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Die Münchener polt* verboten. Muncheu, 5. 3unl.((Eigener Drahlberlchi.) Conf Verfügung der Polizeidirektion München ist das Erscheinen der M ünchener Post" vom 6. bis einschließlich 10. Z uni 1923 verboten worden. Die Begründung des Verbots besagt: »Die Notverordnung vom 11. Mai 1923 bedroht mit Strafe den Deutschen , der vorfähllch während der in Zriedenszeiien erfolgten Besehung deutschen Gebiets durch eine fremde Macht dieser Macht Vorschub leistet." DieMünchener Post" bringt in Nr. 12S vom 4. 3unl auf der ersten Seite einen ArtikelAus dem Sumpf d e r N a t i o u a l a k t l v e n". Die Nichtigkeil des Tatsacheninhalts dieses Artikels nachzuprüfen erübrigt sich, da der Artikel ohne jeden Zweifel den Tatbestand der oben angeführten Bestimmung voll er- füllt. Nach§ K der Verordnung kann eine periodische Druckschrift verboten werden, wenn sie einen verstoß gegen§ 1 enthält. Da dieMünchen er Post" bisher noch nicht verboten war, erscheint ein Verbot aus die Dauer von fünf Tagen als ausreichend,(t) Die GeschSstsleitung derMünchener Post" hat gegen dieses Verbot Beschwerde beim Obersten Landesgerichl mit der Begründung eingelegt, daß die in dem angezogenen Artikel er- wähnten Tatsachen und Vorfälle mehr oder weniger allgemein be­kannt sind._

Gefahren im Nuhrgebiet. Dortmund , S. Juni.(Eigener Drahtberlcht.) Die Truppen» beroegungen und Verstärkungen der bisherigen Besatzung im südlichen Einbruchsgebiet dauern an. Am Dienstag vormittag zogen große Truppenaufgebote durch Gelsenkirchen und Wanne. Um S Uhr morgens wurde die Strecke Essen ch ern« besetzt und säml- liche an dieser Linie gelegenen Bahnhöfe stillgelegt. Die Eisenbahner stellten sofort den Dienst ein. In Plakaten Gerden sie durch den General Degcnitte zur Wiederaufnahme der Arbeit innerhalb 48 Sinn- den aufgefordert. Ferner bringt Degoutte in Maueranschlägen zur Kenntnis, daß auch die letzte ins Ruhrgebiet führende Linie jetzt unter Verwaltung der fr a n z öfif ch» b elg if ch en Regie steht. Die Eisenbahner denken nicht daran, dem Befehl des französischen Oberbefehlshabers nachzukommen. Sie bereiten sich ge- schlössen auf ihre Ausweisung vor. Auch die Linie Herne Altenessen ist stillgelegt worden. Don Gelsenkirchen aus wurde ein wesentlicher Teil dieser Strecke fast bis nach Altenesien hin aufgerissen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Ankunftdes Generals Potain, der am Dienstag vormittag in Düsseldorf eintraf, mit der in Vor- bereitung befindlichen neuen Aktion, deren Zweck vorläufig noch nicht recht erkenntlich ist, in Zusammenhang steht. Infolge dieser neuen militärischen Druckmahnahmen ist der Ver- kehr mit dem Ruhrgebiet ausschließlich auf die Straßen- bahnen beschränkt, die aber derart überfüllt sind, daß ihre Benutzung lebensgefährlich ist. Wenn sich unter diesen Umständen innerhalb der Bevölkerung ein gewisser Unmut breitmacht, so ist das verständlich. Hierbei wirken aber auch die Folgen der neuen Mark- entwertung mit. Wucher und Schleichhandel sind neuer- dings wieder Tür und Tor geöffnet. Auf den Wochenmärkten des eigentlichen Industriegebiets sind Lebensmittel fast kaum noch zu hoben. Das ist eine Folge des Wirkens der tommunisti- fchen Kontrollausschüsse, denen die Händler und Kaufleute nicht das zweitemal zum Opfer fallen wollen. Alles versucht jetzt, die Ware in Gebietsteilen zu verkaufen, die bisher noch nicht unter dem Terror sogenannter Kontrollousschüsse gestanden haben. Aus der Kölner Gegend wird z. B. berichtet, daß dort aus Dortmund , Essen, Witten und anderen Orten kommende Landleute angehalten wer- den, die ihre Waren nach dem Kölner Wochenmarkt bringen wollen. Diese Zustände bilden natürlich eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung. Es muß deshalb erneut die Forderung auf ausnahmsweise Behandlung des Ruhrgebiets durch die Berliner Zenttalinstanzen erhoben werden. Uns scheint, daß die jetzt erneut auftauchende unheilvolle Entwicklung nur dann eingedämmt werden kann, wenn im wesent. lichen die Verpflegung des Ruhrgebiets zentral von der Grenze der besetzten Bezirke aus geregelt wird.

Gegen üie französischen Zaschisien. Paris , S. Juni.(Eca.) Die mit großer Spannung er- wartete heutige Sitzung der Kammer, in der der ö f f en t l i ch e Anschlag verschiedener Reden über die durch die royalistischen U ebergriffe hervorgerufenen Zwischenfälle beschlossen werden sollte, hatte ein zahlreiches Publikum in die Kammer gerufen, die heute das Bild eines großen Tages bot. Die Tribünen waren überfüllt. Die Mehrzahl der Mitglieder der Regierung mit Poineare an der Spitze war anwesend. Es kam jedoch nicht zu der erwarteten großen Aussprache, sondern es wurde lediglich über den öffentlichen Anschlag der in Frage kommenden Reden abgestimmt. Di� Abstimmung hatte folgende Resultate: Der Anschlag der Rede herriots wurde mit 280 gegen 213 Stimmen angenommen, der Anschlag der Rede des Abgeordneten Brousfe wurde mit S20 gegen 44 Stimmen an- genommen, die des Ministers des Innern de M a u n o u r y mit 373 aezen 61 Stimmen. Der royalistische Abgeordnete M a g a l l o n beantragte, daß der Beucht über die gesamte Sitzung, in der die erwähnten Reden gehalten wurden, ösfentlich angeschlagen wird. Dieser Antrag wurde mit 510 gegen Z0 Stimmen abgelehnt._ Es ist vorläufig noch nicht ersichtlich, was vor dieser Alstttnnnung hinter den Kulissen und in den Parteien vorgegangen ist. Jedenfalls kommentiert man in politischen Kreisen sehr lebhast die Tatfache, daß entgegen den Erwartungen vieler Kreise die Rede Herriots mit einer verhältnismäßig starken Majorität angenommen worden ist. Es ist dies das erstemal, daß der gesamte Block der Linken von den Kommunisten bis zu den Linksrepublikanern gemeinsam ge­stimmt hat, worin der erste praktische Beweis für das Vorhandensein dieses Blockes der Linken im parlamentarischen Leben erblickt wird. Für Donnerstag steht di« Diskussion über eine sozialistische In­terpellation in der gleichen Angelegenheit im Senat bevor. Da im Senat die Parteien der Linken noch stärker als In der Kammer ver- treten sind, dürfte über den Ausgang dieser Debatte kaum ein Zweifel sein. Ob Poincare an dieser Senatssitzung teilnehmen wird, steht noch nicht fest, da man noch nicht weiß, ob er bis Donnerstag nachmittag aus Brüssel zurückgekehrt sein wird.

Notenschwinöe!. MTB. schreübt: DerBerliner Börfen-Courier" und da» 8-Uhr-Abendbiatt" veröfsentlichen, das letztere nach einer Wiener buelic Mitteilungen über den angeblichen Inhalt der deutschen Ant- tvort.' Die Angaben sind in wesentlichen Punkten unrichtig. Die von dem wirklichen Inhalt der Antwort unterrichteten Perfön- lichkeiten sind zum Stillschweigen verpflkchtet. Vorzaitige Mut­maßungen sind daher zwecklos und können noch außen mir schädlich wirken.

Unsere Vers ?n der Chausseestraße. Der Saal des Patzenhofer Ausschanks in der Thausseestraße war schon lange vor Beginn der festgesetzten Zeit völlig überfüllt. Selbst in den anstoßenden Neben- räumen hatten viele mit Mühe und Not Platz gefunden. Der Redner des Abends war Genosse Dr. Paul Levi, der mit geistiger Schärfe em Bild von der heutigen wirtschaftlichen und politischen Lage zeichnete. Es liege zurzeit erwas Bedrückendes in der Luft, das empfinde jeder, und dieses Empfinden löse das Verlangen einer Reinigung der Atmosphäre aus. Es war ein Fohler der Novemberrevolution, daß sie über­sehen hat, abzurechnen mit denen, die das deutsche Volk ins Elend geführt haben.(Sehr richtigl) Schon nach einigen Monaten be- gann langsam aber planmäßig die Unterwühlung der Errungen- schuften. Dann kam der Kapp-Putsch und ihm folgten später die Ermordungen der Minister Erzberger und Rat Henau . Es gibt eine große starte Kraft, die den Umsturz der Republik und alles dessen erstrebt, was die Revolution geschaffen hat. Das ist der deutsche Rationalismus. Dieser träumt von der Zukunft, von der er wieder die Zeit der Paraden und die Freuden des Etappeniobens erwartet. Nachdem Euno zur Regierung gekommen war, fühlten sie sich stark genug, an die Oeffentlichkeit zu treten. Das sollte die Regierung mit der starken Hand und der diskontfühigen Unterschrift sein. Kaum war diese Regierung einige Wochen in Tätigkeit, da kam die Rnhrbefetzung mit allen ihren bisherigen tmd den noch gar nicht abzusehenden Folgen. Es kam die ins Ungeheuerliche gestiegene Verschuldung des Reiches, und wenn kein Wunder geschieht, werden Euno und seine Helfer die Ruhrattion nicht zu Ende bringen. Der Versuch, die Mark zu stabilisieren, sst kläglich gescheitert, weil sie nicht unter den Voraus- setzungen unternommen wurde, die eine Forderung der Svzialdemo- traten waren. Der Verfall unserer Währung hat Deutschland an den Abgrund geführt und wird weiter die furchkbare Berelendung des Bolke» beschleunigen. Der Redner verbreitete sich weiter über da» große Steuer unrecht und unterzog dann das Angebot der Industriemagnoten und der Landwirtschaft einer vernichtenden Kritik. An der Hand eines reichen Zahlenmaterials wies der Redner nach, daß die Gewährung dieser Bedingungen für Industrie und Landwirtschaft ein glänzendes Geschäft bedeuten würde. Es handle sich jetzt um die Schicksalsfrage des deutschen Proletariats. Der Augenblick fei gekommen. Abrech. nung z u halten. Keine Situation könne gänzlich hoffnungslos sein. Schließlich werde das deutsche Proletariat doch siegreich über seine Feinde ttiumphi-rem(Lebhafter Beifall.) Dem Bortrag folgt« ein« l«bhafte Diskussion. ?n Moabit . Im Moabiter Gesellschaftshans sprach vor über- füllter Versammlung Genosse Künstler. Bor den Augen der ganzen Welt, so führte der Redner aus, wird an der Ruhr nicht mir um Deutschlands Zukunft eine Schlacht geschlagen, sondern der Kampf ist eine Auseinandersetzung zwischen den kapita- listischen Mächten und dem aufwärts st rebenden Proletariat. Eine Niederlage an der Ruhr ist gleich- bedeutend mit einem Triumph des Militarismus und Nationalismus nicht nur in Deutschland und Frantteich, son- dem in ganz Europa . Während das Proletariat den Kampf nicht um der schönen Augen seiner deutschen Unterdrücker willen. sondern aus Selbsterhaltungstr'eb aufnahm und durchhält, haben die besitzenden Kreise Deutichlands nicht im entferntesten das geleistet, was sie hätten leisten lönnen. Alles, was wir bisher auf diesem Gebiet erlebt haben, wird in den Schatten gestellt durch das Angebot des Reichsverbandes der deutsche� Industrie an den Reichskanzler Euno. Dieses Angebot ist eine Kriegserklärung nn Repu­ blik und Arbeiterschaft. Die Kriegserklärung des vow den Herren Emst von Borstg, Fritz Thyssen , Hugm Stinnes geführten Reichsverbandes der deutschen Industrie Ist eine genau so feindselige und verhängnisvolle Handlung gegen Deutschland wie die des Herrn Poineare vom 11. Januar. Poincart im Bunde mit Stinnes und Thyssen sind die Totengräber der deutschen Republik. Fritz Thyssen , der vor einigen Wochen ob seiner durch d'e Franzosen erfolgten Verhaftung in allen Tonarten der bürgerlichen Zeittingen als Märtyrer für d!« Sache des deutschen Volkes gefeiert wurde, unterstützt und empfiehlt die erpresserischen Borschläge des Reichsoerbandes der Industrie. Die schwache und unfähige Regierung des Herrn Euno gegenüber deutscher Schwer- Industrie und deutschem Finanzkapital hat uns dahin aebrackt, daß wir heute vielleicht am Vorabend des Zerfalls des Deutschen Reiches stehen. Das Attentat der Schwerindustrie muß ver» hindert werden. Partei, Gewerkschaften und AfA-Bund wer- den die Arbeiter aufrufen, für Forderungen einzutreten, d!« die Reichstagssraktion soeben in einer Interpellation im Reichstag ein- gebracht hat. Stellen wir dem fest und geschlossen austretenden Reichsverband der Industrie die ebenso fest gefügte p r o l e t a» r i s ch e Front entgegen. Die Sozialdemokrafts ist sich ihrer Aus- gäbe bewußt. Sie wird dem Abwehrkampf Inhalt geben, gestützt auf das Vertrauen des Proletariats. Die Rede Künstlers winde mit stürmischem Beifall aufgenom- wen. In der Diskussion sprach Abg. Koenen(Komm.). Er erklärte sich mit dem Referat im großen und ganzen«inver» standen. Was er sonst vorbrachte, war das übliche Gerede vom Versagen der Sozialdemottatje. Im Schlußwort bemerkte Genosse Künstler, daß, wenn Koenen in der Hauptfach« mit ihm und damit auch mit der Sozialdemokratie übereinstimme, dieRote Fahne" tagtäglich in einer Art und Weise beschimpf«, di« im Gegensatz zu de» A«ußerung«n Koenen« steht. Die Resolution fand einstimmige Annahme. Der Vorsitzende H e n n i g schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch aus die Partei und die neugegründet» Inter » nattonale. Lichtenderg. In der dicht gefüllten Park-Aula des Realgymna­siums in Lichtenberg sprach der Genosse Roberl Mssell in nahezu zweistündigen fesselnden Ausführungen, die nur ganz gelegentlich von kurzen belanglosen Zwischenrufen unterbrochen wurden. Der Zeit des langen Krieges� so begann der Redner, ist eine Zeit des friedlosen Friedens gefolgt, und man möchte als Ueberschrift zum Eingang des Deutschen Reiches schreiben:Laßt alle Hoffnung fahren." Angestellte und Arbeiter können kaum so­viel erwerben, was sie nötig haben, alle freien Berufe befinden sich in schwerster Rot, und Sozialrentner und Kriegsbeschädigte sind geradezu von dem Hungertode bedroht. Der Redner ging zunächst auf di« eigenartige Lage Frankreichs und seiner dar­aus bedingten Stellungnahme zu dem ganzen Reparationsproblem ein und erinnerte daran, daß Frankreichs Schulden auf einen Be- trag von über 300 Milliarden Franken angewachsen sind, was allerdings zum Teil daran liegt, daß Frankreich heute die größte Armee der Welt unterhält. Es darf aber auch nicht vergessen wer- den. daß durch den Wahnsinn des deutschen Militarismus in Frank- reich 5460 Kilometer Straß em 2800 Kil"meter Eisenbahnen, 29(KW Wohnungen vollkommen zerstört und 42 000 ander« Dehaustmgen schwer beschädigt worden sind, während 3500 industrielle Etablisse- ments nahezu restlos vernichtet wurden. Dem deutschen Arbeiter ist hieraus nicht nur eine rechtliche, sondern eine moralische Pflicht zur Wiedergutmachung erwachsen. Deutschland muß deshalb alles tun, um Frankreich die Möglichkeit zu geben, die zerstörten und vernichteten Werte wieder aufzubauen. Andererseits ist im Ausland« die Meinung, daß der deutsch « Besitz bisher nicht im entferntesten zu den Lasten

beigetragen hat, die auf dem deutsthen Volke ruhen, ein« Ansicht der man nicht widersprechen kann. Es hat als» gar keinen Zweck, wenn die Regierung Euno nur i.nmer anbietet, sie muß un das ist der Hauptkern des ganzen Problems auch die Gewäb> bieten, daß die, die wirklich zahlen können, aueb zur Zahlung herangezogen werden. Der Abwehr- kämpf an der Ruhr wird nur noch mit größeren Zerstörungen enden, wenn wir nicht endlich den Mut und die Kraft haben, aus dem tragischen Beispiel des Jahres 1918 zu lernen. Die Regierung Euno hat jetzt eine einzige Pflicht, nämlich sich die Garantie der Wirtschaft deutlich und einwandfrei zu verschaffen. Das Kernproblem ist und bleibt die Solidarhaftung der deutschen Wirtschaft. Wenn jetzt plötzlich die Industrie dem Reich und den Stao cn zumutet, daß sie mit ihren Betrieben, das Doppelte dessen aufbringen sollen, was die Industrie sich selbst zumutet, dann stellt sich die Industrie damit ein merkwürdig berührendes Armutszeug- n i s einer geringen Leistungsfähigkeit aus, die in Wirklichkeit doch wohl nicht besteht. Andererseits steht die Arbeiter- und Ängestsll- tenschaft am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Während sie vor dem Krieg« nur 55 Proz. ihres Einkommens für Lebensmittel aufzu- wenden hotte, muß sie jetzt 80 Proz. des Einkommens dafür auf- wenden, kann aber noch nicht die Hälfte dessen dafür kaufen, wa� sie vor dem Kriege mit 45 Proz. kaufen konnte. Es bleibt uns nichts übrig, als daß wir, io bedauerlich es an sich ist. unsere Wirtschaftsführung durchsichtig machen, damit das Ausland Klarheit bekommt. Allerdings dürfen wir uns nicht ver- hehlen, daß wir dann keineswegs goldenen Tagen entgegengehen, sondern daß das eine Politik auf lange Sicht ist, von der die wenigsten von uns selber noch profitieren können. Es muh uns darauf ankommen, die Republik zu erhalten, damit unsere Kinder und Nachkommen einmal bessere Zeiten er- leben. Brausender Beifall lohnte den Redner, dem in der Dis- kussion nichts Wesentliches entgegengestellt werden konnte. Einem UsP.-Redner, der von unserer Partei forderte, daß sie die Partei- Politik über alles andere stellen müsse, konnte Genosse Wissel! unter dem lauten Beifall der Anwesenden erwidern, daß die Part«. das einzige Bestreben habe, eine Politik zu treiben, die dem gesamten deutschen Volke, nicht aber einzelnen Partei zugute komme. ?n Charlottenburg . In Eckmanns Festsälen in Charlottenburg sprach Genosse Robert Schmidt. Die Versammlung war derartig überfüllt. daß viele Hunderte von Zuhörern sich mit Stehplätzen begnügen mußten. Der Redner führte unter anderem aus, daß die' Ruhr- besetzung uns in ein« schwere wirtschaftliche Bedräng- n i s gebracht habe. Die Reparationsfrage ist ein« Frage von größ- ter politischer Bedeutung. Man könne annehmen, daß Rathenau den richttgen Weg gefunden habe. Als die Sozialdemokraten am 21. Mai in das Kabinett eintraten, haben sie versucht, die Repara- tionsfrage in ein verständiges Gleis zu schieben. Er, Schmidt, habe den Besitz damals zu Leistungen heranziehen wollen. Als das Kabi- nett Wirth den Reichsverband der deutschen Industrie berief, kam der damals schon mit Gegenforderungen, die vor allen Dm- gen die größere Leistungsfähigkeit der Arbeiterschaft, d. h. im indu- striellen Sinne die Beseitigung des Achtstundentages forderte. Als Euno, der starke Mann, kam, schien es für einen Augenblick, als ob er feine so als ganz anders gerühmten Beziehun­gen ausnutzen könne. Aber bald setzten politische Komplikattonen ein. Der Dollar lief weg. Doch setzte die Kritik nie so scharf ein, wie damals, als noch Sozialisten im Kabinett waren. Es kam die Ruhrbesetzung. Die Stützung der Mark war eine sozialistische Idee. aber was das bürgerliche Kabinott trieb, war nur Stückwerk Die Stützungsaktion war ganz anders vorgeschlagen worden. Die Speku latton muß vermieden werden. Die Zentralisierung des gesamten Devifenverkebrs ist notwendig. Die Ruhrbesetzung bringt eine un geheure Velastting unserer Finanzwirtschaft mit sich. Als die Sozial dsmokratte mis der Regierung trat, hatte Deutschland 1 Villion Schulden, jetzt hat st« derer zehn. Wir müssen die der Industri -' gegebenen Kredite wertbeständig machen. Die Industrie sondert jetz, Freiheit der Wirtschaft, vollständige Befeitigunii der Äusfuhrabgabe. Das letztere ist unter dem Minister Becker schon zum erheblichen Teil durckigesetzt. Die Löhne sind gering, die Gewinn? sind nicht zurückgegangen Die Industrie läuft Sturm gegen den Achtstundentag, den sie grundsätzlich wohl aner kennt, den sie aber durch Ausnahmen durchlöchern will. Zu unserer wirtschaftlichen Substanz gehört aber auch die Lebenskraft der Ar eiter; die muß erhalten werden. Das Angebot der Industrie dar- nicht als freiwillige Gab? hingenommen werden, sondern es muß ein Zwang sein. Die Bedingungen müssen gestrichen werden. Die Sozialdemokratie hat schon üble und schlimme Zeiten durchgemacht, aber sie hat niemals ihren Mut und ihre Arbeitskraft verloren. (Stürmischer Beifall.) Als erster Diskussionsredner trat ein Kam- munist auf, der gegen Euno. Vandervelde, Graßmann. Noske und alle möglichen hetzte. Zur Sache sprach er wenig. Er hatte nur einen Helterkeitserfolg. Reinickendorf . In den Bürgersälen Reinickendorf . Ost sprach vor völlig überfülltem Saal Landtagsabgeordneter Genosse Otto Weyer. In feinen Ausführungen zerpflückte der Redner die Poraussetzungen. an die die Schwerindusttie ihr Garantieangebot geknüpft hat, und kennzeichnete an Hand von Beiipielen, wie der Steuerpolitik, die Opferbereitichast der deutschen Privatwirtschaft. Der- Redner ließ seine Ausführungen ausklingen in die Mahnung, für den kommenden Kampf gerüstet zu stehen und einig zu sein. Er stellte das Reva- rattonsoroblem als das eigentliche Problem des proletar scheu Klassenkampfe» hin und forderte die Umstellung der bisher völlig ver­kehrten Innenpolitik, so die Erfassung der Sach- und Goldwert« und die völlige Aenderung der Steuerpolitik. Der Redner fand mit seinen treffenden Ausführungen den vollen Beifall der Bersammluna. Ein Kommunist versuchte sehr zaghaft Propaganda zu machen für die Arbeiterreglerung" und die Konttollausschüsse. Es war unserem Referenten ein Leichtes, im Schlußwort di« kommunistischen Auf- fassungen zu widerlegen. Daß die Kommunisten die Schwäche ihrer Position erkannten, beweist die Tatsache, daß die von unseren Ä?- Nossen eingebrachte Resolution gegen eme Stimme angenommen wurde. Die Versammlung, die einen vollen Erfola für uns bedeutet, wurde mit einem brausenden Hoch auf die VSPD. und die neue Internationale geschlossen. * Auch aus Wilmersdorf , Schöneberg und Steglitz wird«in glänzender Verlaus der Versammlungen gemeldet. tVilüer Streik in Gberstblesien. Vkuthen, 5. Juni. (WTB.) Im oberschlesischen In- bustriegebiet kam es anläßlich der neuen Teuerungswelle zu Streits unter den Bergarbeitern, Metallarbeitern und Transportarbeitern. Die Belegschaften von acht Groß- betrieben stehen bereits geschlossen im Ausstand, darunter di? Preußengrube, die Hohenzollerngrube, die Iohannaschacht, Grube Reuhosf, die Heinitzgrub«, die neue Viktoriagrub«, die Iulienhütie und dt« Karstenzentrumsgrube. Die Belegschaft der Eastellengogrub? stteitt zum Teil. Di« Berufsorganisationen sämtlicher Gewerkicftzsts- einrichtungen ersuchen in einem gemeinsamen Aufruf die organlsiertc Arbeiterschaft, sich der Dertündung wilder Streiks zu widersetzen und berufen für kommenden Sontag ein« Zusammenkunft aller Bettiebs- rät« nach Gleiwrtz ein.