Abendausgabe
Nr. 334 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 167
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
Preis 600 Mark
Donnerstag
19. Juli 1923
Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Der Attentäter Hardens verhaftet.
Eine Berliner Korrespondenz meldet: In Berlin eingetroffenen Meldungen zufolge ift Oberleutnant Antermann, der vor ungefähr einem Jahr in der Kolonie Grunewald das Attentat auf Maximilian Harden verübte und seitdem flüchtig war, Die heute morgen hier veröffentlichte Rundgebung der auf Grund des damals gegen ihn erlaffenen Haftbefehls geffern Reichsregierung schließt bekanntlich mit folgenden etwas dunt. in Wien verhaftet worden. Seine Auslieferung ist von den len Worten: deutschen Behörden bereits beantragt. Die Staatsanwaltschaft des Daß die Reichsregierung auch bemüht ist, mit den Landes. Landgerichts III hat von neuem die Voruntersuchung gegen ihn regierungen von Sachsen und Thüringen im Interesse der megen versuchten Mordes eröffnet. Wie erinnerlich, wurden seiner- ruhigen Entwicklung unserer inneren Verhältnisse ein Einvernehmen zeit in dem Prozeß gegen die Harden- Attentäter die beiden Gehilfen zu pflegen, ist bekannt. Sie wird es auch in dieser Beziehung Untermanns, Weichard und Grenz, wegen Körperverletzung zu Ge- nicht an pflichtmäßiger ernster Aufmerksamtett fehlen fängnisstrafen verurteilt.
Ehrhardt auf der Flucht.
3widau, 19. Juli 1923.( Eigener Drahtbericht.) Das„ Leipziger Tageblatt " vom Donnerstag enthält eine Mitteilung, wonach das Auto des flüchtigen Ehrhardt am Sonnabend abend 6 Uhr auf der Durchfahrt in 3widau gesehen worden sei. Das Auto habe hier einen Aufenthalt genommen und dann die Fahrt nach Reichen bach, also in Richtung Bayern fortgesetzt. Auf dem Polizeiamt und bei der Landespolizei in 3widau ist von dieser Sache nichts be fannt. 3war find auch hier Gerüchte davon in Umlauf, Ehrhardt fei gefehen worden. Aber die Annahme hat alle Wahrscheinlichkeit für sich, daß es sich um eine jener Barolen" handelt, wie sie auch bei der Verfolgung der Rathenau - Mörder seinerzeit zur Ber. tuschung der Fährte ausgegeben wurden.
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laffen.
nöten.
Zur Strafgerichtsreform.
Bon Staatsanwalt Marg- Heidelberg .
Nach der Verfassung gibt es kaum ein Rechtsgebiet, auf dem sich die politische Weltanschauung des Gesetzgebers so scharf ausprägt wie im Strafrecht und in der Strafgerichtsordnung. Nichts veranschaulicht dies mehr als der sich nun Schon über Jahre, ja man tann sagen über Jahrzehnte hinziehende Kampf um die Strafrechts- und Strafgerichtsreform, insbesondere in den Phasen der letzten Jahre, die gekennzeichnet sind durch die Namen Heinze und Radbruch .
Der Grundgedanke der Radbruchschen Vorlage war weitgehendste Heranziehung des Laienelements zur Strafjustiz unter gleichzeitigem Ausbau der Rechtsgarantien für den Angeklagten. Anscheinend will der neue Gesetzentwurf nichts Wenn die Reichsregierung auch mit den Landesregie- anderes doch hat der Gebante eine Gestalt erhalten, die rungen von Sachsen und Thüringen im Interesse der ruhigen praktisch auf ein völlig anderes Ergebnis hinausläuft wie die Radbruchsche Vorlage, die allein den Forderungen einer Entwicklung ein Einvernehmen pflegen will, ist das besonders bemokratischen Strafgerichtsreformn entspricht. zu begrüßen, denn dabei kann sie noch einiges lernen. Wie ernst es der Ler Heinze mit der Heranziehung der Wie ist es aber mit der pflichtmäßigen ernsten Aufmerkfamkeit"? Soll damit gefagt sein, daß es Landesregierungen Bevölkerung zur Mitwirkung bei der Rechtsfindung in Strafgibt, die einer besonderen Oberaufsicht bedürfen und daß dies fachen" ist, geht schon daraus hervor, daß sie alle Straffachen, die Regierungen von Sachsen und Thüringen feien? Wäh- die bisher in die Zuständigkeit der Schöffengerichte fielen, rend, logisch geschlußfolgert, Bayern , das nicht erwähnt einem Einzelrichter( Amtsrichter), der ohne Schöffen amtiert, wird, einer solchen ernsten Aufmerksamkeit" nicht bedürfte? zuweist. Für jeden, der in der Praxis Bescheid weiß, läuft Dann würde die Erklärung der Reichsregierung aus Schwarz die Bestimmung, daß die Staatsanwaltschaft in den genannWeiß machen und die Dinge geradezu auf den Kopf stellen. ten Strafsachen bei Erhebung der Anklage auf HauptverhandEine Erklärung der Erklärung scheint also dringend von- lung vor dem Amtsrichter beantragen kann, darauf hinaus. Ebenso weiß aber auch jeder mit der Praxis Vertraute, daß bei der start erweiterten Zuständigkeit der Schöffengerichte die überwiegende Zahl aller Straffachen bei ihnen zur Aburteilung gelangen, was auch in der starken Abnahme der Beschäftigung der Straffammern zum Ausdruck kam. Würde der Condon, 19. Juli. ( WIB.) Reuter erfährt, daß der Ent- mit der Frage des passtoen Widerstands in Zufammen Entwurf Heinzes in seiner jezigen Faffung Gesetz werden, so wurf der britischen Antwort auf das deutsche Angebot hang. Insbesondere schreibt die Frankreich freundlich gesinnte Presse, würde dies also das genaue Gegenteil von dem bedeuten, was fertiggestellt ist und heute vom kabinett erwogen werden wird. daß bei diese: Gelegenheit Lord Curzon dem deutschen Botschafter der Entwurf angeblich erstrebte. Die Beteiligung der Laien Man glaubt nicht, daß mehr als eine Sigung für die volle in der Frage des passiven Widerstandes gewisse Borhaltun. würde in der überwiegenden Zahl der Strafsachen, wenigstens Erörterung der Antwort notwendig sein wird und hofft, daß der gen gemacht habe. Der politische Mitarbeiter des Daily Tele- in erster Instanz, ausgeschaltet werden. Dabei hat dieser Entwurf zusammen mit der Mantelnote an die Alliierten und die graph", der in der ganzen letzten Zeit besonders eingehend die ver- Einzelrichter ungeheuerliche Kompetenzen. Er kann einen Bereinigten Staaten gesandt werden kann. schiedenen Wandlungen in der Reparationsfrage und in den Ber- Menschen auf 5 Jahre ins Gefängnis schicken. Wie eigentümlich handlungn zwischen den Alliie: ten verfolgt hat, macht heute früh eine Reihe von Angaben, die ein Interesse beanspruchen. Die Be mühungen der Sachverständigen des Schabamts, so meint er, haben in ausgedehntem Maße dazu geführt, daß man die in den englischen Vorschlägen vom 6. Juni enthaltenen Prinzipien wieder beftätigt hat, hierunter z. B. die beste Methode zur Stabilisie. rung der Mart und zur Gesundung der deutschen Währung. Der Mitarbeiter des„ Daily Telegraph " glaubt in dieser Hinsicht mit teilen zu können, daß die englische Regierung bei der Auffaffung beharrt, die
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Condon, 19. Juli. ( WTB.) Westminster Gazette schreibt, die Lage im Ruhrgebiet gestalte sich immer ernster. Die Franzosen schichten jetzt Taufende von Arbeitern auf die Straße, beschlagnahmten Rohlen und Rots ter Fabriken, nähmen Lohngelder weg und desorganisierten die Lebensmittelzufuhr. Durch dieses Anziehen der Schraube werde ein Kompromis erschwert, ba es die Arbeiter aufreize. Die Franzosen beabsichtigten offenbar eine Rapitulation herbeizuführen, bevor eine Antwort an Deutsch land erfolgt fei.
In weiteren politischen Kreisen bringt man auch den geftrigen Besuch des deufschen Botschafters bei Lord Curzon
Zusammenarbeit der deutschen Sachverständigen und der deut schen Regierung mit den Alliierten sei eine notwendige Bedingung zur Durchführung der Maßnahmen
mutet es demgegenüber an, wenn die Begründung zum Entwurf des Gesetzes sagt, die Verhängung der Zuchthausstrafe fönne nicht in die Hände eines Einzelrichters gelegt werden. Die ganze veraltete Ueberwertung des Zuchthauses spricht aus einer solchen Aeußerung.
Die gesamte Gestaltung des Entwurfs das wird in der Begründung des öfteren hervorgehoben ist geleitet von den 3weden, in weitem Umfange finanzielle Einsparungen zu ermöglichen. Die Berurteilung durch den Amtsverhandlungen nach sich ziehen. Da in der BerufungsLondon, 19. Juli. ( WTB.)„ Times" schreibt: Die Dotu mente, welche heute vom Kabinett erörtert werden sollen, schließen verhanlungen nach fich ziehen. Da in der Berufungsinstanz, auch auch nach ein: den Entwurf der Antwort auf die letzte deutsche Note, dem Heinzeschen Entwurf, Laien einen Mantel brief und eine erläuternde Dentschrift zu ver sitzen, würden die Verurteilten in alter Regel ihre Sachen vor fchiedenen Punkten. Das Blatt meint weiter, daß die Vorschläge, und zum Erfolg der Untersuchung über die deutschen Einnahme ein mit Laien befehtes Gericht ziehen. Die durch eine Steigewelche in dem Antwortentwurf enthalten seien, nicht derart seien, quellen, die den Reparationszahlungen dienen sollen. Eine solche rung der Tätigkeit der Berufungsstraftammer, in der ja nach daß man mit einer Ablehnung von irgendeiner Seite zu rechnen Mitarbeit Deutschlands , so heißt es weiter, wird für durchaus dem Entwurf fogar drei richterliche Beamte mitwirken sollen, brauche. Selbstverständlich werde in den britischen Vorschlägen fein notwendig erachtet, nicht nur im Hinblick auf den augenblid. entstehenden Rosten werden den Aufwand für die regelmäßige Bersuch gemacht werden, die Bestimmungen des Versailler Bertrags lichen Stand der deutschen Finanzen, sondern auch im Hinblick auf Heranziehung von Schöffen in der ersten Instanz bei weitem in irgendeiner Beziehung oder auf irgendeine Art und Weise zu die wahrscheinliche Zahl und Ertragsfähigkeit diefe: Einnahme. aufwiegen. Alles in allem ein gänzlich undemokratisches umgehen oder zu ersehen. Im Gegenteil werde Nachdruck auf die quellen, wie sie in den letzten englischen und deutschen Memoranden Justizexperiment. Weg damit! Wenn die Heranziehung der Laien zu der Strafrechtsgenaue Auslegung des Bertrags und die Notwendigkeit ein angefündigt morden sind. heitlicher Attion auf seiner Grundlage gelegt. Schließlich Man ist der Meinung, daß die englische Note bei ihrem Ein- pflege ehrlich gemeint ist und wirklich einen Zweck haben soll, fagt„ Times", daß die Aussichten für weitere Verhandlungen zwi- treffen in Baris zunächst einmal eingehend geprüft wird, daß jedoch dann muß das Gericht so besetzt werden, daß die Laien gegenschen den Alliierten entschieden günstiger feien als noch vor die wahrscheinliche Erhöhung der Zahl und Ertragsfähigkeit dieser über den Berufsrichtern in der Mehrheit sind. Diese Fordeeinigen Tagen. Einnahmequellen, wie sie in den letzten englischen und deutschen rung ergibt sich sowohl aus dem Verhältnis der Laienbeisitzer zu den Berufsrichtern wie aus dem Verhältnis des Volkes Der diplomatische Berichterstatte der Westminster Gazette" Memoranden angekündigt worden sind. zum Gericht als ganzes. Der Entwurf läßt, wiederum unter bezeichnet eine Meldung, wonach Meinungsverschieden. Berufung auf die bereits erwähnte Notwendigkeit von Einheiten im Rabinett die Verzögerung in der Fertigstellung des Entwurfs verursacht hätten, als unzutreffend. Es gebe Paris , 19. Juli. ( WIB.) Wie„ Chicago Tribune von sparungen, diese Forderung in den wichtigsten Bunkten außer nielleicht Meinungsverschiedenheiten über die genaue Form der autoritativer Seite erfahren haben will, sei das Hauptzuge- acht. Die kleinen Schöffengerichte, die den bisherigen Schöffen Antwort und die genauen Einzelheiten der Mantelnote; aber über ft ändnis, welches Theunis bei feiner letzten Unterredung mit gerichten entsprechen, in ihrer Betätigung aber durch die Eindie Notwendigkeit der Regelung der Reparationsfrage und der Poincaré von diesem erreicht habe, daß Frankreich den inter - schiebung des erstinstanzlichen Amtsrichters ausgehöhlt sind, Ruhrfrage stimmten die Ansichten überein. Aehnlich schreibt der nationalen Sachverständigenausschuß anerten- follen in der alten Beseßung weiterbestehen. Für die großen Berichterstatter der Daily News". nen werde, wenn der Antwortentwurf Baldwins eine geeignete Schöffengerichte aber, die die bisherigen Aufgaben der StrafFormel finde. Frankreich sei bereit, auch dann seine Zustimmung zu fammern und teilweise sogar der Schwurgerichte übertragen geben, wenn dem Komitee amerikanische und neutrale Sachverstän- bekommen sollen, ist eine Besetzung mit nur zwei Laien gegenüber drei Berufsrichtern vorgesehen. Gleiche Besetzung sollen dige angehören. für die Regel die Straffammern haben, die fünftighin nur noch als Berufungsgerichte gegen die Urteile der Amtsrichter, der kleinen und der großen Schöffengerichte tätig werden sollen. Soll für die Sozialdemokratie das Gesetz annehmbar sein, so muß aus dem oben erwähnten Gedanken heraus die Umfehrung des Verhältnisses von Berufsrichtern und Laien, wie sie auch in der Radbruchschen Vorlage vorgesehen war, vorgenommen werden.
Devisenhamsterer an der Arbeit.
London , 19. Juli. ( Eca.) Die englischen Sachverständigen haben den Entwurf der gemeinsamen alliierten Rote an Deutsch I and nunmehr fertiggestellt, und man hofft, nachdem der gestrige Ministerrat verschoben ist, daß heute menigftens ein englischer Ministerrat sich mit dem von den Sachverständigen vorbereiteten Dokument mird beschäftigen können. Es scheint, daß es sich nicht nur Die Situation auf dem Devisen martte spizt sich immer um den Antwortentwurf als solchen sowie um die verschiedenen Be= glettbriefe an die Alliierten handelt, sondern daß in eingehen- mehr zu. Heute lagen für den amtlichen Verkehr Kauforders in dem Studium der Sachverständigen auch ein ergänzen des einem Bapiermartwerte von weit über zwanzig Billionen Memorandum ausgearbeitet wurde, in dem die englische Auf- art vor. Angesichts diefes Ansturmes ließ die Reichsbant er faffung über eine gewisse Anzahl von Bunkten noch näher erläutert flären, daß sie nicht glaube, daß alle diese Kauforders durch bare EinDie bedeutsamste Aenderung, die der Entwurf vorwerden wird. Der parlamentarische Berichterstatter der„ Times" zahlungen deutschen Geldes bei den Banken gedeckt seien. Gie ver= schreibt, daß wahrscheinlich noch eine zweite Beratung des langte von den Banten fofortige diesbezügliche schlägt, ist die Beseitigung der Schwurgerichte. Kabinetts stattfinden wird und daß infolgebessen mit einer Berachprüfungen und drohte, wenn die Orders aufrechterhalten Der Name bleibt zwar erhalten. Was indessen der Entwurf zögerung der Uebermittlung der Antwort an die Alliierten zu würden, damit, daß sie heute nur ein Biertel bis ein halb Prozent als Schwurgerichte bezeichnet, ist lediglich ein erweitertes rechnen sei. Weiter wird in einigen englischen Blättern mitgeteilt, auf die Nachfrage zuteilen und von morgen ab die Distontierung großes Schöffengericht. von Wechseln der betreffenden Institute einstellen werde. Diese Das Schwurgericht ist eine in Deutschland seit langer daß über den Inhalt des englischen Dokumentes das Erklärungen riefen im Devisenzimmer große Aufregungen hervor. Zeit sehr umstrittene Institution. In der eigentümlichen allerstrengste Stillschweigen Die Bankvertreter setzten sich mit ihren Instituten in Berbindung, französischen Ausgestaltung, in der es das deutsche Recht überbewahrt werden wird, und zwar nicht nur vor dem Abgang der um Weisungen einzuholen. Die amtlichen Notierungen wurden zu- nommen hat, sah und sieht man noch jetzt vielfach ein BallaNote, sondern auch noch während die Note den alliierten Kabinetten nächst ausgesetzt und dürften erst am Nachmittage erfolgen. In dium der Freiheitlichkeit, was in einzelnen süddeutschen Staazum Studium unterbreitet werden wird. Man will lediglich wiffen, Danzig wurden heute vormittag die wichtigeren Devisen zu fol ten in der Zuweisung der Pressedelikte an das Schwurgericht daß in den Beratungen der Sachverständigen die Frage des genden Kursen genannt: Holländische Gulden 100 000 bis 110 000, eng- bis heute nachwirkt. In den breitesten Schichten des deutschen passiven Widerstandes eine ziemliche Rolle ges lische Pfunde 1 300 000, Dollar 280 000-285 000, Belen- Boltes genießt das Schwurgericht denn auch unbestreitbar spielt hat. noten 190-194, Auszahlung Warschau 188-190 großes Ansehen.