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Die Papftüebatte in der Kammer. Vertrauensvotum für Poincar6. Paris . 7. Zuli.(CP.) Die Kammer nahm nach den tlus- führungcn Poincarcs und nachdem noch einige Abgeordnete ge- sprachen hatten, mit ZS5 gegen 130 Stimmen ein ver- trovensvotum an. Paris , S. Juli.(WTD.) P o i n c a r e fuhr in seiner Kammer- rede fort: Der Heilige Vater gab unserem Botschafter die Verfiche- rung, daß er nur an den Geist der Gerechtigkeit und der Charitas im gsgenwätigen Augenblick habe appellieren wollen. Er fei von den Katholiken ersucht worden, sein« Stimme zu erheben. Der französische Botschafter habe die Rechte Frankreichs betont und auf die Gefal)ren der deut- schsn Propaganda im Ruhrgebiet und in den Rheinlanden hinge- wiesen. Pius XI. habe erklärt, daß er diesenverbreche- rischen Widerstand" formell nicht billige, und er habe hinzu» gefügt, daß, wenn das Reich sich nicht bald das Vertrauen seiner Gläubiger zu gewannen suche, dann sein Widerstund keine Da- feinsberechtigung mehr hätte. Im Papstbrief werde den Alliierten das Recht, Garantien zu fordern, zuerkannt, und man überlasse es ihnen, zu entscheiden, welcher Art diese Garantien sein werden. Die These, die der Papst unterstützt habe, nähere sich denen gewisser Verbündeter, sie sei aber nicht die Frank- r-ichs. Diese These sei vielleicht bedauerlich. Aber man müsse davon ohne Leidenschaft und ohne VoreingenommenlTeit sprechen, selbst wenn man sie nicht nur in dem Briese des Papstes, sondern auch in den Zeitungen und den offiziellen Mitteilungen der Verbündeten Frankreichs lese. Der Papstbrief bestreite übrigens nickst die Legitimität der Ruhrbssetzung.(Aber eben so wenig behauptet er diese Rechtmäßigkeit, vielmehr hat der Papst klugerweise die Rechtsfrag« nicht angeschnitten, sonst hätte er nicht vermitteln können, sondern deutlich für Deutschland Partei ergreifen müssen. Red. d. D.) Er stelle nur fest, daß sie für Deutschland Lasten schaff«, und rate Frankreich , sie zu erteich- tern. Dieser Brief sei in Frankreich nicht günstig aufgenommen worden, während man ihn in Deutschland als Ermutigung aufgenommen habe. Ab« der Schritt des Runtius wegen der verbrecherischen Akte des Widerstandes habe die durch den Papstbrief hervorgerufene Ermutigung erkalten lasien. Trotzdem bleilo» es aber bestehen, daß der Papst geglaubt habe, Frankreich politische Ratschläge erteilen zu müsien. Sie rövnien keinen wirksamen Einfluß ausüben. Poincare fährt fort, der Brief könne also keine politische Bedeutung haben und belaste die Gewissen aller französischen Katholiken, so gläubig sie auch seien, in keiner Weise. Die sran- zösisch« Regierung habe es ntchi aus dem Grund«, weil der Papst ein« Meinung geäußert habe, die nicht der französischen gleich komme, für vernünftig gehalten, die Lotschaft beim Vati- ?»» aufzuheben. Frankreich hebe ja auch die Vokschasien bei den Attlierien und de« Neutralen nicht aus(!), wenn sie verlangten, «»» solle die Zahlungsfähigkeit Deutschland » durch sogenannte un- yneteiisch« Ausschllsie prüfen lasten. D*« Aufrechterhaltung einer Porschaft fei keine Belohnung dafür, daß ein Land da» gut heiße, was Frankreich «olle. Er Hab« auch nicht geglaubt, den feenzöstschen Botschafter beim Vatikan abberufen zu müssen. Di« französische Regierung Hab« den Papst nicht hinsichtlich der Ausführung des verfailler Bertroges belangt und auch nicht ge- beten, einzureisen, damit der passive Widerstand auf- höre. Nach dieser Richtung habe der Papst aus eigener Inj- t atio« gehandelt. Frankreich halt« sich, was die Feststellung der deutschen Zahlungsfähigkeit anbetreffe, an den Vertrag. Es sei erst nach Feststellung der deutschen Verfehlunen in das Ruhrgebiet einmarschiert, ohne Annektionsgedanken und ahne eine ständige Besetzung zu beabsichtigen. E» sei«inmarschiert, um ein Pfand zu besitzen, Garantien zu erlangen und einen wirkungs- vollen Druck auszuüben. Deutschland habe, anstatt sein« Bcr- svrrch'.ingen zu erfüllen, seine Beamten und seinen Vertretern den Befehl era.'ilt,«inen verbrecherischen Widerstand zu organisieren. Wir verlangen vor cßon. daß Deutschland diesen Widerstand einstellt und daß e» die Anordnungen wider- ruft, daß es also einen offenen Beweis seines guten Willens gibt. Deurschlcmd steht es zu, die Besetzung des Ruhrgebiets ab- zukürzcn; je rascher Deutschland bezahlt, desto schneller werden wir uns zurückziehe. Diese Entscheidung haben wir in Brüssel ?ur Wahrung unserer nationalen Interessen, um unser« verwüsteten Gebiete wieder aufzubauen, um unsere budgetäre Lage zu sichern, getrofsen. Wir sind der Ansicht, daß wir im Rechte sind, und ich zweifle nicht(?), daß alle unsere Alliierten sich von dies« Wahrheit überzeugen werden. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um dem Rechte zum Siege zu verhelfen. * Nach den Berichten der Morgenpresi« über die gestrig« Kammer» sitzung war es der Abgeordnet« Loucheur.dcrdie Annahm« der einfachen Tagesordnung verlangte, indem er die Erklärung des Ministerpräsidenten besonders billigte. Loucheur sagt«, man könne auf keinen Fall die Einmischung des Dati- kans in die französische Politik zuzulassen. Ab« man dürfe auch dem Zwischensoll nicht mehr Bedeutung beilegen, al, ihm zukomme. ver Abgeordnete Blum billigte namens der Sozialisten den Inhalt des Papstbriefes nnd fuhr fort: Hat man nicht fortgesetzt ges�rieben, wir d. h. die Sozialisten hätten uns an Deuts cyl and verkauft. Und nun ixr Papst wolle man auch von ihm behaupten, daß er sich an Deutschland verkauft habe? Warum sollte der Papst dem protestantischen Preußen günstiger gesinnt sein al» dem katholischen Belgien ? Er hat nur die wahrhafte Meinung d« große« Masse der katholischen Well zum Ausdruck gebracht, denn die Ruhrpolitit hat die Mehrheit der öffentlichen Meinung in Europa gegen uns aufgebracht. Die Meinung des Papstes stimmt mit der englischen üb««in, un!> wer will behaupten, daß England unser Feind sei? Bor 18 Monaten war die Atmosphäre für un» besser; das war die Zeit von Tannes und Gen ua._ Der Irankensturz. Englischer Druck auf Frankreich ? condon. 7. Juli. (TU.) An der Londoner Börse herrschte heute i» der Abteilung für fremd« Wechselraten große Unsicherheit, die auf die Lage in der Reparotionsfmge zurückgeführt wird. Am Markt äußerte sich dies durch«in Fallen des belgischen Franken auf YS'/«, der französische Franken war ebenfalls schwächer. Di« deutsche Mark verschlechterte sich auch um geringe» und notiert« ««ooyo Paris, 7. Suli.(Eca.) L'Oeuvre stellt fest, daß der Frank gestern auf seinen tiefsten Stand, den er je gehabt hat, gefallen sei. Man Hab« in Börsenkreisen die Notwendigkeit hervorgehoben, daß man Frankreich begreiflich machen müsse, wie unzuträglich«» sei. sich mit England zu entzweien. Di« Tatsach« der Offensiv« gegen den belgischen und gegen den französischen Franke» lassen darauf schließen, daß man im übrigen mit Recht «nrnehme, die Pression gegen Belgien könne noch wirksamer sein, als die gegen Frankreich . Wetter für morgen. Berlin und Umgegend. Zunächlt überwiegend heiter, trocken nnd «hr warm bei schwachen jndliche» bis südöstlichen Winden. Nachher lang» am zunehmende Lewotluvg und etwas Tetvitternelgung.

Zreiwilö! Als vor kurzem einige Diebe in ihrem wenig erfreulichen, aber um so riskanterem Einbrecherhandwerk ertappt wurden und nicht freiwillig der Aufforderung Folge leisten wollten, sich in den Rachen des Löwen zu begeben, schoß der Beamte auf die Frevler. Die Ein- brecher entkamen, der Schuß aber traf einen harmlos dahergehen- den Passanten. Es ist nichts darüber bekannt geworden, ob der so unerwartet ins Jenseits beförderte Familienvater war, ob er eine alte Mutter oder gar Neine Geschwister zu ernähren hatte. Wünscht der Bürg« vor gemeinfährlichen Individuen geschützt zu werden, so muß er auch ein kleines Risiko mit in den Kauf nehmen und darf nicht sonderllch darüber lamentieren, wenn er bei dieser Gelegenheit zufällig mal ums Leben kommt. Sagten doch die staatsweisen Römer: Das Wohl des Staates ist das höchste Gebot. Ob in diesem Falle dieser Ausspruch nicht mit Vorsicht zu genießen wäre? Man bedenke nur. Diebe, vielleicht ganz harmlose, vielleicht Neulinge, unter Umständen durch Not zum Derbrechen getrieben, Rechtsverletzer, bei deren gerichtllcher Verurteilung für sie nur einige Monate Gefängnisherausspringen" würden, oder die gar eine Be- währungsfrift erwartet, werden von Beamten, weil die Masten bei ihnen los« sitzen, ohne weiteres, gewissermaßen standrechtlich nieder- geknallt. Da» ist auch schon vorgekommen. Als wäre es wirklich schon so unerträglich schlimm, wenn diese Uebeltäter entkämen und durch ihre Person die an und für sich große Zahl ftei herumlaufen. der und sich in Kaschemmen herumtreibenden rückfälligen Diebe, Zu- Hölter, Hehl« usw. vermehrten, als sie um ihr Leben zu bringen. Sollte man nicht besser sie mit friedlicheren Mitteln einzufangen suchen? Man bedenke fern«: Diebe wissen, daß sie angeschossen werden können, nehmen deshalb Waffen und schießen, um sich die Verfolger vom Leibe zu halten. Es enstteht ein förmliches Feuergefecht, bei dem die Diebe unter Umständen entkommen und der eine oder ander« Beamte sein Leben einbüßte. Auch das ist schon vorgekommen. Ist es wirklich notwendig, den schon an und für sich nicht ungefährlichen Beruf der Sicherheits- und Kriminal- beamten durch solch einen unbegründeten Wassengebrauch noch ge- fahrvoller zu gestalten? Es geht eben nicht an, den Kamps mit Der- brechern, insbesondere mit Dieben, aus diese Weise zu führen. Da entsteht so eine ungerechtfertigte Erbitterung auf beiden Seiten. Der Gebrauch der Schußwaffe, d« in der Hauptsache der Sicherheit des Beamten selbst dienen soll, reißt zur üblen Sitte ein. Geschah es doch vor einig« Zeit, wie gar ein Privatdetektiv, d« im Tiergarten einen Mann verhaften wollte, ihn anschoß, als er sich aus dem Staub« machen wollte. Hatte auch dieser Privatmann die Befugnis zum Schießen? Der Fall Silberberg, bei dem ein friedlicher Bürger durch eine Kugel getötet worden ist, die für einen Dieb bestimmt gewesen war, hat da» Maß voll gemacht. E» laufen jetzt so viel Einbrecher, Fassa- denkletttrer us«. herum, e« passieren so oft Raubübersälle auf offe- «« Straße, daß so mancher in die Lage de» unglückseligen Silber- berg» tominen kann. Wenn nicht um der Diebe willen, so doch we° nigsten» im Interesse der Beamten und der anständigen Bürger be- dürfte endlich die Frag« einer Beantwortung: Ist es erlaubt, Diebe zu Freiwild zu machen, und ist es gestattet, die Straßen der Groß- stadt zu Wildwest werden zu lassen?

Opfer öes Leichtsinns. Zwei Sinder durch Gas vergiftet. Ueb ermäßig« Alkoholgenuß hat schon oft Tragödien gezeitigt. Meistens ist der Trunkenbold selbst das Opfer seiner Unmähigkeit geworden. Schlimmer aber noch ist es, wenn er unter der Einwir- kung des Alkohols andere Menschenleben gefährdet. Ein solcher tief- erschütternder Dorsall wird aus d« Wartburgstroße 16 in Schöne- berg gemeldet. In der Rächt vom Freitag zum Sonnabend wurde die Feuer- wehr nach dem Haus« Wartburgstr. 16 zu Schöneberg gerufen, wo die beiden Kinder des Portiers, ein Jung« von 2H und ein Mädchen von 4>4 Jahren, infolge Einatmung giftiger Gase erstickt waren. Trotz einstündiger müheooll-r Arbeit unter Astistenz eines Arztes d« Unfallstation gelang es nicht, die Kinder«ied« ins Leben zurückzurufen. Di« anwesenden Haus- bewohn« sowie Schupobeamte und Sanitätsmannschaften konnten es sich nicht«klären, daß die ausströmenden Gase, die aus dem Kochherd herauskamen, nach den Angaben des Portiers von den Heizungsanlagen h«rühren sollten. Da die Mutter zurzeit i mKrankenhcms liegt, war es um so unverantwortlicher von dem Vater, die Kinder unbeaustichtigt allein in der Wohnung zurückzulassen, um seinem gewohnheitsmäßigen Trünke nachzugehen, zumal die Kinder am Nachmittag schon einmal einen Erstickungsanfall aus den oben angegebenen Gründen gelabt hoben und nur durch Zugreifen von Hausbewohnern gerettet wurden. Man müßte«mnelMen, daß der Dater nach diesem Dorsall hätte glücklich sein müssen, seine Kinder noch einmal vom Tode errettet zu wissen, um nach diesem Dorfall um so vorsichtiger zu sein.

ZirkuskrawaUe vor Gericht. Zur heutigen Verhandlung wurde ein« Reihe von der ver- teidigung geladene Zeugen vernommen. Der Zeuge Buhriz gibt an, vor dem Zirkus die Aeußerung eines Abgeordneten gehört zu haben, d» sich mit einem Polizeihouptmann im Gespräch befunden habe. Al» man«inen mit Koppel und Pistole ausgerüsteten jungen Mann herbeigäbracht Hab«, hätte dieser H«r den Festgenommenen gefragt, von welcher Ortsgruppe er stamme, und auf die Antwort Ortsgruppe Steglitz", hätte er geäußert:Na«arte. Euch werde ich ewa s mehr Drill beibringen, damit Ihr das nächst« Mai pünktlich« seid". Einem anderen jungen Mann wurde «in Browning abgenommen, er erhielt ihn aber spät« wieder zurück. al, et ein« Bescheinigung d« Oberschlesischen Grenzschutzes vor- zeigt«. Dieser sei dann aus deFZirkus zugegangen mit den Worten: Na, wir«erden mal mang die Brüder mang gehe«". Dn nächst« Zeug« ist d« kommunistische Dezirksverord- nete R u p p« r t. d« auf Grund einer Bezirksverordnetenkarte als Ausweis in den Zirkus hineinkam und über die Vorgänge im Zirkus Aussag« macht. Zeuge Schloss« Levinsohn ist vor dem Zirkus gewesen. E» stand«« dort mehr«« Glieder in militärischer Organisation mit Stöcken, die die ihr gegenüberstehend« Ar» beiterjugend zu provozieren sucht« und dann mit Seitengewehren und Kunze-Knüppeln die l«tzt«en vertreiben wollten. Vors.: Wenn Sie die ganze Zeit da gewesen sind, müssen Sie doch auch gesehen haben, daß Stein« herangeschleppt und geworfen wurde. Zeuge: Nein, das habe ich nicht gesehen. Ich sah, wie zwei junge Arbeit« festgenommen, von der Sipo in die Stollwache gebracht wurden und später mit abg«lssen«n Kragen und Striemen im Gesicht ganz verweint h«auskam«n. Vors.: Haben Sie auch gesehen, daß zwei Beamte überfallen worden sind? Zeuge: Nein, das ist nicht der Fall gewesen. Bors.: Wir haben aber Zeugen hi« gehabt und gebort, daß sie schwere Ver- leßungen erlitte« hoben. Zeuge: Di« Menge war zu«st sehr er- bittert. al, ein Arbeiter totgeschlagen war. Ich selbst sah, wie« mit einem Schlagring medergesch lagert wurde. Der Zeug« behauptet dann weiter, daß die Fahne, die im Zirkus g«. schwenkt worden sei, an der Spitze des Zuges geführt wurde. Zeug« Abgeordnet« G e i s l e r widerspricht den von den heutigen Zeugen ig«machten Ausführungen. In d« Folg« kam es dann zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem Vorsitzenden und Justizrat Jfc L- Frän g.

<dhne yaushalt. Das Scheitern des Berliner Haushalts beschäftigt die gesamte Presse, die sich in Vermutungen über den weiteren Gang der Ding« ergeht. Nach unserer Kenntnis hat der Magistrat außer dem schon bereits mitgeteilten Beschluß, die in Gang befindlichen Arbeiten weiterzuführen, beschlossen, sich sofort mit der Regierung in Verbin- dung zu setzen, um eine geregelte Wetterführung der Berliner Ge­schäft« zu ermöglichen. Es besteht die Aussicht, daß ein Weg ge- funden wird, der bis zum Ablauf der Feriensrist es ermöglicht, die von den Kommunisten herbeigesehnten Komplikationen zu ver- meiden. Die Rechtspresse schweigt wohlweislich über das Ver- halte» der Wirtschaftspartei und hält sich auch sonst sehr zurück, da die Herrschaften wissen, daß sie mit ihrem Kampf gegen die Geld- entwertungsbestimmungen eine unpopulär« Position zu verteidigen haben. In derGermania " verteidigt Dr. S a l tz g« b e r, den die bürgerlichen Parteien alsrechten" Zentrumsmann gegen den ihnen oerhaßten Stadwerordneten Lange auszuspielen suchten, die Haltung des Zentrums, das in voll« Uebereinstimmung mit der Sozialdemokratie dem unerträglichen Steuerunrecht ein Ende zu machen versucht hat. Frech wie immer blieb nur dieRote Fahne", die sich Gott weiß was darauf zugute tut, daß d i e revolutionäre Heldentat der Etatsverhinderung glücklich gelungen ist. Während Hexr Müller-Frankcn den Etat ab- lehnt, weil er die Geldentwertungsklausel enthalte, lehnt ihn Dörr ab, weil er die Klausel nicht enthält. Dieselben Leute, die den bür - gerlichen Kreisen Milliardengeschenke in den Schoß geworfen haben, haben die Stirn, Versammlungen anzukündigen mit dem Thema: Die Stinnes-Diktatur im roten Berlin ." Wenn von einer Stinnes- Diktatur überhaupt die Rede sein könnte, dann nur deswegen, weil die Kommunisten es konsequent ablehnen, Arbeiterpolitik zu machen, weil sie sich an einer Gestaltung des Etats überhaupt nicht beteiligen und grundsätzlich jeden Etat ablehnen. Die Redens- orten, mit denen sie gelegentlich so strn, als ob sie an einer sachlichen Mitarbeit sich beteiligen wollten, nehmen sie selber nicht ernst. Ihnen kommt es auf die Katastrophe cm und soweit Herr Rosenberg einer Politik fähig ist, richtet er sich noch der Anweisung Ruth Fischers, daß die Stinnes-Diktatur zu erstreben sei als beste Platt- form für den Stimmenfang. Ebenso oerlogen wie dieser Radikalis- mus, der erst unhaltbare Lagen schafft und dann darüber schimpft, ist ihre Behauptung über einenUmfall" der Sozialdemokratie usw. D« neue Antrag ist selbstverständlich ein Teil des Etats und steht für die Anpassung der Steuern«inen genauen Weg vor, höchstens die Kommunisten könnten ihn hindern und werden ihn hindern. Mit ihnen wird die Arbeiterschaft schon fertig werden. * Unsere Feststellungen über das verhalten der Kommunisten «öttgen dieRote Fahne" zu einem Berlegenheitsgestom- mel, dem man anmerkt, wie peinlich ihnen die Festnagelung ihrer Unterstützung bürgerlicher Steuerscheu ist. Sie am- wartet auf den Borwurf, daß sie das Bürgertum auf mehrere Monat« von d« Gewfrbesteuer befreit habe, mit dem albernen Hin- weis auf die angeblich« Koalition von Sozialdemokratie und Volks- partei. Dazu ist nur zu bemerken: Die Kommunisten tun alles, um der Sozialdemokratie ein parlamentarisches Zusammengehen mit ihnen vollständig unmöglich zu machen. Das zeigen gerade die Vor- gäng« bei d« jetzigen Ablehnung des Etats. DieRote Fahne " muß die sozialdämokratischen Arbeit« schon für sehr dumm ballen. wenn sie glaubt, jemand einreden zu können, der imVor- wärts" wörtlich zum Abdruck gebrachte Beschluß des Aeltcsten- rotes, dem He« Dörr nicht widersprach, weil er noch keine Anweisungen seiner Parteileitung erhalten hatte, bedeute einen Ver- zicht aus die Geldentwertungsklausel und einen Rückzug auf die demokratische Formel. D« neu« Beschluß hat höchstens den Vorteil, daß er klar und eindeutig Bestimmungen sowohl für den Fall einer gesetzlichen Regelung wie auch für den nicht ausgeschlossenen Fall ein« B«zSo«ung oder Ablehnung einer solchen Regelung schafft. Gar nichts zu tun mit d« Etatsablekmung hat der Angriff am die angeblich arbeiterfeindliche T a r i f p o l i t i ß des Berliner Magi- Sets. Wäre es nach den Kommunisten gegangen, die mit groß e m aul unmögliche Versprechungen machen, dann wäre Berlin sein« sämtlichen Werke läng st tos und das Priva kapital könnte ungeniert und unkontrolliert die Berliner Bevölkerung schröpfen. Auch hier appellieren wie immer die Kommunisten höchstens an Kurzsichtigkeit trnd Ge- dankensaulheit. niemals an wirkliches klares und zielbewußtes Bcr- ständnis für die Notwendigkeit einer weitsichtigen kommunalen Ar- ibeiterpolitik. Ueb« die Antwort der Berliner Arbeiter sind w:r im höchsten Grade beruhigt.

Geringer Iremöenzuzug. Berlins Fremdenverkehr im Monat Juni weist wieder den Ausammenhang der Berkehrsentwicklung mit den allgemeinen Wirtschafte- und Balutvverhiiltnissen auf. Gegen 110 888 Fremd« im Mai waren 11SS70 im Juni zu verzeichnen, also ein Mehr von 8732. Der Ausländerzuzug erreicht nach der Feststellung der Zentralstell« für den Fremdenverkehr Groß-Berlins im Juni 17 49g, «gen 16 024 im Mai, also ein« Steigerung um nur 147S. In Anbetracht der lebhaften Wirtschaftsbewegung in den letzten Wochen, angesichts des außerordentlich starken E i n k a u f s d'r a n g s in- folge der andauernden Preisoerschiebung, angesichts insbesondere der verkehrsbelebung vor Eintritt der' am 1. Juli vervielfachten Eisenbahnfahrpreis«, ist die Steigerung eine auffallend geringe. Sehr wesentlich geringer noch erscheint die Steigerung des Ausländerzuzugs, wenn man in Betrocht zieht, daß sich Wert und Kaufkraft der fremden Daluten innerhalb der letzten Wochen nahezu verdreifacht«. An erster Stelle erscheint diesmal A m e- r i k a mit 1946 Gästen, rund 700 weniger als im Juni v. I. Zieht man in Betracht, daß seit dem Stand«! vor einem Jahr der Dollar seinen Wert nahezu vertausendfacht hat, daß also auch di« Anregung zum Ausnutzen dieses Borteils sich entsprechend»«stärkt haben müßte, so erkennt man daraus die Wirkung der 80prozentigen Be- Herbergungssteuer und der aus diesem Anlaß gegen Deutsch - land gerichteten feindseligen Propaganda. An zweiter Stell« er- scheint diesmal Schweden mit 1828 Gästen; es folgt Oester- reich mit 1787, Rußland mit 1607, Holland mit 1SS9, Dänemark mit 14S1, Polen mit 1264, Tschechoslowakei mit 1201, England mit 1086, Norwegen mit 907, die Schweiz mit 687 usw. 84 Franzosen und 108 Belgier dürsten in Prwatquartteren Unterkunft gefunden haben.

Ein öffentliches Ses«mgskon,«t veranstaltet der Berliner Uthmann-Chor am Sonnabend, den 7. Juli, abends 7 Uhr, auf dem Brunnenplatz am Amtsgerichtsgebäude unter Leitung seines Chormeisters. Zur Aufführung gelangen Volkslieder sowie Uth- mannsche Chöre. v« Verein d« Freidenker für Feuerbestattung E. V.. Sitz Bttlin, teilt mit, daß« in B« r l i n R. 20, Schwedenstr. 18. eine neu« Filiale errichtet hat. Dortselbst wird auch die Anmeldung von Sterbefällen entgegengenommen. Die Filiale Gerichtstroße 35 ist aufgelöst worden. Bei dieser Gelegenheit stellt die Vereinsleitung nochmals fest, daß Mitglieder, die eine einjährige Karenzzeit absol- viert haben und ihren sonstigen sotzungsmäßigen Verpflichtungen nachgekommen sind, Anspruch auf kostenlose Bestat- tung haben und daß von den Hinterbliebenen solcher Mitglieder keinerlei Nachzahlungen erhoben werden. Alle anders lautenden Gerüchte sind als böswillige Verleumdungen zu bewerten. Verbreiter solcher Gerüchte werden strafrechtlich mrfctfaL