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nt.323*W8<,,8 Heilage öes Vorwärts

Ireitag, 13. Juli 1923

warum ist öas Schuld tragen zum groß In letzter Zeit liefen bei der Redaktion desVorwärts" zahl- reich« Klagen über das zunehmende Schlechtwerden des Brotes, ins- besondere des Markenbrotes, ein. Auf Erkundigungen bei den zuständigen Stellen wurde gesagt, daß von einer Vermischung des Mehles mit Streckung?- und Ersatzmitteln unseres glorreichen Krieges nicht die Rede sein könne, daß also die Hauptschuld einer schlechten Bereitung und Verarbei- tung des Teiges zugeschoben werden müsse, daß vielleicht auch von profitgierigen Bäckern unerlaubte Streckung?- mittel und andere Praktiken angewendet wurden, daß aber bei den zuständigen Behörden auch nichts gemeldet worden sei. Im folgenden wollen wir uns zuerst mit der Kriegsstreckungsersatzmitteln befassen. Cine Liste öer Streckungsmittel. Der erste Erlaß datiert vom Oktober 1914 und bestimmt, daß der Roggen zur Herstellung von Roggenmehl bis zu 72 Proz., der Weizen, für Weizenmehl bis 75 Proz. durchgemahlen sein müsse: dazu sollte beim Roggenbrot ein Pflichtzusotz von 5 Proz. Kartoffeln kommen und zwar konnten Kartofselflocken, Kartoffelwalzmehl und Kartoffelstärke Anwendung finden. Vier Teile gequetschte und geriebene Kartoffeln entsprachen einem Gewichtsteil Kartoffelflocken,-walzmchl oder-stärke. Dies genügte bald nickt mehr und es wurde zur Streckung eine Aus- inahlung bis 93 Proz. bei Roggenmehl verlangt. Für die Kartoffel- erfatzmittel, die wegen, des Schwindens des Kartoffelvorrats zu wert- voll geworden waren, gestattete man den Zusatz von Gerstenmebl, Hafermehl und Gerstenschrot. Um der Fettnot zu begegnen, wurde 1916 verboten, die Brote vor dem Backen mit Oelen zu bestreichen, um das Zusammenkleben beim Backen zu verhindern. Es wurden zum Bestreuen der Brote holz-, Stroh- oder Spelzmehl vorgeschrie- den, spater kam noch chemisch reines SKinnußmehl oder Gips, also inineralische Bestandteil«, dazu. Seit Mai 1916 kamen noch fol- gende Ersahstofse zu den genannten Gersten -, Hafer- und Reis- mehlen, nämlich Bohnen-, Sagobohnen-, Erbsenmehl, sein ver- mahlene Kleie, Maismehl, Maniok, Topiokamehl und Sagomehl. Dann wurde noch die Verwendung von Zucker und Sirup bis 5 Pro. auf 95 Proz. Mehl und Mehlersatzstoffe gestattet. Im dritten Jahr des Heils 1917 brauchte man einen Ersatz für die Kartoffel und fand diesen in der Rübe, der Erdkohlrabi. Es waren alle Rüben gestattet mit Ausnahme der Zuckerrübe. Ein weiterer Ausbau der Verfügungen war für die königlichen Behördenleider" nicht mehr möqlich, da so ziemlich alles, was für Zwei- und Vierfüßler vsr- schlingbar und nerdaubar ist, bereitserfaßt" war. Nur den Laboratorien und ihren kriegsbegeisterten Leitern, den tapferen Kämpfern von Heimat und Etappe, wie anderen Blüten der kapita- lisüschen Gesellschaft blieb es vorbehalten, noch neue Ersatzmittel für das Brotzum Durchholten bis zum Siegfrieden" zu finden. Dazu gehört das Mehl aus Roßkastanien und Eicheln. Es wurde abcr bedauert, daß außer dem Wild bei den Wildschweinen kein Wesen Geschmack an diesen Früchten fand und die Versuche wurden bald eingestellt. Das holz - unü Strohbrot. Ernstere Beachtung verdienen die Versuche mit Holzmehl und zwar von Fichten und Buchen, denn dieses stand in großer Masse zur Verfügung. Alle Erfinder dieser Brot« fanden dasselbe stets gut" undvorzüglich", haben es aber trotzdem nicht dauernd ge» nassen. Es ist eben ein erheblicher Unterschied, ob man nur ein Experiment macht oder sich von einem solchen Gemisch dauernd nähren soll. Ins humoristische gehend und mehr als eine Folge der Kriegspsnchose auszufassen sind die Versuche mit Strohmehlbrot. denn dieses Brot vereinigte alle wünschenswerten Eigenschaften der in der Kriegszeit fehlenden Nahrungsmittel. Da heißt es imBzr- lmer Lokalanzeiger" vom 26. Februar 1915, 1. Beiblatt:Das Stroh steckt voller Nährsubstanzen". In derWoche" 1915. S. 366, wird dem Publikum klarzumachen versucht daß die Kartoffel eine Armut an Nährstoffen gegenüber den ärmsten Stroharten zeig«. In den schon zitierten Nummern desLokalanzeigers" lieißt es am Schluß:Dos sogenannte Strohmehl ist nun nichts anderes mehr als ein richtiges Getreidenährmehl". Der hygieniker Ncumann in Bonn hat nun Versuche am eigenen Körper damit angestellt und fand, daß das Strohmehl nicht nur nicht verdaulich sondern als höchst unnützer Ballaststoff aesährliche Gesundheitsstörungen ver- anlassen kann. Die anderen Strohmehlarten können wir übergehen.

°°i Als die Wasser fielen. Don vkko Rung. Ihre Hände tasteten unruhig an einem Armband. Eines habe ich beobachtet: Nicht ein einziges Mal, wenn ihr euch träfet, habt ihr euch die Hand gegeben!" Holger sah nicht auf.Das muß Zufall fein", sagte er. Ich habe nichts gegen deinen Mann, und was sollte er wohl aegcn mich haben? Aber unsere Bekanntschaft ist ja im übrigen so kurz." w f. Ihr wart doch einmal Kameraden, wandte sie ein,auf der Kadettenschulc!"...... Er betrachtete sie prüfend, doch hinter ihrer Frage lag wohl kaum ein Wissen:Nun ja", nickte er.Aber als ich auf die Schule kam, ging Jörgen in die erste blasse. Damit mar er nach dem Reglement mehr mein Vorgesetzter als mein Kamerad. Irgendeine Vertraulichkeit hat nie zwischen uns bestanden. Wenn wir uns jetzt nach so vielen Iahren wieder- treffen, können wir uns kaum näher kommen, nur weil wir Schwäger geworden sind!" Er lachte ablenkend.Du weißt, als der Zigeuner, der icb nun inal bin, lasse ich mich nicht lehr von Verwandtschaft binden. Etwas anderes ist es mir: Du und ich, wir find alte Kameraden. Wir haben unter der- selben Fahne gekämpft hier in diesen Stuben!" Er faßte ihre Hand. Ja, mir gibst du die Hand!" lächelte sie jetzt. Sie sah vor sich h:Kennst du jemand, der mehr Stil hatte als >"raen? Allein ihn anzusehen zu Hause, und namentlich w.nn wir aus sind fühle ich als eine Freude. Seine Hal­tung, sein Profil, jede seiner Bewegungen! Sein ganzes Wesen ist Harmonie und Schönheit. Oder w a r es doch! Er ist so verändert. Weißt du jetzt verkehrt er fast immer mit Andreas Pauli, dem Direktor der Dänischen West." Gude blickte fragend auf. Sie nickte.Das ist ungefähr der einzige Mann, den er sich!. Einige Stunden täglich bat er Dienst im Ministerium. Zu Hause bei den Mahlzeiten sitzt er stumm da und ißt fast gar nichts. Ich wage kaum zu sprechen, so drückend ist jetzt die Stimmung, die von ihm ausgeht. Zuweilen sehe ich ihn stundenlang drinnen an seinem Schreibtisch sitzen. Aber er arbeitet nicht, sitzt nur mit aas den Tisch gelegten Armen da

vrot so schlecht? m Teil die Broterzeuger« Ein« nächst« Erfindung des Krieges waren die Pflanzenmehlbrot:, in die Gräser, Unkraut oder Saatpflanzen hineingebacken wurden. Es wurden Grasmehl. Seradellaheumehl. LuzernenHeumeHl, Sleeheumehl und Gänsefuß- bzw. Meldemehl hergestellt, ein Oekonomie- rat Otken in Oldenburg trat für das Grasbrot«in. Er fand die Brote in jeder Hinsicht befriedigend",ein ganz gewaltiger Gewinn für die Volksernährung bedeuten",wertvolle Nährstoffe enthalten" und ermittelte �dieBekömmlichkeit" durch eineecht deutsche gründliche Kostprobe". So genügt das alles noch nicht, um Grasbrote zum Volksnahrungsmittel zu stempeln. Andere Versuche beschäftigten sich mit Broten aus Fleckten und Pilzen. In manchen Gegenden hatte man auch Brot mit Blutzusatz. Ein besonders geschäftstüchtiger Patriot veröffentlichte in derKölnischen Zeitung " vom 16. Januar 1917, Nr. 51 in der Mittagsausgabe folgendes Inserat:Welcher Kliniker von Ruf und Namen ist gewillt, evtl. gegen entsprechende Vergütung die wissenschaftliche Erprobung von Radiumbrot senk- hält Spuren von Radium , im Verdauungsstraktus Emanation ent- wickelnd und einioe Salze) zu übernehmen. Gssl. Angabe der Adresse unter K. E. 3824 an Rudolf Mass«, Köln ". Wenn wir uns alle diese Surrogate vergegenwärtigen, können wir erkennen, wie hoch die herrschenden Kreise das Volk einschätzten, als sie es mit Mitteln, die die Agrarier ihrem soviel wcrwolleren Vieh nicht vor- zusetzen wagten,durchzufüttern" suchten. Zehler bei öer Srotbereitung. Nachdem unsere Zwangswirtschaft jetzt endgültig durch unser« bürgerlich« Regierung abgebaut ist und auch die Ausmahlung des Mehles von 95 Proz. auf 85 Proz. heruntergesetzt ist, können also Ersah- und Streckungsmittel wenigstens mit Misten und Dulden der Behörden nicht mehr verwendet werden. Also muß das ungenieß- bare Brot durch Fehler in den Backbetrieben und der Teigzubcrei- tung entstehen. Man erwartet von gutem Roggenmehl aus 196 Teilen Mehl 150 Teile Teig und aus diesen 130 Teile Back- ausbeute: aus gutem Weizenmehl 160 Teig und 140 Backausbeute. Soll das Brot nicht sauer schmecken(Weißbrot, Gebäck), so wählt man reine Hefegärung/ bei Roggenbrot gibt man Sauerteig. Beim Vackprozeß ist zu beachten, daß die hitz« im Ofen durch Zuführung von Feuchtigkeit nicht zu trocken wird. Bei 100 Grad ungefähr bildet sich die schöne braune Rinde aus den Umwanblungsprodukten de» Eiweißes und der Kohlehydrate. Zum Durchbacken guten von 2 Kilo schwerem Roggenbrot benötigt man eine Temperatur von 270 bis 300 Grad, für 2 Kilo schwere Weizenbrots 250 bis 270 Grad bei einer Stunde Backzeit. Andere Brotarten benötigen mehr oder weniger: Pumpernickel z. B. bei 180 Grad 12 bis 24 Stunden Back- zeit. Die Jnnentemperatur des Brotes soll nicht über 100 Grad steigen: es werden deshalb die sporentragenden Bazillen, die sich gelegentlich im Brot befinden, nicht abgetötet und findet man darum gelegentlich fadenziehendes Brot(Verwandlung von Stärke in gummiähnliche Mäste.) Für ein einwandfreies Brot kommt auch die Lackfähigkeit des Viehles in Betracht, die aber bis jetzt noch nicht vor Gebrauch genau festgestellt werden kann. Beim Backen sollen sich 100 Gramm Roggenmehl ans 300 Kubikzentimeter und 100 Gramm Weizenmehl aus 400 Kubikzentimeter ausdehnen. Diese Lockerung des Teiges ist für die Verdnuung sehr wesentlich. Zum Schluß ist poch etwas zu der Bekömmlichkeil und der verdaulichkeii des Brotes zu sagen. Bekömmlich ist vieles, das haben wir wäh- rend des Krieges gesehen, verdaulich nicht olles, das zeigte uns auch der Krieg durch die allgemeine Unterernährung, die trotz der manch- mal quantitativ großen Nahrungsmengen eintrat. » Wir müssen also bei einer Ueberlegung des Vorhergelzenden, bei der Annahme eines einwandfreien Materials, zu der Annahme kommen, daß die Schuld an dem schlechten Brot aus die Broterzeuger kommt. Bei den kolossalen Kohlenpreisen kann nicht das einzelne Brot solange im Ofen bleiben, bis es durch- gebacken ist, sondern es wird beim Erscheinen der braunen Kruste herausgenommen. Durch den kleinkopitalistischen Betrieb, den die meisten Bäckermeister führen, sind sie auf möglichste Ausnützung der einzelnen Arbeitskraft bedacht und können deshalb der Teig- bsreitung nicht die nötige Zeit und Gewissenhaftigkeit widmen. Wir fühlen hier am eigenen Körper, wie die kleinkapitalistische Produktionsweise in einem Industriestaats zur Benachteiligung der Individuen führt, ganz zu schweigen von den anderen unhygieni- scheu Geheimnisten mancher Kleinbäckereien.

und sieht vor sid) hin. Aber dann ruft Direktor Pauli ihn in der Regel an, und ohne ein Wort außer dem Lebewohl geht er. Ich weiß, daß er den Rest des Tages oft in Vedbeck ver- bringt, wo Pauli feine Besitzung hat. Aber es sind keine Gäste da. Sie sitzen nur zusammen auf dem Balkon, sehen über den Sund und rauchen." Sie erhob sich und ging unruhig in der Stube umher. Es war jetzt so schwer für sie. Früher hatte sich Jörgen aller Dinge des Hauses, der Wohnungen, der ganzen schwierigen Oekonomie angenommen. Die Gage reichte nicht weit, von dem Hause, dem elterlichen Erbe, mußten sie leben. Fast alles mußte jetzt sie bestreiten. Sie hatte sogar zwei Stuben, das Arbeitszimmer des Vaters und sein Schlafzimmer, an zwei russische Herren vermietet: stille Menschen, die vor der Revo- lution geflohen waren, der jüngere von ihnen war Adelspage beim Zaren gewesen, der andere Konteradmiral. Jetzt gaben sie Unterricht im Französischen und im Balalaikaspiel.Auf die Art." lächelte sie,reicht es, und Jörgen fragt mich nie und klagt übrigens auch nicht, selbst wenn wir die ganze Woche Wäschetagessen haben!" Sie schwieg. Der Sonnenstreifen war jetzt fort von der Fensterscheibe. Der Dust der trockenen Pflanzen legte sich ihm auf die Brust. Das Haar der Schwester leuchtete nicht mehr: jetzt sah er, wie verblichen sie war, obwohl sie erst wenig über dreißig zählte. Was für Träume mochte sie einst gehabt haben? Ob sie alle Hoffnungen ihrer Jugend hatte hinfahren sehen! Oder war es das tiefe Gesetz in ihrem Leben gewesen: daß sie stets in diesem Heim wohnen und Staub mit dem Staube werden sollte, der leise aus den alten Möbeln niedersank. Ihm war, als konnte er die Mutter an dem alten Nähtisch und ihre vielen Armbänder rasseln hören. Jetzt saß Edith auf ihrem Platze. Drinnen hinter der Flügeltür hatte der Schritt des Vaters geklungen, wenn er zornig nach einem Streite stunden- lang auf dem teppichlosen Fußboden wie auf einem Deck hin und her gegangen war. Furchtsam hatten sie, Edith und er, hier gesessen und gelauscht. Jetzt kam er selbst als ein Fremder hierher. Sie saßen beide schweigend da. Ediths Blick war fern, auch sie dachte wohl an die alten Zeiten in diesem Heim. Das hatte sie festgehalten: die Muttsr battc sie zu sich genommen, als sie im Tanzalter und bereit war, in die führende Gesell- schaft jener Zeit zu fliegen. Kannst du dich noch des Dieners Hermansen erinnern?.

Gelö und Kinöer. Mit erstaunlicher rechnerischer Gewandtheit haben sich unsere Kinder in die Papiegeldwährung hineingefunden. Sie jonglieren mit den Tausendern wie wir Alten, weil die meisten ein anderes Geld gar nicht kennen gelernt haben. Was bedeutet ihnen der Sechser oder der Nickelgroschen, was ein« Silbermark oder eiy Gold- stück? Sie kennen das nur vom Hörensagen, haben einen goldenen Zehner oder Zwanziger wohl noch nie gesehen und hören wie auf ein schönes Märchen, wenn Großmutter erzählt, was alles es noch vor fünfzehn Iahren für eine einzige richtiggehend« Metallmart gab. Das Kind von heute braucht aber ggr nicht erst Bergleiche an- zustellen und umzurechnen. Es rechnet einstich mit den gegebenen Tatsachen und weiß genau, was es für die hochzifferigen Papier - scheine erhält. Früher wurde die dem Kinde zum Einholen Mit- gegebene SUbermark dreimal in Zeitungspapier eingewickelt.Paß' gut auf-- verlier nichts--- sonst gibt es was aus der Armen- kosse!" Heute erhallen die Schulkinder ziemlich sorglos Fünf-, Zehn-, Zwanzigtausender in die Finger. Sie kennen die Preise wie dos auf die Teuerung schimpfende Muttchen und wissen, daß für einen Zehnmarkschein noch nicht einmal ein Hosenknopf, eine Nähnadel, ein Bonbon oder«ine einzige Kirsche zu haben ist. Kürzlich beklagte sich ein oder eine M. H. imBerliner Lokalanzeiger" folgender- maßen:Was fünf Reichsmark heute für ein siebenjähriges Kind bedeuten, habe ich erfahren. Ich hatte in der Kulmstroß« etwas zu besorgen. Al» ich aus den Hof kam, spielten Kinder Ball. Zufällig hatte ich in meiner Tasche fünf Mark und schenkte sie einem kleinen Mädchen. Empört über diese Zumutung zerriß das Kind den Schein und warf ihn in den Müllkasten. Und warum? Weil diese Kinder hundert und mehr Mark besitzen und fünf Mark mißachten." Ja, ist denn dieses Erlebnis mit der Siebenjährigen so ausfällig? Das Kind hat genau so gedacht wie der Hausbettler, der zwar vielleicht noch einen Fünfmarkschein annimmt, aber das Rätssl, was er dafür kaufen soll, nicht lösen kann. Deshalb darf man sich auch nicht wundern, wenn Kinder Geldbeträge von hundert und mehr Mark besitzm. Einst bat das Kind um einen Groschen, wenn es den gesunden Appetit auf ein halbes Pfund Obst hatte. Jetzt reicht dazu nicht ein Tausend- markschein. Und so steht es mit allen anderen Kleinigkeiten, die ein Kinderherz erfreuen können, ob es ein Holzkreisel, ein Säckchen mit Murmeln, ein Reifen oder ein Papierdrachen ist. Selbst der Hun- derter ist in der Kinderhand, praktisch genommen, weiter nichts als ein bunter Fetzen Papier . Ein so geringes Taschengeld das kein Vernaschen zuläßt und nur zur Vermehrung, zum Sparen anreizen soll, obwohl für uns Große das Sparen von Papiergeld auch kaum mehr Zweck hat, kann keinen Schaden anrichten. Die Gefahr beginnt erst mit viel größeren Beträgen, die nicht allzu selten an Kinder gutsituierter Eltern allerdings recht leicht- fertig ausgeteilt werden. Hier die richtige Grenze zu ziehen und die Ausgaben des Kindes für kleine Herzensbedürfnisse zu über- wachen, ist Sache einer vorsichtigen Erziehung, die nicht am Alten kleben bleibt, sondern mit der Entwicklung mitgeht. Dabei soll noch immer der individuelle Leitsatz maßgebend sein: was man dem einen Kinde nicht geben darf, kann man dem andern unbesorgt anvertrauen! Wenn einer sichMut" antrinkt. Der Aerger über die Kohlenknappheit hat den Schuhmacher- meister h ä n tz e zu einer argen Ausschreitung verlcitet, die ihn wegen versuchten Totschlages vor die Strafkammer brachte. Dem Angeklagten war von seinem Kohlenhändler die Kohlenlieferung verweigert worden. In seiner Wut rannte er nach Hause, ließ sich mehrer« Flaschen Schnaps bringen, die er austrank. Aber nicht genug damit, ging er noch in die nächste Kneipe und vertilgte weitere 30 Liköre und Kognaks und trank dazwischen noch eine große Menge Bier. Als er sich in dieser Weise Mut angetrunken hatte, ging er zu dem Kohlen­händler zurück und stellte ihn zur Rede. Nachdem er durch reich- liches Schimpfen seinem herzen Luft gemacht hatte, zog er plötzlich einen Revolver hervor und drückte diesen ab. Nur durch das Eingreifen eines Dritten, der dem Attentäter den Arm bei leite schlug, wurde ein Unglück verhütet und die Kugel ging in Decke. Rechtsanwalt Dr. Heyn erhob Zweifel an der Zurech- nungsfähigkcit des Angeklagten, und da sich auch der von dem Aer- tcidiger zugezogene Psychiater Dr. P i n n e r diesem Zweifel an-

sagte sie kurz darauf.Zuweilen scheint es mir, ich könne seinen Schritt im Korridor hören, wenn er vor einer Gesell- schaft in Baiers abgelegten Lackschuhen kam und den Rotwein zum Temperieren hereintrug. Weißt du noch, wie er uns in die Ohren knist, wenn wir durch die Türritze guckten!" Ich kann ts noch spüren," sagte er lustig:Und kannst du dich noch an Svendborg erinnern? Sie kam nach der hüb- schen Jenny, die immer in ihrer Kammer saß und weinte. Ja, Svendborg , die Vaters Uniform anzog und auf dem Amalien- borgplatz an den Gardisten vorbeiging!" Ja, sie erinnerte sich Svendborgs gut, aber er sah, daß ihr Lächeln ein bißchen gezwungen war. Im Grunde war es doch ein Skandal, sagte sie, und gleichsam der Beginn der rohen demokratischen Zeiten, die dann kamen und das Unterste zu oberst kehrten und allen Respekt vor Klasse, Stand und Uni- form vernichteten. Als sie in der Zeitung gelesen hatte, daß die Roten in Rußland den Offizieren die Epauletten abrissen, mußte sie sofort an Svendborg denken. Es war gleichsam ein Vorzeichen! Sie sah sich müde um.Ja, viel ist nicht übrig geblieben aus den Tagen unserer Macht!" Ich glaube," sagte er,daß wir, die wir aus der damals regierenden Klasse stammen, besser die jetzige harte Zeit er- tragen können, als die neuen Reichen, die mit einem Schlage wieder arm geworden sind. Unsere Kindheit hat uns abge- härtet und all des Luxus, den unsere Borfahren genossen haben, waren wir schon von unserer Geburt an satt." Und doch," lächelte sie.habe auch ich einmal von Herr- lichkeit und Glanz geträumt. Und von ein wenig Glück!" Sie schwieg, und er dachte an ihre Ehe. an ihr einsames Leben in di»sen alten Stuben: er verstand ihre Gedanken. Wie viel besser, wie viel freier war er doch gestellt! Kannst du dich," fuhr sie fort.Alvildos erinnern, die wir nach Svendborg bekamen: sie war mit einem Friseur am Kasino verlabt und verkaufte uns ans Theater!" Jetzt erinnerte er sich:Ja, gewiß!" Sie schloß die Augen.Was waren das doch für wunder- volle Abende. Aber frech war es van Alvildo! Weißt du noch. sie bekam fünfzig Oere für ieden von uns für den Abend, das mochte dreißig Kronen im Monat und war damals viel Geld für ein Kindermädchen!" Der Friseur nehm vermutlich alles," meinte Holger. (Fortsetzung folgt.)