Ne. 277 ♦ 4$. Jahrgang
/ �OS?tDÖ!rt0 eonnabcn», 16. Jml 1«2J
wanüerziele.
Verginspettion führt nach rechts ein Tunnel durch den Berg in den Tiefbau, der jetzt aufgelassen ist. Seitdem der Abbau eingestellt wurde, Hot sich das Wasser angesammelt und bildet einen gewaltigen See, der den gesamten Tagebau einnimmt: er ist bis über 30 Meter tief. Die hellen Äalkfslsen der User geben diesem künstlich entstan- denen See den Eindruck eines„Gebirgssees". Wir wandern rechts um den See herum bis zur Brücke am Ende des Tiefbaus, chier steigen wir nach oben und wandern nun die Straße rechts hinab zum Kesselsee. Links vom See folgen wir der Friedrichstraße bis zur neuen Brücke über den Kalkgraben. Hier steigen wir zum Ufer des Grabens hinab, der sich alsbald zum Kalksee erweitert. Der schmale Uferpfad zieht sich unmittelbar neben dem See hin, be- gleitet von den steil aufsteigenden bewaldeten Uferhängen. Der Kalksee erstreckt sich in einer Rinne, in der nördlich der Stienitzs« liegt, und die sich nach Süden durch den Flakense« zur Spree fort- setzt. Wir haben hier eine jener Rinnen, in denen die eiszeitlichen Schmelzwasser zum Urstromtal abflößen. Bei Woltersdorfer Schleuse erheben sich links die Kranichsberge Ivb Meter über dem Meeresspiegel oder 71 Meter über den Kalksee. Sie bilden den Südrand der Barnim- hochfläch«, die hier von dem Urstromtal begrenzt wird. Von dem Aussichtsturm haben wir«ine schöne Fernsicht. Als völlige Ebene dehnt sich die bewaldete Talsohle vor uns aus. Am Ufer des Flakcnsees und der L ö ck n i tz wandern wir noch Erkner . Unser Weg führt uns durch den Ort zum Bahnhof zurück.(Weg- läng« LO Kilometer.)
Wetteraussichten für Sonntag.
� so
Seit Beginn dieser'Woche drangen rasch hintereinander mehrere sehr kräftige atlantische Tiefdruckgebiete nach den skandinavischen Ländern und von dort nach Nordrußland vor. Dazwischen breitote sich jedesmal ein westlich vom Biskayischen Meere befindliches umfangreiches Hochdruckgebiet über Südwest- und Mitteleuropa aus. wurde jedoch bald wieder nach dem Ozean zurückgetrieben. In Norddeutechland herrschte bewölkter Himmel überall bedeutend vor. Täglich fanden in den meisten Gegenden wiederholte Regenfälle statt, die besonders an der Küste stellen- weise sehr ergiebig waren. Während am Sonntag die Temperaturen an vielen Orten 20 Gr. Celsius überschritten, trat in der Nacht zum Montag im Nordwesten eine beträchtliche Abkühlung einj die sich mit starken westlichen W'vden im Laufe des Tages weiter nach Osten fortpflanzte und in den folgenden Tagen überall zunahm. Dagegen blieb das Wetter in Süddeutschland bis gegen Mitte der Woche größtenteils trocken, warm und ziemlieh heiter, worauf es auch dort kühler wurde und etwas Regen fleh Jetzt ist eins der nordwestlichen Tiefdruckgebiete nach Lüdschweden gelangt und scheint langsam nach Rußland fortzuziehen, worauf das westliche Hoch wieder ostwärts vorrücken dürfte. Jedoch naht vom Ozean schon ein neues Tief heran. Wir haben daher für Sonnabend etwas wiirmcrcs, nnfangs rahigerca, ziemlich heiteres Wetter zu erwarten; nachmittags dürfte aber die Bcwüiknng wieder zunehmen nnd gegen Abend Regen eintreten, der bei frischen Westwinden mit kurzen Unterbrechnngen voraussichtlich etwa bis Sonntag; mittag anhalten wird. Dann wird sich wohl der Himmel abermals mehr und mehr auf klären, die Temperatur jedoch wieder merklich sinken.
wirtschaftliche Vernunft. Stillegung des Gaswerks Hermsdorf.— 8 Milliarden Kabelgewinn. Bedeutende Erfparnisie werden in zunehmendem Maße dank der Zusammenlegung Groß-Berlins auf wirtschaftlichem Ge- biete gemacht. So hat jetzt die W e r k s d e p u t a t i o n der Still- legung des Gaswerkes Dermsdorf zugestimmt. Die Erzeugung von etwa 9000 Kubikmeter Gas als Höchstleistung kann ohne weseni- liche Kosten von dem Tegeler Gaswerk übernommen werden. Die Interessen der dortigen Bevölkerung an der Belieferung mit Koks sollen besonders berücksichtigt werden. Durch einen Vertrag mit der Südwest-Elektrizitäts-A.-G. können Kabel im Werte von acht Milliarden erspart werden. Die Südwest-Elektrizitäts- werke hatten Anschlußstellen in Neukölln, während auf der andoren Seite die Städtischen Elektrizitätswerk« Speisestellen der Straßen- bahn unmittelbar neben dem Gebäude der Südwest-Elektrizitäts- werke mit Strom versorgten. Durch eine vernünftige Abmachung zwischen beiden Werken konnten die ganz unnötig langen Kabel- leitungen befreit und die bedeutenden Ersparnisse erzielt werden. Die Möglichkeiten zu Ersparnisien sind bei den Städtischen Werken noch long« nicht erschöpft und speziell be: den Gaswerken kann mit Bestimmtheit damit gerechnet werden, daß es in nicht allzu ferner Zeit gelingen wird, denSchlüffelderKoh lenk laufe! von zurzeit 0,4 auf mindestens 0,3 herabzusetzen. Schon setzt wird die Kohlenklausel von den Gaswerken nicht vollständig ous- genutzt._ Neue Brikett- und Kokspreise. Da? Koblenamt teilt mit': Infolge der ab IS. d. M. einge« tretenen Erhöbungen der Zechenpreise ist eine entsprechende Herauf- setzmig der KleinverkaufSprets« für Briketts und Koks erforderlich geworden. Die Brikettpreise stellen sich mit Wirkung vom 16. d. M., die K o k s p r e i s e mit Wirkung vom 18. d. M. je Zentner wie folgt: Briketts ab Lager 16 020 M.. frei Keller 16 710 M.. GaSkokS 81 820 SD?. f32110M): fuSrenweiic Lieferung: Briketts 16 020 M.(16S90 M.). GaSkoks 31320 M. (32010 MA__ Die dreimal verkaufte Wohnung. Auch ein Beikrag zur Bot unserer Zeif. Eine Wohnung dreimal verkauft hotte der Schlosier Pgul Hahmann und seine Ehefrau aus der Elisabethstraße 13. chahmann hatte inseriert, daß er seine Wohnung gegen Baukosten- Zuschuß abgehen würde. Es meldeten sich mehrere Inter- essenten, mit denen er auch handelseinig wurde und die ihm den Kaufpreis, der zwischen 1- und 1 Million betrug, bar auszahlten. Den Leuten hatte er erzählt, daß er auf dem Lande ein Haus ge- erbt habe, das er beziehen wolle. SBevor er jedoch einziehen könne, feien noch größere Reparaturen notwendig und das Geld für die Wohnung wolle er als Baukostenzuschuß benutzen. An einem be- stimmten Tage räumte er auch die Wohnung, angeblich brachte er die Möbel auf einen Speicher, in Wirklichkeit aber machte er ste zu Geld, um mit dem Erlös daraus und den erschwindelten Bau- kostenzuschüssen das Weite zu suchen. Kaum hatte er die Wohnung geräumt, als auch schon die erste istartei erschien, um von ihr Besitz zu nehmen. Als sie mit dem Einrichten beschäftigt war, erschien auch schon die zweite Partei, um ebenfalls die nach langem Suchen gefundene Wohnung zu beziehen. Während sich beide isiarteien noch um die Wohnmig stritten, erschien eine dritte Partei, um ebenfalls von der Wohnung Besitz zu nehmen. Alle drei waren im Besitz eines Kaufvertrages� und so ergab sich dann, daß sie einem Sckiwindlerpaar in die Hände gefallen waren. Hahmann und Frau baben es fertig gebracht, das ganze erschwindelte Geld in wenigen Tagen durchzübringen. Als es zur Neig« ging, fuhren sie nach Berlin zurück, um bei Ber - wandten in der Waffertorstraße ein Unterkommen zu suchen. Beamte der Kriminalpolizei waren dem Ehepaar jedoch schon auf die Spur gekommen, und sie nahmen es bei der Ankunft auf dem Bahnbof fest. Die Eheleute wurden dem Untersuchungsrichter wegen Betruges zugeführt und erhielten so Freiouartier, während die drei Wohnungskäuser, bis auf die erste Partei, die am schnellsten zur Stelle war. immer noch ohne Obdach sind. Ueber die Weiter- benutzung der Wohnung, entscheidet jetzt noch das Wohnungsamt. Aomeldvugen für die Beanspruchung der Neuköllner Zugend- Herberge in klein-köri»(.Fontunebansch sind nicht direkt an die Herberge, sondern nur an das Bureau der Ortsgruppe des Ver- bandes der deutschen Jugendherbergen, Neukölln, Rathaus, Zimmer 268, zu richten.
Sonntägliche Der Hohe Golm. Der Fernzug führt vom Anhalter Bahnhof in anderthalbftün- diger Fahrt nach Luckenwalde . Vom Bahnhof wandern wir durch die Bahnhof - und Wilhelmstroße und über den Haag zum Marktplatz. Hier erhebt sich die St. Iolxinniskirche mit freistehendem Glockenturm, dem Rest einer alten Burg. Auf der gen »Südost führenden Straße veriasien wir die Stadt. Die Chaussee geht durch die von der Ruthe und dem Königsgraben durchflosiene Niederung und durch Nadelwald nach Iänickendorf und weiter in der Nähe des Waldrandes über H o l b e ck nach Stülpe . Am Fuß des Nardhangs des niederen Flämings geht es weiter. Das Tal jer Ruthe scheidet den gesamten Landrücken des Fläming in den hohen Fläming westlich und in den niederen Fläming östlich. Links der Straße erstreckt sich die weite Ebene des Glogau-Baruther Urstromtals. In der Kirche von Stülpe befindet sich der schöne Altarschrein ans der Wallfahrtskapelle, die früher auf dem Hohen Golm stand. Bon der Kirche in Stülpe wenden wir uns zunächst südlich und folgen dem breiten Weg links zum Dorf hinaus. Nach 2V Minuten wenden wir uns bei der Wegteilung rechts, in allmäh- sicher Steigung durch den Wald. Nach weiteren 20 Minuten stehen wir am Fuß des Hohen Golm, an einer Wegkreuzung. Nun wandern wir auf dem nach Süden führenden Wege, zuletzt rechts ab, steil empor, zum Gipfel des Berges, besten Bermesfungsgerüst wir schon von unten sahen. Der Hohe Golm erhebt sich 178 Meter über dem Meeresspiegel oder 126 Meter über dem Urstromtal ; er ist die höchst« Kuppe des niederen Fläming. Die hervorragende Lage des Berges macht ihn zu einem Wahrzeichen, für die Gegend. Die »sage hat auch um ihn ihre zarten Fäden gesponnen. Etwas ab- seits von dem Gerüst liegen im Gebüsch versteckt die Mauer reste der alten Wallfahrtskapell«. Sie wurde 1433 gestiftet, und ein Jahr- hundert hindurch, bis zur Refor.maiion, wallfahrten die Pilger aus weiter Ferne zu ihr. Von der Hütte etwas westlich bietet sich eine prächtig« Aussicht über die Höhen und auf die Dörser in der Riede- rung. Wir steigen wieder hinab zur Wegkreuzung am Fuß des Berges und wandern halbrechts nach L y n o w. Die Straße führt weiter zwischen Tal und Höhenzug über Schöbendorf und Paplitz nach Baruth . Don dem an der Chaustee gelegenen 120 Meter hohen Frauenberg haben wir eine schöne Aussicht über das Tal und zurück zum Hohen Golm. Baruth liegt auf dem Südrand des Urstromtals, unmittelbar am Fuß des Flämings, besten Beih« dicht bei der Stadt ansteigen. An der zweitürmigen Se- bastiankirche, deren Ansang bis auf 1346 zurückgeht, und am Schloß vorüber kommen wir zum Bahnhof. Mit den Zügen der Dresdener Bahn gelangen wir zum Anhalter Bahnhof zurück.(Weglänge 33 Kilometer; von Luckenwalde nach Stülpe kann die Kleinbahn benützt werden, wodurch die Fußwanderung um 13 Kilometer ge- kürzt wird.) Runü um üeu Kalkfee. Ein landsthastlich überaus schönes und erdgeschichtlich sehr lehrreiches Gebiet siegt im Osten der Reichshauptstadt, nördlich des steundsichen Erkner . Die zahlreichen Seen und die von prächtigem Kiefernwald bestandenen Berge locken an schönen Sonntagen un- zählige- Scharen von Ausflüglern nach hier. Von einem der Bahn- Höfe der Stadtbahn fahren wir bis Erkner . Bom Bahnhof wen- den wir uns sogleich nach links und wandern auf der durch den Wald führenden Chaustee noch Woltersdorf . Am Anfang des Ortes, bei dem Chausteehaus, sehen wir links der Straße gewaltige Sand- und Kiesgruben. Der Berg, in den sie hineingehen, ist der E i ch b e r g. Er bildet«ine B i n n e n d ü n e, die am Ende der Eiszeit aus den Sonden zusammengeweht wurde, die die Sohle des Urstromtals bedecken. Der Boden war zu jener Zeit noch ohne Pflanzenwuchs, die eiszeitlichen Schmelzwässer hatten sich soeben verlaufen, und so hatte der Wind auf der weiten Ebene leichtes Spiel mit dem Sande. Die unier dem Dünensand auftretenden Sand- und Kieslagcrungen der Eiszeit werden in den Gruben aus- gebeutet. Wir sehen sehr gut, w:« sich der Heller gefärbte Dünensand von den grauen eiszeitlichen Bildungen unter ihm abhebt. Die in diesen Schichten mitunter gefundenen Uebsrreste vom Mammut, Rhinozeros u. a. zeigen, daß diese Tiere einst hier gelebt haben. Wir wandern in bisheriger Richtung weiter durch Woltersdorf , das bereits in Urkunden von 1375 erwähnt wird, und kommen am B a u e r s e e vorüber, der rechts in einer Talmulde liegt. Bei der Kolonie Stolp überschreiten wir das Verbindungsfließ der Stienitzgewäster mit dem Kalksee, der sich rechts in einer Gelände- falle erstreckt, und kommen bald darauf, hdnter der Brücke links abbiegend, noch Kaltberge-Rüdersdorf. In der Nähe der
»> Als die Wasser fielen. - Bon Otto Bung. „Ermanne dich nun*, sagte ich zu Kapitän Högelund, und dann saßen wir eine Weile gemütlich zusammen, bis die Uhr vier oder fünf war. Ich ging natürlich in die anderen Stuben, um mich um- zusehen. Der Kapitän stellte sich vor die Speisezimmertür. „Da kommst du nicht hinein*, sagte er und machte sich klar zum Gefecht. Ich schüttelte den Kopf über ihn.„Schämst du dich nicht, dazustehen und dich vor einem alten Freunde zu genieren*. sagte ich und schob ihn beiseite. Und Kapitän Högelund ist ein sehr großer und starker Mann. Und ganz richtig, wie ich erwartet hatte: Die Renaissancemöbel mit Büfett und Stand- uhr waren weg. Ma nsah noch die dunklen Flecke an der Wand, wo sie gestanden hatten.„Die Schandslecke!* sagte Kapitän chögelund. Und die ganze Zeit machte es Ssis! Das war der Dampf, der aus der lecken Heizung herausfuhr. „Ssfsl Die ganze Zeit, aus allen Ecken. So!* Rustad hatte sich erhoben und hockte in einer Ecke der Kajüte nieder, wobei er zwischen den Zähnen hervorzischte:„Ssss...!* Er kroch in eine ander« Ecke.„Ssis! So! Der Dampf!* sagte er. „Der ganze Hochdruck von Koks zu Kriegskonjunkturpreifen schoß heraus! Ssis! Ins große Vakuum heraus, die ganze Hausse— Pst!— Ssis!" Der Norweger verzog sich in eine andere Ecke, hockte nieder und zischte. Plötzsich erhob er sich und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.„Das rinnende Blut eines verblutenden Heims!" sagte er düster und schüttelte den Kopf, daß ihm die lange gelbe Stirnlocke über die Augen fiel. „Kapitän Högelund", fuhr er fort,„hatte sich vor die offene Tür des großen Salons gestellt. Ich mußte ihn wieder beiseite schieben. Ihn fror in seinem Nachthemd, aber er war ja Seemann und hielt aus.\ „Hör!* sagte er zu mir,„du weißt ja gut, warum ich nicht rvill, daß du in meinen Salon hineingehst." Und ich wußte es!„Ja", rief ich.„Ja. ich weiß es! Weil meine drei Bilder weg sind!* Und ganz richtig: Auf der Tapete waren drei dunkelgrüne Blamagen; der Gerichtsooll- zieher war dagewesen und hatte meine Seestücke geHoll!
„Du hast doch nichts davon verstanden, Högelund", sagte ich, um ihn zu trösten.„Ach nein*, antwortete der arme Kerl, „ich habe viele Wellen in meinem Leben gesehen, aber nie solche wie deine!* „Wieviel bist du schuldig?* fragte ich der Ordnung wegen. „Genau zweihundertundfüiifzigtausend dänische Kronen*, sagte er,„für die Aktien, die ich bei der Kapitalserweiterung von „Bjarne" zeichnen mußte. Andreas Pauli hatte damals ge- sagt, daß bei den Dividenden, die„Bjarne* einbrachte, nie von einer Einzahlung die Rede sein würde.* „Zweihundertundfünfzigtausend Kronen! Gut,* sagte ich, „dann sind deine Kreditoren gedeckt und du dazu. In drei Jahren sind meine Seestücke das Doppelte wert!* Na, dann ließen wir uns mit unserem Grog im Mädchen- zimmer nieder. Im Küchenschrank fanden wir einen alten Holsteiner Käse. Den stellten wir vor uns und stießen mit ihm an. Er war sehr alt und klug, der Käse, er war noch jung gewesen, lange bevor die drei Veen entstanden, er hatte Hausse sowohl wie Baisie gesehen. Prost. Alter! sagten wir zu ihm, und hinterher aßen wir ihn ohne Brot auf. Ich ging hin- unter und kaufte Kaffee von einem Kellner im Erdgeschoß, und dann spielten wir eine Pattie Poker um Streichhölzer. Kapi - tän Högelund wurde wieder ganz der Alte und versprach, auszustehen und sich von jetzt an wieder jeden Tag zu rasieren. Wir hielten aus, bis es so sechs, sieben Uhr war. Dann zog der Kapitän sein einziges Paar Hosen an, sonst schonte er sie, indem er zu Bett läge, sagte er, und wir gingen zur Freihafen- mole, um die aufliegenden Dampfer zu zählen. Wir zählten, bis wir hoch in die Tausende kamen. Der Kapitän sah überall Dampfer, wohl tausend Stück mehr als ich. Da lagen sie, so- wohl Frejr und Nestor— wie Maryland , die Högelund ge- führt hatte. Totenstill, mit erloschenen Laternen. Wie drei Reihen Leichen! Kapitän Högelund vergoß Tränen.„Ich glaube, ich gehe zum Gaswerkshasen, dann habe ich alles ge- sehen.* Aber das wurde mir zuviel. So ließ ich ihn gehen. Seitdem habe ich ihn nicht gesehen. Als ich heute morgen kam, war er nicht zu Hause!* Herr Rustad erhob sich und knöpfte seinen Mantel zu. „Ja, nun danke ich Ihnen für den gemütlichen Abend, Herr Gude. Und gute Nacht." Er blieb doch stehen.„Als ich hinkam, war niemand zu Hause,* sagte er,„als die junge Dame, die ich hier cm Bord brachte.*
Plötzlich wandte er sich drohend um: „Haben Sie etwas einzuwenden, Herr Gude?* „Nicht das Geringste!" versicherte Gude mit einem Lächeln. Der Norweger schenkte sich wieder ein und setzte sich.„Die junge Dame saß aus der Heizung," sagte er.„Ich ging ohne weiteres hinein, die Tür schließt nicht. Sie saß in einer rot- seidenen Bluse und grünem Rock da. Sie ist selbst dunkel, das Haar hat eine Nuance von Purpur, von echtem Purpur, ver- stehen Sie, lila ungefähr in allen Schattierungen. Verteufelt chöne Farben! Sie erzählte, daß sie Gerda hieße. Gleich als sie mich sah, wußte sie, wer ich war. Sie sei mit dem ältesten der Zwillinge befreundet, sagte sie— welcher von ihnen das ist, weiß ich nicht—, und jetzt hätte sie nicht Haus noch Heim. Sie ist krank gewesen und mußte ausziehen, und alles, was ihr gehört. Hot sie versetzt. Da ging sie zu den Zwillingen, aber die waren selbst in Not und gingen vor zwei Tagen zu einem guten Freunde, der Rat wußte. Sie kamen nicht wieder. Auch den Kapitän hatte sie nicht gesehen.* „Schön!" sagte ich.„Der gute Freund bin ich." Und ich wußte, daß die Zwillmge mich gemeint hatten; aber in den beiden Tagen, wo sie mich gesucht hatten, war ich nicht zu finden gewesen. „Nehmen Sie Ihre Sachen, gnädiges Fräulein," sagte ich. „Hier in dieser Ruine eines einmal wohlhabenden Heims können Sie nicht bleiben. Sie sind krank und brauchen frische Lust und gute Verpflegung. Lasien Sie mich vorläufig dafür sorgen. Außer, daß ich Künstler bin," sagte ich,„bin ich auch Schiffsreeder. Und solange Sie Lust dazu haben, können Sie an Bord meines Schiffes wohnen." Rustad verbeugte sich leicht vor Gude.„Ich hatte voll- kommen vergessen, daß Sie hier an Bord wohnten. Und dabei hatte ich Sie doch selbst in der Kajüte, wo Sie jetzt sitzen, untergebracht." „Was hatten Sie?" Gude sah, ein wenig müde, auf. „Unterbewußt! Ja! Rahm Sie mit meiner Pfote hier und setzte Sie an Bord. Das war das Schicksal, werden Sie sagen. Aber wer ist der Diener des Schicksals? Ich!" Sein Zeigefinger schrieb Kreise in die Luft. „Sie und ich! Glauben Sie, daß wir beide bloß hier in der Kajüte eines alten Kastens in Ryhavn sitzen und Whisky trinken!" Er schüttelte langsam den mächtigen Kopf. (Fottsetzung folgt.)