Hc. 2$1 ♦ 40. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
Die neuen portosähe.
Nachdem nun auch der Postausschuß des Reichstages die neuen Postgebühren genehmigt hat, geben wir im nachstehenden eine Usdersicht dieser Portosätz«: Pastkarte: a) im Ortsverkehr 6» M.: b) im Fernoer- kehr 120 SJf. Briefe: a) im Ortsverkehr bis 20 Gramm 120 M., über 20 bis 100 Gramm 180 Dst, über 100 bis 250 Gramm 300 M., über 250 bis 500 Gramm 360 351.; b) im Fernverkehr bis 20 Gramm 300 M., über 20 bis 100 Gramm 360 M., über 100 bis 250 Gramm 450 M., über 250 bis 500 Gramm 540 M. Die DrulSksachLnkarte unterliegt der Gebühr für Drucksachen bis 25 Gramm. Druaiache bis 25 Gramm 60 M., über 25 bis 50 Gramm 120 35t., über 50 bis 100 Gramm 180 M., über 100 bis 250 Gramm 300 M., über 250 bis 500 Gramm 360 M., über 500 Gramm bis 1 Kilogramm 450 M., über 1 bis 2 Kilogramm 600 M. GeschLstspapiere biz 250 Gramm 300 M., die übrigen Porto- säße für Geschäftspariere wie bei Drucksachen. Warenprobe bis 100 Gramm 180 M„ über 100 bis 250 Gramm 300 M., über 250 bis 500 Gramm 360 M. Päckchen bis 1 Kilogramm 600 M. Zone 1 Zone 2 gmte 5 Pake!? 6i« 3 kg.... 800 M. 1 600 35t. I 600 M. über 3. S..... 1 200. 2 400.« 4W, . 5. 6..... 1400. 2800. 4. „ 6. 7..... 1600. 3 200. 4 800. 8„.... 1 800..8600. 5400. 9..... 2 000, 4000. 6000.
/, 8.
. 3 . 10 . 11 . 12 . 13 . 14
10 11 12 13 14 16 15. 16 16. 17 17. 18 18. 19 19. 20
2 200 . 2 500, . 2 800, . 3100. . 3 400. . 3 700, . 4000. . 4 300, . 4 600, . 4 900, . 5 200,
4 400, 5 000, 5 600, 6200„ 6800.
6 600 7 500. 8 400, 9 300. 10 200.
7 400. 11100, 8 000, 12 000, 8 600, 12 900. 9 200, 13 800. 9 800„ 14 700. 10 400, 15 600, für Zeitnngspakete bis 5 kg 600. 1 200, 1,200, Bei Wertsendungen beträgt die Persicherungsgebühr 1 sti-r Wertbriefe und versiegelte Wertpaket« für je 10 000 M. der Wertangabe oder ein Teil von 10 000 M. 100 M.; 2. für un- versiegelte Wertpakete bis zu einer vom Reichspostminister iestzu- segevoen Wertgrenze die HSiste des vorstehend unter 1 angegebenen Sastes. Die Einschreibgebühr wird für unversiegelte Wert» xak?!e nicht mehr erhaben. Bostcmweisnngen kosten bis 5000 M. 200 351. Porto, über 5000 hi? 10 000 35t. 400 M.. über 10 000 bis 50 000 35t. 800 351., über 50 000 bis 100 000 W. 1200 M. und für je weitere 100 000 M. oder einen Teil dieser Summe 600 35i. mehr. Die Aeitungsgebühr betrögt für das wöchentlich ermnalig« oder icllortcrc Erscheinen sowie für iede wertere Ausgab« in der Woche bei einem durchschnittlichen Numinergewicht bis 25 Gramm 1 M, übe? 25 bis 50 Gramm 2 M.. über 50 bis 100 Gramm 3 M., über 100 bis 250 Gramm 5 über 250 bis 500 Gramm 7 M., über 509 Gramm bis 1 Kilogramm 9 M., über 1 bis 2 Kilogramm 18 Mar? mvnailich. Für das mcmatlich einmalige oder seltenere Er- fchaVidn beträgt die Zerttingszebühr die chälsre vorstehender Sätze, mindestens jedoch 1 M. monatlich. Bei Sammelüberwei- iungen wird siir jedes Stück der Zeitschrift 2 M. vierteljährlich berechnet. Die PostscheSgebSHren betragen: Für eine bare Einzahlung mit Zählkarte bei Betragen bis 5000 M. 50 351, von mehr als 5000 bis 10 000 M. 100 M, von mehr als 10 000 bis 50 000 M. 290 35t, von mehr als 50 000 bis 100 000 M. 300 M, von mehr als 100 090 bis 200 000 351. 450 M, von mehr als 200 000 bis 300 000 M. 600 M, von mehr als 300 000 bis 400 000 M. 750 M, von mehr als 400 000 bis 500 000 M. 900 M, von mehr als 5.00 000 bis 750000 35t. 1050 M, von mehr als 750 000 bis ITOOOOO 951. 1200 35t, von mehr als 1 000 000 bis 2 000 000 95t. 1500 M, von mehr als 2 0150 000 M. bis unbeschränkt 2000 M. Fü• bargeldlos beglichene Zahlkarten wird dieselbe Gebühr, im .stöchstsall jedoch eine Gebühr von 600 M. für eine Zahlkarte er- hoben.
An Telegraphengebühren werden erhaben: Für das gewöhn- liche Telegramm a) im Fernverkehr(Ferntelegramme) eine Grund- gebühr von 400 35t. und eine Wortgebühr von 200 95t.; b) im Ortsverkehr(Ortstelegramme) eine Grundgebühr von 200 M. und eine Wortgebühr van 100 M, c) für Pressetelegramme eine Grundgebühr von 200 M. und eiiu Wortgebühr von 100 M. Der Teuerungszuschlag zu den Fernsprechgebühren wird von 2300 auf 14 900 Prvz. erhöht. Die Einschreibegebühr beträgt 300 M. Die neuen Postgebühren treten mit dem 1. Juli 1923 in Kraft.
verwahrlsfte hauser. Die Verwahrlosung mancher Mietskasernen ist in Berlin all- mählich so arg geworden, daß sie nicht nur den Mietern ihr.Heim" gründlich verleidet, sondern auch zu einer öffentlichen Ge- fahr zu werden droht. Schadhafte Dächer werden nicht repariert und lassen den Regen in die Böden strömen, so daß er durch die Decken in die darunter liegenden Wohnungen dringt. Putz fällt von den seit langem vernachlässigten Hoffconten ab und ge- fährdet Personen, die über die Höfe gehen. In Klosetts ist die Wasserzuleitung längst nicht mehr brauchbar, so daß Spülung unmöglich geworden ist und die Wohnung?- insassen an ihrer Gesundheit geschädigt werden. Wir können selbst- verständlich nicht alle WohnungSmängel, über die uns Mitteilungen zugehen, im.Vorwärts" besprechen. Wer unter solcher Häuserver- Wahrlosung leidet, macht sich meist keine Vorstellung davon, wie außerordentlich groß jetzt die Zahl seiner Leidensgefährten ist. Von Zeit zu Zeit soll aber wieder einmal auf diese Zustände hin- gewiesen werden, damit die in Frage kommenden Behörden er- wägen, oh sie nicht mit ZwangSmaßregeln eingreifen müssen. AIS wir vor einigen Tagen das Haus Willibald-AlexiS- Straße 8 besichtigten, wurden uns die bitteren Klagen verständlich, die uns von Mietern dieses Hauses zugegangen waren. DaS Dach ist so s ch a d h a s t. daß im Vorderhaus, im Seitenflügel und im Ouergebände der Regen die Böden durchnäßt. Das Wasser dringt durch die Decken, sickert in den Wohnungen an den Wänden hinab, ruiniert Putz und Tapeten in widerwärtigster Weise und macht die Wohnungen unerträglich feucht. Bemühungen.auf den Böden durchaus- gestellte Gefäße den Regen aufzufangen und von dendarunter liegenden Wohnungen abzuwehren, haben wenig Erfolg. Im Seitenflügel dringt der Regen, den das schadhafte Dach hereinströmen läßt, durch die Decke in eine Wohnung des vierten Stockwerkes und von ihr wieder durch die Decke noch in eine Wohnung des dritten Stockwerkes. Der Bewohner des vierten Stockwerkes stellt Reihen von Gefäßen auf, das Wasser aufzufangen, aber das genügt nicht, da? dritte Stockwerk zu schützen. Solche Zustände find doch ein Sk'andal, den man niSt 24 Stunden dulden sollte! Lebensgefahr droht den Hausbewohnern und auch den Straßenpassanten von einigen Schornsteinen des Hauses, deren Bekrönung schadhait ist, so daß Steine herauSge- fallen sind und auf dem Dache umherliegen. Bei starkem Wind und Sturm könnte es sehr leicht geschehe», daß so ein Stein heruntergeschlcudert wird und mal einen Menschen er« schlägt. Will die Polizei, die für Ordnung und Sicherheit zu sorgen hat, nicht wenigstens hier einen Anlaß sehen, zu Zwangs- maßregeln zu greifen? In dem Haufe weiß keiner so recht, wer zurzeit eigentlich der- pflichtet wäre. Reparaturen ausführen zu lassen. Das Haus ist an ein.Baubureau Meißner und Zoller" verkauft worden, die Auflassung ioll aber noch nicht erfolgt sein. Die bis- herige Eigentümerin will natürlich mit der Sache nichts mehr zu tun haben, die Baubureaufirma aber läßt noch auf sich warten. Der Mieterausschuß hat sich an den Vertreter der Firma gewandt imd Reparaturen gefordert, aber er ist mit dem Hinweis auf die noch ausstehende Auflassung abgefertigt worden. Nur wer das Recht hat, die Mieten einzukassieren, darüber scheint unter den Be- teiligten kein Zweifel zu bestehen. Die Baubureaufirma soll übrigens in Berlin schon ein Schock Häuser an sich gebracht haben.
Die Undankbaren. Berliner Abenteuer eines Neffen Poincar�s. _ Unter der Anklage des schweren Raubes hatten sich vor dem Schwurgericht des Landgerichts I der 21jährige Kellner Egon 95!einicke und der 21jährige Buchhalter Willy Stern zu verantworten. Das Opfer des Ueberfalles ist der aus Prag gebürtige französische Staatsangehörige Dipl.-Ingenieur Karl Kssl. Keil ist ein Reffs des französischen Ministerpräsidenten Pvincare. Im Dezember vorigen Jahres war Kefl von Paris nach Ham-i bürg gekommen, wo er eingehend die Hafenanlagen und Schiffsneubauten, insbesondere deren fu n k en t eleg ra ph isch e n Anlagen besichtigte und zahlreiche photographische Ausnahmen machte. Ee hatte in Hamburg die Bekanntschaft des stellungslosen Willi Stern gemacht, der sein ständiger Begleiter wurde. 5t«sl fuhr dann nach Berlin , um bei der Tele f unkengesellschaft in Stellung zu treten. Stern reiste dem Franzosen mich Berlin nach und traf in seiner Wohnung den jugendlichen Kellner Meinicks an, den Kefl im Cafe Vaterland kennengelernt und zu seinen? Privatsekretär gemacht hatte. Die beiden jungen undank- baren Freunde des Franzosen trafen sich lehr häufig und verab- redeten schließlich einen Ueberfall ans Kefl, zu dem sie den Kellner Döhring mit anwarben. In der Wohnung Meinickes in der So- bastianstraße ging der Ueberfall auch vor sich. Kefl wurde betäubt und beraubt und Döhring erhielt 50 000 M. Er lief sofort zur Polizei, die, obwohl er sie vorher benachrichtigt hatte, nicht ge- kommen war.— Die beiden Angeklagten bestritten in der Berhand- lung auf das Entschiedenste, daß sie dje Absicht gehobt hatten,. ihrcrt Freund Kefl zu berauben. Kefl habe bei sich Zeichnungen aus Bochum , Essen und verschiedenen Gnu den gehabt. Auch habe er verschiedentlich Nachforschungen nach Maschinengewehren und Flugzeugen angestellt. Beide hätten in Kefl einen französischen Spion vermutet und die Absicht ge- habt, ihn zu entlarven imd sich durch die Auslieferung seiner Pa- piere und Dokumente eine Belohnung zu verschaffen. Di« Reckt-- anwälte Dr. Herbert Fuchs und Dr. Joachimczyk stellten unter Be- weis, daß Kefl sich als großer Deutschenhasser ge- bürdete. Kefl selbst, der als Zeuge geladen war, ist vor Gericht nicht erschienen. Er befindet sich in Paris . Staatsanwalt Duden war der Meinung, daß es sich gar nicht um politische Motive, sondern um einen ganz gemeinen Raub ge- handelt hat. Die Angeklagten sehen nicht wie„Heldenjünglinoe" aus. Der Staatsanwalt bezweifelte auch stark, daß Kesl zu Spionagezwecken in Deuffchstmd gewesen sei. Dazu werde sich Herr Poineare wohl jemand anders aussuchen. Es würde ein Fehl- spruch sein, wenn die Geschworenen die Angeklagten ohne Prüsimg, lediglich, weil ein Franzose beraubt worden sei. ffeffprechen würden. Prozeß Kökn. Als weiterer Zeuge wurd> der Kaufmann Fed rniann vernommen, von dem Köhn dessen Rennstall abgekauft hat. Der Zeuge bezeichnet auf Borhalt des Vorfitzenden den Verkauf des Rennstalles als«in vollkommen einwandfreies und reelles Geschäft. An der Tat- fache, daß er dem Vertreter Köhns, dem Angeklagten Funk, eine Proviston von 200 000 M. gezahlt habe, findet der Zeuge nichts Auf« fälliges. Auf«ine Frage von R.-A. Dr. Pindar erklärt der Zeuge, daß der Rennstall Köhns im Konkurse geradezu verschleudert worden sei. Sein bestes erstklassiges Pferd sei für 25 000 M. versteigert worden. Bei rick- tigem Verkauf wären Millionen von Ueberschüssen herausgekommen. Der nächst« Zeuge, Kaufmann Schneider aus Dresden , bezeichnet sich- als Vertreter der Dresdner Einzahler. Als in Dresden bekannt wurde, daß Köhn die Dividenden nicht mehr auszahlen könne, habe er durch Inserat die Einzahler zu einer Versammlung zusammen- berufen. Erst in dieser Versammlung seien die Einzahler über den ganzen Schwindel ausgeklärt worden und 6000 Einzahler hätten ihn beauftragt, gegen Köhn vorzugehen und m Berlin den Konkursantrag zu stellen.' Der Angeklagte Köhn unterbrach den Zeugen wiederholt durch laute Zurufe: Schwindler, Sie sind an allem Schuld. Landgerichtsdirektor Siegert wies den Angeklagten Köhn wiederholt zur Ruhe und verbat sich jede Ein- Mischung. Longe Erörterungen knüpften sich an die Bertreier» Versammlungen vom 23. Juli bei der Vernehmung des Leipziger Vertreter» Weber. In längerer Rede setzt Köhn auseinander, warum er die Herabsetzung der Dividende in der Vertreterversammlung vor- geschlagen habe. Es wird dann die Frage erörtert, ob Köhn durch Unredlichkeit der Untervertreter geschädigt worden sei. Angekl. Köhn: .E» hat mir Sorge gemacht, daß ich nicht überall die Augen haben
.51 Als die Wasser fielen. Don Olto Rung. Doch das Wasser sank weiter mit erstaunlicher Schnellig- keit. Eiude legte das Ohr an das Gesäß. Und jetzt konnte er ein fernes Brausen von stürzendem Wasser hören. Ob der Hahn irgendwo offen stand? Aber gleich darauf wurde ihm klar, daß der kalte, plätschernde Laut eine Dusche Wasser war, das nicht weit von hier unter Deck über einen nackten Körper riefelte. Verzaubert von diesem Laut blieb er stehen und sah den Tank sich leeren. Er stellte sich vor, daß das Wasser nun die Form der Badenden annahm, wie ein Schleier ihre Glieder, wie ein Silbermantel ihren Rücken einhüllte. '' Plötzlich fühlte er, wie seine Wangen heiß vor Unruhe, vor Unbehagen wurden. Er hatte das kleine Spiegelbild, das drunten in dem weichenden Wasser schwamm, sein eigenes, vom Kreis des Spundlochs eingerahmtes Gesicht erblickt. Und im selben Augenblick war dies wogende kleine Bild verschwun- den, eingesogen, ertränkt vom Bodcnoentil mit dem letzten Schuß Wasser, der gurgelnd das Gefäß verließ. Ob dies Bild jetzt durch das Rohr wanderte, vielleicht mit dem Klange einer Medaille in Susannes Bad fiel und den verwegenen Späher verriet? Er wandle sich unwillig ab und rief Matti. In drei Minuten war die tägliche Wasserration aufgebraucht, und wahrscheinlich drehte die Badende in dem Glauben, daß sie eine Wasserleitung direkt vom städtischen Werk hätte, ver- gebens an ihrem Hahn. Er gab dem Matrosen Order:„Prei Kapitän Samuelsen, wenn er aus dem Rückwege vorbeikommt. Wir müssen so bald wie möglich frisch mit Wasser versorgt werden. Sag ihm, daß er von jetzt an mindestens dreimal täglich liefern muß." Dieser Frühling war die Zeit der bedingt begnadigten Bankerottierer. In unverkäuflichen Prachtvillen, in Palästen, deren Wert jetzt unbezahlbar war, saß die Insolvenz und polierte sich die Nägel. Ueber die Parkettböden, durch die mit Schildpatt und Silber eingelegten Türen gingen ihre Töchter aus hohen Lack- absästen zur Limousine hinaus, die mit dem stramm am Steuer sitzenden Chauffeur wartete. Sie waren in Pelz und Seide gekleidet, besaßen aber kaum Nadelgeld genug für das bißchen täglichen Bedarf an Parfüm oder Handschuhen. Der Gemahl
oder der Papa war nicht mehr der Kavalier der letzten Jahre! Die Warenhäuser ließen die überzogenen Konten der großen Zeit stehen, eröffneten aber keine neuen. Täglich muhte ein bißchen geschwindelt werden, um nur eine Woche Kredit für ein Paar Wildlederschuhe oder ein Dutzend französische Strümpfe zu bekommen. Wie auch der Gemahl oder der Papa oder der feine Freund sich selbst erschwindeln mußte, was er zum täglichen Leben brauchte: Grillroom-Dejeuners zu zweien und später Karnevalssoupers mit begleitender Dame— wie in der Zeit, als die Goldäpfel sprangen! Die Bank hielt sie in der hohlen Hand, ließ sie jedoch nicht fallen— weil die Hand dann erst im Ernste hohl wurde. Nur ab und zu ertönte ein gedämpfter Knall über der Börse, wenn ein nicht allzu teuer erkauftes kleines Handelshaus barst. Die Bank strich sich mit einem Lächeln den Seifenschaum ab und schrieb in der Bilanz den Verlust offenkundig ab: Wir haben nichts zu verbergen! Doch die großen Seifenblasen aus der geschwollensten Zeit des Krieges hielten sie in der Schwebe, indem sie sie untereinander von Wechselstube zu Kleinbank bliesen, bis zuletzt die Staats- und Nationalbank an der Reihe war, zu pusten. Eine dieser Seifenblasen war die Dänische Werst. Und Gude zweifelte eine Zeitlang daran, ob es einen Zweck hätte, hier rettend einzugreifen. Andreas Pauli schwamm auf seiner riesigen Insolvenz, und die Dänische Werst lag tot, still, ohne Mannschaft, mit drei rostenden Schiffskörpern auf den Helgen und ihren drei Tochtergesellschaften Djarne, Björn und Buris hoffnungslos treibend da. Dennoch dachte Eude, daß der Versuch gemacht werden müßte. Die dänische Schiffahrt war von Natur aus gesund, aber alle Geschwülste aus der entzündeten Zeit des Krieges mußten fort. Und man mußte tief schneiden! Er begann die mühselige Durchsicht der letztjährigen Bilanzen. Er sah, daß der Stoff ihm nicht ganz neu war. In Archangelsk war er mit den Leitern des Murmanbahn- baues in Verbindung getreten. Für diese Anlage hatte die Dänische Werft drei Eisbrecher und ein paar Transportschiffe geliefert. Allmäblich dämmerten in Gudes Bewußtsein Ge- spräche und Verhandlungen, die er in jenen Jahren als Konsul in Archangelsk geführt hatte. Die gewaltsamen Ereignisse der späteren Zeit in Rußland hatten diesen Stoff in seiner Erinnerung weit zurückgedrängt. Als er sich allmählich durch Bilanzen und Bücher der Werft hindurchsand, versuchte er ihn in seiner Erinnerung zu festigen.—'
An einem Vormittage gegen Ende April erhielt er bei strahlendem Sonnenschein den Besuch Andreas Paulis. Sein blau lackiertes Auto kam von Nyhavn und hielt auf dem kleinen freien Platz vor dem Pockhauj'e. Pauli faß auf dem Chauffeursitz, neben ihm eine ganz in Pelze gepackte junge Dame. Gude erkannte sie gleich, es war Fräulein Maud Martens; er hatte sie ein paarmal in seiner mehr gesellschost- lichen Periode getroffen, sie war es, die kürzlich in ihrem und ihrer Freundinnen Namen n«h ihm geforscht hatte, um ihn in ihren Sportklub einzuführen. Jetzt sah er außerdem seinen Schwager, Kapitän Stark, und Edith im Wagen. Dazu noch einen kleinen Knaben. Dieser sprang zuerst heraus. Der Größe nach schätzte Gude ihn auf kaum acht, dem Gesicht nach auf dreizehn Jahre. Das war überlegen, unangenehm und von einem Fliegerhclm mit Klappen umgeben. Ganz wie fein Vater, Direktor Pauli, trug er eine Automobiljacke aus gelbem Leder sowie kleine gelbe Gamaschen. Andreas Pauli winkte Gude mit feinen schweren Hand- schuhen zu. Seine Miene sagte, daß er jetzt endlich den Flucht- ling gefunden hätte! Der Knabe ging den anderen voran über die Landungsbrücke. Er machte eine kurze Wendung um Gude h»um. als wollte er ihn ein wenig betrachten, worauf er zur Ruff steuerte und das Schloß der Lampenkammer probierte. Als es nicht nachgab, schritt er ohne einen Blick an Gude vor- über die Kajütentreppe hinab. Die anderen waren unterdeffen an Bord gekommen: die Schwester anscheinend gesund, aber ein wenig müde um die Augen, der Schwager wie immer einsilbig, mit lautlosen Be- wegungen; er war in Zivil, in blauem Anzüge, der seine ge- schmeidige Gestalt fest umschloß. Maud Martens öffnete ihren Pelz und ließ ihn rückwärts in Gudes Arme gleiten, langsam wickelte sie sich heraus, ließ ihn bewußt den bebenden Rhythmus ihres schlanken kleinen Körpers, besten üppigen Druck von Schulter zur Hüfte spüren. Unwillig trat er zurück, in den Händen noch den Pelz, der warm von ihrer Haut war und nach ibrem Parfüm duftete. Er fühlte Zorn und Rausch auf einmal. Sie betrachtete ihn mit glitzernden Augen, der Mund stand schmal und allzu rot in dem maßweißen kleinen Antlitz. Das Haar war glatt aus der Stirn zu einer von Sonnenschein zitternden Glorie ge- kämmt, die Augen waren dreist, kalt und blau. Jetzt ging sie von ihm fort über das Deck. — (Fortsetzung folgt.)