d'Jtalia" ganz unverfro- ren die nachstehende Liste: Kruzifix und Religionsunterricht in den Schulen: Freiheit der Schule: Abweisung jeder Mög- lichkeit, die Ehescheidung einzuführen: Rettung eines kleri- kalen Bankinstituts(des Banco di Roma) usw. Gott schütze uns vor unseren Freunden! Kruzifix und Bankinstitut mögen für den Fasdsmus gleichwertig sein und gleiche Funktionen erfüllen, aber das sagt man doch nicht! Während der Fascismus die„Mitarbeit" immer mehr auf die eigene Partei beschränkt, bietet sich in den Reihen dieser ein Ersatz für den dadurch entstehenden Mangel an Ab» wechselung. Einige der latenten Konflikte der mit so eisernem Besen zusammengekehrten Scharen fangen jetzt an, in die Er- scheinung zu treten. Einmal der Konflikt zwischen den alten Fascisten und dem neuen Zulauf. Der„Hohe Kommissar" für die Region der Marken hat bestimmt, daß alle nach dem Marsch auf Rom zur Partei gekommenen Fascisten a u s g e» schloffen werden sollen, und es hat sich dabei herausge- stellt, daß die Ausgeschlossenen die große Mehrheit bilden! An anderen Orten überwuchern die persönlichen Bor- rangstreitigkeiten: in der Provinz Neapel will es mit der Ver- fchmelzung von Nationalisten und Fascisten nicht glücken. Dabei finden die Gewalttaten kein Ende. In Russi in der Romagna haben die Fascisten, wie die„Boce Republi- cana" berichtet, fünf Republikaner mit der H u n d e f ä n g e r» schlinge eingefangen! Das bildet eine würdige Ergänzung des Rhizinnsöls. Genosse Gaetani ist in der Eisenbahn von zwei Fascisten überfallen und mißhandelt worden; dann hat man ihn aus Piacenza „verbannt". In Caferta hat der Fastie die Druckerei„Unione" verbrannt, deren Haltung(sie gehört keiner Partei an) ihm nicht paßte. Ein Kriegskrüppel, der Leutnant Gorini, ist auf der Mailänder Polizeidireknon von einem Fascisten geohrfeigt worden, weil er sich im Namen der Organisation der Kriegskrüppel gegen die Einführung von Hazardfpielen wendete. In Ravenna haben sich an dem Ueberfall auf den Republikaner Guerrini zwei Angehörige der Miliz für die nationale Sicherheit, die ihn wegen einiger in einem republikanischen Blatt erschienenen Artikel verbaftet hatten, energisch beteiligt, so daß er schwer verwundet daniederliegt. Die fascistischen Gewerkschaften machen auch Sorgen. Da soll alles hinein: Unternehmer, Agrarier, freie Berufe, Arbeiter; aus all dem rührt man dann den Brei der Klassenharmonie. Einstweilen hat die Konföderatton der In- dustrie und die der Landwirtschaft ihren Beitritt verweigert. Die Arbeiter müssen hinein, denn ohne die Mitgliedskarte be- kommen sie keine Arbeit. Die Unternehmer wollen nicht, denn sie klagen, daß die fascistischen Organisationen für die fascisti- schen Arbeiter dieselben Pressionen machen wie seinerzeit die roten Organisationen für ihre Organisierten. Es ist wirklich Zeit, durch ein Dekret den Klassenkampf abzuschaffen. Während unlängst in Mailand die alte sozia- l i st i s ch e Partei mit starker Mehrheit die von Moskau geforderte Verschmelzung mit den Kommunisten abgelehnt hat, wird durch den Druck von außen doch eine gewisse Solidarität aller proletarischen Massen erzielt, denen das fascistische Joch den Nacken drückt.- Durch Dekret läßt sich manches abschaffen, durch Druck manches vernichten. Aber was lebenswert und lebenstüchtig ist, lebt trotz der Dekrete und hebt das Haupt trotz des Drucks. So wird auch der 1. M a i wieder leben und das italienische Proletariat wieder ebenbürtig einreihen in den schweren und opferreichen Kampf für Freiheit und Menschenwürde. Tie Maifeier i« Südtirol . Die sozialdemokratische Parteiexekutive für SLdtirol ver» öffentlicht Im Bozener „Volksrecht" folgenden Aufruf: Infolge der poltischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist es heuer in Italien nicht möglich, die Feier des 1. Mai in der bisher üblichen Weise zu begehen. Versammlungen und Demonstrattonsumzüge müssen
Der exklusive Dichter. Von Hans Bauer. Den Dichtern fehlt es in der Regel durchaus nicht an dem Willen, in die Masse zu dringen.� Eher schon an dem Vermögen dazu. Eine Ausnahme von dieser Regel macht Stefan Georg «. Stefan George hat statt des Publikums«inen„Kreis". Er legt Wert darauf, daß sich dieser Kreis nicht unnötig erweitere. Als neue Waffe gegen die Unberufenen, die profane Matze, wie es wärt- lich in einer Kunstzeitschrift heißt, die darüber berichtet, hat er jetzt ein« neue Drucktype erfunden, die die Besonderheit und Exklusivität der Georgeschen Gedichte noch besser unterstreichen soll, als es die kleinen Anfangsbuchstaben, mit denen er auch Substantiva drucken laßt» bisher schob taten. Es ist Georges Sache, wie er, was er und für wen er drucken läßt. Seine klangschönen Gedichte greifen un» in aller Formvoll» cndung viel zu wenig ans Herz, als daß wir Freunde seiner Vers- ortistik geworden wären und Wünsche äußerten, weil uns die Kunst des Autors interessierte. Aber als Erscheinungsform eines Snobis- mus, der trotz der ungeheuren Prüfungen, die vier blutige und fünf Jahre der Verarmung über uns brachten, immer noch nicht gestorben ist, verdient die STG.-Schrist doch Beachtung. Es sind oft die besten und feinsten Dichter, die Scheu vor der Menge empfinden. Nicht weil sie die Menge ist, sondern weil sie Scham fühlen, jedem ihre Seele zur Schau zu stellen. Aber diese in einem guten und oerinnerlichten Sinne exklusiven Dichter verzichten auf die Mätzchen der Drucktype und der Kleinschrist der Haupt- Wörter. Sie haben zu tiefe Demut vor dem heißen Herzen, ol» daß sie sein Blut an Unwürdigem verströmen möchten. Aber di« Snobs haben ein kaltes Herz und wollen es vom warmen Gefühl der Meng« nicht beschmutzen lassen. Merkwürdige Menschen gibt es unter den Dichtern: sie rasen in die Welt hinaus, daß die ihnen die letzten Fallen ihrer bebenden Seele offenbare. Und merkwürdige Dichter gibt es unter den Menschen: sie bauen einen Wall aus selbsterfundenen Drucklettern um sich auf, daß es die Welt nicht so leicht habe, ihre Seclenlosigkeit zu erkennen.
Matinee zur Ruhchilse Im Siaatsthcaler. Zum Besten der durch den Franzoseneinhall schwer bedrohten Bühnen des besetzten Gebietes hatte der„Bühnenvolksbund" am Sonntag ein« Propagandaauffiih- rirng der Vereinigter. Schauspiele Hcrne-Rccklinghausen veranstaltet. Das Haus war gut gefüllt, nur leider die Wahl des Stückes wenig glücklich. Es nennt sich„Der Totentanz 1921, ein Spiel vom Leben undSterben unserer Tage". Der Nanie des Verfassers ist Leo W e i s m a n t e l. Auf meist verdunkelter Bühne ziehen ein„Vorspiel" und vier„Geschehnisse der Spielsolge" mit rätselvollen Titeln, wie„Der doppeiköpfig« Tod",„Auktton des Todes" o. dergl. vorüber. Der Tod, der m den Bildern eine bevorzugte
Rolle spielt, hat in dem Vorspiele bereits aps dem Parkett heraus seine Stimme zu erheben. Das Gemisch pathetischer Geschwollenheiten und Prosa, das sich im Drama gern mit dem klangvollen Namen Expressionismus schmückt, ist hier" auf den Gipfel getrieben. In der letzten Szene.Bauerntod" verhandelt ein Regierungsrat mit einer bäuerlichen Kommission, die wucherische Erhöhung des Milch» Preises fordert, aber dabei selbst in ihren verschlissenen Kitteln und völlig hofenlosem Zustand« wie eine Verkörperung des Elends se'.ber aussieht. Der Regierungsrat laviert zwischen kompromißlerischer Achselträgerei und christlichen Gewissensmahnungen in wunderlichster Weife hin und her. Einem der hartherzlgm Burschen erscheint eine Vision, bei der er sterbend zusammenbricht, und ein anderer, dem eines Bettelkindes Stimme ins Ohr klingt, fließt plötzlich van Er- barmen über. Dies stillos abrupt« Durcheinanderschütteln von Ein- fällen, die sich an Widersprüchen ni<bt genug tun können, gibt ebenso den anderen Bildern das Gepräge. Das Pubttkum. das gern applau- diert haben würde, verharrte schweigend. dt. „Charakter und Persönlichkeit ". Der alle zwei Jahr« stattfindende Kongreß für experimentelle Psychologie, der in d»es«m Jahre in Leipzig tagt«, trug die Generalüberschrift„E h a- rakter und Persönlichkeit". Und so durste man eine generelle Uebersicht erwarten über alles, was von der experimentellen Methodik bisher ersonnen war, um das Wesen einer Persönlichkeit zu erfassen. Drängten doch eine ganze Reihe von Wissenschaften immer mehr zu diesem Zenttalpuntt bin. Jurisprudenz und Medizin beginnen sich feit einiger Zeit darauf zu besinnen, daß ihre Forschungen gerade das ein« bisher überleben haben: die Ee- samthett der menschlichen Persönlichkeit Die Psychiatrie hat unter Führung Kretzschmers einen Anlans gemacht, um mit ihren Mitteln Charakter und Persönlichkeit zu bestimmen. Und endlich Hot auch die experimentelle Psychologie, nach der ersten Dämpfung der Eni- deckerfreude an den Intelligenzprüfungen, sich darum bemüht, dem Ziel der Erfassung der Gesomtpersönlichkeit näher zu kommen. Psy- chologische Profilkurven. Fragebogen zur Erfassung seelischer Diffe- renzierungen, Diskussionen über da» Praktikerurteil und seine Be- rechtigung gegenüber den Ergebnissen der reinen Tastprüfunqen füllten denn auch einen guten Teil des Kongresses aus. Von den speziellen Versuchen waren die Charakter und Beqabungsunter- suchungen bei Tieren von K a tz- Rostock sehr interessant. Er hat experimentelle Intelligenzprüflingen an Hühnern angestellt. So sperrte er zum Beispiel sieben Hühner durch einen Irrgarten von Drahtgittern vom Futter ab. Ein einziges von ihnen, das auch sonst die zäheste Energie bewies, gelangt« wirklich zum Orte seines Verlangens.— Römer- Göttingen zeigte in der allgemein-psycho- logischen Abteilung neu« Wege, in di« Schichten einer Persönlichkeit mittels psychograpbischer Tiefenanalyse einzudringen. Seine Experi- mente demonstrierten, wie di« Vereinigung von experimenteller Psychologie und der Psychoanalyse die Möglichkeit einer Persönlich- keitsdiagnostik erschloß. Selbst die Intuition, das Zusammenspiel von gefühls- und verstandesmäßigen Faktoren, konnte hier einer Analyse unterzogen werden. Den Höhepunkt des Kongresses bildete das Referat von Prof. Krüger. Leipzig über den Strukturbegriff in der Per. sönlichkeitslehre. Er stellte die Anschauung Diitheys in de«
Mittelpunkt seiner Betrachtungen und zeigte, wie die einzelnen Forscher sich daraus orienttert haben, zum Teil ohne sich dessen be- wüßt zu sein; wie sie manches übersehen hatten, was bei Dilthey schon in klarer Formulierung vorhanden war. Und da er auch das im Augenblick so brennende Problem des Streites zwischen Gestalt- und Komplexoustossung der Wirklichkeit angriff, folgte seinen Aus- führungen ein« sehr lebhafte Debatte. Es kamen die verschiedensten Schulen zum Wort, und man fühlte, daß trotz aller Aufklärungen eine unüberbrückbare Distanz zwischen ihnen blieb, weil sich hier unter der Maske von philosophischen Begriffen eben verschieden« Menschen mit verschiedenen Weltanschauungep gegenübersta-iden. Im Schlußwort faßte Prof. Krüger das Ganze insofern zu»ner Einheit zusammen, als er ausführte:„Das Problem der Persönlich- keit war von peripherer Betrachtungsweise aus nicht zu lösen, son- dern nur vom Zentralen aus. und dieser Kern ist die Intuition, das Transzendente im Menschen." Da» war ein seltsames und doch wahres Ergebnis für einen Kongreß für experimentelle Psychologie, diese Erkenntnis, daß das Letzt«, Wesentlichste mit den bisherigen Methoden doch nicht erfaßt war. Es bedeutete, daß die bisherigen Intelliqenzprüfungen dos letzthin Entscheidende noch nicht berühren, daß sie oben das nich erschlossen hoben, was sie eigentlich— in der Auslese der Begabter — erschließen wollten.— Das eigentlich« Charakterproblem Hai auch dieser Kongreß ungelöst gelassen. Vorläufig herrschen immer noch Einzeluntersuchungen, Einzelmethoden, Einzelergebnisse, während die Gesamttendenz einAbrückenvonderexperimentellen Art, den Geist mit einfachen Zählungs- und Rech - nungsmethoden zu erfassen, und einen starken Ein- fluß philosophischer Betrachtungsweise verrät. Internationale: Mai 1323. Im Verlag von I. H. W, Dietz Nachf. ist unter dem Titel:.International«: Mai 1S2 3" eine 16 Seiten umfassende Maifesttchrift«--schienen, die über den Tag bingus Bedeutung hat. Neben Beiträgen von den Altmeistern der Sozialdemokratischen Partei wie Kautsky . Bernstein , Motkenbuhr, Frohme und Stalten, finden wir das jüngere Geschlecht in Aufsätzen von Leipart, Ch, Lütkens und Toni P f L l f vertreten. Entsprechend dem Charakter des Tages geben Bertreter der internationalen Arbeiterbewegung dem Heft einen besonderen Unterton. Als Vertreter Englands erscheint Tom Shaw, als Vertreter Italiens C. T r e v e s, Rußland , wenn auch nicht das bolschewistisch« Rußland , repräsentiert Th. Dan, die Tschechoslowakei Karl Cermak, di« nordischen Staaten Hans Amund len und Nina Berg. Porträts der hervorragenden Vertreter der Bewegung, Abbildungen von Ge» bäuden und ein wuchtig wirkendes Gedicht Karl Brögers: ,Lu deinem Gestade, Land des Menschen!" geben der Festgabe ein wür» diges, künstlerisches Aussehen._ Sin Konzert de« Buchdrnckergesangderein».TAvosrafia» an» Prag findet am 1. Mai, abends 6 Uhr, in den Kammerfälen, Tcllower Ttr. l, statt. Die Berliner »Tilpographia» wird mehrere Eboriieder beisteuern.— Dem Konzert Ichlietzt sich eine gemcinlchallliche Maifeier an. ReichStagSprSfident L ö b« sowie der schecho'lowatiiche Gesandte Minister T u s a r haben ihre Teilnahme zugesichert. Eintrittskarte» zu 2öO M. cjt der Abend lasse.