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Seilage öes vorwärts
Vonnerstag. IS. Mai I42Z
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Das unzufriedene Serlin
Vorschläge
vie»komische Seite" der Umsatzsteuer. Leder Einsichtige wird der Bestimmung, daß die Umsatzsteuer in vter Roten, jedesmal nach Ablauf eines Kalender- Vierteljahres, gezahlt werden soll, seine Zustimmung nicht versagen. Die Behörde versendet sehr vernünftigerweise an die Umsatzsteuerpfl'chtigen vier Zählkarten, auf denen jeder in einerVoranmeldung"(wie es behördlich genannt wird) der..Ge- samtbetrag der im vergongenen Kalendervierteljahr vereinnahmten Entgelte anzuführen ist". Nach den Gesetzen der Logik, des gefunden Menschenverstandes und des Sprachgebrauches wird man sagen dürfen, daß das WortVoranmeldung" eine unglücklich« Bildung ist, denn wennvie Gesamtheit der betreffenden Entgelte" angegeben wird, kann en einerNachanmeldung" die dach durch das Vor" inVoranmeldung" bedingt wäre) nicht' die Rede sein. Doch halt lesen wir die behördlichenBemerkungen" weiter. Da heißt es:Die Steuererklärung wird durch die Voranmeldungen nilbt ersetzt." Also muß man ein« Umsatzsteuererklärung nach Jahresfrist abgeben. Di« kann doch nur die Summe der vierDoranmeldungs"- Beträge fein, denn wenn ich viermal alles angegeben habe, kann ich doch zum fünften Male nichts anderes hinschreiben. Aber nochmals holt! Vrr   obigem Satz steht in denBemerkungen" das Folgende: Die Vorauszahlungen werden auf die zu veranlagend« Steuer ver- rechnet." Was heißt dos:zu veranlagend« Steuer"? Was ist da zu veranlagen, wenn alles bereits offenbart ist? Ist das nicht Papier  -, Druck-, Porto  - und Arbeitsverschwendunq? Oder und dieser Gedanke drängt sich unwillkürlich auf: Die Behörde hält jeden Steuerpflichtiger» für einen Menschen, der ihr gegenüber nicht die Wahrheit sagt: sie nimmt die fünfte Anmeldung(Summe der vier Voranmeldungen) entgegen und dekretiert ihreDeran- lazung". Man wird eine solche Steuerort komisch finden dürfen, da sie Gerechte und Ungerechte über einer» Kamm schert. Mittel gegen Steuerscheue gibt es doch wohl genug, um von einer solchenDer- anlagung" abzusehen, was zweifellos eine Erspant» an Material und Arbeit mit sich bringen würde. D. Schildbürgerstreiche. Segensreich wirkt im Berliner   Mogistrai die erfreulich« Tendenz zur Zentralisation undVereinfachung" des personellen und technilchen Apparates. So gibt es z. B.«inen vorzüglich geleiteten städtischen Fuhrpark. Der ist so gut, daß er der Meinung ist, er muß alle Fuhrwerke, die irgendwie mit der Stadt zu tun haben, in seinen Bereich bringen. Ganz besonders hat er es auf die A u t o s der städtischen Werke abgesehen. Wozu brauchen auch solche kleinen Krämerläden wie unsere Gas- und Elektrizitätswerke eigene Autos? Dam t fahren die Direktoren doch nur zu Privat- zwecken spazieren. Deshalb beschäftigt« sich auch unser Hochwohl- weiser Magistrat in einer seiner Sitzungen unter Punkt gg mit der Tagesordnung dieser wichtigen Frage, und er tat wohl daran. Denn so ein zentraler Mag'strat muß natürlich jede Kleinigkeit er- ledigen. Die Werksdepvtation ist selbstverständlich für solche grund- legenden Fragen ablolut nicht sachverständig. Wie wir hören. Hot der Krieg zwischen Fuhrpark und Werksdirektionen um die Autos auch schon zu regelrechten Disziplinarverfahren gegen die wider- spenstigen Direktoren geführt, die die ganz unverständliche Me nung vertreten, sie könnten ihr Amt nicht ausführen, ohne in ihrem Ge- schästsbereich selbst über ein Auto zu verfügen. O heiliger Bureau- kratius, wann wirst du lernen, wirtschaftlich zu denken und zu handeln?_ R. Jugenöliche Vefrauöanten. In neuerer Zeit häufen sich die Fälle von Veruntreuungen von Geldbeträgen, die in die Millirmen gehen, und einen erheblichen Anteil hieran hoben die Lugendlichen. Abgesehen davon, daß es schon«ine Fahrlässigkeit und Versuchung seitens derfenigen bedeutet, die einem jungen Menschen so groß« Geldbeträge anvertrauen, würde es meines Erachtens auch viel zur Eindämmung solcher Versuche bei- tragen, wenn jedermann wüßte, daß er mit dem unrechtmäßig sich angeeigneten Geld nicht viel ansangen könnte. Der Traum oller jugendlichen Desraudanten ist doch der, den Lebemann zu f p i e l e n. H'er kommt also ein ziemlich eng begrenzter Geschäft»- kreis in Frage, bei dem dos gestohlen« Geld verjubelt wird, nämlich
Schlemmer dielen, Bars, Weinlokale und Tanz- lokale erster Güte. Die Inhaber solcher Lokale merkin unbedingt, wenn sie einen Gast haben, bei dem Geld überhaupt keine Rolle spielt. Ist es dann obendrein noch ein junger, manchmal allzu junger Mensch, der in Frage kommt, so liegt doch der Verdacht, daß etwas nicht stimmt, klar auf der.ftcmd. Hier wäre es»nm Pflicht, einzuschreiten und sich den noblen Gast etwas näher an- zusehen. Oft genug geschieht das auch und man liest, daß jemand, der sich durch auffälliges Geldausgeben bemerkbar gemacht hat, fest- gesetzt wurde. Leider ober werden wohl in den meisten Fällen mehr als beide Augen zugedrückt, um den guten Gast nicht zu verscheuchen. Typisch ist das neuefts Beispiel des IVjährigen May. In etwa drei Monaten 40 Millionen verjubelt und nirgends aufgefallen? Das glaubt doch kein Mensch. Eigenartigerweise ist er aber in demselben Augenblick verdächtig geworden, da er nicht mehr bezahlen konnte, weil er sich nicht getraut«, eine lOOO-Dollar-Note z u wechseln. Ich verspreche mir sicherlich nicht alles Heil von der Polizei, aber in solchen Fällen wäre es doch unbedingt Pflicht des Gerichts, festzustellen, wo ein Millionendeftaudant sein Geld gelassen hat, und dann derartigen Lokalinhabern etwas näher auf die Finger zu sehen und sie auf Herz und Nieren zu prüfen. Wenn es nicht so furchtbar leicht wäre, das Geld loszuwerden, dann würden sich diese Fälle auch nicht so häufen. P. W. Technischen Anschauungsunterricht erteilt dieN o r d s ü d b a h n" sveundlicherweis« ohne jede Be- z a h l u n g dem daran interessierten Berliner   Publikum am H a l l e- s ch e n Tor seit Monaten. Wenn jemand nicht wissen sollte, wie z. B. ein Bahnhofseingang gebaut wird, dann geh« er zum Halle  - fchen Tor. Möglichst jeden Tag, namentlich wenn die Luft schön trocken ist und ein frischer Wind Riesenstaubwirbel über den Delle. Alliance-Platz tanzen läßt. Jeden Tag wird ein neuer Handgriff vorgefiihrt, ungefähr so, wie im Film verlangte Zeitaufnahmen höchst instruktiv jede Bewegung in ihre einzelnen Teile zerlegen. Ein Kandelaber z. B., umgeben von einer Stein- und Sandwüste, ragt nun schon seit Wochen gen Himmel und jeden Morgen und jeden Mittag zählen wir die Steine, wie sie hin- und hergerückt wurden. Skeptiker behaupten, das geschehe nur, damit die Arbeit nicht alle wird. Andere wieder meinen, das geschehe, damit das ver- wöhnt« Berliner   Publikum auch Staub kennen lernt und ganz Gläubig« verfichern uns, daß wir davon einfach nichts verstehen. Das gehör« nun einmal zum Wesen der Arbeit an der Nordfüdbahn, daß sie Monat« und Jahre dauern muß. Lieb« Nordsüdbahn, du bist sehr populär, du würdest noch populärer sein, wenn du endlich deine schönen Sandhaufen beseitigen würdest. K. Ordnung mutz sein! Bon einem Leser wird uns geschrieben: Im Bolk« geht die Sage, daß es unsere Finanzverwaltung nicht so eilig habe mit. der Einziehung der Steuern, und daß manche Leute au» diesem Grunde oft ein gutes Geschäft machen. Ich war auch einmal dieser Ansicht, bin aber jetzt gründlich belehrt worden. Im Steuer­jahr 1921 hatte ich für 22,50 Mk. zu wenig Steuennarken geklebt. Dafür bekam ich eine sicher nicht billig« Aufforderung mit Re- fpektblatt geschickt, den Rest an das Finanzamt einzusenden. Aus irgendeinem Grunde wurde die Zahlung vergessen, was keineswegs entschuldigt werden soll. Dieser Tage nun klopft es an die Weih- nungstür, meine Frau öffnet und darf zwei Beamt« des Finanz- amtes begrüßen, die chr ohne daß ich vorher gemahnt wurde «inen Pfändungsbefehl wegen der mit den Gebühren auf 47 M.(in Worten: Eiebenundvierzig Mark) lautenden Schuldsumme unier die Nase hierten. Nun war guter Rat teuer. Eine unbenutzt«, volle Streich- holzschochtel besaß meine Frau leider nicht, die letzten billigen Zigaretten hott« ich gerode oerbraucht, so daß sie also wirklich nicht wußte, was sie verpfänden sollte. Also zahlte sie und erhielt dafür ein« säuberlich ausgefertigte Quittung. Anstatt bei der nächsten Steuerauftechnung diese Summe einzusetzen,»»erden nach vor- sichtigen Schätzungen 5000 M. ausgeworfen, um ganze 47 M. einzu­treiben. Und da behaupten böfe Menschen, die Finanzverwaltung treibe nicht schnell genug die Steuern ein. Im Gegenteil, sie scheut kein« Kosten, um die letzten Pfennige einzutreiben, die wir Lobn- und Gehaltsempfänger schulden. Ist es da ein Wunder, wenn keine Zeit blestit, die Steuermogeleien der Großverdiener aufzudecken? E.
himmelfahrts-Naturgenuß. Himmelfahrt ist von oltersher der Tag der sogenannten Herren- Partien. Der Wettergott mag Launen haben, wie er will, er mag Sonnenschein oder Regen anordnen, die Herrenpartien werden da- durch nicht beeinflußt. Des Morgens früh sieht man die Teilnehmer zum Bahnhof pilgern. Meist unterscheiden sie sich schon durch ihr» Kleidung und durch ihr Geboren von denen, die nicht an einer Herrenpartie teilnehmen. Die Grundstimmung einer jeden Herrenpartie soll derUlk" sein. Und so versucht nun jeder Teilnehmer mehr oder weniger gut. ulkig zu sein. Di« einen glauben dies durch die Eigentümlichkeit ihrer Kopfbedeckungen zu erreichen, die andern, indem sie sich falscha Nasen ins Gesicht kleben, wieder andere durch rote oder grüne Sonnen- oder Regenschirme. Di«.Hauptsach« ist aber, daß auch jeder Unbeteiligte erfährt, mit wem er die Ehre habe, wenn er einer solchen Gesellschaft begegnet. Eine Bereinstafel muß sein: an einem Stock eine Papptafel, d-ie vorn getragen wird, und auf der der Name und derZweck" de« Vereins steht. Als da ist: Gesang, Mu- sik, Rauchen, Kegeln, Skat, Lotterie und vieles andere mehr dient dazu, die Mitglieder zu einem Verein zusammenzuschließen. Am Himmelfahrtstag« kommen sie alle zum Vorschein. Während des übrigen Jahres tagen sie meist in den Hinterzimmern kleiner Gast- wirtschaften, die Welt außer ihnen ahnt nichts von ihrem Vorhanden- sein. Aber heute ist der Tag, an dem sie sich zeigen, heute veran- stalten sie ihre Herrenpartie. Ein unzertremrlicher Begleiter jeder Herrenpartie ist der Alkohol. Ein jeder Teilnehmer setzt sein« Ehre darein, eine möglichst umfangreich« Flasche, gefüllt mit diesem Feuer- geist, bei sich zu haben. Und auch in den Wirtshäusern, in die die Dereine einfallen, sobald sie draußen angelangt sind, geht eine gründliche Vertilgung alkoholischer Getränke vor sich. Wald und Feld hallt und schallt wider von der feucht- fröhlichen Stimmung, die die Herreu partieler ausatmen. Vielleicht geht es in diesem Jahre leiser zu, etwas weniger ulkig, denn die Preise haben eine schwindeihafte Höhe erreicht. Diel- leicht ist auch die Einsicht bei vielen, die sonst eine Herrenpartie mit.» machten, gekommen, daß es doch eigentlich schöner sei und einen viel höheren Genuß biete, wenn man mit klarem Geist, mit offenen Sinnen durch dos Land wandert. Und so mag e» denn kommen, daß die Herrenpartien nach und noch einschlafen, wie so manche an- dere Sitte oder Unsitte es schon längst getan hat. Schade wäre es nicht darum. Deutjchvölkifihe Nowöies. Sie wollten noch einige Juden verprügeln. Eine nah« an Landfriedensbruch   grenzende Ausschreitung führt» ein« Reihe halbwüchsiger Hakenkreuzler vor die 2. Strafkammer des Landgerichts III   unter der Anklage der gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung und Beleidigung. Die Verhandlung entrollte ein Bild von der völlig demorali- sierten Geistesverfassung, die in den Kreisen der Haken- kreuzler um sich gegriffen hat. Angeklagt waren der Friseurlehrling Erich K o l l w e i t, der stellungslose Bankangestellt« Erwin Wolfs, der Aouftnannslehrling Wilhelm Meyer, der Kaufmannsongestellt« Alfted Leder, der Bankangestellte Erich Neubaum, der Bank- angestellte Max P a u t s ch und der kaufmännisch« Angestellte Ernst Overmann. Sämtlich« Angeklagt«, von denen ein Teil noch unter 18 Jahren ist, sind Mitglieder des Deutsch  - völkischen IugendbundesBismarck  *, Wilmersdorfer Ortsgruppe Ruprecht o. Bayern  . Am 21. Februar dieses Jahres hielt die Ortsgruppe einen Der- einsabend in denViktorio-Sälen" an der Wilhelmsau« ab, an der auch zahlreich« Damen teilnahmen und in der der Abschied eines Studenten bei Bier und Gesang gefeiert wurde. Am Schluß der Sitzung wurde angeregt, auf dem Heimweg« noch einigeIuden zu verprügeln. Der erste Vorsitzende Overmann und der zweite Lorsitzende P a u t s ch forderten die Mitglieder auf. sich auf der Straß« vor dem Lokal zu versammeln. Man zog in einem Trupp von 15 bis 20 Mann die Uhlandstraße entlang und ver- prügelte tatsächlich nacheinander mehrere Passanten in der gemeinsten Weise. Dabei schrien die Bengels:Haut doch die alten I u d en mm el»*!Iudenbengel, Du Iudensau. Du bist nicht wert, daß man Dich anspruckt, mit Dir werden wir Schlitten fahren."
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Heimweh.
Ein« Geschichte der Sehnsucht von John w. Ayl an der. Einige Male hatte der Steuermann angefangen, über den Lärm zu schelten, schließlich aber getan, als höre er nichts. Und nun war die Fröhlichkeit allmählich verstummt. Die mei- sten lagen schon auf der Grotzluke oder dem Schaudeckel aus- gestreckt, schnarchten vielleicht schon behaglich. Sullivon aber sah immer noch mit seinem Banjo und sanft halblaut für sich hin, wie er es gern tat. Nur einzelne schwache, fast weiche und wohllautende Knipstöne begleiteten noch den Gesang: Lome   bacil to Urin  , Mavoumeen, Mavoumeenl Lome back aroon to the land of thy birth. Lome   with the springtime and shamrocks, Mavoumeen, And its Killarny shall ring with our mirth! Er sang einen Vers nach dem anderen, beständig von ?:ein geliebten, zertretenen ffirin dort in der Ferne und be- ständig von Mavourneen, seines Herzens treuem Liebling. Die Stimme wurde immer wärmer, und das lärmende �linjo, das eben noch schnarrte und gleichsam hohnlachte zu den Ge- meinheiten der Gassenhauer, schien jetzt zu schluchzen. Sullivan, Patrick O'Sullivan, du Raufbold, Streit- Hammel, Trunkenbold, du unverbesserlicher Spötter, du, der sich weder vor Gott   noch vor dem Teufel fürchtet, du, der Jahr für Lohr  , so lange, daß du sie- nicht mehr zählen kannst, um die Welt herumgeworfen wurdest, immer mit struppigem Haar, zerlumpten Kleidern, schwarzen Händen und mit Armen. Beinen und Schultern, die beständig zu schlingern und zu schlenkern scheinen, in seltsamem Trotz gegen. alles, was keck und frei und stolz bei einem Mann« sein kann! Du, der nie- mols einen neuen Anzug auch nur eine Woche lang an Land haben kann, ohne ihn zu versetzen und wieder in deinen elenden Lumpen in den Häfen von Eallao oder Valparaiso  , von Frisko, Hongkong  , Melbourne   oder New Dork, oder wo du sonst ge- strandet bist, umherzustrvlchen. Du bist ärmer als die Aerm- sten. Und doch trägst du im tiefften Herzensgrund diesen großen Reichtum, den größten von allen Schätzen der Erde, diese heilige Sehnsucht nach deiner fernen, grünen Insel und die Er- mnerung an deine Jugendgeliebte mit den treuen Augen. Welcher ist nun eigentlich der wirklich Patrick O'Sullivan? Der mit den schlagfertigen Fausten an den schlenkernden Armen und mit dem Kopfe voll von aller Niedrigkeit und Gemeinheit der Welt, oder er. der hier unter den ftemden Sternen sitzt
und von seiner Heimat und Lieb«- singt, so daß selbst das elende Banjo zum Weinen gezwungen wird? Der Gesang war verstummt. In der tiefen Stille hört« ich, wie die Saiten noch ein paarmal berührt wurden, als Sullivan nach dem Nagel suchte. Dann war vorn alles ruhig. Das Wasser rieselte schläfrig an der Schiffswand herunter in See. Die Flaggenleine, die von der Gafselnock quer über den Mesan bis an die Nagelbank am Mäste ging, klapperte gegen das Segel. Kaum ein Knirschen vom Rigg oder ein Zittern der gefüllten Segel. Plötzlich ertönte luvwärts weithin ein seltsamer Klageruf, wie von einem Menschen in Not. Der Seelöwe", sagte der Schiffer und leerte sein Glas. Jawohl, der Seelöwe, Sir", antwortete der Steuermann und tat wieder einen seiner tiefen, langen Züge. Dann war alles still wie zuvor. Sullivans Gesang mußte wohl eine oder die ander« Saite im Herzen des Schiffers berührt haben.Man spricht so viel von Heimat und Heimweh," begann er endlich, indem er sich ein neues Glas bereitete.»Ich weiß nicht, was man dazu sagen soll." Nein, das ist wohl so", sagte der Steuermann und er- griff die Flasche.Ich habe auch immer gedacht, daß man endlich einmal auflegen könnte," fuhr der Schiffer fori,die ganze Fahrerei zum Teufel sein lassen und wie ein Mensch leben. Sie wissen, Nona Scotia und besonders Sabre Island ist ein herrliches, ist das besde Land, das ich kenne. Solche Wälder und Felder. Und das Wasser fischreich. Auch Jagd. Prächtige Häuser. Man könnte sich einen Hof mit allem, was dazu gehört, kaufen. Warm und behaglich an Winterabenden mit ein paar guten Freunden, einem Gläschen und irgendeiner Partie."Ja. den einen zieht es hierhin, den anderen dort- hin", versuchte der Steuermann.In Oregon  " Aber der Schiffer ließ sich nicht stören. Immer offen- herziger wurde er.Vielleicht könnte man sich dann auf seine alten Tage noch binden und das Junggesellenleben aufgeben. Eine vernünftige Witwe ober etwas Aehnlichcs, etwas Ge- setztes. Die Damen in Nova Scotia   sind über alles Lob er- haben, einfach unvergleichlich. Häuslich und arbeitsam, und nie haben sie dumme Streiche im Kopfe." Ich hob« zuweilen an einen Ort in Oregon   gedacht", ver- suchte der Steuermann wieder. Aber es ist schwer, sich loszureißen", fuhr der Schiffer stuft, ohne auf ihn zu hören.»Immer macht man noch ein«
Reife und dann noch eine. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er zerbricht. Dann liegen die Scherben da." Ja, aber brichst du einmal, dachte ich, da ist es sicher von stärkeren Sachen als von Waffer bei einer solchen Trinkerei Abend für Abend! Ist es Gegenwind, so muß es ein Grog fein, um ihn zu drehen. Ist es guter Wind, ein Grog, damit er sich hält;«in Grog für Stiltje und einer bei Unwetter, und gibt es gar keinen Anlaß, da wird Königs Geburtstag oder sonst etwas Hcrgesucht. Zum dritten Male schon kam Long Lee mit kochendem Wasser herauf. Das brachte vielleicht den Schiffer auf den Gedanken an den Krug. Nun trinken sie so lange, bis es mit Zank endet. Ent- weder handelt es sich um den Rekord von Melbourne   nach San Franziska oder um das länoite Kabel oder die größte Tiefe, oder auch um gar nichts: aber Zank gibt es immer, wenn nicht der Schiffer vorher einschläft. Dann kommt Bong Lee lautlos wie ein Schatten mit einer Decke, die er geschickt um den Schiffer legt, und im Vor- übergehen rettet er vielleicht noch eine oder die andere Flasche. Für den Steuermann wird es eine einsame Wach«: aber er schläft nicht. Er pflegt regungslos über der Reling zu hän- gen; doch bei dem leisesten Klappen eines Segels ist er sofort am Kompaß, und wenn es nötig ist, so müssen auch die Brassen gerührt werden. Oft geht er achteraus und bringt alles selbst in Ordnung, setzt ein Schott oder ein Tau ein. Im Grunde ist er gutmütig, zuweilen etwas laut; aber niemals flucht oder schreit er. Schon seit ich an Bord kam ist mir dieses Schlaffe, Langsame, zuweilen beinahe Freundliche aufgefallen, das in so starkem Gegensatz steht zu dem. das man sonst an Bord eines Amerikaners kennt. Dielleicht liegt es in der Luft hier, etwas von den reichen, sorglosen Inseln wird von den ewig lauen Winden über die ganze Südsee getrogen! Aber zufrieden ist man doch nicht", fuhr der Schiffer nach eine? Weile fori.Dann denkt man an die früheren Zeiten, als man noch jung war und tausend Streiche im Kopfe hatte und den zuvorkommenden Kavalier spielte. Man schrieb Briefe, saß in der Freiwache auf und putzte Hoifischkiefern rein, oder man brachte kunswoll ein Schiff in eine Flasche, um es daheim dem einen oder anderen mitzubringen." Diese hier wäre gerade die rechte Sorte dafür," sagte der Steuermann und l)ob eine der Flaschen auf,weiter Hals und nicht zu hoch." Er goß etwas in sein Glas, da er die Flasche nun einmal in der Hand hatte, und rührte bedädMg um. .~5..(Fortsetzung folgt.)