gegen Polizeischikanen. Justizwiklkür und Funkersrechheit demonstrieren mußte, dann ging es auf die großen Wiesen deS Treptower Parks. In denHöfender umliegenden Palais, inderRuhmeShallsdeSZeughauseS, der alten Bauakademie und dem Hof der Darmstädter Bank wimmelte es trotzdem von Blauen. An das Sckiloß und den Lustgarten kam niemand auf Schußweite tzeran. Man konnte nie wissen... Im Lauf dieser letzten 4'/z Jahre hat sich für den Lustgarten ein System herausgebildet, das sich bewährt hat. Die erhöhten Stufen dos Denkmals geben dem Redner einen guten Standpunkt. Nicht wdit davon die große granitene Schale, von deren hohem Rand sich auch gut. sprechen läsit. Sodann im Hintergrund die Vorhalle des allen Museums, die regelmäßig zwei Rednern, auf jeder Seite einen, Raum gibt und schließlich die Stufen zu den Domportalen, die gleichfalls mehreren Rednern Platz gewähren. An der Master» seite bietet die mit Bäumen bestandene Promenade wenig Gelegen» heit zu erhöhtem Stand mit weiter Sicht. Hier sammeln sich denn
auch während der Reden die Demonstratronsbummler, alle jene. die dabei sein müsten, tvo etwas ,los' ist, ohne innerlich dazu zu gehören. Ein bedeutendes Format weist hingegen der Platz zwischen Lustgarten und Schloß auf, gewissermaßen der Korridor zu dem Saale deS Volkes. Der Platz vor dem Schloß nimmt die sich lang- sam heranschiebenden Massen zunächst auf, um sie nach und nach über den eigentlichen Lustgarten zu verteilen. Und es ist jedesmal ganz eigentümlich, zu beobachten, wie die vielen Zehntauiende mit einer fürsorglichen Bcflistenheit bemüht sind, die kleinen UmfastungS» gitter und die Rasenbeete de» Platzes zu schonen, trotzdem sie den Masten nicht wenig im Wege find. Noch etwas anderes zieht die Massen magisch zu diesem Platz. ES ist das Schloß, dieses alte Zwing-Uri der Hohenzollern , dessen Mauern vor 76 Jahren auf die gemordeten Volkskämpfer berabschauten, und von dem man seit der Zeit das eigentliche Volk ferngehalten hat. Gelöbnis und Hand darauf, daß das nie wieder fein werdel
welche Miete habe ich am I.Mai zu zahlend
Durch den Einspruch des Oberpräsidenten ist, wie mitgereist, ein« Aenderung In den Magistratsbeschlüssen für die Mietzuschläge vom 1. Mai ab«ingetreten. Nach der endgültigen Festsetzung bleibt die Grund miete unverändert; es sind also von Friepensmiete (wie bisher) in«infachen Häusern 20 Proz. abzuziehen. Dagegen haben die festen(im voraus zu zahlenden) Zuschläge einige Ab- änderunge» erfahren. Di« Vorschußzahlung auf Be- triebskosten kommt in Wegfall. Die Abrechnung über die Vetriebskostenumlage ist � wieder monatlich(statt bisher vierteljährlich) vorzunehmen, und zwar haben die Verm'eter die Abrechnung für April bis zum 5. Mai den Mietern bzw. der Mieter- Vertretung vorzulegen. Der Vermieter hat, wenn er rechtzeitig die Abrechnung vorlegt, den Zahlungsanspruch auf die Anteil« der einzelnen Mieter an der Umlage vom 8. Mai ab. A. In einfachen Häusern hat der Mieter bei monatlicher Mietzahlung am 1 Mal zu zahlen; a) Grundmiete............. 100 Proz. ,b) ZjnSstetgerungSzuschlag......... 26, c) Verwoüuugskostcn(eins(61. Portier, Hausreinig-r und Reinigungsmaterial)........ 1000, d). Zuschlag für laufende Instandsetzungsarbeiten. 2000
Zusammen 8125 Proz. also eine Zigfache Erundmiete. Wenn der Vermieter bis zum S. Mai die Abrechnung über die von ihm im(bzw. für den) Monat April vorauslagten Betriebs- kosten vorlegt, sind am 8. Mai die Umlageanteil« der einzelnen Mieter fällig. Der Vermieter hat von der Betriebskostenumlage den Anfang April füllig gewesenen Vorschuß in Höhe der SOfachen Grundmiete i n A b z u g zu bringen, falls die Mieter diesen Vorschuh gezahlt haben. Ist ein U e be r sch u ß verblieben, so muß der Ver- mieter diesen an die Mieter herauszahlen, da ein« Vorschuß- Pflicht für die Mieter nicht mehr besteht. Bei vierteljährlicher Mietzahlung hat der Mieter am 1. Mai die Mehrbeträge für Mai und Juni gegenüber den April. Festsetzungen nachzuzahlen. Das sind in einfachen Häusern: Zinsstcigerungsznslblag(2X10 Proz.).....= 20 Proz. Verwaltungskoften(2X550 Proz.)...... 1100, Zuschlag f. laufende Instandsetzungen(2X1000 Proz.)= 2000, Zusammen 8120 Proz. der monatlichen Grundmiete. Dagegen kann er den etwa gezahlten Betriebskostenvorschuß für Mai und Juni mit je der SOfachen, also der jOOfacken Monats- Grundmiete zurückfordern, so daß der Zigfachen Monats-Grundmiete als Nachzahlung eine 1 0 0 f a ch e M o na t s< Gr u n dm i« t« als Rückforderung gegenüber- steht. Der Vermieter muß also eine S8'/>«foche Monats-Grundmiete zurückzahlen, wenn der Mieter nicht freiwillig diesen Betrag stehen lassen will: das geschieht aber auf Gefahr des Mieters, wenn der Vermieter zahlungsunfähig wird oder das Haus verkauft. — Auch bei der oierteljäbrlichen Mietzahlung kann der Vermieter die Betriebskostenumlag« für April bis zum S. Mai von den Metern «infordern und der Mieter hat, wenn der Vermieter das tut, a m 8. Mai Zahlung zu leisten. Er kann aber gegen die Vvrschüste (und zwar gegen die für Mai und Juni gezahlten) aufrechnen, wenn der Vermieter diese Beträge nicht schon vorher zurück- gezahlt hat. B. 3a Häusern mit Warmwasserversorgung oder Sammel- Heizung oder Fahrstuhl haben die Mieter, wenn nur eine dieser Einrichtungen im Be» trieb ist, außer den Sätzen zu A zu zahlen: für Verwaltungs» kosten weitere 100 Proz., also eine einsacke Monats-Grundmiete mehr als oben angegeben. Sind mindestens zwei dieser Einrichtungen im Betrieb, so haben die Mieter gegenüber den Sätzen zu A m e h r zu zahlen:
l für Verwaltungskosten wettere 200 Proz� also eine doppelt« Monats- Grundmiete. Erfolgt in diesen beiden Fällen die Mietzahlung viertel- jährlich, so sind für Mai und Juni je das Doppelt«(asto ins» gesamt 200 und sOO Proz., d. h.«in« doppelte oder vierfache Monats-Grundmiete) nachzuzahlen oder gegen den für Mai und Juni vorausgezahlten Vorschuß zu verrechnen. C. Zn Geschäfts- und Zadustriehäusern werden die nicht zu gewerblichen. Bureau-, Geschäfts- oder ähn- lichen Zwecken benutzten Räume genau fo behandelt wi« die Räume in Häusern mit mindestens zwei besonderen Einrichtungen (siehe B). Die übrigen Räume in Geschäfts» und Industrie- Häusern werden nur mit 760 Proz. Denvaltungskosten belastet: daneben werden aber die Kosten des Hausreinigers, Hauswarts, Heizers, Fahrstuhlführers usw. aus die betr. Mieter umgelegt. D. Im allgemeinen. Die Höchstsätze für die Umlequng der privotrechtlkchen Betriebskosten sind zum Teil erhöht worden, und zwar: Müllabfuhr, soweit die Kosten nicht behördlich be- grenzt sind(bisher 1500 Proz.)...... 1800 Proz. Echlackenabmhr(ohne Kestelreinigung) unter der» selben Voraussetzung(bisher 1500 Proz. einschl. Kestelreinigung)............ 700, Kestelreinigung(siehe vorstehend)....... 600, Bersickeriing gegen Glasschäden(bisher mit der Versicherung gegen WasterleitungSsckäden und Haftpflicht vereinigt gewesen— 800 Proz.).. 600. Versicherung gegen WasterleittingSschäden(wie Vorst.) 650, Versicherung gegen Haftpflicht(wie vorstehend).. 150, Fahrstuhlbeirieb(bisher 400 Proz.)...... 600. der monatlichen Grundmiete. Dies« erhöhten Sätze kommen erstmalig auf die Umlageberechnung für Mai(Ende dieses Mo» nats) zur Anwendung; für die April-Umlage gelten noch die bisherigen geringeren Sätze. Die auf der Portierwohnung kastenden Betriebs- kosten werden auf die Mieter des Hauses mitumgelegt—«in unter Umständen sehr bedenkliches Verfahren. Hierüber und über einige andere Punkte wird noch eine kritische Betrachtung nötig sein; für heute wollen wir es bei der Mitteilung der neuen Tat- fachen bewenden lasten._— k. M»— iyssi Sommer 1914!— Das Meer liegt still wie ein See. Leise nur klingt die Brandung. Nichts merkt man von seiner wogenden Kraft. Seine Farbe tiefgrau, kein Sonnenstrahl durchwebt die die endlose Wasserfläche.— Eine ermattende Schwüle lastet über dem Ganzen.—Aber aus der Ferne tönt ein dumpfes schweres Grollen, das zur Vorsicht mahnt. Menschen träumen im Meeressande. Sie fühlen sich wohl in ihrer Beharrlichkeit und nichts kann sie stören. Einige sammeln Kraft, die das Leben von ihnen fordert. Doch von dem fernen Grollen, das zum Nachdenken und zur Tot mahnt, hören sie nichts. Warum den Kopf mit überflüssigem Denken belasten, wo alles dem Zauber der Natur sich hingeben soll? Der jzinnnel wird fast schwarz. Drohende Wolken ballen sich zusammen. Der Traum beginnt zu schwinden. Rauhe Wirklichkeit! Ein schrilles Signal: Krieg! Menschen laufen wirr durcheinander, Männer.sind bleich, Frauen weinen, Kinder blicken fragend umher. Wer war es. der sie in ihrer Ruhe störte, wer n>:U dieses Elend über die Welt bringen? Der Feind natürlich! Dafür gilt ihm Rache! Berge von Koffern rollen zur Bahn und zun: Dampfer. Die Fahrkarten- schalt«? können des Ansturmes kaum Herr werden. Wenige nur
stehen beiseite und trauern, well die Liebe zu Grabe getragen wird.— Menschen schaffen Tag und Nacht, der Krieg braucht Nahrung. Die meisten wissen nicht, um was es geht.'Nach vier- einhalb Jahren ein furchtbares Erwachen! Ueberall Tränen, Ruin, unsagbares'Leid. — Sie haben den Abgrund des Wahnsinns geschaut und ihn durchkostet.— Damals war die Schar derjenigen, die von der Idee des Friedens durchdrungen sind, noch zu klein, um eine höhere Gewalt entgegen die der Waffen zu setzen. D.e Erfahrungen des Krieges aber hat den Gd danken des 1. Mai: „Zusammenschluß der internationalen Arbeiterklosse zur Erkämpfung von Menschen recht und Völterfrieden" gestärkt. Das Wesen der Not und des Elends ist nicht an nationale Grenzen gebunden. Wo es herrscht, wird es gemensam empfunden und kettet zum Kampf um Befreiung zusammen. So haben Völker hüben und drüben den Weg zueinander gefunden, damit wächst die Idee der Verbrüderung und läßt die Hoffnung auf ihre Verwirklichung größer werden. Nicht Träg- heit und Gedankenlosigkeit überwinden das blutige Zeitalter, sondern stürm'scher Wille zur Tat, der Glaube an das flutende reine Leben bieten die Gewähr für eine lichte und freie Zukunft. In diesem Sinne wollen wir die Feier des 1. Mai würdig begehen und aus ihm Kraft für den Kampf nehmen, der unser harrt._ 21. W. Erweiterter Straßenbalm'Spätverkehr. Am 1. Mai wird die Berliner Straßenbahn Erweiterungen im Spätbetriebe vornehmen, die sich auf die folgenden Linien er- strecken.(Die erst angegebenen Zeiten beziehen sich auf den Werk» tags- und die eingeklammerten auf den S o n n t a g s v e r k e h r.) Linie 1- Rofenthaler Platz, Richtung A 12.38, 12.49(12.34, 12.52), Hallesches Tor. Richtung B 12.33, 12.44(12.40, 12.52). 13: Gotz- kowskystr. bis Spittelmarkt 11.55, 12.10, 12.30(11.35, 11.60, 12.10, 12.30), Spittelmarkt— Gotzkowskystr. 12.30, 12.60, 1.10(12.10, 12.30, 12.60, 1.10). 15: Hertastr. bis Köthener Str. 12.16. 12.30(12.16, 12.36), Höthener Str.— Thüringer Str. 12.55, 1.15(12.55, 1.15). 30: Platanenftr. bis Charlottenstr. Ecke Unter den Linden 11.42, 12.12(11.41, 12,11), Charlottenstr. Ecke Unter den Linden bis Bis- marckplatz 12.35, 1.00(12.35, 1.00). 32: Reinickendorf . Rathaus bis Charlottenstr. Ecke Unter den Linden 12.05(12.06), Charlottenstr. Ecke Unter den Linden bis Reinickendorf 12.45(12.45). 40: Lichter- felde, Drakestraße bis Leipziger Str. (Schleifenfahrt über Mauer-, Französische -, Charlotten-, Leipziger Str.) bis 12.31 viertelstündlich, (bis 12.31 viertelstündlich). Charlottenstr. Ecke Leipziger Str. bis Drakestr. 11.03, 11.18, 11.33(10.45 bis 11.46 viertelstündlich), Char- lottenstr. Ecke Leipziger Str. bis Lichterfelder Chaussee 11.48 bis 1.18 viertelstündlich(12.01, 12.16, 12.33, 12.48, 1.03. 1.18). 69- Lau- bacher Str. bis Spittelmarkt 12.30(12.33), Soittelpiarkt bis Kaiser- platz 1.13(1.18). 81: Charlottenburg . Epandauer Str. bis Char- lottenstr. 11.23, 11.38, 12.00(11.50, 12.05), Französische Str.(Schleife über Charlottenstr., Leipziger Str.) 12.08, 1223, 12.45(12.00 12.15, 12.35, 12.50). 87: Schlesische Brücke bis Steglitz , Stadt- park(über den Weg der Linie 187)(10.33). Ringbahnhof bis Steglitz , Stadtpark 10.39 bis 11.39 alle 20 Minuten(10.45 bis 11.45 viertelstündlich), Spittelmarkt bis Stqdtpark 1222(1222), Steglitz . Stadtpark, bis Spittelmarkt 11.42(11,36). 176: Hundekehle bis Linkstr. 11.51, 12.06(11.58, 12.13). Hundekehle bis Halensee 124(1.24), Linkstr. bis Hundekehle 12.45(12.45), Linkstr. bis Holen- see 1.00(1.00). F: Steglitz , Lichterfelder Chaussee 12.15, 12.22, 12.30 (12.10, 12.19, 12.30), Bahnhof Zoologischer Garten 12.50, 1.00, 1.15 (12.50, 1.00, 1.15). Z: Bahnhof Lichterfelde -Ost bis Machnower Schleuse 12.14(12.14). Warum kein Späkverkehr auf der Aordfüdbahn? Man schreibt uns: Di« Straßenbahnlinie 43 mußte Ende März ihren Betrieb einstellen, weil sie durch die Erweiterung des Be- triebcs der Nordsüdbahn bis zur Ssestraße unrentabel geworden war Seit dieser Zeit fehlt den Bewohnern des Nordens, sofern sie durch ihre berufliche Tätigkeit bis 1 Uhr nachts festgehalten wer- den, jede Fahrgelegenheit. Bereits zweimal ist an dieser Stelle dar- auf hingewiesen worden, daß ine Nordsüdbahn nunmehr auch die Verpflichtung habe, für erweiterten Spätoerkehr zu sorgen. Hof- fentlich findet dieser dritte Stoßseufzer bei der Direktion der Nord- südbahn Gehör. Oder sollte erst eine Petition mit Unterschriften erforderlich sein?'__ Schulermonatskarten an Lehrlinge. Künftig sollen voir der Eisenbahnverwaltung Schülermonatskarten an alle Lehrlinqe unter 18 Jahren ausgegeben werden, die auf Grund eines schriftlichen Lehroertrages in der Berufsbildung stehen. Um Mißoerbrauch zu verhüten, ist es indes notwendig, von den Lehrlingen die Vorlage folgender Bescheinigungen zu fordern: a) des Lehrherrn darüber, welchen Beruf der Lehrling erlernt und daß ein schriftlicher Lehrvertrag geschlossen, b) einer geeigneten Stelle darüber, daß die Angaben richtig sind und daß ihr der Lehr« vertrag vorgelegen hat. Die Bescheinigungen zu b werden im allgemeinen von den Handwerks- und Handelskammern zu erteilen fein. Für die Lehrherren in Berufen, die diesen Organisationen nicht an- gehören, sind die Bescheinigungen durch die Landräte, bei den kreis - freien Städten durch die Polizeibehörden auszustellen.
tNachdruck verboten. Der M-Uk-Verlaa. Berliiu) Drei Soldaten. 991 von John dos Pasfos. Aus dem amerilanifchen Manulirivt Übersetzt von Julian Dumper». Er zog ein Stück Brot aus seiner Manteltasche, nahm einen großen Schluck Wasser aus der Kanne auf seinem Wasch» tisch und setzte sich an den Tisch am Fenster vor einen Haufen gerollten Notenpapiers. Er benagte das Brot und die Wurst nachdenklich, lange, dann schrieb er:„Arbeit und Rhythmus" mit großen, sorgsamen Zügen auf das Papier. Dann schaute er aus dem Fenster hinaus, ohne sich zu bewegen, beobachtete die fedrigen Wolken, die wie große, ungeheure, langsame Schiffe auf dem schieferblauen Himmel segellen. Plötzlich wischte er das, was er geschrieben hatte, aus und schrieb darüber:„Der Leib und die Seele von John Brown." Er stand auf und ging im Zimmer mit geballten Händen herum. „Wie seltsam, daß ich diesen Namen geschrieben habe» wie seltsam, daß ich diesen Namen geschrieben habe." Er setzte sich an den Tisch und vergaß alles in der Musik, di� ihn überströmte. Am nächsten Morgen ging er' früh hinaus, am Fluß ent- lang, versuchte sich zu beschäftigen, bis die Zeit gekommen sein würde, Genevieoe zu sehen. Die Erinnerung an die ersten Tage in der Armee, an das Fensterwaschen im Uebungslager, wurde sehr, lebendig in ihm. Er sah sich wieder nackt in der Milte eines weiten, kahlen Zimmers stehen, während der Rekrutierungsigent fein Maß nahm und ihn beklopfte �Und jetzt war er Deserteur. Hab es in alledem einen Sinn? Hatte sein Leben eine eigene Richtung gehabt, seit er wie aufs Gerate-! wohl von der Tretmühle ersaßt worden war, oder war alles nur Zufall? Ein Frosch, der über den Weg hüpft vor eine große Dampfwalze? Er stand still und sah sich um. Hinter etnem kleinen Feld war der Fluß mit seinen Sandbänken und seinen breiten, silbrigen Stromschnellen. Ein Junge watete weit draußen im Flusse und fing Fische. Andrews beobachtete feine schnellen Bewegungen, wie er das Netz durch das Wasser zog. Und auch dieser Junge würde einmal Soldat seist Mas wird
seinen geschmeidigen Körper in eine Uniform zwängen, um ihm genau dieselbe Gestalt wie die von tausend anderen Körpern zu geben, seine schnellen Bewegungen werten outo- matisiert, zum Waffendienst geeignet gemacht werden, sein forschender, beweglicher Geist wird in Sklaverei niederge- drückt werden. Die Einpfählung ist gebaut. Keines der Schafe wird entkommen. Und diejenigen, die keine Schafe waren? Die waren Deserteure! Jedes Gewehr barg Tod für sie. Die würden nicht lange leben. Und doch! Die Menschheit hatte noch andere Gespenster abgeschüttell. Jeder, der aufsteht, mutig zu sterben, lockert den Griff des Gespenstes. Andrews ging langsam den Weg hinunter und fegte den Staub mit den Füßen hoch wie ein Schuljunge. An einer Wegbiegung warf er sich nieder ins Gras unter einen Akazien- bäum. Der schwere Duft der Blüten und das Summen der Bienen, die trunken an den weißen Blüten hingen, machte ihn matt und schläftig. Ein Wagen kam vorbei, von schweren, weißen Pferden gezogen. Ein alter Mann mit gebeugtem Rücken humpelte hinterher. Er gebrauchte seine Peitsche als Stock zum Gehen. Andrews sah, wie der Alte ihn mißtrauisch anschaute. Ein schwerer Schrecken durchfuhr ihn. Wußte der vielleicht, daß er Deserteur war? Der Wagen und der alte Mann waren schon an der Wegbiegung verschwunden. An- drews lag eine lange Welle, horchte auf das Rattern des Geschirrs, das in er Ferne langsam erstarb und ihn dann wieder ganz dem Summen der trunkenen Bienen in den Akazien- blüten überließ. Als er sich auffetzte, bemerkte er, daß man durch ein Loch in der Hecke das Turmdach von Genevieoe Rods Haus sehen konnte. Er erinnerte sich an den Tag, an dem er Genevieoe zuerst gesehen hatte, an die jugendhast verlegene Geste, mit der sie Tee eingegossen hotte. Würde er und Genevieoe je einen Augenblick eine wirklich anständige Beziehung zueinander haben? Plötzlich durchkroch ihn ein bitterer Gedanke: oder will sie nur einen zahmen Pianisten als Ornament für den Salon einer klugen jungen Dame haben? Er sprang auf und begann wieder schnell zum Dorf hin- über zu gehen. Ich werde sie gleich auffuchen und all das endgültig Regeln. Die Dorfuhr hatte begonnen zu schlagen. Die kästen Töne vibrierten deullich über den Feldern. Zehn.
Bei seiner Rückkehr ins Dorf begann er über sein Geld nachzudenken. Sein Zimmer kostete zwanzig Franken die Woche. In der Tasche hatte er noch 124 Franken. Nachdem er all seine Taschen nach Silbergeld durchsucht hatte, fand er noch drei Franken und einen halben. Einhundertsiebenund» zwanzig Franken 50. Wenn er mit 40 Franken die Woche auskommen könnte, würden noch drei Wochen bleiben, um den „Leib und die Seele von John Brown" auszuarbeiten. Rur drei Wochen. Und dann mußte man Arbeit finden-.. Jeden- falls muß man Henslowe schreiben, Geld zu schicken. Es war nicht die richtige Zeit, um Feingefühl zu bekunden. Alles hing davon ab, Geld zu haben. Er schwor es sich selbst zu, dgß er drei Wochen arbeiten werde, daß er den Gedanken, der in ihm war, formen und niederschreiben werde, was auch ge- ichehen möge. Er durchsuchte sein Gedächtnis nach irgend jemand in Amerika , dem er wegen Geld schreiben könne. Ge- kpenstisch ergriff ihn das Gefühl der Einsamkeit. Und Gene- vi-ve— wird auch sie ihn im Stich lassen? Gänevicve kam gerade aus der Tür des Hauses, als er den Toreingang am Wege erreichte. Sie lief ihm entgegen: „Guten Morgen. Ich komme gerade. Sie zu holen." Er ergriff ihre Hand und drückte sie stark. „Wie lieb von Ihnen." „Aber, Jean, Sie kommen ja gar nicht aus dem Dorj?" „Ich habe einen Spaziergang gemacht." „Wie früh Sie aufgestanden find." „Sehen Sie, die Sonne geht gerade vor meinem Fenster auf und scheint auf mein Bett. Deswegen stehe ich früh auf." Sie schob ihn durch die Tür hinein. Sie gingen durch die' Halle in ein langes, hohes Zimmer, in dem ein Flügel stand und viele alte Stühle mit hohen Lehnen und vor den französi- scheu Fenstern, die nach dem Garten hinausgingen, ein runder y Tisch aus schwarzem Mahagoni, auf dem verstreut Bücher lagen. Zwei große Mädchen in Musseline standen neben dem Piano. „Das sind meine Cousinen. Hier ist er endlich.", „Monsieur Andrews— � meine Cousine Berthe— meine Cousine Ieanne. Jetzt, müssen Sie uns was vorspielen. Alles, was wir kennen, ist uns schon zu Tode langweilig." (Fortsetzung folgt.)