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gegriffen unJ innerhalb ganz kurzer Zeit die umfangreichen Vorarbeiten für die Einführung des neuen Lohnsystems ge- leistet. Das System des wertbeständigen Lohnes würde die Funktionäre und die Mitgliedschaften von all jener zeit- und kraftraubenden Tarifarbeit befreien, die heute ausschließlich geleistet wird, um hinter der rasenden Geldentwertung einher- zulaufen. Die formelle Trennung des Arbeitseinkommens in Grundlohn und beweglichen Teuerungsfaktor macht uns die Hände und die Kräfte erst wieder frei, um überhaupt den Kampf um die Steigerung des Reallohnes und feine etappen- weife Annäherung an den Friedensreallohn wieder aufnehmen zu können. Die Spitzengewerkschaften werden die Schaffung eines brauchbaren Index und die Sicherung seiner Anwendung auf gesetzlichem Wege oder durch zentrales Abkommen ge- währleisten können. Jetzt aber ist es Ausgabe all der Stellen in der Arbeiter- und Angestelltenbewegung, die unmittelbar Träger der Tarif- Verhandlungen sind, im Nahmen dieser gefundenen Regeln die praktische Verwirklichung innerhalb der einzelnen Ve- rufe und Industrien in Angriff zu nehmen. Wir wissen nicht, wann die Widerstände gegen einen gesetzlichen Anwendungs- zwang des Index für die Tarife überwunden sein werden, und wir brauchen schließlich auch die Gesetzgebung nicht abzu- warten. Die Widerstände im Parlament sind in demselben Maße zu überwinden, in dem es den Gewerkschaften gelingt, draußen in der tariflichen Regelung das neue System zur Geltung zu bringen. Es sollte deshalb für die gesamte ge- werkschaftliche Tarifbewegung nur noch eine Parole geben: Anfangen!" All den Volksbeglückern und Pawlenschustern, die auch in diesem ernsten Augenblick immer noch Zeit haben, täglich neue Ziele aufzuzeigen, anstatt jetzt die gesamte Bewegung auf den einen Punkt des neuen Lohnsystems zu konzentrieren, möchten wir aber zurufen:Wir bitten um Schluß der Debatte!" * Vor wenigen Tagen teilten wir bereits mit, daß die Be- ratungen der Zentralarbeit sgemeinschaft über die Einführung eines wertbeständigen Lohnes zunächst zur Einsetzung einer Kommission geführt haben. Diese Kommission wird heute Freitag über ihre Beratungen dem Plenum der Zentralarbeitsgemeinschaft berichten, das dann zur E n t» f ch e i d u n g gelangen dürste.
parchim   und der Staatsgerichtshof. Die Zuschrift, die wir in unserer Donnerstag-Morgenaus- gäbe aus mecklenburgischen parteigenössischen Kreisen veröffent- lichten sie stammt von einem Führer der freigewerkschaftlichen Landarbeiterbewegung, der die Verhältnisse auf dem Lande sehr genau kennt und die Tätigkeit der Roßbach-Organisation gut beobachten konnte, klang in einen wahren Hilferuf an das Reich aus. Um die geradezu tragische Bedeutung dieses Notschreis zu begreifen, ist es notwendig, die besonderen politischen, kultu» rellen und sozialen Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin   zu beachten: dieses Agrarland war bekanntlich in dieser dreifachen insicht bis zur Revolution das rückständigste in ganz eutschland: überhaupt kein Wahlrecht, ein prä- historisches Schulwesen, eine brutale herrschende Schicht von Großgrundbesitzern und Rittergutsbesitzern, ein träges, zahlen- mäßig schwaches städtisches Bürgertum, und, neben einer größeren Anzahl kleiner Bauern, die im erbitterten Gegensatz zu den Großagrariern standen, die Masse der rechtlosen Land- arbeiter, das waren die Hauptmerkmale des mecklenburgischen Landes. Die Revolution gab auch dem mecklenburgischen Volke das gleiche Wahlrecht und mit einem Male trat eine starke sozial- demokratische Wählerschaft auf den Plan. Doch die Verwaltung konnte dort aus Mangel an Kräften nur sehr langsam er- neuert werden. Insbesondere die Justizverwaltung, die ein Personal mit juristischer Vorbildung voraussetzt, blieb gänzlich unverändert. So ist ganz naturgemäß die Demokratisierung der Verwaltung und besonders des Justiz- u, Sei den /litsgewiesenen. Von Otto Ernst Hesse  . Man schlendert wie in einem mittelalterlichen Traum durch die kleinen, winkligen Gassen und Sträßchen Bielefelds, die die Jahrhunderte neben den moderneren Straßenzügen haben stehen lassen, entzückt, begeistert von diesen Giebeln und Fachwerken, von diese? bürgerlichen Baukunst, die aus dem kleinsten, manchmal nur drei Fenster breiten Häuschen ein architektonisches Kunstwerkchen von der schönsten Harmonie der Berhältnisse gemacht hat. Und steht in derWelle", wohl dem reinsten Ueberblsibsel der Stadt, vor einem schiefen Giebelhaus«, an dem eine Inschrift belehrt, daß es ein Meister Soundso anno 1SS7 erbaut hat, ein Auto, so erschrickt man: so tief ist der historisch« Bann, der von dieser Gass« ausgeht. Und man nimmt diesen Zauber mit hinauf auf die Sparmburg, von wo aus man die Stadt mit den Augen beherrscht, bis weit hinaus ins weftsAifche Land, das sich mit den zarten Horizontalen seiner Hügelwellen leicht gegen die Vertikalen der schieferschwarzen oder tupfergrünen Türme und die schlanken Linien der zahlreichen Schorn- stein« legt und mit seinem wechselvollen Grün, unter Licht und Schatten eines beinahe regenlosen Nachmittags, dem halbgeschwärzten Ziegelrot der Westfalendächer, das der Altmeister Rohlfs aus dem benachbarten Soest klassisch zu malen versteht, einen wundervollen Rahmen gibt. Aber: man trägt mit sich, was dies« Stille und Harmonie stört. Man hat den Morgen in der Beratungsstelle für die Ausgewiesenen des besetzten Gebietes, die die Eifenbahnver- waltung eingerichtet Hot, zugebracht und hat viel Bitteres gehört. Zweiundfünfzigwusend Deutsche   und übermorgen sind es ge- wiß schon sechzigtvusend sind aus Heimat und heimatlichem Arbeitskreis mit Gewalt vertrieben worden. Fllnfundachtzig Pro- zent dieser Ausgewiesenen sind pflichteifrige Eisenbahner nebst ihren Familien, und die Eisenbahnverwaltung hat Sorge und Mühe ge- nug, trotz der neuen Verordnung des Reichspräsidenten  , nach der auf je tausend Einwohner des unbesetzten Reiches zwei Ausgewiesene des besetzten Gebietes unterzubringen sind, den täglichen Zustrom zu bewältigen. Man denkt im Reich viel zu wenig an diese Tausende, die da über eine sogenannte Grenze mit brutaler Schnelligkeit ab- geschoben werden, man hat im Reich auch wenig Ahnung davon, was für eine Organisation dazugehört, diese naturgemäß bis in die Tiefen der Seel« und die Spitzen der Nerven aufgewühlten Menschen psychologisch und materiell so zu versorgen, daß sie das Gefühl in das Exil mitnehmen, ihre Opfersteudigkeit finde die nötige Resonanz im Reich. Zwei große Beratungszentralen sind geschaffen worden. In Fulda   werden die Ausgewiesenen der Reichsbahn- dwektionen Mainz  , Trier   und Frankfurts   in Bielefald dst der
wefens, dieses Schmerzkind des neuen Deutschland  , nirgends fo rückständig geblieben wie im mecklenburgischen Lande. Dem Hilferuf der Mecklenburger Republikaner an das Reich muß unter diesen Umständen besondere Beachtung geschenkt werden. Der Verfasser jener Zuschrift fragte, ob denn nicht die j u r i st i s ch e Grundlage für ein Eingreifen des Ober- reichsanwalts in die Parchimer Mordaffäre gegeben sei, durch das allein eine Ausbrennung der Roßbach-Kloake in Mecklenburg   zu erreichen ist, nachdem die dorfige Justiz in dieser Hinsicht so vollständig versagt. Die Frage der Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes ist aber nach dem Gesetz zum Schutz der Republik unbedingt zu bejahen, und zwar aus verschiedenen Gründen: Einmal schwebt bereits vor dem Staatsgerichtshof das Verfahren gegen Roßbach, also gegen die militärssch organi- sierten geheimenTurnerschaften  " der Freiheitspartei. Die Mitglieder des sogenanntenVereins für landwirtschaftliche Berussausbildung", dem sämtliche Parchimer Mörder ange- hörten, waren verpflichtet, der Freiheitspartei beizu- treten. Des weiteren zeigt die Begünstigung eines der Täter durch die Roßbach-Zentrale in Wannsee  , ebenso die hier schon gekennzeichnete Rolle des Verbindungsmannes Oberleutnant F r i ck e, welche innigen Beziehungen zwischen der Roßbach- Zentrale und den Roßbach-Kreisen in Mecklenburg   bestanden. Der Oberreichsanwalt hätte schon im Interesse des noch schwebenden Verfahrens nachzuprüfen, ob derVerein usw." nicht eine Parallelerscheinung zu denTurnerschaften  " der Freiheitspartei darstellt. Aber ganz abgesehen davon, war derVerein usw." in Mecklenburg   bereits behördlich aufgelöst und bestand unter dem Decknamen einerAbwicklungsstelle" unverändert fort, ja er stellte weiter neue Mitglieder ein, was genau das Gegen- teil einerAbwicklung" bedeutet. Damit ist der geheime Charakter dieser Vereinigung nach dem 8 128 des Strafgesetz- buches ohne weiteres gegeben. Entscheidend für die Zuständigkest des Staats- gerichtshofes ist neben dem militärischen Aufbau desVer- eins", der in der Führerhierarchie(Truppführer, Gruppen- leiter, Bezirksleiter) und in den geheimenFührerversamm- lungen" zum Ausdruck kommt, vor allem die Tatsache des unbefugten Waffenbesitzes. Denn nach dem Z 7, Abs. 5 des Republikschutzgesetzes verfällt der Jurisprudenz des Staatsgerichtshofes: Wer sich einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 des Strafgesetzbuches) anschließt, die selbst oder deren Mitglieder unbefugt Waffen besitzen." Der unbefugte Waffenbesitz geht aber nicht allein aus den Aussagen verhafteter Mittäter hervor, wonach sämtliche Truppführer lauter aste Roßbach-Gardisten über Waffen verfügen, sondern auch aus dem W affenfund auf dem Gut Äeuhof. Als nach dem dort beschäftigten Trupp- führer Fähnrich H ö ß gefahndet wurde, der die Ermordung Kadows geleitet hatte, wurde ein Waffendepot be- schlagnahmt, bestehend aus einem Maschinengewehr, sieben Revolvern, darunter Armeepistolen und Munition. Nach Z 13, Abs. 2 des Schutzgesetzes fallen auch solche Handlungen unter die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes, die imt a t f ä ch l i ch e n Z u f a m m e n h a n g" mit fonsti- gen Handlungen stehen, die nach Leipzig   gehören. Daß die vereinbarte Beseitigung eines Spitzels durch Mitglieder des Vereins" den Zwecken dieser Organisation dienen sollte, ist selbswerstandlich. Somit gehört die ganze Par- chimer Mordsache vor den Staatsgerichtshof. Die einzige noch zweifelhafte Frage wäre die, ob die Untersuchung gegen die Mecklenburger Roßbach-Filiale bzw. gegen die Parchimer Feme  -Mörder in Verbindung mit dem schwebenden Verfahren gegen Roßbach und seineTur- nerschaften" oder von ihm getrennt von diesem zu führen wäre. Die Entscheidung hierüber hätte aber der Oberreichs- anwalt selbst zu treffen. Das ist die juristische Seite der Frage. Die po- l i t i s ch e n Gründe, die für die Ueberweisung der Parchimer Angelegenheit an den Oberreichsanwast sprechen, hat in über-
Direkttonsbezirke Essen, Elberfeld   und Köln   aufgenommen, verpflegt und verteilt. Fulda   dirigiert seine Transporte nach Süddeutschland  , Bielefeld   die seinigen nach Norddeutschland. In diesen Beratungs- stellen, die eine Reihe von Fürsorgestellen hinter sich haben, werden fast ausschließlich ausgewiesene Beamte beschäftigt damit die neu an- kommenden Ausgewiesenen von vornherein sich in verständnisvoller Behandlung wissen. Es gibt da schweren Dienst, einen Dienst voller Unregelmäßigkeiten Tag und Nacht, Dienst mit langen Fahrereien, Wartereien und psychologischer Delikatesse, die manche Verstimmung auszugleichen hat. In Fulda   und Bielefeld   versucht man, den Aus- gewiesenen die erste freundliche Rast zu schaffen und die Familien- Oberhäupter mit Frau und Kindern, die oft tagelang später ein- treffen, zu vereinigen. Hier werden, nicht ohne Schwierigkeiten, die Personalien festgestellt eine bureaukratische Notwendigkeit, da schon mancher Gauner sich alsarmer Ausgewiesener" dem Reich auf den Geldbeutel zu legen unternommen hat, wier werden die Millionen an Vorschüssen und zinslosen Darlehen ausgezahlt, mit denen sich die völlig ohne Hab und Gut Exportierten die ersten not­dürftigen Anschaffungen machen können. Bielefeld   hat für die durchgehenden Transporte ungefähr siebenhundert Betten in Hotels, Prioatquartteren und Schulräumen zur Berfügung, alles, wie man sich überzeugen kann, tadellos sauber und so bequem, wie sich eben Masjenquarttere einrichten lassen. Man hat auch begriffen, daß das seelische Moment beim Empfang der Ausgewiefenenzüge eine Rolle zu spielen hat, und ist mit Ge- sang, Blumen und Liebesgaben zur Stelle, mit denen man stunden- lang auf den Zug warten muß. Auch bemühen sich jetzt Magistrat und Lehrerschaft, für die Unterhaltung der abgespannten und oft krankhaft erregten Ausgewiesenen etwas zu tun. Doch das dürfte mehr Sache der Gemeinden sein, denen die Transporte dann endgülttg zugeleitet werden. In Badeorten bis hin zur Nordsee   und Ostsee  , in Eisenbahnerhäusern und Privat- quartieren werden die Beamten mit ihren Familien untergebracht, wobei die Beamten und Arbeiter, so gut es geht, sofort wieder eine entsprechende Tättgkeit erhalten. Aber diese Tätigkeit allein wird den Schmerz, aus der engeren Heimat vertrieben zu fein, Häuser und Heime, an denen man jahrelang, jahrzehntelang gebaut und zusammengetragen hatte, haben verlassen zu müssen, kaum lindern können. Man muß diesen Opferbereiten und Opfern der Gewalt- Herrschaft überall das Gefühl geben, daß ihr Verhalten Resonanz findet, daß ihr Märtyrertum und der, der ein wenig Einfühlungs- vermögen in die seelische Lage anderer kxtt, wird jedes dieser pri- vaten Schicksale als märtyrerhast nachfühlen einen seelischen Zweck hat. Die Gemeinden, denen solche vertriebenen Familien zugeleitet werden und soweit man sieht, wird der Strom ja immer größer müssen ihre bureaukratische Umständlichkeit in diesen Fällen einmal abtun und energisch helfen, den Vertriebenen das Bewußtsein zu schaffe� trotz allem �daheim' zu fem,
zeugend knapper Form die o o l k s p a r i e i l i ch eZeit" zum Ausdruck gebracht, indem sie gestern schrieb: Wir sind keine Freunde des Gesetzes zum Schutze der Re- publik, aber nachdem es geschaffen ist, gehört dieser Fall unzweiselhaft vor den Staatsgerichtshof. Es müssen die letzten Fäden solcher Organisationen aufgedeckt werden, damit man weiß, mit wem man es bei diesen Verbrechen zu tun hat." Das ist ganz unsere Meinung und wir sind überzeugt, daß auch die Reichsregierung den gleichen Standpunkt ein- nimmt. Richter in Haft behalten Bernhardt entlassen. Die VS.-Korrefpondenz teilt mit: Auf Grund der gestrigen Vernehmung der an der Mcrdsache Parchim   in Berlin   verhafteten Ludwig Richter   und Rudolf Bernhardt durch den Untersuchungsrichter im Polizeipräsidium ist Bernhardt im Laufe des gestrigen Nachmittags auf Antrag seines Verteidigers, Rechtsanwealt P. Bloch, aus der Haft e n t- lassen worden. Gegen Richter wurde dagegen der Haft» befehl aufrechterhalten und der Begünstigung ver- dächtig ins Stadtvogteigefängms eingeliefert. Zu den gestrigen Veröffentlichungen des Polizeipräsidiums über das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen gegen die in Berlin   ver- hasteten Mitarbeiter Roßbachs, Ludwig Richter   und Rudolph Bernhard, wird der BS.-Korrespondenz aus deutschvölki- schen Kreisen folgendes mitgeteilt:Richter war früher Ange- stellter der Oryamsationsabteilung ll der Deutschvölkischen Freihcits- Partei, in der dieTurnerschaften  " organisatorisch zusammengefaßt wurden. An der Spitze dieser Abteilung stand Roßbach. Richter selbst war alter Roßbach-Mann und wurde bei Gründung de? Abteilung von Roßbach als Sekretär übernommen. Nach dem Verbot der Partei wurden die Angestellten der Abteilung ent- lassen, also auch Richter. Davon, daß Richter einen der Teilnehmer an dem Parchimer Mord in das Bureau der drei völkischen Ad- geordneten, Dessauer Str. 5, bestellt haben soll, ist in diesem Bureau nichts bekannt. Die weitere Behauptung, daß in diesen Geschäftsräumen dem Mordteilnehmer �Reisegeld gegeben war. den fei, ist ebenfalls unrichttg.(Ist aber von Richter selbst z u g e- geben! Red. d.V.".) Alle zur Auszahlung gelangenden Be- träge gehen durch die Hände des Reichstagsabgeordneten Wulle, der weder Richter noch einer anderen Person in Richters Auftrag Geld zur Verfügung gestellt hat." Roßbachs tzeldenjünglinge. Das Urteil im Prozess Hunsiker Nartowski. In dem Betrugsprozeß gegen Nartowstl, Biali- wons und Hunsiker, über den wir bereits kurz berichteten, billigte Staatsanwalt Deepenthal den Angeklagten zu, daß sie nicht beab- sichtigt hatten, dem Deutschen Reich zu schaden, sondern daß sie mehr den Polen   einen Schabernack spielen wollten, lediglich um Geld zu verdienen. Er beantragt« für sämtliche Angeklagten je IX Jahre Gefängnis und Anrechnung der vollen Untersuchungs- hast durch die die Strafe verbüßt wäre. Die Strafkammer verneinte darauf den Derrat militärischer Geheimnisse sowie Ur- kundenfäschung und erkannte nur auf einfachen Betrug. Bialiwons und Rartowski wurden zu je sechs Monaten Gefängnis Hunsiker zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde durch die Untersuchungshaft als verbüßt angesehen. Rartowski wurde als Ausländer der Polizei zur weiteren Berfügung über- wiesen. Bialiwons wandert ins Zuchthaus zurück zur Verbüßung seiner dreijährigen Strafe wegen Landesverrats und Hunsiker wurde freigelassen. Noch ein Selbftschutzheld. Ein schwerer Fall der Ausnutzung der Wohlfahrtsbersitschaft wurde dem 20iährigen Angeklagten Rudolf Hoeppener, der sich vor der 7. Strafkammer des Landgerichts III   wegen B e« truges und schwerer Urkundenfälschung zu verant- warten hatte, zur Last gelegt. Gleichzeitig gab die Verhandlung wieder einmal einen Einblick in die Psyche jener jungen Leute, die, ohne Lust zu ernster Lehre und Arbeit, durch die Lande vagieren und nur allzu leicht willfährige Werkzeug« in den Händen dunkler polittscher Existenzen werden. Der Angeklagt« hatte sich hauptsächlich mtt Sammlungen für politische Zwecke, und zwar für rechtsstehende Kreise befaßt. Er war nach Ausbruch der Revolution aus der Obertertia abgegangen und hatte sich den Baltikumtruppen
Offener Srief. Sehr geehrter Herr Degner! Als ich Ihre Kritik über die Aufführung von HölderlinsT o d des Empedokles  " las, glaubte ich die selig entschlafeneTägliche Rundschau" vor mir zu haben. Diese nämlich pflegte auch mit Bor  - liebe Behauptungen aufzustellen, die sich nicht immer als stichhaltig erwiesen. Ich habe damals nicht geantwortet aus ersichtlichen Gründen. Heute antworte ich aus ebenfalls ersichtlichen Gründen. Ich pflege künstlerische Kritiken, gleichviel ob sie Lob oder Tadel enthalten, gerne hinzunehmen. Das Lob freut aus Tadel kann man lernen. Aber diese Kritiken müssen an die rechte Adresse gerichtet sein! Die Ihrige, Herr Degner, ist es nicht: Regisseur des Empedokles  " war nämlich Ernst Legal   nicht Leopold I   e ß n er. Der Regisseur das dürfte im allgemeinen bekannt sein ist innerhalb seiner Arbeit von dem Intendanten in gleicher Weise un- abhängig wie der Kritiker einer Zeitung vom Chestedakteur. Chef- redakteure und Intendanten vertreten das Prinzip und find für das Programm oerantworllich der Kritiker und Regisseur wirkt an seiner Stell« autonom, wenn anders er eine Persönlichkeit ist und kein Handlanger..(Dies nebenbei.) Run zuraeui» Ießner": Erstens habe ich denTod des Empedokles  " nicht angenommen (ich hätte es gern getan!), sondern ich fand ihn vor. Folglich konnte mir zweitens auch nichtAngst werden vor meinem Ent- schluß". Folglich wollte ich drittens dieSorge nicht los werden", Sie hadern ferner mit dem Zeitpunkt der Ausführung. Aber das sollten Sie nicht tun. Es gibt nämlich innerhalb des Repertoires etwas, das manAufbau" nennt. Und es fand sich meines Erachtens keine bessere Krönung einer kampfreichen Spiel- zeit als die Aufführung des Hölderlinschen Weihespieles. So wurden denn auch in anderen Blättern Stimmen laut, die gerade de» Ter- m i n der Aufführung als eine künstlerische Tat des Schauspielhauses anerkannten... deswegen zwar, weil die Sommermonate zumeist den Operettentrieb der Bühnenleiter zu entfesseln pflegen das Staatstheater aber in solchem Zeitpunkt noch nichtdie Koffer packte", sondern es mit Hölderlin   hielt. Sie wünschen mir schließlichgute Erholung und Kraft zu lebens- gestaltenden Inszenierungen". I ch wünsche Ihnen dagegen: einig« besinnliche Augenblicke, um über den Anlaß dieses meines offenen Briefes nachzudenken. Leopold Ießner.
Wie Karl Scheidemantel   zur Bühne kam. Der Tod des Sängers und Gesangspädagogsn Karl Scheidemantel   ruft die Erinnerung an den genialen Baritonisten wach, der nicht nur als Bühnen-, sondern auch als Liedersönger sich«inen Weltruhm«rjvorben hatte. 1911 hatte er seinen Abschied von der Bühne genommen, nachdem er in 33 Iahren in 179 Partien unvergeßliche Gestalten geschaffen hatte. In seiner anspruchslosen und humorvollen Art hat er selbst erzählt, Wie ich zur Bühne kam". In Weimar  ,wo jeder schon von Rechts wegen einen kleinen Kunstklaps weg hat", war«r als Sohn eines Hostischlers geboren, und der Pater schickte cht, aufs Seminar, um