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Nr.271 40.Jahrgang Ausgabe A nr. 134

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Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292–295 Verlag: Dönhoff 2506-2507

Mittwoch, den 13. Juni 1923

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Postscheckkonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkasse Lindenstraße 3

Reichswehrblock Roßbach".

Roßbach organisiert"- aus dem Untersuchungsgefängnis!

grunde liegen, find folgende:

Magdeburg , 12. Juni. ( Eig. Bericht.) Am Freitag, den 8. Juni, abends nach 8 Uhr, wurden in Magdeburg etwa 30 Deutschvölkische, darunter Angehörige verschiedener Bünde und hiesiger Reichswehrformationen, ver­haftet. 12 Mann, darunter die Reichswehrsoldaten, blieben in Haft. Ueber die Gründe der Berhaftung schwirren in der Stadt aufgeregte Gerüchte. Die Tatsachen, die ihnen zu­Dem berüchtigten Oberleutnant Roßbach war es ge­lungen, innerhalb der Reichswehr eine Organi­fation zu schaffen, deren Aufgabe es ist, einmal für die deutsch­völtisch- nationalsozialistische Bewegung einen Kern zu sammeln und zum andern, den völtisch- putschistischen Bünden, die zum großen Teil aus ganz jungen Leuten bestehen, Ausbildungs­perfonal zu stellen. Diese Organisation nennt sich ,, Reichs wehrblod Roßbach"( RWBR.)

dem Schaufenster der Boltsstimme" und an den Zirkus- Lichtspielen! antisemitische Schmierereien anzufleben, was denn auch prompt aus­geführt wurde.

Im Pionierbataillon ist der Oberfähnrich Seiler für den RWBR. tätig und im Reichswehrregiment 12 ber Leutnant Leist von der 11. Rompagnie.

An Privatpersonen stehen mit dem RWBR. in Verbindung:

§ 2. Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft. 3. Mitglieder können Reichswehrangehörige werden, die auf dem Boden dieser Sahungen stehen. 4. Der Beitritt erfolgt durch schriftliche Erklärung bei dem zu­ftändigen Gruppenführer.

5. Die Mitgliedschaft erlischt: a) durch den Tod; b) durch frei­willigen Austritt, der durch schriftliche Erklärung beim zuständigen die den Zielen des RWBR. durch Wort und Tat entgegenarbeiten

Martin( Magdeburg ) für die Deutschvölkische Freiheits- Gruppenführer erfolgen muß; c) durch Ausschluß solcher Mitglieder, partei, Fabrikant Alfons Moriz, Schrotdorfer Straße, Haffen oder den Anordnungen der Obersten Leitung, des Garnisongruppen­born, Königsberger Straße, Friderici, Mezenmacher, der den Vorsiz führers oder des Gruppenführers, soweit solche durch die Satzungen führte in jener Sizung, bei welcher die Verhaftung erfolgte. begründet find, nicht Folge leisten. Gegen 5c ist Beschwerde oder Berufung bei der Obersten Leitung schriftlich zulässig. Der Antrag auf Ausschluß ist bei der Obersten Leitung durch die betreffenden Gruppenführer einzureichen.

Bon den nationalen" Bünden, die ihre Leute durch den RWBR. ausbilden ließen, feien genannt: Der Jungdeutsche Orden, der fürzlich erst in den Straßen Magdeburgs zeigte, daß die Arbeit nicht erfolglos war, der Bismardbund, der Helmut- von­Müde Bunb und der mehrfach unangenehm aufgefallene Leute des Jungdeutschen Ordens | Rolandbund. aus Neu haldensleben haben sich während des 26er Tages in ziemlich auf­fälliger Weise um Ausbildungspersonal aus dem RWBR. bemüht. Die Führer des RWBR. in Magdeburg bzw. für das ganze Gebiet find: Riehl, Schneider, Düver, Kirmse, sämtlich von der 2. Rompagnie des Kraftfahrbataillons 1.

Die Feme ".

Ueber die innere Organisation gibt das an anderer Stelle Deröffentlichte Statut hinreichend Aufschluß. Die Bentrale des RWBR. ist Magdeburg und zwar für das gesamte Reich mit Ausnahme von Bayern , wo die Berbin dung zwischen Reichswehr und Butschisten so eng ist, daß es einer besonderen Organisation zu ihrer Pflege faum bedarf. Magdeburg wurde gewählt, weil es nach Roßbachs Auffassung feine größere Garnisonstadt mit günstigen Berkehrsbedingun gen gibt, die deutschvölkischer Machenschaften so unverdächtig In Hamburg sind vor einiger Zeit Berbindungen der Reichs­ist wie Magdeburg , und deshalb so leicht niemand auf den Gewehr mit Rechtsputschiften aufgedeckt worden, allerdings nicht mit danken komme, daß ausgerechnet in dem politisch so stabilen dem durchschlagenden Erfolg wie in Magdeburg . Es ist nun außer Magdeburg die Butschzentrale der Reichswehr ihren Siz habe. ordentlich interessant, welche Folgerungen die Verschwörer aus den Die Organisation wird von Roßbach, der als Chef" Hamburger Enthüllungen gezogen haben. Der folgende als Streng bezeichnet wird, persönlich geleitet, auch noch, nachdem erin haft genommen wurde. Aus dem geheim!" bezeichnete Befehl spricht für sich selbst: Untersuchungsgefängnis des Reichsgerichts in Leipzig ergehen nach wie vor die Befehle Roßbachs. Von welchem Geiste sie und damit die ganze Organisation getragen sind, geht aus dem Befehl Nr. 51 vom 20. April 1923 hervor, in dem es u. a. heißt: Der Feind steht dicht am Rhein und unweit Münster . Er steht auch in Berlin !"

"

Der RWBR. hat Berbindung mit fast allen Garnisonen der Reichswehr , sein wirken fann nicht allen Kommando­stellen entgangen sein mit Ausnahme des Reichswehr­ministers, von dem mit Bestimmtheit, wie immer!- anzunehmen ist, daß er davon nichts erfahren hat. In Ham­ burg hatte man schon einen Zipfel gepackt, aber zur völligen Aufdeckung reichten die Kräfte des Reichswehrministers und des Kabinetts Cuno nicht aus. Es hätten das ja die Deutsch­nationalen übel nehmen können!

Die Eiterbeule wurde reif zum Aufstechen als der Jung­deutsche Orden" in Magdeburg seine große mitteldeutsche Barade abhielt, die nichts anderes als eine Probemobilmachung und ein Probemarsch auf das, rote Magdeburg " war. Die Beule mußte aufgestochen werden, als von der Lei­tung des RWBR. nach dem berühmten Münchener Muster eine Feme organisiert war, deren Aufgabe die Ermordung von ,, Berrätern" und politisch unbequemen Männern ist. Da aber Magdeburg nicht München ist, wurde zugegriffen, bevor ein Unglück angerichtet werden konnte.

Es ist nun Sache der Behörden, gründlich mit der deutsch völkischen Best aufzuräumen. Wir erwarten von der preußi­schen Regierung, daß sie ungefäumt gegen alle Organisationen vorgeht, die durch ihre Verbindung mit dem Reichswehrbloc Roßbach ihre Mitglieder für einen Butsch militärisch ausbilden ließ, mir erwarten Maßnahmen, die verhindern, daß mili­tärische Aufzüge nach Art des Jungdeutschen Ordens in Magdeburg sich wiederholen. Wir erwarten aber auch, daß im Reichstag der Reichswehrminister gefragt wird, wie es möglich ist, daß ein Reichswehrblock Roßbach entstehen und dem verantwortlichen Minister geheim bleiben konnte.

Ausbildungs- Dienstpläne.

An die Gruppenführer!

§ 3. Gliederung des RWBR. 6. Chef: Oberleutnant Roßbach.

7. Der RWBR. gliedert sich in a) Oberste Leitung, b) Garnison < gruppen, c) Gruppen. der Bestätigung durch die Oberste Leitung. Die Sagungen der Garnisongruppen und Gruppen unterliegen

§ 4. Organe des RWBR.

8. Organe des RWBR. find: a) bie Oberste Leitung, Abt. I; b) die Garnisongruppenführer; c) die Gruppenführer. Leiter( Abt. Ia); b) deffen Bertreter( Abt. Ib); c) dem Vertrauens 9. Die Oberste Leitung setzt sich zusammen aus: a) dem RWBR.­mann der Abt. Ia; d) dem Kurier.

10 bis 15 regelt die Zuständigkeit der Organe.

15. Die Oberste Leitung ist gleichzeitig Garnisongruppenführer von Magdeburg . 16. Die Reichswehrangehörigen, die dem RWBR. angehören, unterstehen ihrem Gruppenführer, fie find also innerhalb ihrer For­mationen bzw. Kompagnie zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Es folgen Bestimmungen über Sagungsänderung und die Auf­lösung.

Die letzten Ereignisse in Hamburg haben uns gezeigt, daß die Regierung, vor allem jedoch das Judentum, feine Mittel unversucht lassen, um die nöllische Bewegung zu unterdrücken. Der große Beamtenapparat( Politische Polizei und Spigel) arbeitet mit ungeheuren finanziellen Mitteln und großer Raffinesse. Es ist deshalb von Bedeutung für das Fortbestehen unserer Bewegung und vor allem für die Weiterverpflanzung der völkischen Ideen, diesem Spitzeltum mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ent­gegenzuarbeiten. Die Gruppenführer werden hierdurch angewiesen, jede Neuaufnahme von Mitgliedern auf das genaueste zu prüfen und die Gesuche, bevor die Aufnahme der Mitglieder erfolgt, der Leitung vorzulegen. Die neugewonnenen Mitglieder werden in eine noch zu bildende Prüfungsgruppe aufgenommen. Sie fach wegen Teilnahme an politischen Versammlungen bestraft Der Kraftfahrer Riehl, Sohn eines Landgerichtsrats, ist mehr müffen einer längeren Prüfungszeit unterworfen werden.

Um Entdeckungen zu erschweren und zur Erleichterung der Ge schäftsführung im Falle von Personenausfall oder wechsel in den leitenden Stellungen sind die im§ 4 benannten Organe durch die leitenden Stellungen sind die im§ 4 benannten Organe durch die beigesetzten Unterschriftszeichen für die Eingeweihten gekennzeichnet. Aber auch die Garnifongruppen und die Gruppen innerhalb der Reichswehrformationen erhielten Erkennungszeichen.

Wehrkommando Dresden.

Die Leitung hat sich angesichts des überhandnehmenden worden. Er sollte deshalb auch entlassen werden. Auf ein von ihm Spigeltums entfchloffen, eine sogenannte Feme " zu bilden. Diese, an das Wehrkreistommando in Dresden gerichtetes Gesuch soll er aus nur zuverlässigften und im Waffengebrauch perfekt ausgebil vom Führer der 4. Division, Generalleutnant v. Müller, deten Leuten, steht unter dem Befehl der Leitung. Die Aufgabe ein Schreiben erhalten haben, worin es hieß, die politische der Feme " ist es, der Leitung verdächtig erscheinende Leute zu Tätigteit Riehls fei tein Grund zur Entlassung, beobachten, Berräter und politisch mißliebige Personen zu be- es sei die Pflicht eines jeden Soldaten, sich tampf­feitigen. Bei der Schwierigkeit der Aufgabe und den hohen An- bereit zu halten. Sollte diese Behauptung, die auf Riehls forderungen, die gestellt werden, müssen die zuverlässigsten und Mitteilungen an seine Vertrauten selbst zurückgeht, zutreffen, dann vertrauensvollsten Leute herausgesucht werden. brauchte man sich allerdings nicht zu wundern, wenn Hauptmann Naumann, Rompagnieführer, blind war und sehr freigebig dem Riehl Urlaub erteilte.

Dieser Befehl war zunächst nur ein Entwurf, der etwa 14 Tage später, mit dem Datum vom 8. Juni 1923, durch die Ernennung eines Feme - Leiters vollzogen wurde, nachdem Besprechungen in der Großen Diesdorfer Straße 15 die Bildung der Feme reif gemacht hatten. Der endgültige Befehl wurde redaktionell in einigen Ausdrücken geändert, der Schlußfaz erhielt folgende Fassung:

Die Führer wollen bis 9. 6. 1923 Leute namhaft machen. Die Feme - Angehörigen erhalten durch Leute der R.-M.( Reichswehr ! Red.) Ausbildung und Unterricht. Für die Feme wird Geld und alles andere zur Verfügung stehen.

8. 6. 23.

J. A. d. C. Im Auftrag des Chefs. Folgt das Unterschriftzeichen.

Die Feme hatte auch bereits einen Auftrag: Oberpräsident Hörsing war als erstes Opfer ausersehen, allerdings follte er nicht Es geht sehr ordentlich zu im RWBR., die Verschwörer nehmen gleich ermordet, fondern, gewissermaßen als Probeftüd, ver ihre Aufgabe sehr ernst. Für die Ausbildung der jungen Leute in prügelt werden. Daraus ist nun nichts geworden, denn am Tage, ben verschiedenen nationalen" Bünden sind jeweils genaue da die Bildung der Feme eine vollzogene Tatsache war, wurde die Dienstpläne aufgestellt. So war für die Gruppe A in der Zeit ganze Bande ausgehoben. vom 9. bis 30. Mai für je einen Abend vorgeschrieben: Karten­Iefen, Egerzieren, Nachtübung( Sonnabend), Bistole 08, Gewehr 98. Egerzieren, Gewehr 98, Rartenlesen, Geländeübung( Sonntag, 27. Mai), Kara­biner. Als Lehrer traien auf: Riehl, Kirmse, Siebert, Schneider, Ruhwaldt, Holm, Kleve . Die Kartenleseabende fanden statt bei Friederici, Kaiser- Friedrich- Straße oder bei Mathie, Friesenstr. 40.

Der Zwed diefer Ausbildungskurse war, für die verschiedenen Bünde selbst wieder Lehrerpersonal heranzubilden.

Nach einem Kartenleseabend in der Friesenstraße, der dem Taten. brang der nationalen Jugend nicht genügte, wurde beschloffen, an

Das Organisationsstatut.

Der Reichswehrblock Roßbach hat sich Statuten gegeben, deren wesentliche Teile wir im folgenden veröffentlichen:

3u

§ 1. 3wed und Siz des RWBR.

1. Der Zweck des RWBR. ist, vaterländische Verbände unterstützen und den välfischen Geist im Heere zu pflegen. 2. Der Siz des RWBR. ist Magdeburg nud umfaßt das gesamte Reichsheer außer Wehrkreis VII ,( Bayern , Red.)

nicht seine Zuverlässigkeit bekannt und wären nicht seine An­Soweit unser Magdeburger Berichterstatter. Wäre uns gaben durch Dokumente belegt, so müßte man das Ganze für einen müsten Sput halten. Man hat leider schon manches erlebt, mas man für unmöglich halten sollte aber daß ein Mann, der wegen schwerster Verbrechen gegen den Staat ver­haftet ist, aus dem Untersuchungsgefängnis heraus Putsch­pläne schmieden kann, daß Angehörige der Reichswehr diese Pläne unterstüßen und den Untersuchungsgefangenen als ihren Führer anerkennen können, das übersteigt alle Grenzen der Phantasie.

einzige lichte Seite dieser Affäre nicht übersehen dürfen. Die Bo soviel Schatten ist, wird man gerechterweise auch die Anwesenheit von Sozialdemokraten in der preu­Bischen Regierung und das Vorhandensein einiger Sozialdemokraten auch in der provinzialen Staats­verwaltung hat die Aufdeckung dieser Verschwörung ermöglicht und die Mittel bereitgestellt, um sie unschädlich zu machen. Schwer erschüttert jedoch ist das Bertrauen zur Reichsregie rung, da es möglich war, daß sich in der Reichswehr solche abenteuerliche Zustände entwickeln fonnten.

Ihre Besprechung im Reichstag ist unerläßlich geworden. Bon der Reichsregierung und von der Mehrheit des Reichs­tages ist zu erwarten, daß ihnen nun endlich die Augen ge­öffnet sein werden und daß sie nun erkennen, wohin der Weg führen muß, wenn man die Zügel meiter am Boden schleifen läßt. Selbst Herr Helfferich hat zu Beginn des Ruhrein­marsches im Namen seiner Partei die berühmte Erklärung