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Nr. 347 4S. Jahrgang

Seilage des vorwärts

Irektag, 27. Juli 1423

Zur JFlbwehr öer Not. Die Anfrage unserer Genoffen im Rathaus. Die Reichsregieruug auf der Anklagebau?.

Die bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Teuerung des zum Lebensunterhalt notwendigen Bedarfs bringt besonders den Großstädtern schwere Gefahren, die von Tag zu Tag drohen­der werden. Es versteht sich von selber, daß die großen Ge- memden nicht in Ruhe zusehen dürfen, wie die Reichsregienmg untätig die Dinge dem Abgrund entgegentreiben läßt. In der Berliner Stadtverordnetenversammlung haben gestern die Sozialdemokraten mit ihrer an den Magistrat gerichteten Anfrage, die ihn mahnt, die Regie- rung auf ihre Pflicht zu Abwehrmaßnahmen hinzuweisen, ein Alarmsignal gegeben, das aufrüttelnd wirken muß. Die Begründung durch unseren Genossen Haß war eine scharfe Anklage gegen die Regierung C u n o, deren falsche Wirtschasts- und Währungspolitik schlimmste Rot überdasdeutsche Volk herauf­beschworen hat. Bürgermeister Genoffe Ritter konnte erklären, daß der Magistrat bereits wiederholt dieRegierunganihrePflichterinnerthat und daß sofort aufs neue wegen der notwendigen Abwehrmaß- nahmen mit ihr verhandelt werden wird. Die Deutsche Volkspartei stimmte der Anfrage zu, aber ihr Redner Leidig hiest für nötig, die Cuno-Regierung gegen die An- griffe w Schuß zu nehmen. Die Deutschnationale Volkspartei unterstützt« diesen Verteidigungsversuch und erklärte durch ihren Redner Fabian, daß sie wegen jener Angriffe nicht für die Anfrage stimmen könne. Den Schützern einer Reichsregierung, die in ihrer Untätigkeit das Unheil zu dieser siirchtbaren Größe sich hat entwickeln laffen, gab Genoffe ch e i m a n n die verdiente Antwort. So sinnlos, wie es die Finanzierung des Weltkrieges war, ist auch die Finanzierung des Abwehrkompfes an der Ruhr. Nicht durchdieNotenprefse.fonderndurchschärfste Lefitz steuern hätten die Mittel beschafft werden müffen, die der Ruhrkarnpf begreiflicherweise in aewattiger Höhe er- fordert. Im Schlußwort des Genossen R e i m a n n wurde auch den Agrariern, die in dieser Zeit der Rot ihre Riemen aus den Rücken des deutschen Volkes schneiden, ein Spiegel vorgehalten. Von den die Regierung Cuno schützenden Fraktionen wurden unsere Redner oft durch lärmende Zwischenrufe unterbrochen, mit denen sie nur sich selber brandmarkten. In der Abstimmung fand die Anfrage die Unterstützung aller Fraktionen mit Ausnahme der Deutschnatwnalen. Auf der Tagesordnung der für den ZS. Juli anberaumten Ferieufitzung stand u. a. der Driuglichkeitsaukrag Heimatra(Soz.): ffltr ersuchen den Magistrat, mit äußerster Vefchleuuiguug und denkbar großem Nachdruck mit der Reichsregierung in Verbin- dung zu treten, um diese zu»«ranlasien, gegenüber der»an Stunde zu Stunde sich oerfchürfenden Notlage der Veetiner Levilkerung die notwendigen Abwehrmaßmihmen zu ergreife» und die drohende Gefahr einer Sotastrophe abzuwenden. Als die Sitzung kurz noch 8 Uhr vom Vorsteher CT af pari er- öffnet wurde, stand es mit der BeschlußfSbigkest der Versammlung sehr zweifelhaft. Angesichts der dünnen Besetzung beantragt« Dörr (Komm.) die Verschiebimg auf über acht Tage-, nach einigem hin und Her«inigte man sich darauf, zunächst den Aeltestenmt zusom- mentreten zu lasten, und nach einer Pause von 20 Minuten wurde gegen S Uhr m die Erledigung der 55 Punkte der Tagesordnung eingetreten, soweit ihnen nicht ein Widerspruch von 15 Mitgliedern entgegenstand, wie er nach der Geschäftsordnung genügt, um die Verhandlung in einer Feriensttzung zu verhindern. Die Dringlich- keitsvorlagen des Magistrats, betreffend die Beherbergungssteuer und die Wertzuivachssteuerordnung. gingen an Ausschüst«.

Eine groye Anzahl von Vorlagen minderer Bedeutung wurde ohne jede Erörterung genehmigt, wichrend eine Reih« anderer ver- schoben werden mußt«, da sich, je nachdem, auf der Rechten oder auf der äußersten Linken 15 Hände zum Widerspruch erhoben. Ein versuch des Kommunisten Dörr, gelegentlich der Beschluß- sastung über die I u n i l ö h n e der städtischen Arbeiter auch«in > Mißtrauensvotum gegen den Magistrat wegen Beeinträchtigung des ! Achtstundentages zur sachlichen Entscheidung zu bringen, mißlang. I Für die M ü ll be seit i g u n g wurde die Augustgebühr auf 500» Proz. des Eebäudesteiiernutzungswertes festgesetzt. Gegen 7 Uhr trat die Versammlung in die Beratung des ohne Widerspruch zugelosienen Antrags Heimann ein. Haß(Soz.): Eine eingehende Begründung scheint nicht nötig. Durch die Wirffchaflsposttik der Lecker und Tum» ist da, deutsche Volk iu eine Notlage gebracht, wie fi« schlimmer Vicht gedacht werden kann. Ein« Million ist heute nur noch einige wenig« Goldmark wert. Die Not muß ins Unerträgliche steigen, wenn nicht so- fort Einhalt geschieht. Die Regierung ficht bisher taten- los zu. Dos heutige Straßenbild zeigt die Ratlosigkeit und die Der, zweiflung der Masten, e» herrscht Gewitterstimmuvg in Verlin. Will die Regierung ähnliche Vorgänge wie in Breslau usw. ver- meiden, so muß sie Taten zeigen; vom Schicksal Berlin , hängt das Schicksal Deutschlands ab! Diese Notmaßnahmen hat ja eigent» lich der nicht versammelte Reichstag zu treffen: wir hier können nu? den Magistrat auffordern, an die Reichsregierung einen eindringlichen M a hn r u f zu richten, ihr die Bolksstimmung in Berlin zu schildern, wie sie sich bereits auch bis weithin in die bürgerlichen Kreis« hinein verbreitet hat. Als größte Fraktion hoben wir die Verpflichtung gefühlt, in letzte? Stunde zu tun, wa» wir können, um die Oeffsntlichkett und die Reichsregienmg zum Handeln aufzurufen.(Beifall.) Bürgermeistsr Ritter: Der Magistrot hat gestern beschlosten, möglichst schon morgen mit dem Reichskanzler über die gegenwärtige Situation zu reden, und wird dies auch mit dem verlangten Roch. druck tun. Schon mehrmals hat ja der Oberbürgermeister an der zuständigen Stelle aus die Entwicklung hingewiesen, die dt« Dinge voraussichtlich nehmen werden: diese Mahnrufe hat die Regierung offenbar»«gehört verhalle« lasten. Wir werden dennoch alles tun, um der Regierung zu Gemüt« zu führen, daß es auf die Dauer so nicht weite? gehen kann. Der Preußische Staatsrat hat in feiner heutige« Plenarsitzung emftimnng einen Antrag angenommen, der Reich und Staat er- sucht, größere Geldmittel zur Derfügwrg zu stellen, damit in Berlin »ur Eindämmung der Arbettslofigkeit umfangreiche Notstondsarbeiten zur Ausführung kommen: wich das wird vielleicht dazu beitragen, die Rot in envas zu lindern. Wir wollen also alles veriuchen mid hoffen, damit Erfolg zu. hoben. Dr. Leidig(DVP .): Wir alle stehen imter dem erschütternden Eindruck der katastrophalen Entwicklung der deutschen Derhältniste. vielleicht aber wäre es doch bester gewesen, die Begründung des Antrags von Angriffen auf die Reichsregierung freizuhalten. Schuld an dieser Entwicklung ist doch der versailler Frieden, ist doch Pom- car« und der Ruhrembruch(Lärm links). Mit der Tendenz des Antrags sind wir einverstanden. Denn auch dem Kanzler nicht mehr von hier vor Lugen geführt zu werden braucht, was vor aller Augen liegt, so soll doch immerhin auch die Vertretung der größt-n Kommune Deutschlands ihn darauf aufmerksam machen. Gelöst sein wirb die Frage erst, wenn Franzosen und Belgier wieder au, dem Richrgebiet heraus sind. Richard Kunz«(Deutschs azial): Die Reichsregierung wirft täg- lich Milliarden Papiergeld in den Verkehr: da muß ja der Geldwert stürzen. Mit ihrem Goldvorrat von«*> MilKonen könnte die

Reichsbank noch heute ein goldgeb eckte? Papiergeld schössen. Tot, sächlich sehen wir aber nichts als eine ungezügelte Spekulation, ein« schamlose Voltsausplünderung. Aus diesem ungeheuren Pa- piergeldschwindel kann uns nur ein richtiges, ein wertbeständiges Geld erretten. Dörr(Komm.): Mit solchen Scherzen ist das Beweisthema nicht zu bewältigen. Es kommt lediglich darauf an, welche Macht die Arbeiterklasse erringt, um fich den Ertrag ihrer Arbeit zu sichern. Heut« herrscht der krasseste Lohnbetrug und da schickt man den Berliner Magistrat zur Regierung Cuno! Die soll der Ausplün- derung und dem Wucher ein Ende machen! Sie schützt ja die Wucherer und Plünderer sogar mit Waffengewalt! Die Hakenkreuzler läßt man ausmarschieren, um die Arbeiterklasse immer wieder in die Kette der Lohnsklaverei hineinzuzwingen! Die Reichswehr ist«in Werkzeug der Gegen- reoolution. Der Zusammenbruch der Ruhroktion steht vor der Tür. Da wird der Arbeiter sich nicht auf Cuno, sondern liever auf fein« «igen« Kraft verkästen, er wird sich zur Wehr setzen müsten, denn er hat nichts mehr zu verlieren.(Rufe rechts: Erklärung des Bürgerkrieges!) Den provoziert dos Kapital und feine Helfers- Helfer. i Don R. Kunze geht ein Zusatzantrag im Sinne seiner Dar- legungen ein. Fabian(D.-Rat.): Di« Begründung des Antrags der Sozial- demokraten können wir uns absolut nicht zu eigen machen. Schuld an der heutigen Situation stt die Ersüllungsvolitik, die Sie unter­stützt haben.(Stürm. Widerspruch b. d. Soz.) Wenn die Kommu- nisten mit Gewalt vorgehen wollen, wird hoffentlich Herr Dörr auch den Mut haben, sich an die Spitze zu stellen.(Sehr gut! rechts.) Auch Herr Richard Kunze hat uns keinen praktischen Aus- weg zu zeigen vermocht. Auf der Anklagebank sitzen Herr Scheide- mann und sein« Nachfolger, nicht der jetzige Reichskanzler Cuno! Dave(Dem.) erklärte die Zustimmung zum Antrage der Sozial- demokraten imd polemisierte gegen.Herrn Richard Kunze . Nur ärgste Voreingenommenheit könne verkennen, daß die Ruhrinvasian an dem beutigen Elend Deutschlands mit die Haupffchuld trage. Fron Lungwiß lehnte für die drei Vertreter der USP. die Unterstützung de? Antrags Heimonn ab. Müsier-Franken(Wirtsch-Partei): Der Wucher soll bei de» kohlen gepackt werden. nicht ober soll man den kleinen Geschäftsmann dafür verantwortlich machen. Kommt es wirklich zu Unruhen, zu Ausschreitungen, so wird diessr wieder der Leidtragend« sein sieh« Breslau ? Für den An- trag werden wir stimmen. heimanu(Soz.): Vom Magistrat erwarten wir, daß er morgen ml! dem allergrößten Nachdruck der Reichsregieruug den Ernst der Lage demonstriert. Wir begrüßen auch die Zusage bezüglich der Notstandsarbesten. Aber der Magistrat kann nur in sehr beschränktem Rahmen für Ab- Hilfe sorgen, und in diesem Zusammenhange oerstehen wir die Vor- Haltungen des Kollegen Dr. Leidig absolut nicht. Gewiss hat Poin- care die Hauptschuld: aber hat nicht die Regierung Cuno seit der Ruhrbesetzung die Zügel gänzlich am Boden schleifen lasten? Lelm Antritt der Regierung Cuno stand der Dollar aus 7000. heut« steht er auf 750 000. Und nun der Vorwurf wegen der Erfüllungspolltik! Hätte sich in England ohne sie heute auch nur eine Stimm« für uns erhoben? Trotz der Erfüllungspolitik und trotz der Ruhr- befetzung hatte Deutschland 1922 und in den ersten Monaten 1923 ein« aktive Handelsbilanz.(Widerspruch und Ruf«:Unsinn!" recht,.) Das sind amtliche authentische Tatsachen. Daß Herr Becker und.Herr Dr. Hermes in der Reichsregienmg völlig versagt haben, stellt auch da?Berliner Tageblatt" fest. Wir sind in dieses Elend geroten, weil die Regierung Cuno den Ruhrkamps völlig kopflos finanziert hat.(Lärmender Widerspruch rechts.) Das hat jetzt selbst Herr Stresemonn eingesehen und zugestanden. Da? Mrffchllsls. Programm, welches unser Genostc Robert Schmidt vor Jahresfrist entwickelt«, hätte uns vor dem Abgrund bewahrt: aber damals wurde es von denFocbmännern" beiseite gcschob«,. und heute, wo es zu spät ist,' sucht Herr Becker es bruchstückweise durch- zuführen! Nur wenn der Lefitz jetzt seine Pflicht tut und wenn das Schmidts che Währungsprogromm verwirklicht wird, können wir uns vielleicht vor dem Abgrund retten. Wenn der

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Als die Wasser fielen.

Bon Otto Rung .

Gude wurde vorgeladen. De? Auditeur schrieb: Er- schienen war der frühere Kadett Gude. Die beifitzenden Offiziere maßen den verabschiedeten katt. er war jetzt keiner der ihren mehr. Und er war in�Zivil.. Gude stand stramm, verspürt« noch den militärischen Zwang in seinem Körper. Einer nach dem anderen kamen die älteren Kadetten herein, standen ihm zugewandt, düster und mit Verachtung in allen Mienen, da. Gude wußte, daß sie untereinander geschworen hatten, zu schweigen. Es galt die Ehre des Korps!..... Der Auditeur hatte auf fem« Liste gesehen.Stuben- ältester Stark!" nickte er flüchtig. Der Kamerod trat ein. stand stramm, erhielt einen Befehl, machte kehrt uich stand mit der Front gegen Gude. Ihre Blicke begegnetem sich eine Sekunde lang. rr SBerr er Gude schüttelte den Kopf.Es war dunkel," erklärte er. unmöglich, das Gesicht zu erkennen." Sehen Sie ihn an!" sagte der Auditeur leffe.Sind Sie Ihrer Sache sicher? Also nicht Kadett Stark? Der Kamerad stand weiß, versteinert vor ihm. Run, Gude. war er es? Beschuldigen Sie Kadett Stark?" Gude richtete sich auf:Rein!" Er fügte hinzu:Ich be­schuldig« niemand." Der Auditeur schrieb in sein Protokoll.Und Sie. Stark. murmelte er darauf, ohne aufzusehen,Sie werden wohl auch wie Ihre Kameraden behaupten, daß Sie als Korps, ms Ein- hett aufgetreten sind, daß jeder von Ihnen gleich schuldig s«? Schön!" Er sah auf:Haben Sie sonst noch etwas hinzu- zufügen?" Stark schwieg starr und versteinert wie zuvor. Ich danke Ihnen!" Der Auditeur sah fragend die anderen Offiziere an und nickt« dann:Sie können abtreten. Zu Gude sagte er:Wir brauchen keine weiteren Er- klärungen von Ihnen. Sie reisen ja ins Ausland? Das sieht Ihnen frei, wann und wohin Sie wollen." Hiermit schloß das Berbör. und die Akten wurden in das Archiv des Ministeriums gelegt. Aommandeur Gude hatte man kurz zuvor hauptfäch- fich wohl mit Hilf« seiner Schwester, der Hofdame zum

Kommerherrn gemacht, aber für ihn war das nur ein schlechtes Pflaster, das die Schmach nicht im entferntesten heilte. Er kam über die Schande nicht hiraoog. daß die mili­tärische Tradition seines Geschlechtes für ewig gebrochen war. Immer wieder drängte er den Sohn: Du hast im Verhör gelogen. Du kennst den Schuft, der dich aus der Marine herausgeschlagen hat! Wenn du schwiegst, so war das nur deine Pflicht, und ich mache dir keine vor- würfe darüber, daß du logst. Das war nur, was die mili- tärifche Ehre von chrem Manne verlangte!" Seine Stimme wurde leise, einschmeichelnd, fast kläglich: Aber mir, deinem Vater, kannst du doch alles geradeheraus erzählen! Nicht wahr? Außerdem jetzt bist du in Zivil!" Er fügte bitter hinzudie qualifizierte Ehrenpflicht gilt nicht mehr für dich! Seine Wut wurde zum Paroxismus, als der Sohn nur den Kopf schüttelte und schwieg. Holger erinnerte ihn nicht ohne Milde daran, daß diese militärische Ehrenpflicht seine, des Vaters, einzig« Idee ge» wefen sei und fügte nicht ohne Hoheit hinzu, daß sie«ine goldene Fangschnur wäre, die ihn zuletzt erstickt hätte. Aber immer wieder sah er vor sich das totenbleich« Antlitz des Komercchen während des Verhörs diese stumme, starr« Maske. Hinter der Routine des Tages, hinter feinen Zügen war sie seither verborgen gewesen. Heute abend hatte sie sich von neuem entblößt, offen mit ihrer versteinerten Angst, ihrem «ingefleischten Haß gezeigt. Jene Begegnung, Auge in Auge, vor dem Marinegericht hatte sie beide gezeichnet, aneinander gebunden, unter dasselbe Gesetz des Schweigens gezwungen, zu ewiger Spannung ver- urteilt: jeden von ihnen mit feiner drückenden Stummheit. seinem geheimen Haß und seiner Angst davor, einander offen. Auge in Auge zu begegnen, im Gleichgewicht gehalten. Sie waren wie zwei durch ein Ehrenwort gebunden« Feinde. Der Matrose Matti war sichtlich verändert. Es war nicht mehr, als ginge er schlafend umher,« hatte sich dem Erwachen so weit genähert, daß er Träum« hatte. Noch zweimal war er sinnlos betrunken an Bord gebracht worden, jetzt hielt er sich nüchtern, aber Gude sah. daß er sich mit einer Schar von Seeleuten im Hafen herumtrieb, die auf dem Ausguck nach Heuer waren. In seinen Augen blaute es i dunkler, wie das Meer bei einer Brise. Ab und zu konnte Gude ihn über die Reling fischen sehen, doch sein Blick folgte nicht der Ange� er sah nach dem einzigen, das horizontähnlich hier im Hafen war: dem Lauf des Toldbodkanals nach der äußeren Reede.

Wenn der Wasserfchiffer mit feinem verbeulten Blechboot kam, erfuhr Gude die letzten Hafermeuigteiten: Die Schiffahrt war bei kleinem in Gang gekommen, die große Arbeitseinstel- lung vorläufig zum Frieden gebracht. Krahne und Spille knarrten wieder hie und da in der langen Dampferreihe am Kai, wie schwere Bergrutsche klangen die in die Schiffsbunker stürzenden Kohlen, regelmäßig brausten die Dampfer der festen Routen mit langen Rauchschwänzen aus den schwarzroten Schornsteinen vorbei. Jeden Morgen zogen die Schlepper Frachtschiffe herein. Der lange Winterschlaf war vorbei, der Hafen streckte schwer feine Glieder, um zu erwachen. Gude hatte mit dem Wosserschiffer über den letzten Ein- bruch in Gerdas Kajüte gesprochen. Aber Kavitän Samueffen konnte nur beteuern, daß im Hafen jede Art von Gesindel feine Schlupfwinkel hatte. Er bot Gude ein Patentschloß dietrichsicher, amerikanisch, bei kostenloser Installation an.Und wenn Sie Ratten an Bord haben, so kann ich Ihnen ein ganz vorzügliches Gift empfehlen, das für Haussiere voll- kommen unschädsich ist!" Seit der Schiffsköter zu einem kultivierten Humd ge- worden war, hatten die Ratten begonnen, sich an Bord breit- zumachen, das mußte Gude einräumen. Aber nicht alle die seltsamen Laute an Bord tonnten von Ratten herrühren. Gude konnte auch nicht glauben, daß diese schußarsigen Knalle nur von den Schiffsplanken herrührten. Merkwürdig heimisch fühlte er sich auf dem allen Fahr- zeug. Es kam ihm fast wie ein lebendiger Organismus vor. Ihm schien, es klopfe ein Puls unter den Deckplonken, als wäre irgendwo tief im Innern des Schiffes ein heißes, ver- langendes Herz verborgen. Er bettachtete die alle Holzfigur am Steven: die offenen Arm«, das offene Haar, ihre Lippen, die der Sturm geküßt hatte, den kecken Walkürenblick, die bei- den starken Brüste, die die eine in Lee, die andere in Luvart sich vor dem Wege des Schiffes gewiegt hatten. Er dacht« an die hundertjährige Fahrt der Beß Ruthby. an ihre dunkle Geschichte, wie sie über den Polarkreis nach Walen und nach dem Süden gefahren war, um Kopra und Baum- wolle zu holen, und wahrscheinlich«inen heimlichen Lastraum voll von Gewehren und Opium für irgendeinen malaiischen Sullan von Insulinde hatte. Zuzeiten schien es. als sttöme der Schiffsraum den Duft von Kaneel und Kardamom aus, als wäre der aus den schimmeligen Planken rieselnde Staub von Kaffee, Ingwer und Tabak gewürzt. (Fortsetzung folgt.)