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Nr.249 40.Jahrgang Ausgabe A nr. 123

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Telegramm- Adreffe: Gozialbemotrat Berlin"

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Vorwärts

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Donnerstag, den 31. Mai 1923

Vor der neuen Note.

Sozialdemokratie gegen Industrieangebot.

Der Auswärtige Ausschuß des Reichsrats hat sich gestern nachmittag unter Borsiz des Reichstanzlers in mehr stündiger Beratung mit der auswärtigen Lage und mit dem demnächst zu unternehmenden Schritt der Reichsregierung be= schäftigt.

Auch der Vorstand der Reichstagsfraktion der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei befaßte sich am Mittwoch mit der gegenwärtigen politischen Lage. Er billigte die Schritte. die die Unterhändler der Sozialdemokratischen Partei in ben legten 14 Tagen unternommen haben, um die Regierung zu veranlaffen, ein fonfretes und substan tiiertes Angebot zu machen, das Deutschland   den Weg zu internationalen Verhandlungen öffnen soll. Der Vorstand er­suchte seine Vertreter, in den entscheidenden nächsten Tagen nachdrücklich in demselben Sinne zu wirken.

Der Fraktionsvorstand befaßte sich weiter mit dem ver­öffentlichten Angebot der deutschen   Industrie. Er nahm Kennt nis davon, daß die Wirtschaftskreise endlich für eine endgültige Lösung der Reparationsfrage grundsäglich bestimmte Leistun gen anbieten und eine Haftung der Sachwerte dafür erforder lich halten. Der Vorstand lehnt es aber auf das entschiedenste ab, die selbstverständliche Erfüllung der Staatsbürger pflichten von irgendwelchen Boraussetzungen oder Bedingun­gen abhängig zu machen. Darüber und über die Höhe der In­anspruchnahme der Wirtschaft hat die Gesetzgebung zu ent­scheiden. Der Fraktionsvorstand weist insbesondere die Pro­Plamierung des reinen Manchestertums durch die Industrie zu rück und wendet sich ebenso gegen den Vorstoß der Industrie zwed's Abbau der sozialpolitischen Errungenschaften der

ziemlich weit entfernt sind, dürfte die Ueberreichung der neuen deutschen   Note erst in der nächsten Woche erfolgen.

Vorbedingungen der Verhandlungen.

Französische   Forderungen.

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Das Ritter- Telegramm.

Ein großer Teil der bürgerlichen Presse hat es noch immer nicht über sich gebracht, durch Abdruck des Ritter- Telegramms seinen Lesern zu zeigen, wofür heutzutage in Deutschland   ein Im April 1920 hatte Fechenbach dieses Telegramm dem Mensch zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt werden tan Schweizer   Journalisten Payot übergeben, ohne sich weiter darum zu kümmern, wo und wie dieser es verwerten würde. Das Telegramm erschien dann Ende April im Pariser Jour­nal" und, aus diesem abgedruckt, noch in zwei anderen fran­Paris, 30. Mai.  ( Eca.) Der" Temps" beschäftigt sich im Anzösischen Zeitungen. Das war, als die deutsche Friedens­fchluß an die gestrige Barlamentsdebatte mit der Möglichkeit einer delegation eben in Versailles   angekommen war und die Ueber­& ösung des Ruhrkonflikts. Alle Macht trägt den Reim reichung des Vertrages nahe bevorstand. der Bergänglichkeit in fich, erklärt er, aber das, was Frankreich   und Das Telegramm war vom 26. Juli 1914 datiert und ent­Belgien eine dauernde Ueberlegenheit schafft, ist der Umstand, daß hielt eine Information des bayerischen Gesandten v. Ritter  selbst in den fritischsten Augenbliden des Kampfes die Franzosen   in Rom   an seine Regierung in München   über die Haltung des und Belgier nicht aufhören, eine gerechte und endgültige Batitans im schwebenden österreichisch- ferbischen Konflikt. Es Regelung des Reparationsproblems anzustreben. Bor  - ergibt, daß der damalige Bapst und besonders sein Kardinal­aussetzung dafür, daß die tommenden deutschen   Vorschläge Gelegen- Staatssekretär Merry del Val   das energische Vorgehen Defter­heit zu vorbereitenden Besprechungen geben, ist das Aufhören des reichs gegen Gerbien für gerechtfertigt hielten. Danach hätte passiven Widerstandes. Ferner muß Deutschland   die Bedingungen der Batikan in diesem Konflikt, wenn auch in einem gewissen Frankreichs   und Belgiens   als grundlegend annehmen: Die Räu- Abstand, eine ähnliche Haltung eingenommen wie die deutsche  mung des Ruhrgebietes erfolgt nur im Verhältnis zu den Be. Regierung. zahlungen der Schulden. Wenn dann Berhandlungen zustande tommen, so wäre es vielleicht nicht flug von der deutschen   Re­gierung, wenn sie eine feste Endfumme vorschlagen würde, denn diese Endsumme tönnte Gefahr laufen, als nicht genügend an­gesehen zu werden, denn während die Forderungen Frankreichs   be­fannt und die italienischen und belgischen Forderungen leicht zu berechnen sind, fennt man noch nicht die Forderungen Englands. Es wäre auch gar nicht zweckmäßig, wenn Deutschland   eine Ab­schägung seiner Zahlungsfähigkeit verlangt. Dagegen fann Deutsch  land ein Moratorium verlangen, aber die Alliierten müssen während dieses Moratoriums im Befiz des ganzen Ruhrgebietes Vorbehalten sind das

Auf den ersten Blick scheint es, als ob diese Veröffentlichung für Deutschland   einen erheblichen Nugen hätte bedeuten müssen. Denn die Auffassung des Auslandes, als ob jede Unter­stüßung Desterreichs gegen Serbien   ein entscheidendes Ber­brechen gegen den Weltfrieden gewesen sei, tonnte durch sie einen fräftigen Stoß erhalten. Der Hinweis darauf, daß der Papst, der für einen großen Teil der Menschheit die höchste moralische Autorität darstellt, damals eine ähnliche Haltung eingenommen habe wie die deutsche Regierung, fonnte den Glauben an die vorfäßliche Entfesselung des Weltkrieges durch Deutschland  wesentlich entfräften.

Wenn eine Ausnutung des Ritter- Telegramms in diesem

Arbeiterklasse. Er weiß sich in diesem Punkte mit den Gemert- bleiben und alle möglichen Einnahmen herausziehen. Unter diesen Sinne nicht erfolgt ist, so liegen die Gründe nahe genug. 3war

schaften vollkommen einer Meinung.

Da die Beratungen der Reichsregierung mit den verschie denen in Betracht kommenden Fraktionen vom Abschluß noch

Regierungskrise in Thüringen  ?

prüfen. Wir würden glücklich sein, wenn die Borschläge Deutschlands  die Grundlage zu einer Berständigung bilden würden.

"

war seitdem auf dem päpstlichen Stuhl ein Wechsel eingetreten, trotzdem schien es mißlich, den Vatikan   in den damals noch hell lodernden Kampf um die Frage der Kriegsschuld hineinzuziehen. Organisationen gegen die Kontrollausschüsse und die Betriebs- läßt sich viel ruhiger darüber reden. Und da erst vorgestern Heute, wo man einige Distanz zu den Dingen gewonnen hat, hundertschaften", die die Kommunisten als Eretutivorgane des Be- Herr Poincaré   in der Pariser   Kammer der deutschen   Sozial­Nichts ist für die Kommunisten gefährlicher als ruhige triebsrätefongreffes ins Leben rufen wollten, ausgesprochen. Wenn bemokratie einen Vorwurf daraus gemacht hat, daß fie 1914 Entwicklung. Sie ist ihnen verhaßt wie der Tod. Ihr Weizen alfo die Sozialdemokratie es ablehnt, diesen jetzt gestellten ver- den Weltkrieg nicht verhinderte, so fei beiläufig auch noch fol­blüht nur in der Hoffnung auf Konflikte und Unruhe. Biel  - ftiegenen Forderungen Folge zu leisten, so respektiert sie nur den gendes dazu bemerkt: bewußte Aufbauarbeit ist ihnen verhaßt, denn daran stirbt ihre Billen ihrer Mitglieder, hinter deren Zahl die der Die deutsche Sozialdemokratie hat alles in ihren Kräften demagogische Phrajenarbeit. Daher ihre ständige Sucht zur Kommunisten verblaßt. Aber letzten Endes hat die APD. ihre Stehende getan, um auf die deutsche   Regierung einzuwirken, Erzielung neuer Krisen", die sie jetzt auch in Thüringen   übertriebenen Forderungen nur aufgestellt, um der Ablehnung durch damit sie den österreichischen Einmarsch in Serbien   verhindere. betätigen möchten. Es wird uns dazu aus Weimar   gefchrieben: die Sozialdemokratie sicher zu sein. In einem Augenblid, in dem Sie hat diesen militärischen Einmarsch als ein Verbrechen Seit einigen Tagen sind zwischen der Sozialdemokratie und es der sozialdemokratisch- kommunistischen Mehrheit des thüringischen bezeichnet und steht zu diesem Urteil noch heute. Wenn aber ben Kommunisten Berhandlungen geführt worden, um für den Frei- Bandtages endlich ermöglicht würde, sich nach dem äußeren staat- der Mann, der den militärischen Einmarsch in das staat Thüringen   ein von beiden Parteien anerkanntes Bro- lichen Aufbau des neugeschaffenen Freistaates, dem wichtigeren Ruhrrevier auf dem Gewissen hat, heute der Sozialdemo­gramm für eine gemeinsame Regierungspolitit auf inneren Aufbau, zuzuwenden, versagt die PD. ihre Mit- tratie Vorwürfe macht, weil sie nicht star? genug war, den Ein­zustellen. Diese Verhandlungen sind jetzt infolge der Haltung der arbeit und wird damit zum Totengräber der Arbeiter marsch in Serbien   zu verhindern, so ist das zum mindesten eine KPD. gescheitert, so daß die seit längerem schleichende Krise regierung, an der teilzunehmen man sie vergebens aufgefordert argen Unvorsichtigkeit. Zwischen Desterreich und Serbien   han­zu einer offenen Regierungstrije geworden ist. Die Parteileitung hat. Und weshalb das? Feigheit vor der Verant- delte es sich nicht um unbezahlte Schulden, sondern um vergosse­der Sozialdemokratie hatte als Grundlage für die Verhandlungen wortung, Liebe zum Raditalismus der Phrase, nes Blut, Serbien   mehrte sich und fand bei Frankreich   und ein Brogramm ausgearbeitet, das Vorschläge enthielt für Maß- Rücksichtnahme auf die bisherige rein agitatorische Ein Rußland   Hilfe. Nach der Moral des Herrn Poincaré   scheint ein nahmen zum Schutze der Republik   und der Arbeiterbewegung, zur ftellung diftieren diesen Arbeitervertretern" ihre Haltung und militärischer Einmarsch nur dann ein Verbrechen zu sein, wenn wirksamen Bekämpfung des Wuchers, für eine Amnestierung lassen sie zu 3erstörern der proletarischen Landtags- er auf einen Gegner trifft, der nicht entwaffnet und nicht der Opfer der Klaffenjustiz und vor allem zur Errichtung einer mehrheit werden, die ohne weiteres auf der Grundlage eines isoliert ist. Arbeiter und Angestelltentammer als Intereffen gemeinsamen Brogramms eine Arbeiterregierung ermöglichte. Da die deutsche   Politik auf die Berwertung des Ritter­vertretung für die Arbeitnehmerschaft des Landes Thüringen  . All Danach ist also auch in Thüringen   mit einer baldigen Telegramms im Sinne einer teilweisen Entlastung Deutsch­diese Vorschläge fanden vor den Augen der Kommunisten, die aller Regierungsfrise zu rechnen. Wir möchten annehmen, daß die lands von der Kriegsschuld verzichtete, blieb die Ver= orts nach der Arbeiterregierung schreien, die sie in Thüringen   haben Kommunisten versuchen wollen ähnlich zu manövrieren wie öffentlichungohnejede feststellbare Wirkung. und mit ausgestalten fönnen, feine Gnade. Denn sie wollen auch in Sachfen. Namentlich die russischen   Ratgeber der KPD.  , Sie blieb jenseits und diesseits beinahe unbemerkt man hier die Dinge weitertreiben". Daher erklärte ihre Ber die ja letzten Endes entscheiden, drängen dazu, daß die deutsche   hatte mehr zu tun, als sich um Vergangenes zu fümmern. Die handlungskommission, daß die Vorschläge der Sozialdemokratie nicht KPD. irgendwie unmittelbar politischen Einfluß bekommt, Bariser Bresse   midmete ihr nicht einmal einen Kommentar. nur feine Grundlage für eine Arbeiterregierung Thüringens   bilden, wozu die Unterdruckfegung der Landesregie Nur so wurde die Bosse möglich, die sich in der Münchener  sondern daß sie auch keine genügende Grundlage zu einer ferneren rungen als geeignetes Mittel angesehen wird. Zweifellos Justiztragödie ereignete: Das Boltsgericht verbot die Ber­Unterstützung einer sozialdemokratischen Regierung darstelle." werden sie die thüringische Regierung stürzen und dann der öffentlichung des Ritter- Telegramms, das 21 Jahre zuvor Außerdem fet es für die KPD. unmöglich, auf der von uns vor suchen, eine lintssozialdemokratische" Regierung ins Leben in Paris   veröffentlicht worden war, und tatsächlich erfuhr geschlagenen Grundlage die gegenwärtige Regierung weiter zu zu rufen, der sie gnädigst gestatten werden, unter dem Fall monatelang fein Mensch, was in jenem Telegramm gestanden unterstützen, da die elementarsten Forderungen der proletarischen beil" ihrer im Wind und Wetter wirbelnden Barolen und hatte. Auch Spezialisten der auswärtigen Politit, Historifer, Klaffe abgelehnt werden". Agiationsbedürfnisse zu arbeiten. Daß diese Tattit, deren Ge- die sich mit der Erforschung der Kriegsurfachen beschäftigten, aber besagen diefe elementarsten Forbeschicklichkeit nicht zu verkennen ist, zumal Karl Radet sie in waren ohne jede Kenntnis jenes Gesandtschaftsberichts. So rungen", die die Kommunisten vertreten? Sie verlangen den zweiter Auflage verbeffert anwenden wird, auch für die Rom  - unbemerit wie das Ritter- Telegramm bei seiner Beröffent­Betriebstätetongreß, der dazu berufen sein soll, das munisten ihre großen inneren Gefahren in sich birgt, ist nicht lichung in Deutschland   geblieben war, so unbemerkt blieb es Brogramm der Arbeiterregierung" zu schaffen, Gesetzesvorschläge zu leugnen. Bei einer langen Lebensdauer einer solchen Re- auch, nachdem Fechenbach wegen seiner Veröffentlichung zu zu machen und die Maffen für deren Durchführung zu mobilisieren. gierung würde natürlich die Wirkung der Parole Arbeiter 10 Jahren Zuchthaus verurteilt morden war. Die so vorberatenen Gefehe sollen dem Landtag dann aufgezwungen regierung sich gegen die kommunistischen   Demagogen selber Aber indem das Volksgericht sich anmaßte, das Ritter­merden. Daneben soll der Stonereß die Regierung fontrollieren. menden und den Riß in der KPD.   bedeutend vertiefen. Telegramm der deutschen   Deffentlichkeit vorzuenthalten, Dabei ist der vom tommunistischen Betriebsräteton- Aber das ist nur die eine Seite diefes Experiments. Ob die widerlegte es aufs schlagendste sich selber. greß im Herbst 1922 gefchaffene Bandesausschuß der Betriebs- thüringischen Genossen Neigung zeigen, nach den sächsischen Wie? Dieses Telegramm sollte über Deutschland unfägliches räte und Rontrollausschüsse" so fläglich zufammengebrochen, daß Erfahrungen einen solchen Versuch zu wagen, wird natürlich Unheil gebracht haben eben dadurch, daß es veröffentlicht wor schon vor Wochen sein Sekretariat einging. Auf der anderen Seite sehr wesentlich auch von der sonstigen Entwicklung abhängen. den war, und fein Mensch in Deutschland   konnte sich seiner er­hatte seinerzeit die Konferenz der Ortsausschüsse des Vorläufig scheinen uns solche Aussichten gering zu sein. innern? Das war doch ein offenbarer Widerspruch. DGB. mit über 70 Broz. der vertretenen Mitgliedschaften den Betriebsrätefongreß abgelehnt. Darin sprach sich die

Die fommunistische Rote Bauernfahne" in München   ist neuer­Meinung und der Bille von rund 200 000 der 250 000 freigemert- bings beschlagnahmt und für 4 Bochen verboten worden. schaftlich organisierten Arbeiter des Landes aus, während die Der verantwortliche Redakteur ist verhaftet. Der auf 8 Tage ver. 10 000 organifierten Kommunisten Thüringens faum ins Gewicht boten gewesene Böltische Beobachter" ift gestern erstmalig wieder fallen, Ebenso scharf haben fich überall bie Jozialbemokratischen erschienen,

Daß der behauptete schädliche Einfluß jener Beröffent­lichung auf die Lage Deutschlands   ein reines Phantasieprodukt gewefen ist, gibt auch der einzige politische Sachverständige im Fechenbach- Brogeß, Dr. Friedrich Thimme, zu, indem er in seinem Vorwort zu der mehrfach ermähnten Schrift des Rammergerichtsrats Frenmuth den Kampf gegen das