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Abendausgabe

Nr. 336 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 168

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

Preis 600 Mark

Freitag

20. Juli 1923

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Verlag GmbH. Berlin   Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Die Begünstiger der Parchim  - Mörder.

Drei führende Roßbach- Leute verhaftet.

Leipzig  , 20. Juli.  ( Eig. Drahtbericht.) Der Untersuchungs- Verhandlung beginnt um 9% Uhr im großen Sitzungsfaal des richter des Staatsgerichtshofs hat in der Parchimer Mordsache drei Reichsgerichts, fie dürfte höchstens von zweitägiger Dauer weitere Berhaftungen angeordnet, und zwar gegen drei sein, da sich ja die Beweisaufnahme nur mit der Begünstigung Ehr leitende Persönlichkeiten der von Roßbach gegründeten, inzwischen hardts und mit der Aussage der Prinzessin vor dem Untersuchungs­verbotenen Turnerschaften  " der deutschvölkischen Freiheitspartei, richter Dr. Metz zu befassen hat und infolgedessen nur ein kleiner Köpte, Bernhard und v. Tettenborn. Die beiden ersten Teil der für den Ehrhardt- Prozeß vorgesehenen Zeugen vernommen wurden in Berlin   verhaftet und find bereits abgeliefert worden, werden dürfte. Oberreichsanwalt Ebermeyer wird die Anklage der letztere wurde in Hamburg   festgenommen und befindet sich selbst vertreten. momentan auf dem Transport hierher.

Ankermann geständig.

Geduldprobe.

Der Entwurf einer Antwort auf das deutsche Memoran­dum, der nach früheren Meldungen schon am Montag, späte­stens am Dienstag dieser Woche fertiggstellt sein sollte, unter­liegt noch immer den Beratungen des Londoner Rabinetts, und es heißt jetzt, daß seine Versendung an die Alliierten und an Amerika   erst in der nächsten Woche zu erwarten sei. Es kann nicht verhehlt werden, daß diese Ver­zögerung einigermaßen enttäuschend wirkt. Die Erklärung Baldwins im Unterhaus wurde allgemein so aufgefaßt, als ob die Londoner   Regierung bereits einen festen Plan gefaßt hätte und als ob hier ein erster, wohlvorbereiteter Schritt getan werde, dem der zweite nicht minder gut vor­bereitete sofort folgen sollte. Diese Annahme wird nun durch die eingetretene Verzögerung widerlegt und man kann sich nicht wundern, daß die Pariser   Regierungspreffe infolgedessen ein recht vergnügtes Gesicht aufsetzt.

Einstweilen ist die Politik Frankreichs   die einzige in Europa  , die mit agreffiver Entschlossenheit auf bestimmte 3iele zusteuert. Diese Ziele sind für ganz Europa  , ein­schließlich Frankreichs  , verderblich, und die zu ihrer Erreichung angewandten Mittel werden fast von der ganzen Welt lauter oder leiser mißbilligt. Nicht bloß in Deutschland   ist es daher begrüßt worden, daß England entschlossen schien, der Dittatur, die der französische nationale Block über Europa  übt, ein Gegengewicht entgegenzusetzen. Nicht bloß in einen Bruch oder eine Beugung erlitten hat, und ob die fei als eine Sammlung guter Vorsätze, zu deren Ausführung die Kraft fehle.

Der im Zusammenhang mit der Flucht Ehrhardts in Berlin  Sie werden befchuldigt, an der Berdunkelung der Par- Berhaftete ist inzwischen nach Leipzig   übergeführt chimer Mordtat mitgewirft zu haben, indem fie einem der am Mord und in die Gefangenenanstalt II eingeliefert worden. Beteiligten zur Flucht verhalfen. Zu diesem Zwed fand auf dem Die Prinzessin Margarete von Hohenlohe- Dehringen wird zu Bureau der Deutschvölkischen Freiheitspartei   in den Verhandlungen vor dem Untersuchungsrichter mit per Berlin   eine Besprechung statt, in der außer diesen drei auch der bundenen Augen geführt. Durch diese Maßnahme soll der inzwischen schon verhaftete Sekretär Roßbachs in Wannsee  , Rich- Prinzessin die Möglichkeit genommen werden, sich über die Einrich fer, teilnahm. v. Tettenborn stellte die Geldmittel für die Flucht zur Verfügung, während Köpfe die Adresse, an die der fungen des Gefängnisgebäudes zu orientieren. Miltäter verwiesen werden sollte, mitteilte. Es war dies die Adresse des Deutschvölkischen Verlags" Der Sturm" in Hannover  , Heinrich­straße 58. Bernhard war seinerzeit, zugleich mit Richter, in Wannsee  verhaftet worden, jedoch vom Berliner   Untersuchungsrichter wieder Wien  , 20. Juli.  ( MTB.) Wie die Blätter melden, geftand freigelaffen worden. Tettenborn war der Einberufer jener ge- der hier verhaftete deutsche   Oberleutnant Walter Anter- Deutschland fragt man sich heute, ob dieser englische Entschlußz heimen, von Roßbach geleiteten Bersammlung in Wannsee  , mann, daß er an dem Anschlag auf Maximilian Harden   beteiligt die Ende Februar unter Beteiligung von Reichswehroffizieren ftatt- gewesen sei. Die Verhandlungen wegen der Auslieferung Erklärung Baldwins am Ende doch nichts anderes gewesen gefunden hatte und von der Polizei ausgehoben worden war. Im Anfermanns würden demnächst beginnen. Zusammenhang damit war Tettenborn verhaftet, nach Leipzig   frans­portiert, jedoch mitte Juni wieder freigelassen worden. Gleich nach feiner Rückkehr aus Leipzig   nahm er an jener Besprechung zweds Be­günstigung der Parchimer Mörder teil, wegen der seine neuerliche Festnahme angeordnet worden iff.

Ehrhardt- Prozeß ohne Ehrhardt.

Der Ehrhardt- Prozeß, der voraussichtlich nur die Brinzessin Hohenlohe auf der Anklagebant sehen wird, nimmt am Montag, den 23. Juli, bestimmt seinen Anfang. Die

Tagung des Stahlhelms in München  . München  , 20. Juli.  ( TU.) Gestern traf in München   ein Son derzug mit über 3000 Vertretern des Stahlhelm bundes aus allen Zeilen Deutschlands   ein. Nach An­tunft des Sonderzuges marschierten die Teilnehmer mit über 40 Fah­nen zum Auguftinerteller. Die auf mehrere Tage berechnete Tagung des Stahlhelmbundes wurde gestern durch einen vaterländischen Abend eingeleitet.

man damit noch nicht der Notwendigkeit, eine Formel zu finden, London  , 20. Juli.  ( BTB.) Der parlamentarische Korrespondent schlag Großbritanniens   oder der Alliierten gemeinsam ermöglichte. des Daily Telegraph  " schreibt, die Verzögerung in der Fest­Der Berichterstatter tritt mehreren, von ausländischen Kritikern stellung der diplomatischen Schriftstücke über die Reparations- und verbreiteten falschen Meldungen entgegen, von denen einer be­die Ruhrfrage sei nicht auf meinungsverschiedenheiten hauptet, England habe eine andere Regierung ermutigt, über politische Fragen unter den Ministern zurückzuführen, sondern zu intervenieren, um von Berlin   die Einstellung des passiven vielmehr auf ten Wunsch, so weit wie möglich feinerlei Widerstandes zu verlangen. Eine andere Nachricht habe behauptet, Empfindlichkeiten zu verlegen. Man hoffe, daß auf einer daß bei der Besprechung zwischen Lord Curzon   und Botschafter für heute im Unterhaus anberaumten Rabinettsfigung der Wort Sthamer am Mittwoch der letztere auf Anregung des britischen  faut ter Note endgültige Billigung finden werde, was gestern schon Staatssekretärs des Aeußern angedeutet habe, feine Regierung fei bezüglich ihres Inhaltes der Fall gewesen sei. bereit zu fapitulieren und Großbritannien   ausschließlich die Sorge für die Kapitulationsverhandlungen zu überlassen. Der Berichter­statter stellt nachdrücklich fest, daß hiervon in britischen Kreisen nichts betannt sei.

Entscheidende Kabinettsitzung in London  . die Deutschland   die Einstellung des passiven Widerstandes auf Vor­

Der diplomatische Korrespondent des" Daily Telegraph  " hört, daß ebenso wie bei der ministeriellen Erklärung in der vorigen Woche auch an dem Wortlaut der Schriftstücke

jehr wesentliche Abänderungen vorgenommen worden seien. Die meisten dieser Abänderungen hätten sich auf die sprachliche Fassung bezogen und seien auf den Wunsch zurückzuführen, den britischen   Standpunkt, je stärter er in sich selbst sei, um so ruhiger und höflicher darzulegen. Ent­gegen anders lautenden Gerüchten könne versichert werden, daß fein Versuch gemacht worden sei, das Kabinett von den

grundlegenden und festgestellten Prinzipien

Solchen Erwägungen und Befürchtungen muß jedoch entgegengehalten werden, daß die traditionelle englische  Politik, zumal die der konservativen Regierungen, alle Züge von Bedächtigkeit an sich trägt, aber dabei doch einmal gesteckte Ziele mit großer Zähigkeit verfolgt. Nach der Er­flärung Baldwins gibt es für sie kaum noch ein Zurück.

Die Erklärung Baldwins war ein Erfolg, den die Ruhrbevölkerung durch ihren passiven widerstand er­reicht hat. Sie hat erreicht, daß sich die Welt um ihr Schick­fal fümmert, fie darf jetzt die Hoffnung hegen, daß sie nicht auf eine unbeſtimmbare Zeit hinaus der militaristischen Will­fürherrschaft Frankreichs   überlassen bleibt. Der Zweck des passiven Widerstandes ist von Anfang an hier dahin umschrie­ben worden, daß es darauf ankomme, England womöglich wieder ins Spiel zu bringen und für eine auch Amerifa wirkliche internationale, nicht unter dem einseitigen Diktat Frankreichs   erfolgende Lösung der Reparationsprobleme den Boden vorzubereiten.

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Die französische   Regierung bleibt indes noch immer dabei, die Aufgabe des passiven Widerstandes, das heißt die Kapitu­lation der Ruhrbevölkerung vor ihrem Machtwillen, zu ver­langen. Sie will nicht einmal die mäßigsten Bedingungen zu­gestehen, unter denen der passive Widerstand eingestellt werden foll, sie fordert bedingungslose Uebergabe. Wenn nun die englische Politik auf ein Rompromiß mit Frankreich   hinar­beitet, so entsteht die Gefahr, daß Frankreich   schließlich Eng­land gegenüber doch seinen Willen durchsetzt: das heißt, daß schließlich gegen nur scheinbare und nichtige Zuge= ständnisse von Deutschland   ein wirkliches und ungeheures Bugeständnis, eben die Aufgabe des passiven Widerstandes verlangt wird.

Militärbündnisse trotz Völkerbund  ? Ein Eingeständnis des polnischen Ministerpräsidenten. Krakau  , 20. Juli.  ( WTB.)( Verspätet eingetroffen.) Bei einem Barteimeeting der Volkspartei Piast   in Tarnow   hielt Ministerprä- Es ist hier schon oft gesagt worden, daß in der Frage des fident i to s eine politische Rede, die von seinem Organ Kurier passiven Widerstandes in irgendeinem Stadium fünftiger Ver­Chodzienny" als Programmrede bezeichnet wird. In Be- handlungen eine Vereinbarung erzielt werden muß. sprechung der auswärtigen Politik erklärte Ministerpräsident Witos  , Allein diese Vereinbarung tann unmöglich nur das Werk von feiner Boiitit bezüglich der fraglichen Probleme abzubringen, da daß Polen   zwecks Sicherstellung der Unabhängigkeit des Staates mit Diplomaten sein, bei dem die Ruhrbevölkerung als ein willen dis dem britischen   Reich im Ausland, besonders in Amerifa, Frankreich   und Rumänien   Bündnisse geschlossen habe, was in Zukunft lofes Objekt behandelt würde. Die Stimmung dieser Bevölke schweren moralischen Schaden zufügen würde. Uebrigens feien jetzt Polen   zur Aufrechterhaltung einer starken Armee verpflichte. rung, die durch Erschießung und Einkerkerung unschuldiger Der Volksgenossen, durch brutale Massenausweisungen, durch ein angesichts des Ernstes und der Bedeutung des Problems vom natio- 40 Proz. der Budgetausgaben werden von der Armee nalen Standpunfte aus die Ansichten von Staatsmännern eingeholt fchlungen(!). Bolen müsse sich dessen bewußt sein, erklärte fernre raffiniertes System der organisierten Qual aufs äußerste morden, die nicht dem Kabinett angehören, besonders eines älte- Ministerpräsident Witos  , daß Rußland   groß geblieben und erbittert ist, muß bei allen Verhandlungen mit in Rechnung warum sollte man darüber ren Staatsmannes",( Grey? Red. d." B."), der im In- und Deutschland  , wenn auch vorübergehend niedergehalten, in der gestellt werden. Und wenn Zukunft feine Kraft wiedergewinnen und zu Revanche und Wieder- schweigen?- von Zeichen der 3ermürbung gesprochen Ausland große Achtung und großes Vertrauen genießt. eroberung schreiten fönne, Deshalb müffe Bolen Garantien und wird, die sich an manchen Stellen der Ruhrfront bemerkbar Sicherstellungen suchen. Was die innere Politik anbelangt, so werde machen, so wäre es doch der schlimmste Trugschluß, aus ihnen teine polnische Regierung zulaffen, daß das Schicksal des Staates zu folgern, daß sich die Bevölkerung mit der französischen   Ge­von einigen Gruppen Juden und Weißruthenen, welche waltherrschaft abzufinden beginne. Es ist nur selbstverständ­gegen den Staat Komplotte stiften, abhänge.

Der diplomatische Berichterstater des Daily Telegraph  " führt weiter aus, die Atmosphäre in alliierten diplomatischen Kreisen fcheine optimistischer geworden zu sein. Bon außen betrachtet, fei es aber 3 meifelhaft, ob in der interalliierten Bage irgend eine Bendung eingetreetn sei, die den Optimismus verstärke. Die legten in London   eingelaufenen Angaben über die voraussichtliche Haltung der französischen   Regierung lauteten dahin: Poincaré  werde vielleicht der Unsichtbarmachung der militärischen Be­fegung zustimmen, vorausgesetzt, daß er mit der Nachgiebigkeit der deutschen   Regierung zufrieden sei. Er werde sich aber

nicht bereit zeigen, die Besetzung zu einem baldigen Zeitpunkt vollkommen zu beenden.

Nachgeben der Reichsbank?

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lich, daß ein sechs Monate lang ausgeübtes System der ständig gesteigerten Bedrückung und Bedrohung schließlich auch schwache Stellen findet, an denen es sich durchdrückt und festsetzt. Aber meder wird das Ruhrgebiet   auf solche Weise zum ,, produktiven Pfand", noch wird dadurch der feindliche Gegensatz zwischen der Die Vorgänge im gestrigen Devisenverkehr bildeten heute friedlichen Bevölkerung und den militärischen Eindringlingen den Gegenstand lebhaftester, Erörterungen an der Börse. gemildert. Ist es denkbar, daß sich England von der französischen  Mit großer Spannung fieht man den Ergebnissen der Be= Besonders im Essener   Bezirk werde er sie aufrechterhalten, bis ratungen zwischen den Großbanken und dem Politit in eine Rolle drängen läßt, in der es der Rubrbevölke Deutschland seine Berpflichtungen gegenüber Frankreich   voll- Reichsbankdirektorium entgegen. Diese Verhand- rung und der übrigen Welt schließlich als ein Helfer der lungen dauerten bei Beginn des heutigen Devisenverkehrs französischen   Gewaltpolitik erscheinen würde? Ist es denkbar, tommen erfüllt habe. Außerdem wolle Poincaré  noch an. Immerhin fann man aus dem Berhalten des Ver- daß sich England mit Frankreich   über Scheinbedingungen nicht auf die gegenwärtige Eisenbahnregie verzichten treters der Reichsbank bei der Devisenzuteilung gewiffe einigt, unter denen es dann mit ihm gemeinsam die Auf­und werde bie Beibehaltung der produktiven Pfänder und französ Schlüffe ziehen. Anscheinend hat man sich dahin geeinigt, gabe des paffiven Widerstandes fordert? Wir wollen diese fischer oder alliierter Kontrolle vorschlagen. Dies würde bedeuten, daß die Reichsbank durch eine gewisse Loderung Frage nicht beantworten, aber soviel ist klar: würde dieser Fall daß auf dem linken Rheinufer keine absolute Rüdfehr zu des Drudes auf die Devisen der inländischen Befizer einen eintreten, fo würde die europäische Politik in dem Fehlerkreis dem Regime der Zeit vor der Ruhrbesetzung erfolgen tönnte. Die stärkeren Anreiz zum Verkaufe bietet. Andererseits scheinen verharren, in dem sie sich seit Jahren bewegt, und England belgische Regierung habe das Verdienst, in Sachverständigen- Bor- aber die Banken weitgehende Zusage hinsichtlich der wäre damit abermals wider Willen zum Werkzeug des fran­schlägen einen Berührungspunkt mit der britischen   Auffassung durch Finanzierung der Devisenbeträge und der zösischen Imperialismus geworden. Daß England und Amerifa zwar Frankreich   haifen, den Borschlag kaufmännischer" Zahlungsmethoden gefunden zu Handhabung des Wechselkredites überhaupt gemacht zu haben. haben. Aber wenn auch die Auffassung vertreten werde, daß auf Als erste Denise murde heute Auszahlung London   mit Deutschland   zu besiegen, daß sie aber dann es Frankreich   über­ließen, einen Sieg auszunuzen, den es doch nicht allein er diefer Grundlage ein Abkommen erreicht werden könnte, so genüge 1 300 000 notiert bei einer Zuteilung von 5 Broz.