Einzelbild herunterladen
 

Württemberg ein zweites Sapern? Genosse Wilhelm Keil veröffentlicht im Sozialdemokiatffchen Parlamentsdienst einen Artikel, dem wir folgendes emnehmsn: Es hat den Anschein, als ob Württemberg sich allmählich zu einem zweiten Bayern «ntwickeLn wollte. Die national» sozialistische Agitation* ist vor etwa einem Jahr von Bayern aus in dos benachbarte württembergische Gebiet hincm- getragen worden und hat sich seitdem mit riesigem Geldaufwand und unter Ausschfcchtung der durch den Ruhreinsall der Franzosen in weiten Volkskreisen erzeugten nationalsozialistischen Stimmung in bedenklicher Wesse ausgebreitet. In vielen württembergischen Ge- me-nden bestehen heute nationalsozialistische.Ortsgruppen, die ihre Stoß, und Sturmtrupps, Hundertschaften und neuerdings auch Regimenter" bilden und in mehr oder weniger verschleierter Form Hebungen militärischer Art abhalten. Die württembergische Regie- rung laßt diese Dinge laufen. Wie erkört sich das? Nach den letzten gleichzeitig mit den Reichstagswahlen am k. Juni 1920 vorgenommenen Landtagswahlen trat unsere Partei aus der Landesregierung aus. Demokraten und Zentrum bildeten darauf eine Minderheitsregierung. Das Mini- sterium des Innern, das bis dahin von einem Parteigenossen ge- leitet worden war, wurde mit dem Zentrumsabgeordneten Graf besetzt. Die neue Regierung arbeitete mit wechselnden Mehrheiten. d. h. sie nahm bald von der deusschnationalen Rechten, die sich in den ländlichen Teilen des Landes Bauernbund, in den städtischen Bürgerportei nennt, bald von der Sozialdemokratie Unterstützung cm. In ollgemein politischen Fragen, in denen das von dem Derne - traten Dr. Hieber geleitete Kabinett hinter den Reichskabinettcn Fehrenbach und Wirth stand, stützt« es sich auf die Sozialdemokratie, in den Fragen der inneren Polizeiverwaltung war dagegen die Politik des Ministers Graf halbrechts gerichtet. Roch dem Tode des Ministers Graf übernahm der das Zentrum führende bisherige Iustizminister Bolz das Ministerium des Innern. Herr Bolz scheint nun in der Leitung der inneren Verwaltung ganz in den Fußstapfen seines verstorbenen Parteigenossen Graf, den er während einer langen Krankheit vertreten hat, wandeln zu wollen. Er gestaltet es, daß die Polizei ganz wie in Bayern mit oller Schärf« gegen die Kommunisten vorgeht, den nationalsozialistischen Hetzern zum Bürgerkrieg aber volle Bewegungsfreiheit läßt. Sowohl innerhalb der demokratischen als der Zentrumspartei wird di« Haltung des Minssters Bolz nicht einmütig gebilligt. Ein starker linker Flügel der Demokraten sieht mit großer Besorgnis der Zukunft entgegen, vermag sich aber in der Landtags- fraklion nicht durchzusetzen. Im Zentrum ist es der von der katholischen Arbeiterschaft getragen« Flügel, dem die Haltung des Herrn Bolz Beklemmungen verursacht. Die Dauern, Schultheißen und Beamten im Zentrm decken indessen ihren Innen- minister. Die Beweggründe hierfür liegen teils in grundsätzlicher Abneigung gegen die demokratische Republik, teils in der Besorgnis, daß die Rechte mit ihrer demagogischen Agitation die Bauern. schaff des Zentrums kopfscheu machen könnte. Sucht doch die Rechte selbst die Hoheitsrechte des Staates gegenüber den Kirchen preis- zugeben, nur um das Zentrum von der Demokratie loszureißen. Diesen Versuchungen oermag der rechtsgerichtete Teil des Zentrums nicht zu widerstehen. Er verläßt sich daraus, daß das Zentrum(23) und die Deusschnationalen(28), zu denen sich die Volksparteiler(4) noch gesellen würden, über ein« Mehrheit verfügen und wenn die Deine'raten nicht parieren, eine Rechtsrcgierung bilden könnten. Daher auch die ängstliche Zurückhaltung der Demokraten, deren Führer Hiebcr zwar das Treiben gewisser Hetzer von rechts ein Verbrechen nannte, die aber ihren Worten die Taten nicht folgen essen...'.-.......... »Ein für allemal!'" Der Rcichsansschtttz gegen Bodenrefor». Der Reichsausschuß der deutschen Landwirt- s ch a f t hat gegen den sozialdemokratischen Antrag zur Agrarreform eine Resolution gefaßt, die in Form und Inhalt nichts anderes als eroßograrische Demagogie ist. Der Landhunger der breiten Mossen wird mit unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen von einer angeblichen Ernährung der Städte und der Industrie- lvzirte durch die Aufteilung von Riesengütern abgetan, obwohl die jetzigen Zeiten mit der katastrophalen Lebensmittelteuerung jedem Einsichtigen die Augen geöffnet haben, aus welche Kreise sich die Poiksernährung nicht stützen kann. Es sind dieselben Großagrarier, die während des Krieges di« Zwangswirtschaft untergraben haben und nur auf Eigensucht bedacht waren. Es ist daher auch begreiflich, daß der Rcichsiondbund in seiner hysterischen Angst vor jedem Ein- griff in das private Bodenmonopoi sogar gegen di« Enteignung i>rn Wäldern Einspruch erhebt mit der eigenartigen Begründung. daß im gcmeinwirtschaftlichen Betrieb die Holzerzeugung des deut- schen Waldes zurückgehe. Run wissen wirs also: Wo kein groß- e pr arischer Mist liegt, wachsen selbst die Kiefern nicht! Es ist ergötz- lich zu sehen, wie sich diese Art der Demagogie überschlägt. Zeigt doch schon die Tossache. daß ein gewaltiger Teil des deutschen Waldes sich seit langer Zeit in den Händen des Staates und anderer öffent- licher' Organe befindet, wie wenig di« Kundgebung des Reichs- ausschufles der deutschen Landwirtschaft vom Willen zur Sachlich- keit getrübt ist! Den Höhepunkt erklimmt die agrarische Demagogie«it der Er- k'ärung:Der Reichsausschuß lehne Bestrebungen, die auf gleiche Z�ele binauslaufen. von welcher Seite sie auch kommen mögen, ein für allemal auf das ensschiedenst« ab." Dieses.ein für e�.mol" war es. das dos preußische Herrenhaus den Wünschen des Volkes nach einer Wahlrechtsform entgegenstellte, dieses»ein für allemal" ist Millionen Volksgenossen aus Kund- gedungen des alten Regimes und vom Kasernen'yof her so gut bekannt, daß man nach dem Ton auf die Musikanten schließen kann. Der Kappist v. W a n g e n h e i m- Kleinspiegel, der jetzt im Reichsausschuß das große Wort führt, hat sich durch diese einzige Wendung schon das Verdienst erworben, zu zeigen, woher der Wind weht. Es ist derselbe rücksichtslos« Egoismus, mit dem sich die preußischen. Junker gegen jeden Wunsch anderer Volkskreise, der im Interesse des Volksganzen geäußert wurde, wehrten. In Wirk- lichkeit ist es der Standpunkt derer, die Herren im Hause snn wollen und sich um die Bedürfnisse der breiten Massen den Teufel scheren. Unzweifelhaft spricht es auch die Resolution aus, daß man an dem P r i v a t e i g e n t u m nicht rütteln lassen wolle. Es sind dieselben Gründe, di« man vor mehr als hundert Jahren gegen die Vauernbesreiung vorgebracht hat. Aber die Herren mögen be- ruhigt fein, lieber das preußische Herrenhaus ist die Zeit Wweg- geschritten. Sie wird auch dasein für allemal" der Reichsland» bündler beiseite schieben, wenn dos Volt seine Interessen zu er- kennen beginnt. . Der frühere französische Ministerpräsident Charles vupuy ist hcchbetagt gestorben. Er ist vor allem durch den Ausspruch be- rühmt geworden, den er als Kammerpräsident bei dem Bomben- cttcntat des Anarchisten Daillant tat. Als dieser sein« Bomb« in den Sitzungssaal geworfen hatte und eine allgemein« Panik aus- gebrochen war, rief er in den Saal:.Mein« Herren, die Sitzung dauert s ort'"..

Irren-Revolten. Die Revolte in der Irrenabteilung des Zellengefängnisses Moabit, die am Sonntag ausbrach und im Keime erstickt wurde, hat zahlreiche Vorläufer. Fast keine Irrenanstalt, die ein eigenes Ver- wahrungshaus für verbrechcrisckz veranlagte Geisteskranke besitzt, ist davon verschont geblieben. Ebenso wie hie Patienten in den festen Häusern", können auch solche Gefangene, die an wirklicher Hastphychose erkranken oder niir Geisteskrankheit simulieren, um Vorteile zu erlangen, nicht durchweg in Einzelzellen untergebracht werden. Eine Revolte ist also, wenn mehrere Dutzend Irre sich i.1 dem gleichen Räume befinden, verhältnismäßig leicht anzuzetteln. Alle diese Leute wissen, daß ihnen schlimmeres als em paar Wochen Zellenaufentholt nicht passieren kann, und verlassen sich darauf, daß .sie ja krank sind. Gewöhnlich sind derartige Revolten nur eine gewalttätige Demonstration gegen das Essen oder die Behandlung. Auf Gelegenheit zu£ Flucht wird meist nicht gerechnet, weil die Verwohrungshöufer heute sämtlich so stark befestigt sind, daß eine Massenflucht nur mit tatkräftiger Hilfe von außen, durch andere Verbrecher, möglich ist, wie das kürzlich in der Hamburger Irren- anstatt Langenhorn der Fall war. Angriffe durch Befreiungskolon- nen sind verschiedentlich auch gegen die Berliner städtischen Irren- onstalten erfolgt, aber stets abgeschlagen worden. Bedenklicher war eine große Reoolle vor etwa zwei Jahrzehnten in der Jrrenanstall Dalldorf. Hier waren sogar Dolche und Revolver eingeschmuggelt. Es gab ein« regelrechte Schlacht zwischen den Irren und den Wär- tern, wobei auch olles Inventar demoliert wurde, aber kein Irrer erlangte die Freiheit. Irrenärzte nehmen solche Ereignisse nicht tragisch, sie sind daran gewöhnt.

Phantasiepreise für Kartoffeln. Unerhörte Behandlung einer erregten Hausfrau. Ein Vorfall, der sofortige Klarstellung bedarf, erregte heut« vormittag in der Markthalle in der Lindenstroße die Massen der einkaufenden Frauen aufs äußerste. Trotzdem selbst in westlichen Vororten für das Pfund Kartoffeln SVM Mar? genommen werden, brachte es hier ein Händler fertig, erst 8000 Mark und bald darauf sogar 7000 Mark für das Pfund zu fordern. Das erregte Recht eine Hausfrau derart, daß sie. zumal die Polizei bis dahin gegen den Händler nichts unternommen hatte, die an- wesenden Frauen aufforderte, die Kartoffeln nicht zu kaufen. Infolge dieser Aufforderung kam es zu einer Ansammlung der er- regten Hausftauen. Nunmehr erst griff die Polizei ein, und zwar nach verschiedenen uns zur Verfügung gestellten Berichten so außer- ordentlich ungeschickt und taktlos, daß sie nicht, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, beruhigend, sondern geradezu aufs neue erregend wirkte. Die Augenzeugen berichten, daß die Beamten gegen Frauen die Seitengewehre gezogen und damit die Frauen ab- gewehrt hätten. Jen,.- erste Frau, eine schmächtige, schwächliche Person, die infolge der Erregung Hcrzkrämpfe bekam, soll wiederum nach verschiedenen gleichlautenden Berichten teilweise an den Füßen durch die Halle geschleift worden fein, so daß ihre Aleidung beschmutzt und zerrissen wurde. Die Frau ist dann auf der Wache festgehalten worden, bis ihr Mann sie abholte, der sie sofort ärztlicher Behandlung zuführte. Ein Mitglied unserer Redaktion, das di« Sache an Ort und Stelle feststellen wollte, er- hielt von dem durch die Hall« promenierenden Poltzeileutnant die merkwürdig« Antwort, daß die Darstellung über die Behandlung der Frau nicht stimme. Im übrigen wurde die Auskunft ver- weigert. Statt alio zu helfen, durch die Presse weitgehende Auf- klärung in das Publikum zu tragen, erschwert dieser Herr dem Organ der.O«sfentlichkeit die Arbeit. Wir erwarten nunmehr, daß dem unglaublichen Benehmen der Beamten einer schwächlichen, kranken'llird ett�sten' Füau gegenüber ntm den Stellen, die für die Ausbildung der Un.terbeamten und ihren Verkehr mit dem Publikum verantwo-rtfich sind, föforttge Aufklärung folgt, die Gewähr dafür bietet, daß der Frau Genugtuung zuteil wird und daß sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. der Mefeneinbruch in üer Irieürichsiraße. Zu dem Einbruch in das Juwelengeschäft von Rosenthal u. Sohn in der Friedrichstraße 69 wird noch mitgeteilt: Wie die Ermittlungen ergaben, müssen die Verbrecher ihr Unternehmen von langer Hand mit größter Ueberlegung vorbereitet haben. Das zwischen der Mohren- und Toubenstraße gelegene Haus, das dem bestohlcnen Iulewier gehört, fft nicht sehr groß, beherbergt nur drei Geschäfte imd ein Rechtsanwaltsburcau und ist fast gar nicht bewohnt. Die Verbrecher waren mit den besten Werkzeugen ausgerüstet, stießen aber bei ihrem zweimaligen Kellerdeckendurchbrucb und bei dem Versuch an eine» eisernen Tür auf so starken Widerstand, daß mehrere Werkzeuge brachen. Der. Wächter hat die Kontrolluhren regelrecht gestochen, aber nichts Verdächtiges wahrgenommen. Die Einbrecher müssen ihn bei der Vorbereitung des Planes genau be- obachtet haben, so daß sie auch mit seinen Gängen Bescheid wußten. Zu der Beute gehören u. a. 4 Perlen armbänder, 7 goldene Damen- taschen, 13 golden: Zigarettenetuis, 36 schwere silberne Zigaretten- etuis, 19 goldene Feuerzeuge, 19 goldene Spiegel und Puderdosen. 6 goldene Taschenmesser, 24 schwere goldene Siegelringe mit Halb- edetstcinen, 8 steife Armbänder, 8 Broschen mit Steinen, 3 Paar Onyx -Ohrringe, 18 golden« Kanalierketten, 86 goldene und Platin- ketten, zum Teil mit Perlen. 13 Armbänder, zum Teil mit Brillanten, 18 Cbateleines, 49 Paar goldene Knöpfe, 6 Medaillons mit Brillan- len. 89Krawaltennadeln mit Brillanten und Perlen und 89 einfache goldene Krawattennadeln. Angaben zur Ermittelung der Einbrecher und über das Auftauchen der Beutestücke nimmt die Dienststelle 25. I. 3 im Zimmer 193 des Polizeipräsidiums entgegen. Sie werden auf Wunsch vertraulich behandelt. Neue Brotpreise ab Donnerstag. Der Zweckoerbnd der Bäckermeister Groß-Bersins teilt mit: Der Doppelzentner Weizenmehl ist auf 3 Millionen Mark gestiegen, das Pfund Mehl kostet also über 15 999 M. Aus diesem Grunde ist es notwendig, ab Donnerstag'dos markenfreie Brot von 39 999 auf 31 999 M., di« markenfreie Schrippe von 1309 auf 1400 M. zu er­höhen. Em Brot zu 31 999 M. bedeutet, auf den Friedensbrotpreis zu 43 Pf umgerechnet, das 69999fach« dieses Preises. Ein Mann, der vor dem Kriege ein monatliches Einkommen von 129 M. hatte, müßte demnach, um von dem Brot zu 31 999 M. die gleichen Mengen wie im Frieden einkaufen zu können, ein Monatseinkommen von rund S'ä Millionen Mark haben.

Tariferhöhung bei der Hochbahngcsellschaft. Die Hochbahngesellschaft wird am Freilag. den 27. Juli, ihr« Fahrpreis« erhöhen, und zwar in folgender Weis«: bis zum 3. Bahn- Hof 3. Kiasse 3000 M.. 2. Klasse 4000 M., für die ganze Strecke 3. Klaff« 4999 M. 2. Klasse 3999 M. Blocks zu 19 Karten tosten: bis zum 3. Babnbos 3. Klasse 27 000 M., 2. Klaffe 36 000 M.. für die ganze Strecke 3. Klasse 36 999 M 2. Klasse 43 999 M. W-chen- karten zu 12 Fahrten für die ganze Strecke kosten: 3. Klasse 36 999 Mark. 2. Klosse 43 909 M._ Wohnungsaufsicht. In einem Erlaß des Wohlfvhrtsministers wird eine gewisse Nachprüfung als erforderlich bezeichnet darüber, ob die für laufende Reparaturen den Hausbesitzern durch di« Miets- Parteien anfallenden Mittel zweckentsprechend v«r- wendet werden. Ebenso erscheint es erforderlich, daß, soweit noch dem Gesetz die Mieter oder Vermieter verpslichtet sind, Aus- besserungen aus eigenen Mitteln durchzuführen, auch hier auf eine fachgemäß« Durchfuhrung des Gesetzes hingearbeitet wird. Dem-

gemäß bezeichnet es der Minister als notwendig, daß die Bezirks- wohnung-aufsichtsbeomten von Zeit jzu Zest in den einzelnen Ge- mcinden m Gemeinschaft mit den zuständigen örtlichen Organen st ichproben weise Besichtigungen von Wohnungen vornehmen und gegebenenfalls mit den Organen wegen der zweck- mäßigsten Verwendung der vorhandenen Mittel verhandeln. In den für das Jahr 1923 von den Wohnungsoufsichtsbeamten zu er- stottenden Berichten erwartet der Minister ausführliche Mitteilungen hierüber. Nicht Kampf, sondern praktische Arbeit! Zusammenarbeit von Hausbesitzer- und ZNietervereincn. Im östlichen Groß-Berlin, also gerode da, wo im März und April der später abgebrochene Mietezahlstreik mit großer Schärfe einsetzte, fft der Gedanke, zwischen Hausbesitzern und Mietern eine Berständigungsbasis zu schaffen, der Verwirklichung nahe- gerückt. Di« Anregung dazu geht von Hausbesitzervereinen aus, in denen die gemäßigten Elemente mir ihrer Mehrheit der Meinung sind, daß sich die beiden großen Parteien in zahl- reichen Punkten der Wirtfchoftsfragen sehr wohl auf gemeinsamem Boden zusammenfinden kön- nen, wen auch naturgemäß nie alle Gegensätze zu überbrücken sein werden. Di« Parteien haben zwar oft genug schon in Dele- giertenversammlungen, die vom Magisttat oder anderen Behörden «inberufen waren, gemeinsam verhandelt, aber«s hat sich hierbei die Bureaukrafie meist nur als Hemmschuh aezeigt. Run will man von unten herauf und zunächst für kleinere Bezirke die Ber- ständigung oersuchen, die vor allem auch den Zweck haben soll, das zum großen Teil überaus gespannt« Verhältnis zwischen Wirt und Mieterschaft in den einzelnen Häusern in ruhigere Bahnen zu lenken und die ebenso kostspielige als verärgernde Prozessiererei einzu- schränken. Die Mieterführer der betteffenden Bezirke sind bereit, wenn gewiss« Vorbedingungen, die sich auch aus die Haltung d:s Bundes der Groß-D«rlin«r Hausbesitzervereine beziehen, erfüllt wer- den. So lange die Bundesleitund in übermäßigen Geldforderungen ihre Haupausgabe sieht und dieser Taktik von den Hausbesitzervereinen zugestimmt wird, versprechen sich die Mietersührer auch von den angeregten paritätischen Venhandlungen nicht allzuviel. Von einem M i« t ez o h l stre ik ist vorläufig nicht mehr die Rede. Dos Leitmotiv soll sein: Nicht Kampf, sondern praktische Arbeit! Nicht obn« Wert kann das praktische Zusammenorbiten sein, wenn es gelingt, Mittel und Wege zu fin- den, um die zahlungsschwachen Mieter zu entlasten. Hier liegt der Kernpunkt der ganzen Mieterbewegung.

Kolomalwarcntzändler und Wuchergesetzgebung. Der Verband der Berliner Kaufleute der Koloniolwarenbranche E. B. hat auf einer lversommlung in den Kammersälen zu Berlin eine Entschließung gefaßt, in der er, teilweise mit begründeten Klagen, sich gegen die heutige Form der Wuchergesetzgebung wendet. Er weist daraus hin, daß der völlige Zusammenbruch der Lebens- Mittelversorgung nur dadurch verhindert werden könne, daß dem Handel ausreichende Betriebsmittel zur Verfügung gestellt und diese dadurch wertbeständig erhalten werden, daß die sich aus den Großhandeispreisen sich ergebenden Kleinhandelspreise nicht als Wucher angesehen werden. Di« arbeittiehmende Bevölkerung müsse und werde durch wertbeständige Entlohnung in der Log« sein, diese Marktpreis« zu bezahlen. In der letzten Aeußerung liegt ein gewisses Zugeständnis, daß die wertbeständigen Löhne die Voraussetzung für besser« Verhältnisse im Kleinhandel sind. Die Resolution läßt aber grundsätzlich die Erkenntnis vermissen, daß nicht di« Wucherbestimmungen allein es sind, welche am Betriebskapital zehren. Es gibt genug Kauf- leute, welche heute noch gezwungen sind, ihre Preise unter der durch das Wucherrecht erlaubten Höhe zu halten, meil die Kaufkraft der Bevölkerung in ihrem Stadtteil es nicht erlaubt, höhere Preise Zu nehmen. Der Absatzmangel ist vielerorts ebenfalls ein wichtiger Grund für den Schwund des Bettiebskapitals im Klein- Handel. Aber insofern haben die Kolonialwaren Händler recht, daß auch ihnen mehr Bewegungsfreiheit bei der Preisberechnung ge- lassen werden muß und daß man es ihnen nicht fortgesetzt zu- muten kann, unter den mit dem Dollar rapide steigenden gegen- wärtigen Einkaufspreisen zu verkaufen. Voraussetzung dafür ist ober, daß nicht dadurch noch g r ö ß-e r e r Schaden für die Ver- braucher enfftebt. und dos wird solange der Fall sein als die wert- beständigen Löhn« nicht allgemein eingeführt sind. Deshalb sollte auch der Kleinhandel die Forderung nach wert- beständigen Arbeitseinkommen cm die Spitze, seinen Wunsch nach der Anpassung der Wucherbestimmungen an den rapiden Sturz der Mark erst an zweite Stelle setzen, dann wird er auch die Zu- stimmung der Verbraucher lmben. Wenn er aber mit der S ch l i e ßung der Geschäfte droht, um seine Wünsche durchzusetzen, so werden die ZZerbraucher sich dagegen hoffentlich zu wehren suchen, indem sie ihre eigenen Konsumgenossenschasten in die Lage ver- setzen, einem solchen Lieferstteik erfolgreich zu begegnen. Eine Lokomolivenigleisung fand heute Vormittog auf dem Pots­damer Ringbahnhof statt. Die Maschine war mit großer Wucht aus einen Prellbock gefahren und infolgedessen entgleist. Der Materialschoden ist bedeutend. Beamte und Fahrgäste wurden jedoch nicht verletzt. In dem ZNassevprozeß gegen die Teppichdiebe Brenner u. Gen. und ihre Hehler bat die Fenenstraskammer des LandgeriebtS III sehr schwere Strafen verhängt. Es erhielten Brenner 3 Jahre, Friedrich 3 Jahre, Sauer 2 Jahre 6 Monate und T r n b u§ 4 Jabre Zuchthaus sowie je 3 Jahre Ehrverlust. Von den Hehlern wurden Richter zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, Baumgart zu einem Jahr Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. Freigesprochen wurden V o l l u ck, die Portier­frau Müller, Kaufmann Else und die tiirii''chen TeppichhänHer A I a b I u und S a b a u. Ein schwerer Autounfall rief die Charlottenburger Feuerwehr nach der Ranke- und Auqsburger Stnoße, wo ein besetztes Auto mit einem anderen Fuhrwerk zusammengestoßen war, wobei mehrere Personen schwer v e r l e tz t wurden. Zwei von ihnen brach!« die Wehr nach dem Krankenhaus auf Westend. Böswilligerweise wurden mehrere Züge der Wehr nach der Dankelmannsttaß« 43, Rigoer Straße 9 und Greifswalder Ettaße 83 alarmiert. Diesen Unfug nimmt kein Ende und kostet ein« Menge Geld. Die kleine Stadl Lenzen in der Mark ist den meisten märkischen Städten, auch der Stadt Berlin voraus. Sie erhebt nämlich 529 999 Prozent Grundsteuer, 95 999 Proz. Gebäudesteuer, 197 999 Proz. Gewerbesteuer»nd 93 999 Proz. 25ettiebsst«uer usw. Reue Flugpostmarke. Für den Luftpostverkehr sind neue Flug- postmarken im Werte von 299 M. herausgegeben! sie sind bei den Postansialten der Flugorte und bei einer großen Anzahl anderer Postanstalten erhältlich. Postanft alten, die keine Flugposttnarken führen, vermitteln out Wunsch den Bezug der Marken. Flugpost» marken zu 5 und 19 M. werden nicht mehr hergestellt werden. Dl« Zuristisch« Sprechstunde findet von jetzt ab bis Ende August nur am Montag, Dienstag und Mtttwoch jeder Woche von 3 bis 6 Uhr statt. Donnerstags, Freitags und Sonnabends fällt also die Sprechstunde aus._____ Em Easpar-Verkehrsflugzeug landete heute(Mittwoch) als erstes deutsches Flugzeugs glatt in Gotenburg zur Teilnahme am Weit- bewerb. Wetter für morgen. Berlin und Umgegend. Etwas«ärmer, zeitweiie beiter, jedoch über« wiegend tewcltt, mit leichten Regenfällen und mäßigen südwestlichen Ninden,