Nr. 327 40. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Aus Rosa Luxemburgs Briefen.
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Demnächst erscheinen in der E. Laubschen Verlagsbuchhandlung G. m. b. 5., Berlin C54, Rosa Lugem burgs Briefe an Karl und Luise Rautsty". Mit Genehmigung des Verlages fönnen wir schon heute unseren Lesern einige charakteristische Proben aus der interessanten Sammlung geben, deren eingehende Würdigung wir uns bis zum Erscheinen des Buches vorbehalten. In einem Briefe vom 13. Juli 1900, den Rosa Luxemburg an das auf Rügen weilende Ehepaar Kautsky richtet, findet sich folgende Stelle, die die seltsame Art fennzeichnet, in der bei ihr Natur empfinden und Weltanschauungsfragen zusammen flossen. Also reden wir von Thalatta". heißt es dort. Apropos, denten Sie, dort, während es an Ihren Füßen ewig rauscht, an jene hübsche Sage vom griechischen blinden Sänger, der mit seiner Lyra am Ufer der See spielte und ihr Rauschen für das Gemurmel des Volkes hielt, und, wie er nach dem beendeten schönsten Liede feinen Beifall der Menge hörte, über ihren Undant bitter flagte und im bitteren Unmut die Lyra weit von sich warf, damit sie zerschellt, sie aber von der Meereswoge aufgefangen und von ihr in liebevollem Schaukeln immer weiter getragen wurde? Denken Sie baran? Und haben Sie dort Illusionen, als röche die ganze See nach frisch gebackenem Kuchen, eine gebadene Fata Morgana, wie jener Fischer auf Helgoland sie spürte, bei dem unser Liebling
wohnte?
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Mich dünkt, es muß bei der See das überwältigendste Gefühl- das der eigenen Nichtigkeit sein, nämlich bei dem Ewigen, Unwandelbaren, erhaben Gleichgültigen des Meeres. Ich hatte dieses Gefühl beim Anblick des Rheinfalls in der Schweiz , und sein unaufhörliches Getöse, das nicht eine Sefunde still steht, Tag und Nacht währt, Jahrhunderte überdauert, erfüllte mich mit graufigem, vernichtendem Gefühl. Ich kam ganz niedergeschmettert nach Hause, und jedesmal, auch jetzt, wenn ich vorbeifahre und aus dem Waggonfenster des Zuges das furchtbare Schauspiel, den sprißenden Gischt, die weiße fochende Wasserhöhle sehe und das betäubende Getöse höre, schnürt sich mir das Herz zusammen, und in mir sagt etwas: dort ist der Feind. Sie staunen? Freilich ist es der Feind der menschlichen Eitelkeit, die sich sonst als etwas dünft und so plötzlich in Nichts zufammenbricht. Aehnlich wirkt übrigens eine Weltauffassung, bei der es von allen Begebenheiten heißt, wie bei Ben Atiba: es war immer so", es wird schon von selbst gehen" und dgl. und der Mensch mit seinem Wollen, Können, Wissen so überflüssig erscheint... Deshalb hasse ich eine solche Philosophie, mon cher Charlemagne*), und bleibe dabei, daß man sich lieber in den Rheinfall stürzen und in ihm wie eine Nußschale untergehen muß, als ihn mit meisem Ropfniden weiter rauschen zu lassen, wie er zu unserer Urväter Zeit rauscht und auch uns rauschen wird."
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Ein Stimmungsbild aus dem 3 widauer Gefängnis, in dem sie als Majestätsbeleidigerin im Oktober 1904 Aufenthalt nehmen mußte, gibt ein undatierter Brief, in den folgende melancholisch nachdenkliche Jugenderinnerung eingeflochten ist:
Jetzt ist Abend, und ein weiches Lüftchen weht von oben durch meine Fensterlufe in die Zelle, bewegt leicht meinen grünen Lampenschirm und blättert leise in dem aufgeschlagenen Schiller. Draußen am Gefängnis vorbei wird ein Pferd langsam nach Hause geführt, und seine Huse schlagen ruhig und rhythmisch in der nächtlichen Stille auf dem Pflaster. Aus der Ferne faum vernehmbar die launischen Töne einer Mundharmonika, auf der irgendein Schufter. junge vorbeifchlendernd einen Walzer" puftet". Mir summt im Ropfe eine Strophe, die ich irgendwo neulich gelesen habe:„ Eingebettet zwischen Wipfeln wo liegt dein fleiner stiller Garten, die Rosen und die Nelken lang schon auf dein Liebchen warten, eingebettet zwischen Wipfeln liegt dein fleiner Garten". Ich verstehe gar nicht den Sinn dieser Worte, weiß auch nicht, ob *) Scherzname für Karl Kautsky .
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Halligschatten.
Bon Hans Friedr. Blund.
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Elsbe Eteen schüttelte hartnäckig den Kopf und sah den langen Halligbauer flehend an. Komm in drei Tagen wieder, Nieß, dann ist mein Vater hier, dann können wir alles besprechen." Der andere blickte vor sich hin. 3ft' ne lange Weile, drei Tage. Wer weiß, ob dann nicht schon Eisgang ist, du kennst doch das Watt!" Das Mädchen lächelte froh. Wird feinen Frost geben, Nieß, tch weiß es bestimmt. Aber du mußt zurüd, es wird Zeit, und der Nebel fommt mit der Flut."
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Sonntag, 15. Juli 1923
Zur Einigung in der Metallindustrie. Um allerhand falschen Darstellungen über den Verlauf des Rampfes in der Metallindustrie entgegenzutreten, gibt uns Genosse Urich von der Berliner Ortsverwaltung des Deutschen Metallarbeiterverbandes folgende Schilderung:
fie überhaupt einen Sinn haben, aber sie wiegen mich, zusammen gerade daher, weil es ein so startes Erlebnis für mich war. Bor mit dem Lufthauch, der mir wie liebtosend über das Haar streicht, zwei Jahren das weißt Du gar nicht hatte ich einen anderen in eine seltsame Stimmung. Dieses Lüftchen, das verräterische, es Rappel: in Südende pacte mich die Leidenschaft für Pflanzen; ich lockt mich schon wieder in die Ferne ich weiß felbft nicht, wohin. fing an zu sammeln, zu preffen und zu botanifieren. Vier Monate Das Leben spielt mit mir ewiges Haschen. Mir scheint es immer, lang machte ich buchstäblich nichts anderes, als im Feld schlendern daß es nicht in mir, nicht dort ist, wo ich bin, sondern irgendwo weit. oder zu Hause zu ordnen und zu bestimmen, was ich von den StreifDamals zu Hause schlich ich mich in der frühesten Morgenstunde zügen mitbrachte. Jetzt befize ich zwölf vollbepackte Pflanzenhefte ans Fenster es war ja streng verboten, vor dem Vater aufzu- und orientiere mich sehr gut in der„ heimischen Flora", z. B. im stehen- öffnete es leise und spähte hinaus in den großen Hof. hiesigen Lazaretthof, wo ein paar Sträucher und üppiges Untraut Da war freilich nicht viel zu sehen. Alles schlief noch, eine Kage zur Freude der Hühner und der meinen gedeihen. So muß ich strich auf weichen Sohlen über den Hof, ein paar Spazzen balgten immer etwas haben, was mich mit Haut und Haar verschlingt, so sich mit frechem Gezwitscher, und der lange Antoni in seinem furzen wenig fich das für eine ernste Person ziemt, von der man- zu Schafpelz, den er Sommer und Winter trug, stand an der Pumpe, ihrem Bech immer etwas Gescheites erwartet. Auch Du, Liebste, beide Hände und Kinn auf den Stiel seines Besens gestützt, tiefes willst nichts von meinem Glück im Winkel" hören und haft dafür Nachdenken im verschlafenen ungewaschenen Gesicht. Dieser Antoni nur Spott. Aber ich muß doch jemanden haben, der mir war nämlich ein Mensch von höheren Neigungen. Jeden Abend nach) glaubt, daß ich nur aus Bersehen im Strudel der Weltgeschichte Torschluß saß er im Hausflur auf seiner Schlafbant und buchstabierte herumfreifle, eigentlich aber zum Gänsehüten geboren bin." laut im Zwielicht der Laterne die offiziellen Bolizeinachrichten", daß es sich im ganzen Hause wie eine dumpfe Litanei anhörte. Und dabei leitete ihn nur das reine Interesse für Literatur, denn er verstand tein Wort und liebte nur die Buchstaben an und für sich. Trotzdem war er nicht leicht zu befriedigen. Und als ich ihm einmal auf seine Bitte um Lektüre Lubbocks Anfänge der Zivilisation" gab, die ich gerade als mein erstes„ ernstes" Buch mit heißer Mühe durchgenommen hatte, da retournierte er es mir nach zwei Tagen mit der Erklärung, das Buch sei„ nichts wert". Ich meinerseits bin erst mehrere Jahre dahintergekommen, wie recht Antoni hatte. Also Antoni stand immer erst einige Zeit in tiefes Grübeln versenkt, aus dem er unvermittelt zu einem erschütternden, frachenden, weithallenden Gähnen ausholte und dieses befreiende Gähnen bedeutete jedesmal: nun geht es an die Arbeit. Ich höre jetzt noch den schlürfenden flatschenden Ton, womit Antoni seinen naffen schiefgedrückten Besen über die Pflastersteine führte und dabei immer ästhetisch am Rande sorgfältig zierliche, ebenmäßige Bogen beschrieb, die sich wie eine Brüsseler Spizenborte ausnehmen mochten. Sein Hoffehren, das war ein Dichten. Und das war auch der schönste Augenblid, bevor noch das öde, lärmende, klopfende, hämmernde Leben der großen Mietsfaserne erwachte. Es lag eine weihevolle Stille der Morgen. stunde über der Trivialität des Pflasters, oben in den Fensterscheiben glizerte das Frühgold der jungen Sonne, und ganz oben schwammen rosig angehauchte duftige Wölflein, bevor sie im grauen Großstedthimmel zerflossen. Damals glaubte ich fest, daß das „ Leben", das richtige" Leben, irgendwo weit ist, dort über de Därfer hinweg. Seitdem reise ich ihm nach. Aber es versteckt sich immer hinter irgendwelche Dächer. Am Ende war alles ein frevelhaftes Spiel mit mir, und das wirkliche Leben ist gerade dort im ofe geblieben, wo wir mit Antoni die Anfänge der Zivilisation" zum ersten Male lasen?"
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Aus dem Beginn des zweiten Kriegsjahres stammt ein Brief vom 18. Oftober 1915, geschrieben im Berliner Frauengefang nis in der Barnimstraße und an Luise Kautsky gerichtet. In ihm findet sich ein Geständnis, das über Rosa Luxemburgs intimeres Seelenleben und ihre privaten Neigungen interessante Aufschlüsse gibt.
Wie fand ich rührend und wie macht mich stolz, daß Du meinen Schmöter*) mit Intereffe lieft! Aber lachen mußte ich, daß Du Dich verwahrst, ich soll mit Dir nicht darüber disputieren wollen. Glaubst Du denn, ich habe das Buch noch im geringsten im Sinne? Das war damals wie ein Rausch, als ich es schrieb, ich schwöre Dir, daß es von Anfang bis Ende die erste Niederschrift ist, die ich ungelesen in Drud gab, so hatte es mich gepact. Genau wie vor sechs Jahren das Malen, wo ich von morgens bis abends nichts machte als vom Malen träumen. Dann aber war das Buch fertig und erledigt und verschwand mir völlig aus dem Sinn; ich las jetzt extra den Teil nach, den Du angabst, um zu sehen, was Dir dort gefallen fonnte; ganz fremd tam es mir vor. Das tommt wohl *) Die Affumulation", erschienen 1913.
Die
" Der Schiedsspruch mit 6500 m. wurde abgelehnt. Funktionärversammlung beauftragte mich, folgende Forderungen in den Vordergrund zu stellen: 1. einen höheren Lohn,
2. eine Wertbeständigkeit des Lohnes herbeizuführen, 3. eine zweimalige Lohnzahlung,
4. die Berringerung der Spanne zwischen der Klaffe I bis V durchzuführen.
Mit diesen Forderungen gingen die Metallarbeiter in den Streit. Schon am 3. Juli erhoben die Kommunisten den Vorwurf, Urich habe, anstatt die Forderungen auf Erhöhung des RealLöhnen aufgestellt. In Wirklichkeit habe ich alle von den Funktiolohnes zu stellen, die Forderung des DGB. nach wertbeständigen nären aufgestellten Forderungen fonsequent vertreten.
Es wurde dann ein Schiedsspruch gefällt, der einen Stundenlohn von 9000 m. brachte und für die Zeit vom 24. Juni bis einschließlich 1. Juli eine Vorschußzahlung von 30 000 und 40 000 m. Darüber mußte auf Anordnung der Borstände eine Ur abstim fationsleitung die Obleute der Vertrauensleute sowie die Borfizenmung vorgenommen werden. Am Sonntag hatte die Organiden der Betriebs- und Arbeiterräte zu einer gemeinsamen Versammlung zusammenberufen, und aus diesen Kreisen eine Streif. leitung gewählt. Schon am nächsten Tag wurde das Gerücht verbreitet, die Mehrzahl der Zentralstreifleitungsmitglieder seien Angestellte der Organisation. Die Zentralstreitbeitung bestand aus 43 Mann, davon waren 10 Angestellte der einzelnen Organisationen, die dem Metalltartell angehören. Am Donnerstag wurde die Tattit des Rampfes besprochen und gerade Kollegen aus den Betrieben schränkten den Vorschlag der Organisationsleitung in bezug auf Eröffnung des Kampfes ein. Nur ein einziger Kollege hatte Bedenken, stellte sie aber damm zurüd. So tam eine einmütige Auffassung über die Führung des Kampfes zustande.
Am nächsten Tag wurden die verschiedensten Anträge gestellt, so Generalstreit, Demonstration, Aufhebung des Bea mütige Auffassung erzielt, daß für Sonnabend die Kampfbasis nicht lagerungszustandes. Nach kurzer Diskussion wurde erneut eine ein= erweitert werden solle. Am Sonnabendabend lag eine Einladung des Borsitzenden des Kaufmanns- und Gewerbegerichts somie des Herrn Reichsarbeitsministers vor. Erneut beschloß die Zentralstreitleitung einmütig, die angebotenen Verhandlungen nicht auszuschlagen. Ich wurde beauftragt, der Einladung des Herrn Reichsarbeitsministers Folge zu leisten. Die gifche Folge dieses einstimmigen Beschlusses war, daß der Kampf für Montag nicht erweitert wurde. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder man verhandelt oder die Kampfbafis wird erweitert. Nachdem der erstere Weg gewählt worden war, fonnte nach Auffassung der Streifleitung eine Verschärfung des Kampfes nicht eintreten.
Am Sonntag wurden natürlich) in der von dem fommunistischen Fünfzehnerausschuß einberufenen Betriebsräteversammlung,
die
Der
gerechnet, wie lang die Zeit noch wäre, bis er heimtam, hatte heim- Nieß Broders blieb wieder stehen und horchte. Ein Wind war lich über die andern gelacht und hatte an das Mädchen gedacht, das aufgekommen, fuhr ihm frostig um die Schläfen und stöhnte ganz auf ihn warten wollte, lange endlose Jahre. Und nun war Elsbe leise über den braunen Sand, als rollte er eine schwere Last vor Steen wieder die Zögernde, die ihn heimsandte mit der Hoffnung sich hin. Was trug er denn? Den Nebel, natürlich den Nebel. auf morgen. Aber Nieß Broders wollte nicht mehr warten, nicht Wo tam der her, woher tam all die diesige Luft, all die Feuchte, einen einzigen Tag darüber hinaus. Unluftig ging der junge Bauer die undurchsichtig in rötlichem Rauch über dem Watt lag. der neuen Hallig zu, die irgendwo geradeaus aus der diesigen Kim| junge Bauer sah sich um und wollte seinen Weg nach dem Stand mung auftauchen mußte. Einmal versuchte er ein Lied zu pfeifen, der Sonne suchen. Die lag wie eine große gelbe Kugel mitten in so wie er es draußen gelernt hatte, aber es erstarb vor der drückenden der grauseidenen Luft und warf einen brennenden Rand über ein gelben Weite, die keinen Laut zu dulden und sich gegen seine Art zu paar spize Wolfentürme, die unter ihr am Himmel schwebten, wehren schien. ohne Grund und Ursprung.
Nieß Broders fuhr unruhig aus seinen Gedanken auf. Ihm Da begann Nieß Broders plötzlich rascher zu laufen, als wäre war, als wäre der Feuerball gläsern geworden, als schiene das irgend etwas um ihn, das ihn fangen wollte. Aber seine Glieder Der junge Bauer sah unruhig über die endlose graue Beite, die Licht wie durch graue Scheiben und mürfe einen trüben Schein santen schwer ein in den nassen Boden, sein Atem ging feuchend fich vom Rand der Hallig bis tief unter die Ferne recte. Dann lachte übers Watt. Aber es war wohl Einbildung, die Sonne stand und stoßend, wie in tiefem Schreck. Dann, nach nicht langer Zeit, er wie verlegen über sich selbst. hab' leinen rechten Mut, Elsbe, brennendrot über der alten Hallig, oder über dem Nebel, der auf stand er vor einem breiten Priel. War wohl das Söderloch. Aber ist so sonderbar, wie die Angst über einen kommen kann. Das ist, ihr lag. er fonnte es durchwaten, da wo es sonst seinen Weg freuzte. Und feitdem ich dich lieb habe." Der Bauer schüttelte unsicher den Kopf, sein Blick flog über die als der Bauer jetzt ins Waffer stieg, schien es reißend und voll von Ferne. Wie kam es, daß der Dunst so braun und strähnig aussah, Untiefen. Er lief eine Weile am Rand zurück, dann packte ihn als wäre er weiter gefrochen, über die Hallig hinaus ins Watt? noch einmal eine unsinnige Angst; er wollte hindurch maten, geriet Er spähte wieder geradeaus nach dem jungen Land, das vorne bis an die Hüften hinein, kehrte um, versuchte einen Arm abzuaufsteigen mußte, fand es nicht und überlegte, ob er nicht besser schneiden und stand jäh mitten in einem Wall von dichtem gelben zurückkehrte. Aber dann schämte er sich vor dem Mädchen und vor dem, was sie zu ihm gesagt hatte. Er schob die Hände in die Taschen und stapfte weiter. Was war's doch? Sie sei bei ihm mit all ihren Gedanken. Dann sei er gefeit vorm Watt. Hatte er das nötig? Unsinn!
Das Mädchen wiegte leise den Kopf. In drei Tagen kommst bu zu Bater!" Sie drängte fich plötzlich an ihn wie in wunderlicher Angst; aber jetzt geh', es wird Zeit, du!" Ueber dem grünen Rand der Insel breitete sich das Wait aus, braun und endlos. Der Westwind fuhr stöhnend vom Meer, das fern unter der Kimmung lauerte, zauste in Elsbe Steens Haar und schlang dem Burschen ein paar lange Strähnen über die Stirn. „ Siehst du, ich halt' dich fest, du", lachte das Mädchen ,,, ich bent an dich, wo du auch bist, Nieß Broders. Dann wird das Watt frei vor dir, sagen die Leute, dann bist du gefelt!"
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Der junge Bursche versuchte zu lachen, wiegte den Kopf und jah dankbar in die großen grauen Augen, mit denen sein Mädchen ihn anblickte. Dann schlang er den langen Arm um ihren Hals, füßte fie und stapfte langsam zum Rand.
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Nebel.
Die Sonne brannte irgendwo dunkelrot und brandig, so wie Flammen und Rauch lecken. Dann sant sie hinter eine Wolkenbant. Der Nebel wurde braun und feuchttalt, wogte und ringelte fich sputhaft und unfaßlich. Was hatte der alte Steen doch gesagt, damals als er zu den Da erkannte Nieß Broders, daß er den Weg verloren hatte, Soldaten mußte? Ach der würd' schon nicht nein sagen, wenn Nieß daß er zu spät aufgebrochen war um seines Mädchens willen. Und Broders fam, der wußt' schon, wer er war. War er Elsbe nicht wie in finnlosem Vorwurf schrie er gellend auf über das Watt. Der Bauer fühlte plötzlich all fein treu geblieben, jahrelang? Der Bauer erschraf über seine eigene Stimme, kam zur Bejunges Hoffen so froh und start, als hätte jemand zu ihm gesprochen, fimmung, und versuchte sich zurechtzufinden. Aber er hatte Zeit nerirgend ein Unsichtbarer, der mit ihm ging und mit ihm froh war. foren, fam an riesigen Tümpeln vorbei und stieß auf Briele, die Unsicher sah er sich um. Es schien als wäre er nicht allein, er nicht mehr durchwaten konnte. Da blieb er noch einmal stehen, irgendwo, ferne an der Kimmung, schien ein anderer zu wandern, dachte an das Mädchen, das vergeblich warten würde nach drei ein wunderlicher großer Mensch. Ob ihm jemand entgegenging? Tagen, sah sich selbst erstiden in der steigenden Flut, und schrie Oder der andere war wohl näher, war das nicht Elsbe Steen? auf wie ein Tier, in unsäglicher Berzweiflung. Unsinn! Oder waren es Eisbes Gedanken, die ihm folgten? Der junge Bauer blieb stehen und schaute sich um, ob er auf dem richtigen Bege war. Er suchte nach seinen Fußstapfen, fuchte nach der neuen Hallig, die vor ihm liegen mußte und konnte sie nicht finden. Nur eine graue Wand lag nach dem Meere zu, als hätten hundert riesige Kräfte sie in einem Augenblick aufgebaut. und über den Lachen lagen ein paar graue Feßen, als schwelte irgendwo ein Dampf von verlöschenden unterirdischen Bränden. Drei Lage! Nieß Broders schüttelte erzürnt den Kopf. Er war Nieß Broders richtete sich plötzlich auf. Wie eine Angst war rascher geworden, als die anderen, die die Tage nahmen, wie Gott es über ihn gekommen, wie ein Grauen, das langsam vom Scheitel fie ihnen schenkte, gleichförmig und ewig. Er war Jahre draußen ge- bis zu den Behen troch. Woher famen die Nebel? Wie lange war wesen, hatte gelernt zu fordern, und auf sich selbst zu pochen, und er gelaufen mit all seinen Gedanken und Wünschen? Hatte er hatte doch die ganze Zeit seine Liebe zu Elsbe Steen wie eine tiefe denn geträumt. daß er sich nicht zurechtfand? Aber er war ja auf Hoffnung getragen, mie etwas Gewaltiges, das fommen müßte, wenn dem richtigen Wege, war er das nicht? Natürlich. wie sollte er heimkehrte Und wenn die anderen zu ihren Mädchen in der er wohl abirren, cr fannte ihn doch von all den heimlichen Gängen Stadt gingen, zu den kleinen, zierlichen mit den bunten Hüten und zu Elsbe. Und die Fußstapfen drüben, das waren doch seine, Den lustigen Augen, hatte der Halligbauer daheim gesessen und hatte gleich mußte der Priel tommen,
Der Schlic glänzte gelb und feucht unter der Sonnenglut. Der Himmel war graublau und die Luft lag wie flimmernde Bänder weit über der braunen Einöde. Mitunter wurde der Boden weich und fchwammig, dann fant Nieß Broders bis zu den Knöcheln ein, ftapfte schwer und ruderte mit den Armen, als könnte das ihm helfen. Ein paar Lachen famen, mit geriffelten Sandflächen, die aussahen, als hätten die unterirdischen mit zierlichen Pflügen den Boden gefurcht. Der junge Bauer sah sich noch einmal um. Ueber der alten Hallig lag ein Dunst, als hätte jemand einen braunen Schleier um fie herumgelegt, aber ganz dünn und zierlich, so daß man kaum den Anfang und das Ende sehen konnte. Der alte Biehbrunnen, der so dicht am Rande stand, daß man ihn weithin scharf über das Land fehen fonnte, ragte undeutlich aus der wiegenden Luft.
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Ein Fremder stand irgendwo im Nebel, grau und verschwommen. Nieß Broders brüllte zu ihm hinüber, rannte auf ihn zu und persuchte ihn anzurufen. Aber der wich wie ein Sput, schien sich im Nebel zu miegen, und ließ sich nicht erreichen. Der Bauer blieb atemlos stehen, fah mit stieren Augen hinüber und begriff nicht, marum der andere nicht auf ihn wartete. Er schrie noch einmal hinüber, schwamm durch den Briel, flehte ihn an in seiner Not, und fonnte es doch nicht glauben, daß es ein Mensch sei, der ihn narrte Bis ihm noch einmal einfiel, was Elsbe Steen zuletzt gesprochen hatte. Da war ihm plöglich, als hätte sie gewußt, was tommen würde, als wäre sie ausgezogen, um ihm zu helfen. Oder als wäre es ihr Bille, der ihm folgte und ihm die Heimkehr weisen wollte. Nieß Broders überfam eine feltsame Zufriedenheit mitten in feiner Irrsal. Er begann an Elsbe Steen zu glauben wie ein Kind an eine wunderliche Macht, die es in jedem Rätsel, in jeder unverständlichen Bewegung sieht. Wie unter einem Zwang folgte er dem Schatten und es düntie ihm etwas Lebendes, das an den Sand