Ein Justiz/ tanöal. Cs ksi schlimm, daß in Deutschland immer wieder von Äustizskandalen geredet werden muß. Hier ist ein neuer oder eigentlich schon alter. Es handelt sich um das Disziplinarverfahren gegen Eisen- bahner, die im Februar 1922, vor 17 Monaten, gestreikt haben und gegen die immer noch das Disziplinarverfahren„schwebt�. Es sind darunter Eisenbahner, die im Ruhrgebiet die ganze Last der französischen Zwangsbesetzung auszuhalten haben, aber dabei gewärtig sein müssen, auf disziplinarischem Wege entlassen zu werden. Es ist ein himmelschreiender Skandal, daß diese Disziplinarverfahren noch nicht niedergeschlagen sind. Und nun das Verfahren bei den Disziplinarkammern! Es zeigte sich, daß die Praxis sich so auswirkte, daß die doppest und dreifach gesiebten monarchistischen Disziplinarrichter die sozialdemokratischen Beamten„abkehlten", nicht weil man ihnen irgendwelche Vergehen nachwies, sondern weil sie glaubten, das Streikrecht zu haben. Führend war hierin die Potsdamer Disziplinartammer unter dem Vorsitz des durch und durch deutschnationalen Landgerichtspräsidenten W i m m e r, für den zur Verurteilung jedes Angeschuldigten die Bejahung seiner Suggestivfrage genügte, daß er glaubte, das Streikrecht zu haben.„Vorwärts",„Freiheit" und„Freier Beamter" haben seinerzeit an der Hand einzelner Fälle diese Praxis des Herrn Wimmer eingehend nachgewiesen. Nach dem Nathenau-Mord löste man diese staatsgefähr- lichen Kammern auf und versuchte, sie mit republikanisch an- gehauchten Personen neu zu besetzen. Ein Beweis für die monarchistische Mentalität unserer auf die Republik vereidigten höheren Beamten war und ist es, daß es bis heute nicht gelungen ist.dieKammern neuzu bilden. Auch hier tut sich die Potsdamer Richterschaft wieder hervor. So- lange Wimmer dort Landgerichtspräsident ist, findet sich kein Richter, der bereit ist, der neuen Kammer anzugehören. Der Schlüssel für dieses Verhalten liegt nicht zuletzt darin, daß Herr Wimmer die Personalakten der Potsdamer Richter führt und kein Richter es daher wagt, einer neuen Kammer, die ohne ihn gebildet werden muß, anzugehören. Deshalb können seit der Auflösung der Kammern keine Termine zur Erledigung der schwebenden Sachen angesetzt werden. Deshalb auch beziehen die mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens«beehrten" Beamten seit nunmehr 17 Monaten keinerlei Gehalt, da die Verwaltung zu alledem vollkommen gesetzwidrig sich weigert, denselben die Hälfte ihres Diensteinkommsns zu zahlen. Wie lange soll dieser Skandal noch andauern? Der Borsitzende des Disziplinarhofs in Leipzig , Reichs- gerichtspräsident Simons, begründet fast jedes Berufungs- urteil mit der Feststellung, daß die Republik eigentlich wich- tigeres zu tun hätte, als sich mit diesen ganz aussichtslosen Sachen zu beschäftigen. In diesem Sinne spricht er sich ja auch in seinem bekannten Briefe vom 13. Februar d. I. an Herrn Gröner aus. Dieser selbst hat mehrfach, im Kabinett wie im Reichstage, versprochen, die schwebenden Sachen mit der groß- ten Milde und Schnelligkeit erledigen zu lassen. Er tut das, da er weiß, daß infolge der Richtbildung der Kammern diese Versahren in der ersten Instanz nicht erledigt werden können. In Berlin und Potsdam schweben Fälle, die in den inzwischen verflossenen 17 Monaten noch nicht einmal verhan- d e l t w u r d e n. Es ist nachgerade Zeit, diesem offenbaren Iustizskandal, der eine Sabotierung des republikanischen Ge- dankens in der Beamtenschaft bezweckt, endlich einmal ein Ende zu machen._ Arbeit ües Markuntersuchungsausschusses. Der Untersuchungsausschuß des Reichstage, zur Prüfung der Vorgänge beim Zusammenbruch der Stützungsaktion für die Mark hielt ani Montag eine interne Sitzung ab. In der das weitere Vor- gehen beraten wurde. Der Ausschuß beschloß, in einer internen Sitzung am Mittwoch zur Frage der Handelsbilanz Vertreter des Statistischen Reichsamtes und zur Frage der Devisen«
lichen Mehrertrag für die amerikanische Landwirtschaft in Höh« von 17 Millionen Dollar ergibt. Allerding- blieben die Experimente Burbanks nicht ohne ihre bisweilen komischen Rückschläge. So l)att« er einmal«ine Walnutzart mit einer papierdünnen Schal« gezüchtet, die leicht zwischen den Fingern zerbrochen werden konnte: aber die Vögel bekamen bald heraus, datz ihnen die gut« ,,rucht zugänglich war, und fratzen den neu gezüchteten Baum teer, so datz dieser zurückgezüchtet werden mutzte. Ein Zubiläum der deutschen VibNographie. Di« Halbjahrkver- zeichnisse der Reuerscheinungen aus dem deutschen Büchermarkt, die bis 1916 von dem Hinrichlchen Verlag und seitdem vom Buch- häitdler-Börsenverein in Leipzig herausgegeben werden, sind dre Grundlage der deutschen Bibliographie. Im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel erinnert Ludwig Schoenrock daran, datz 125 Jahre vergangen sind, seit 1798 der erste Hinrichsche Katalog erschien. Bis zum Jahr« 1819 erfolgte die Titelaufnahm« auch ohne wirkliche Eintzmdung der Neuigkeiten, seitdem aber wurde die Vor- lag« eines Exemplars unbedingt gefordert und damit erst die deutsche Bibliographie auf ein« sicher« Grundlage gestellt. Im Jahr« I8IX1 verzeichnet« die in dem Jahre neu erschienenen Bückier mit Lö94 Titeln, während es 1922 35 829 Titel waren. Die Zunahm« der Büchererzeugung wird durch folgende Ziffern beleuchtet: 1319: 2855, 1829: 3639, 1839: 7281, 1849: 9191, 1879: 19 958, 1889: 14 941, 1899: 18 875, 1999: 24 792, 1610: 31 281, 1920; 82 3£4. Der neueste chalbjahrskatalog, der die zweite Hälfte von 1922 umfaßt, verzeichnet 17 527 Titel, davon 16 593 Bücher und 1924 Zeitschristen. So schreitet die Registrierung der deutschen Büchererschetnungen rüstig fort und stellt in den bis jetzt vollendeten 259 Bänden eine Leistung dar, die für da» deutsche Schrifttum und Geistesleben von hohem Wert ist. Ein armenisches Zentralmufeum. Die so schwer heimgesuchte Bevölkerung Armeniens kann sich jetzt, wo sie«in ruhiges politisches Leben führt, der Pfleg« der großen Pergangenheit zuwenden. Ein Zeichen dafür wird u. a. die Errichtung eines staatlichen armenischen Zentralmuseums in E r i w a n fein. Wie nach einem Bericht des deutschen Generalkonsuls in Tiflis in der„Kunstchronik" mitgeteilt wird, soll das bereits vorhandene Museum zu einem Sammel- und Mittelpunkt der armenischen Kunst und Kultur ausgebaut werden. In verschiedenen Gebieten des Landes werden jetzt Ausgrabungen und Forschungen vorgenommen, die das Museum um«ine neue Ab- teilung bereichern sollen. Nicht nur die aus Armenien selbst stammenden Schätz« werden hier vereinigt, sondern es gelangt hier- her auch das ganze Material aus dem Gebiete der durch den Sowjet- bund zusommennesck'losienen Ländern, das auf die Vergangenheit des armenischen Volkes Bezug hat. So stnd ln letzter Zeit 140 Kisten au» Moskau zur Aufstellung«ingetroffen.
Die Sammln»«»er Abgüsse na» Werken antiker Kunst in der ItniverMl. Eingang Dorotbernstroiie. ist zurzeit jeden Donnerr4ag, nachm. 4 bis 7 Uhr sstait wie bisher vormittags), allgemein zugänglich. In»er«rohen VolkSof-.rr gasilert Kammersängerin Tharle» Cahier am Freitag als»?lzucena-. Das internationale Kammermufiksest in Salzburg findet nun doch, und zwar vom 2. bis 1 August, statt.
beschaffung für die Eisenbahn Vertreter des Reichsverkehrs- Ministeriums zu hören. Am Montag, den 18. Juni, soll eine ösient- liche Sitzung stattfinden. Geheimrat G l e i m i u s, der Leiter der Devisenprüfungsstelle und der Börsenkommissar Lippert sollen über die Vorgänge vor und am 18. April vernommen werden. Am folgenden Tage soll die Vernehmung erfolgen zu demselben Gegen. stand von Direktor Wassermann(Deutsche Bank), Melchior (Hamburg ) sowie der Herren Bernhard(„Voss. Ztg."), P i n n e r („Berliner Tageblatt") und O e s e r(„Frankfurter Ztg."). Es herrscht Uebereinstimmung im Ausschuß, datz die Bernehmung aller Zeugen unter Eid erfolgen soll._ Sabotageakte„verbrecherischer Leichtsinn�. Eine Warnung bayerischer Behörden. Die bayerische Kreisr cgi e rung für die Pfalz in Speyer veröffentlicht folgende Warnung: „Die Regierung der Pfalz sieht sich veranlaßt, aufs neu« von Anschlägen auf die Eisenbahnanlagen dringend zu warnen. Wenn die Täter derartiger Handlungen vom vaterlän- bischen Gesichtspunkte aus zu handeln vermeinen, so zeugt dies von einer unbegreiflichen Kurzsichtigkeit und entschuldigt nicht den ver- brecherischen Leichtsinn. Mit jenen Handlungen wird gar nichts erreicht, was dem Vaterland irgendwie nützen könnte. Also Besonnenheit und Ueberlegung!" Diese Warnung steht im scharfen Gegensatz zu der Schreib- weise nicht nur der deutschvölkischen und deutschnationalen Presse, die derartige Akte als Heldentaten feiert. Sie beweist, daß sich in der Praxis eine derartige Ideologie nicht auf- rechterhalten läßt. Für diejenigen, die auch den Fall Schlageter für ihre Hetze gegen den preußischen Innenminister mißbraucht haben, ist die bayerische Warnung eine glatte Abfuhr.
Lohnregelung im Sergbau. Bei den Lohnoerhandlungen im Bergbau, die gestern lm Reichs- arbeiksministerium stattfanden, hat ein Schiedsgericht unter Vorsitz des Oberbürgermeisters 2 a r r e s- Duisburg für die westlichen Sohleureviere einen Schiedsspruch dahin gefällt, datz die Löhne ein- schlietzlich der sozialen Zulagen, die darin einbegriffen sind, je Schicht ab 15. 3uni um durchschnittlich 15000 Mark erhöht werden. Für das oberschlesische und für das nlederschlesische Steinkohlenrevier kam ans der Grundlage dieses Schiedsspruchs eins Einigung der Parteien dahin zustande, datz die Löhne in Oberschlesien in voller höhe des Satzes für das Ruhrrevier, die für das niederschlesische Revier mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 13 5 00 ZN a r k je Schicht vereinbart wurden. Für die übrigen Reviere waren Schlichtungs- Verhandlungen am Abend noch im Gange.
der obersihlesische Streik.. Breslau , 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die gewerk» s ch a f t t i ch e n Vertretungen des oberschlesischen Industriegebiets haben aus Anlaß der kommunistischen und unionistischen Agitation an die Arbeiterschaft einen Aufruf gerichtet, in dem sie ihr« Mit- glieder auffordern, im eigenen und im Interesse ihrer notleidenden Familien bei der Arbeit zu verbleiben. Nach dem Ver- lauf des Montagnachmittags zu schließen, dürfte dieser Aufruf seine Wirkung nicht verfehlen. Die arbeitswilligen Elemente haben zum Teil versucht, sich mit Gewalt Einsatz in die Betriebe zu verschaffen. Auf die kommunistischen und unionistischen Agitatoren hat dieses Verhalten gewirkt. In amt- lichen Kreisen glaubt man, daß der Streik bereits abflaut.
Der Umsturz in Sulgarien. Köln , 11. Juni. (WTB.) Wie der„KAmscheu Zeitung" au» Belgrad gemeldet wird, ist die bulgarische Grenze gegen Südslawien seit gestern früh gesperrt. Auf der bulgarischen Grenzstation Dragoman werden olle Reisenden von revolutionären Ofsizi.'ren aufs strengste revidiert. Seit dem Umsturz ist gestern früh der erste Etsenbahnzug aus der Grenzstation Zaribrod angekommen. Wie nachträglich bekannt wird, sind während des Umsturzes am Sonn- abend 89 Gendarmen und fünf Polizeibeamte getötet worden. Das neue bulgarische Kabinett. Der neue bulgarische Ministerpräsident, Professor Alexander Zan ko w, ist eine der populärsten Persönlichkeiten in Bulgarien . Nach der Absoloierung des Gymnasium» in Linz besuchte er die Universität in Sofia . Ale Stipendiant der Universität in Sofia kam er nach Deutschland und war in Breslau , Berlin und München Schüler der hervorragendsten deutschen Staatslehrrr. Nach feiner Rückkehr übernahm er den Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Universität Sofia und wurde in Jahre 1929 zum Rettor her Universi- tät gewählt. Als Leiter der Fürsorgedirektion hat er während des Krieges die Volksernährung organisiert. Um der Tyrannei der jetzt gestürzten Regierung Stamboliiski entzegenzuwirken, hat er eine parteilose politisch« Gruppe unter dem Namen„Naroden Sgowor" um sich gesammelt. Im Organ dieser Gruppe„Slowo" übt« er scharfe Kritik an der Diktatur Stamboliiskis. Im neuen Kabinett übernimmt Professor Zan low die Porte- feuilles des Außen- und Kriegsministeriums. Andere Mitglieder des Kabinetts stnd: Finanzministcr: Peter Todoresf(Radikal): Berkehreminister: Dimo K a s a s o w(Sozialdemokrat): Minister de» Innern: Russeff(parteilos) Wohlfahrtsmintsterium: Ienko Sie» jentscheff(Demokrat) Handelsminister: Zwsatko Bobo- s ch e w s k i(Lolkspartei): Iustizmimstcr: Bojan Smiloff(Na- tionalliberal): Ackerbauminister: Profestor Jancki M o l o f f(So- zialdemokrot).___ Die üeutsch-polnisiben öeziehungen. Der neue polnische Außenminister S e y d a Hot dieser Tage über das Verhältnis Polens zu Rußland und Deutschland im Senats- ausschutz eine Red« gehalten, die in der polnischen Preste lebhaft kommentiert wird. Das Zentralorgan der Sozialistischen Partei Polens ,„R o b o t n i k", schreibt darüber: „In der Rede Seydas spiegelt sich der Gedankengang eines Rustophilen wider, der weder Rußlands Zusammenbruch auf dem Schlachtfelde noch sein« innere Revolution als Faktoren betrachtet, die zur Errichtung des selbständigen Polens beigetragen haben. Herr Seyda schweigt einfach darüber und glaubt nur in dem Niederbruch Deutschlands den„Grundstein unserer Verein!- gung und Unabhängigkeiten" zu sehen. Und dann verkündet Seyda in Uebereinstimmung mit der nationaldemokratischen Doktrin die Notwendigkeit eines feindlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und Polen . Er spricht es nicht direkt aus, aber dies ist der Inhalt seiner Beweisführungen. Während er gegenüber den„östlichen Nachbarn" mit aller Energie und mit Recht„die klaren und ent- schieden friedlichen Absichten" der polnischen Regierung unter- streicht, tut er das nicht hinsichtlich unseres deutschen Nach- barn. Deshalb ist das auch keine echte und konsequente Friedenspolitik. Diese erheischt, daß sowohl gegenüber Deutschland wie Rußland unsere berechtigten Interessen verteidigt werden, daß aber alles Unterlasten wird, was zur Derfeindung bei- trägt. Es gilt, einer Verständigung zuzustreben, nicht aber
einer systematischen Verhetzung. Herr Seyda aber sprick� versöh- nend nur zu dem Osten, während er gegen unseren westlichen Nachbarn ein ganz anderes Maß anwendet. Wie sich Herr Seyda die weiteren polnisch-deutschen Beziehungen vorstellt, sagt er nicht. Das sind aber Dinge, die zu erwägen man alle Ursache hat, und wäre es auch nur aus Rücksicht auf unsere wirtschaftlichen Be- Ziehungen Dieses klare, unzweideutige Bekenntnis des führenden Organs der Sozialistischen Partei Polens zu einer Politik konsequenter Per- ständigung mit Deutschland wird sicherlich auf die polnische Oesfent- lichkeit ihren Eindruck nicht verfehlen.
pilsuüskis Rücktritt. Warschau , 11. Juni. (OE.) Der Staatspräsident hat die Demission Pilsudskis vom Posten des Stabschefs der polnischen Armee angenommen und zu seinem Nachfolger den General Stanislaw 5) all er ernannt. Der neue Stabschef, der mit dem„politischen" General und gegenwärtigen Sejmabgeordneten Josef Haller nicht zu verwechseln ist, hat denselben Posten bereits in den Iahren 1919/29 bekleidet und im polnisch-rustischen Kriege von 1920 einen höheren Kommandoposten erfolgreich versehen. Seine Ernennung traf ihn in Frankreich , wo er zu Studienzwecken weilte.
Note Tstbitscherins an Sie Schweiz . Bern , 11. Juni. (TU.) Tschitfcherin hat in der Angelegenheit der Ermordung Worowskis«ine neue Not« an den Schweizer Bundesrat gerichtet, in dem er den Standpunkt der Schweiz zurück- weist und sie nochmals moralisch für den Mord verantwortlich macht. Er beharre auf den in seiner Not« verlangten Entschädigungen und mache darauf aufmerksam, daß die Haltung der Schweizer Behörden schwere Folgen nach sich ziehen könne. Der Bundesrat hat heute beschlossen, auf diese Note wegen ihres beleidigenden Inhalts nicht zu antworten.
Soziale Neuorönung im Sergbau Die Unternehmer künden Kohlenpreiserhöhungen an! Auf der Tagesordnung der gestrigen Reichstagssitzung stand zunächst die zweite Beratung des Reichsknappschasts- g e s e tz« s. Arbeitsminister Dr. Braun«: Der Entwurf soll eine tragfähige Grundlage schaffen für ein« einheitliche sozialpolitische Versicherung aller ArbeiMehmer im Bergbau. Die Sonderstellung des Berg- baues entspricht seiner wirtschaftichen Bedeutung. Die gefahrvolle Arbeit des Bergmanns ist eine Hauptstütze unserer Vokswirtschaft, und daher ist der Anspruch des Bergmanns auf ausreichende Für» sorg« berechtigt. Im Endergebnis kommt diese Versicherung trotz der sozialen Belastung für den Bergarbeiter doch wieder der ge-, samten Volkswirtschaft und dem Bergbau zugute. Die neue Fastung des Entwurfs beruht auf einer Verständigung der Parteien im Volkswirtschaftlichen Ausschuß des Reichstags. Mit den Aende« rungen durch den Ausschuß ist die Reichsregierung im allgemeinen einverstanden. Die Reichsrcgierung steut sich mit dem deutschen Volke, daß der von mir persönlich seit Jahrzehnten befürwortete Wunsch der Bergleute, ein Reichsknappschastsgesetz zu erhalten, nunmehr endlich seine Erfüllung erhalten soll.(Beifall.) Abg. Zanschek(Soz.): Die Bergarbeiter haben ihre Versicherung aus eigenen Kräften geschaffen. Wir haben in den-einzelnen Land» tagen wiederholt oersucht, Verbcsterungcn zu schaffen, aber durch die Entwicklung verloren die Arbeiter sogar wohlerworbene Rechte, sie verloren die Anwartschaft beim Ortswechsel. Zurzeit herrscht im Knappschaftswesen groß« Zersplitterung, worunter die Kranken- Versicherung sehr zu leiden hatte. In den Ausschußbeschlüssen vermissen wir eine obligatorische Vorschrift darüber, daß in jedem Bezirk eine besondere Krankenkasse bestehen muß. Di« Vorschriften über die Pensionskasse sind er- heblich verbessert worden, die Aufnahm« ist erleichtert. Wer zur Grubenarbeit zugelassen ist, hat nunmehr unter allen Umständen ein Recht,„in die Pensionskasse aufgenommen zu werden. Der Ausschußbeschluß, wonach der Pensionsanspruch nach 26jShriger Tätigkeit im Bergbau bedingungslos erworben ist, entspricht einer alten Forderung der Bergarbeiter. Die harte Arbeit unter Tage rechtfertigt diesen Anspruch. Die Einschränkung, daß das fünf- zigste Lebensjahr zurückgelegt jein muß, ist g e g e n u n- s e r e n Willen angenommen worden. Bei der Wahl der Knapp- fchaftsältesten muß das System der Verhältniswahl streng durchgeführt werden. Das Knappschaftsgesetz ist nur ein Teil des Reichsbergqesetzcs, dessen Erledigung nicht länger verschoben werden darf. Wir haben ein Reich, eine Republik , aber eine Menge verschiedener Berggesetze. Möge die Republik durch ein einheitliches Berggesetz bald eine Kräftigung erfahren.(Beifall bei den Sozial- demokraten.) Abg. Imbusch(Z.): Ich unterstütze den Wunsch des Vorredners nach Schaffung eines einheitlichen Bergrechts. Hsr vorliegende Entwurf liefert endlich das erforderliche Rahmengesetz, das aber auch Richtlinien für die Einzelheiten, namentlich für die Leistungen der Versicherung, enthält. Den Knappschafisvcreinsn muß die Möglichkeit gegeben werden, das angesammelte Geld wert- beständig anzulegen, damit nicht wieder wie bisher Der- lusts eintreten können. Die A e r z t e f r a g e hat im Entwurf leider nicht mitgelöst werden können, sie bleibt besonderer' Regelung vor- behalten, die allerdings dringend erforderlich ist. Abg. Winnefeld(D. Vp.): Es ist zu begrüßen, daß alle im Bergbau beschäftigten Arbeitnehmer in die Versicherung ein- bezogen sind. Das Schmerzenskind der Vorlage war im Ausschuß der§ 29, der über das Eintreten der Altersinvalidität mit 50 Jahren entscheidet, wenn keine andere gleichwertige Lohnarbeit mehr verrichtet wird. Die Regierung hat uns im Ausschuß über die Auslegung der gleichwertigen Lohnarbeit be» ruhigend« Erklärungen abgegeben. Der Ausschuß war darin einig, daß die Inoalidenpension und die Teuerungszulagen zusammen bei sünfundzwanzigjähriger Dienstzeit mindestens 49 Prozent des Durchschnittslohnes betragen müssen. Eine Erhöhung auf 59 Prozent wäre wüns6)enswert gewesen, aber die 49 Prozent bedeuten immerhin einen großen Fortschritt. Auch in bezug auf das Umlageverfahren kann man den Ausschuß- beschlüssen zustimmen. Dieses Gesetz wird nicht ohne Einfluß auf die kohlen- preise bleiben, aber die Allgemeinheit mutz zur Sicherung der Vergarbeiler beitragen. Meine Freunde erklären, daß sie trotz mancher Bedenken für dieses Gesetz stimmen werden. Wir wollen die Bergarbeiter in ihrem Abwehr kämpf an der Ruhr unterstützen.(Beifall rechts.) Abg. Ziegler(DcmF: Wir billigen die Bedingungen, unter denen allein besondere Krankenkasten errichtet werden können. Die Einführung der Selbstverwaltung ist ein wesentlicher Fort- schritt. Auch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung sollte die Selbstoerwaltung noch weiter ausgebaut werden. Die Der- hältniswahl der Knappschastsältesten wird mancherlei Schwierig- ketten bringen, aber man wird ihrer gewiß Herr werden. Die Wählbarkeit der Invaliden ist ein Fortschritt, ebenso die Vertretbarkeit durch Sachverständige, auch, wenn dies« nicht mehr im Bergbau tätig sind. Ohne die Mitwirkung der Orqanisakionen der Arbeilnehmerschast ist heute die Erhalkung des Staates un. möglich. Dann müssen diese Organisationen auch in der Versiehe- rung eine entscheidende Mitwirkung haben.(Beifall bei den Dem.) Nachdem Abg. Schwarzer(B. Vp.) dem Gesetz zugestimmt hat wird die weitere Beratung auf Dienstag 2 Uhr vertagt Schluß 6 Uhr.