Nr. 2S1/2S2 ♦ 40. Jahrgang
2. Heilage des vorwärts
vkenstag» 1. Ma! 102Z
Luftgarten/ Volksgarten.
denschmalzgeialble, au» Menschen Sias. sagen zu machen, goldsilberumschnürte Figurinen als Folie, um durchsichiige eigene Hohlheit dahinter zu Verstecken. Gepränge, Theater sür schaulustige Schmal- köpfe, die nach einem Clown gieren, der sich.unnahbar gibt". Ka- nonen, Bumbum, Hörnergerastel, Trommelwirbel. ER versteht sein Metier, weist wie man.wirkt', wie man von Gottes Gnaden erscheint Ganzer Apparat ist aufgeboten, ganzer Apparat schwingt um IHR. die lSwerliche Achse. General. Pfaffe, Würdenträger schmarotzen mit IHM an der Lunge der Arbeitenden.... Tamiam hallt wider von Schloß- Dom und Museum. Unter mageren Bäumen sind blankgeputzte Männer aufgereiht, die nicht atmen, nicht soviel Freiheit sich leisten dürfen, um ein juckendes Ständchen vom Auge zu eulfernen. Fein zu sehen, wie man aus lebendigen Menschen leblose macht. Fahnen knistern verstohlen. Ein General rülpst genügsam in stch hinein. e»n Pfaff ersteht Gottes Segen zum Stern aus 4»e deuttche GotleSdienerbruf»... ER erscheint, lästt sich beburraheii— der Kerl links hat ekelhafte Stimme, müsten Hurrapflichlstunden fürs ganz« Boll einführen— ER stelzt auf rotem Teppich, jeder Zoll... Moste ist gefangen. Mäste ist in Be- wegung erstarrt von Blitzblau und Donnergrün, von Messinggold und Blechsilber... Da: SineS TagS rumortS hinter den Schlöstern um den Lust- garten. Mäste starrt noch und starrt. Himmel wird dunkel. Wolken türmen Schreckbilder. Schwefelgelb zeichnet sich die Welt. Sonne der Gnaden verschwindet. Bon hinten zieht'S herauf, von überall. Einigen wird ängstlich— aber noch flimmertS ja um IHN in der Mitte— sehen sich um, erschrecken, sinken zusämmen, springen auf. Eine knöcherne Hand langt hinten rüber.— Schlag auf den Rücken— wacht aufl Not und Tod wühlt in ruren Häusern. Heerscharen von Toten, Züge Berkrüppelter, Züge verhungernder Kinder— Schlag auf den Rücken— Wacht aufl Wo ist ER? Wo ist Blitzblau, Donnergrün. Messinggold und Blechfilber? Nur noch schwarze, leidende, stöhnende Mäste ist im Lustgarten. Im— Lust— garten. Wie kam das? Wie wurde Lust- ein BolkSgarten? Vi» 1573. Morast. Sand, kümmerliches Gras, dazwischen die Spree, die ungebändigt zwischen sumpfigen Ufern dahinflieht— ein wenig erfreulicher Anblick, da« Urbild des Berliner Lustgartens. Keinem der ehrbaren Bürger, die des Nachts hinter wohlverschlostenen Toren und den aus Feldsteinen hochgelürmten Mauern schliefen, kam auch nur im Traum der Gedanke, dah dieser unwirtliche Flecken auherhalb der Mauer einmal der Mittelpunkt des vielgestalligen Leben» einer Riesenstadt werden könnte. Das unansehnliche Stückchen Erde , auf dem nichts Ordentliches wachsen wollte, auf dem der Futz bei jedem Schritt tief in den Morast sank, so datz das Gaffer gurgelnd in die Fusistapfen lief, wa» ihnen ein zu unheimlicher Ort, al» dah er Gegenstand hochfahrender ZukunftSträume fein konnte. Die alten Berliner waren stolz auf ihre Rechte. Widerwillig nur sahen sie im Dezember deS JahreS Ulö den ersten Hohenzoller in ihre Stadl einziehen. Die Handwerker trotzten und mit dem gröstlen Widerstreben leisteten endlich die vier Hauptgewerke, die Schlächter, Gewandmacher, Schuster und Bäcker, den geforderten Eid. Als aber der Hobenzoller das, O e f f n u n g« r e ch t' forderte. d. fi. das Recht, Truppen in die Stadt legen und die Beiestigungen .bei innerer und äußerer Roth' des Landes benutzen zu können. loderte offener Widerstand empor, und 1431 beschloh der Rat der Doppelstädte Berlin und Kölln ein B ü n dn i S zur Sicherung ihrer Sladtgerechtfame gegenAn griffe der Fürsten , des Adels oder anderer Städte. Kämpfe zwischen den Parriziern und den übrigen Bürgern nutzt« der eiserne Friedrich von Hohen- zollern zu einem Ueberfall auf Berlin und Kölln auS. Mit 600 Reitern drang er durch das Spandauer Tor ein. erzwang so mit Waffengewalt das seinem Vater verweigerte OeffnungSrecht und versuchte die politische Freiheit der Einwohner restlos zu unter« drücken. Neue Aufstände waren die Folge und als der Unterdrücker im Jabre 1443 auheihalb der Stadtmauern seine Zwing« bürg bauen wollte, verjagten die emvönen Biirget die am Bau beschäftigten Arbeiter. Aller Auflehnung zum Trotz wuchs die Zwingburg empor, die Bürger zahlten 87 000 Gitlden und 400 Schock Groschen Strafgelder in die Kasie deS.LandeSvaters' und der mannhafte Bürge rruetster Berua rd
R h k e, der in, Kampf an erster Stelle stand, muhte heimlich aus Berlin entfliehen. Die Hovenzollern verstanden eS, die Uneinigkeit der Einwohner nutzend, sich in der Folge zu behaupten. Die Abhängigkeit der Bürger wuchs. Sie fanden sich um so mehr mit dem neuen Regime ob. als durch die Hofhaltung wiederum.Geld unter die Leute' kam. Der wirtschaftliche Egoismus triumphierte. Die.LandeSväter' gingen ihnen hierin mit gutem Beispiel voran. Sie erweiterten ihre Macht. und bauten ihre Burgen und Schlöster aus. Auch die Burg an der Spree wurde hiervon betroffen. Dem Kurfürsten Jobann Georg mag der wüste Platz vor den Fenstern seines Schlaffes nicht mehr behagt haben, vielleicht aber liebte er bei aller Sparsamkeit, die man ihm nachsagt, auch eine gute Küche. Wie dem auch sein möge. er beauftragte im Jabre 1573'«inen Gärtner D e i i d«t i u S Corbianus,.uns allhie hin'er unferm Schloß am Thiergarten einen neuen Lustgarten, daraus wir unier Küchennothdurft haben mügen, mit allem möglichen und besonderen Fleiß zu erbguen'. Zum ersten Male wird hier der Lustgarten urkundlich erwähnt. Nichts läßt jedoch auf seine spätere Gestaltung schließen. 1573 bis 1644. Fast 50 Jahre versorgte nun der«eue.Lustgarten' genannte K ü ch e u- und Obstgarten die Tafel des ewig hungrigen HofeS mit Erzeugnissen. Diese Produktivst wurde jäh unterbrochen, als der Sturm deS Dreißigjährigen Kriege» über das Land dahinbrauste. Der.Lustgarten' verödete, Unkraut überwucherte alle Wege und Beete. Mäuse und Ratten fanden hier ein unbe- strittencs Paradies: der Garten spiegelte die Lage und daS Ausseben des ganzen Landes wider. 1645 bis 1713. Während das Volk darbte, ging für die viele».LandeSväter' der deutschen Vaterländer«ine neue Sonne aus, nicht im Osten. sondern mertwürdigerweii'eim Westen: hb roi eololl, der Sonnenkönig. Ludwig XIV. von Frankreich , viel gebaßt und viel geschmäht. mehr aber noch beneidet, schuk für die Patrioten auf deutschen Thronen das Vorbild eines Fürstenhofe». Eifrig waren sie bestrebt, ihm nachzuahmen und selbst die nüwterne Stadt an der Spree traf ein Strahl dieser ausgehenden königlichen Sonne. Im Jahre 1645 erhielt der Gartenkünstler Michael Hau ff den Auftrag, den völlig verwilderten.Lustgarten' im Geiste Le Notre », des Schöpfers von Versailles , umzugestalten. Eine sorgsam geometrisch abge- zirkelte Parkanlage entsteht vor den Augen der Berliner . Rechtwinklige Rasenflächen mit soldatisch tadellos ausgerichteten Hecken und Bäumen bepflanzt, denen man dem Zeitgeiste ent- sprechend mit der Schere bizarre Formen verlieh und die sich wiederum zu Kreis- und Slernformen zusammenschloffen, füllen den Platz. Vor diesem grünen Hintergründe stellte man fast ein halbes Hundert Statuen und Büsten aus Marmor und Sandstein auf. Endlich ließ sich der Hof im Lustgarten ein.Ballhaus' errichten, um bei jedem Wetter Ball spielen zu können. Im Lustgarten sandten.Fontaine»' ihr Master empor, Nuß- und Linden- bäume wurden gepflanzt, Mandelbäums kamen hinzu. AuS Har- leem wurden Blumenzwiebeln verschrieben, die rund um die Rasen- flächen herum gepflanzt wurden. Diese ganze Herrlichkeit veranlaßt« den kurfürstlichen Hofpoeten Nikolaus P e u ck e r S aus Anlaß irgend- eine» WieaenfesteS der fruchtbaren allerhöchsten Familie(warum auch nicht, das Volk bezahlte e» jal) zu folgenden putzigen Versen, die in ihrem verschnörkelten Aufbau anmuten, wie deutsches Barock: .Den Garten, den Dein Vater hat So wunderschön gebaut, Desgleichen Babylon die Stadt Kaum jemals hat geschaut. Du wirst Dich wundern um da» Man» Mit einem Babelstiel. Der Waffer um sich spritze« km». Sobald der Gärmer will. Du stehst den wunderschöne» Klee Dem Lenz entgegen gehn, Und Männerchen weiß al» der Schnee Nach guter Ordnung ftehn/ In der Nähe de» Lustgartens ereignete sich im Jahre 1709 ein fürchterliches Unglück. Der russische Gesandte hatte zur Feier des Sieges, den der Zar über Karl Xll. von Schweden bei Pultawa errungen hatte, sein in der Burgstraße gelegene» Palai» illuminieren lasten. Die allezeit recht schaulustigen Berliner drängten sich, um das Schauspiel sehen zu können, aus der baufälligen.Kavaliers-
brücke' zusammen, die den aus der dem Schloß gegenüberliegenden Seile-wohnenden.courfähigen' Herren den Zugang zum Schloß er- leichtern sollte. Die Brücke gab der Wucht der Menschenlast nach und 48 Personen stürzten rnS Wasser. 18 von ihnen fanden sofort den Tod. der Rest soll nach kurzer Krankheit ebenfalls gestorben sein. Die baufällige Brücke wurde jedoch erst 1773 abgebrochen. 1714 bis 1827. Friedrich Wilhelm I. mit dem Krückstock liebt« Soldaten und brauchte natürlich einen Exerzierplatz in der Näbe seine» Schlöffe». Rücksichtslos wurden die Anpflanzungen, die seine Vorgänger anlegen ließen, entfernt, der Lustgarten zum Paradeplatz umgeschasfen und da. wo bis- her Blumen, Hecken und Bäume in gerader L>nie ausgerichtet wuchsen, standen jetzt in enge Uniformen gezwängte, gepuderte und bezopfte Soldaten nicht minder stramm und steif, und wenn bisher aus den Rasenflächen die Sense hurtig dabinplitt, so fuhr jetzt der Krückstock des.Offiziers' nich't mrnder hurtig über den Rücken der Soldaten— ein erhebendes Schauspiel. Das Sommerhaus verkaufte der König an einen Privatmann, der darin eine Tapetenfabrik einrichtete, und im Jahre 1789 wurde es abgebrochen. Das Pomeranzenhaus wurde zu einem prosaischen PackhofSgebäude, die östliche und iüd- liche Seite wurde ebenfalls 1780 mit Pappeln umgeben. Vi« zum Jahre 1828 exerzierten im Lustgarten die preußischen Soldaten. Nur zur Zeit Napoleon » wurde hier das französische Mtlitär mit Ausdauer bewundert. In der Zwischenzeit wurde von Boumann dem Aelteren der alte Dom errichtet, der zu manchem Volkswitz Veronlaffung gab. Aehnlich wie den heutigen Dom krönte ihn eine größere Kuppel, die von zwei kleineren flankiert war. Der.Bolksmund' nannte sie.Vogelbauer', weil darin die.Dompfaffen' abgerichtet wurden. Andere wieder sprachen vom Mostrichtopf, wobei die beiden kleineren Kuppeln als Salz- bzw. Pfefferbehälter angesehen wurden. Die große aus einem Findlingsblock aus den Rauenichen Bergen bei Fürstenwalde vom Baurat C a n t i a n gefertigte Granitschale wurde unier großen Mühen 1827, ein Jahr vor Fertigstellung des Alten Museums , aufgestellt. 1848 und später. Di« Wirren der Revolution von 1848 umtobte» wohl den Lustgarten, aber die denkwürdige» Ereigniffe selbst brausten an ihm vorüber und spielten sich aus anderen Plätzen und Sträß&i Berlins ab. Von ferne nur sah der Lustgarten die Menschenmaffen, die heranströmten und sich dann auf der anderen Seite des SchlöffrS, auf dem Schloßplatz, zusammenballten. Auch der endlos scheinende Trauerzug, der einen Teil der Opfer jener Märzlage zur letzten Ruhe im FnedtichShain geleitete, zog am Lustgarten vor« über über den Schloßplatz, wo der.geliebte' König ent« blößten Hauptes dem Schlußakt de» Drama« beiwohnte, in dem er selbst erne so wenig ehrenvolle Rolle aeipiell hatte. DaS Volk jedoch wurde um die Frucht ietne« Kampfe» betrogen. Im Augen- blick der Gefahr stand eS einig zusammen, als es galt, das Erreichte zu sichern, wurde eS wieder uneinig und die Macht der Schloß- herreii von Berlin befestigte stch von neuem.—' Beilin wuck« und dehnte sich. Im gleichen Maße ober entwickelte sich kein Aussehen. Allmählich, sür die Lebenden fast unmerklich, veränderte sich auch der Lustgarten. AIS Ansang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der alte Dom gesprengt wurde um dem heutigen Zuckerbäckerbau. der io recht den.christlich schlichten' Sinn de« letzten Hohenzollern aus Preußens Thrpn kennzeichnet, sank da« letzte am Lustgarten errichtete Bauwerl de» tS. Jahrhunderts in den Staub. « In der kaiserlichen, der schrecklichen Zeit, hat wohl niemand daran gedacht, daß der Lustgarten, so wie er ist. jemal« ein RiesendemonstralionSplatz werden könnte. Wenn da» Boll von Berlin gegen Brot- und Fleifchver- teuerung oder gab es die nicht etwa in der.guten' allen Zeit?—
fßEitieft1 3LEKHH£lT