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Itc. 549 4 40. Fahrgaag g

Seilage öes Vorwärts

SonnabevS, 28. Jalk 1925

Sonntägliche WanöerZiele.

Königswufterhaufen- Erkner . Wir fahren vom Görlitzer Bahnhof oder von der Stadtbahn sin Niederfchönerveid« uinftcigen) mit den Vorortzügen nach Königs- Wusterhausen In früherer Zeit hieß der Flecken Wendisch-Wnster- Hausen zum Unterschied von dem nur wenige Kilometer westlich ge- legenen Deutsch -Wusterhauscy Di« Herrschaft Wusterhausen kam 1683 durch Kauf an Brandenburg ; vordem gehörte sie den Schenken von Landsberg, noch denen das ganze Gebiet und besonders die Gegend um Teupitz dasSchenkenlündchen" genannt wurde. Königs­ wusterhausen liegt an der Rotte, die etwas unterhalb des Ortes in die Dahme mündet. Am Nordufer des kanalisierten Flusses, auf der Stelle der alten Burg, erhebt sich das Jagdschloß, das jetzt teilweise von der Gemeinde zu Verwaltungszwecken benutzt wird, gänzlich von Efeu umrankt. Hier hielt der.Soldatenkönig ' feine Jlabaks- kollegien' ab. Nördlich von Königswusterhausen liegt die Funken- großstation, deren Türme weithin sichtbar sind. Vom Schloß wandern wir über die neu« Nottebrücke zum Weg nach Neue Mühl«. Oestlich der Bahn erreichen wir bald den Tier- garten, einen aus prächtigen Eichen und Buchen bestehenden Wald. Ueber die.Spukbrücke' kommen wir nach Neue Mühle, einem be- liebten Ausflugsort der Wassersportler und Endpunkt der Dampf- fchifflinien von Berlin . Der Mühlenbetrieb ruht bereits feit einigen Jahrzehnten. Von der Schleuse wandern wir zunächst auf der Zerns- dorser Chaussee weiter. Bald geht der Weg links ab, über die Bahn nach Storkow , und an der nächsten Gabelung rechts. Wir kommen in den Wold; beim Jagenstcin Qt wenden wir uns rechts ob nach der Kablower Ziegelei, am User des Jernsdvrfer Lankenfees gelegen. In nördlicher Richtung gehen wir zum Ukleisee, einem schmalen Rinnensee, an dessen Nordend« die klein« Siedlung Uklei liegt. Von hier wandern wir nordöstlich weiter zum Gestellweg N, dem Kablower Gestell, der den Wald in nordost-südwestlicher Richtung durchschneidet. Das von meilenweiten Kiefernwäldern bestanden« Gelände ist ziemlich eben. Nur vereinzelt« Bergkuppen ragen auf, die mit den Gosener Bergen und den Müggelbergen im Nordwesten als die Reste einer eiszeitlichen Endmoräne angesehen werden. Rechts vom Weg« liegen die Souerkohlberge, die sich nur etwa 16 Meter über ihre Umgebung erheben. Wir kommen zur Chaussee und über- schreiten auf ihr den Oder-Spreekanal. Jenseits der Brücke, am Ende der Chousseeböfchung biegen wir rechts ab. Der Gestellweg bringt uns auf den 86 Meter hohen Stahlberg, der das Gelände um etwa 50 Meter überragt. Von hier oben haben wir einen prächtigen Ueberblick über das Waldgebiet bis Königswusterhaufen hin, dessen Telefunkentürme wir sehen. Die schnurgeraden Gestellwege sind häufig von Birken eingefaßt, deren hellgrünes Laub sich deutlich von dem dunklen Grün der Kiefern abhebt. Wir sind im Gebiet des Berliner Urstromtals. Der Endmoränenzug, zu dem auch der Stahl- berg gehört, wurde von den Fluten des Urstroms durchbrochen und teilweise fortgespült. Nur die einzelnen Kuppen blieben erhalten. Vom Stadlberg steigen wir in nördlicher Richtung hinab. Der Weg sichrt weiter durch den Wold nach Burig, das unmittelbar an der Spree liegt. Wir wenden uns westlich nach Neu-Zittau , da« ebenso wie Gosen und Friedrich-Hagen eine Kolonistensiedlung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist. Wir gehen weiter nach Norden; die Chaussee führt über die Spree noch Schönschornstein und weiter- bin durch die weit« Wiesenniederung des Spreetals. Zur Linken sehen wir die Goiener Berge mit dem Dorf Gosen davor und im Hintergrund die Müggelberge aufragen. Auf der Chaussee kommen wir an Neu-Buchhorst vorüber nach Erkner , wo wir die Heimfahrt antreten. Wegläng« etwa 25 Kilometer. ?lm Werbellinsee . Zum Werbellinsee oder kurz Werbellin , einem der schönsten Sern unserer Mark, führt uns die Wanderung. Vom Stettiner Fsrnbabnhof fahren wir über Eberswald«(umsteigen) bis Bahnhof Werbellinsee . Sonntagsrückfahrten, die zur Hinfahrt schon von Sonnabend mittag an berechtigen, werden ausgegeben. Di« Gegend um den Werbellinsee ist ein vorbildliches Beispiel für ein« End- moränenlondschaft der Eiszeit. Am Nordende des Sees zieht die große südbaltische Endmoräne vorüber, der Bahnhof liegt unmittel- bar an ihrem Kamm. Ihres Geschicbereichkums wegen wurde sie als Steinbruch ausgebeutet. Jetzt sind die Gruben in der Nähe des Bahnhofs jedoch aufgelassen worden, da sie erschöpft sind. Di« End- moräne trennt das Hinterland des ehemals hier lagernden Inland- eise« von dem Borland . In jenem ist noch die lehmig« Grund»

moränendeck« vorhanden, die Weizenäcker und Buchenwälder trögt, während in diesem die noch Süden abfließenden Schmelzwasser des Inlandeises gewaltige Sandmassen, die Sander, ablagerten, auf denen die Schorfheid« liegt, die vorwiegend aus Kiefern und Birken besteht. Im Hinterland der Endmoräne liegen die Staubecken. Dies« waren Sammelbecken der Schmelzwasser unter dem Eise. Als Reste[ der Staubecken sind heute noch vielfach große, runde, flach« Seen,! Stauseen, erhalten, die jedoch mitunter schon versandet sind und jetzt Moor« bilden. Oft war dos Wasser in den Seen so flach, daß es! nach kurzer Zeit verschwunden war und jetzt nur noch ausgedehnt« Sand- und Tonablagerungen ihre Stellen bezeichnen. Von der Be- 1 deutung der Staubecken gibt der ausgedehnte Grimnitzfe««in beut- liches Bild. Er ist«in nahezu kreisrunder, flacher See, fein« größte Tiefe beträgt nur 6 Meter. Im Vorland wuschen die Schmelzwasser an manchen Stellen tief« Rinnen aus, die heute noch als Seen er»

Wetteraussichten für Sonntag.

Im Anfang der Wocte lag aal dem enropäischen Nordmeer ein sehr umfangreiches Tiefdruclcgebiet, unter dessen Einfluß i» der nördlichen Hälfte Deutschlands meist bewölkter Himmel herrschte und ziemlich zahlreiche� obschon im allgemeinen ge­ringe Hegenfälle stattfanden. Bet frischen westlichen Winden nahm auch die Abkühlung daselbst noch etwas zu. In Süd- und Mitteldeutschland hingegen blieb das Wetter größtenteils trocken und überwiegend heiter. In den Mittagsstunden wurden an den meisten Orten 25 Grad Celsius überschritten. Als jedoch im Laufe des Montags das Tief südostwärts nach Mittelskandinavien vordrang, traten an verschiedenen Stellen der deutschen Küste, gleichzeitig auch im Oberrheingebiete stärkere Regengüsse ein, die sich in den folgenden Tagen öfter wiederholten und weiter nach Süden und Osten ausdehnten. Nachdem das Tief nach Finn­ land fortgezogen war, trat bereits am Mittwoch morgen bei Island ein neues, weit nach Süden ansgedehntes atlantisches Tiefdruck­gebiet auf und drang rasch nach der Südwestküste Norwegens vor. Beim Vorübergang eines an seiner Südostseite entstandenen Teiltiefs entlud sich am Donnerstag vormittag über Berlin ein kurzes, schweres Gewitter mit starkem Hegen und Hagel. Auch in den meisten anderen Gegenden Deutschlands gingen am Donners­tag und Freitag zahlreiche Regeuschauer hernieder, die besonders im Nordwesten ergiebig waren. Dabei wuchsen die West- und Nordwestwinde sehr stark an und führten überall weitere Ab­kühlung herbei. Jetzt ist das Tiefdruckgebiet nach der nördlichen Ostsee gewandert, von wo es ziemlich langsam ostwärts fortzu­ziehen scheint, worauf ein auf dem Biahiatachcn Meer gelegenes Hoch gegen Hittelenropa vorrttcken dürfte. Wir haben daher mar zeltweine heitere«, jedoch anfangs noch kühle«,»ehr windige«, nahe stündige« Wetter mit weiteren Regen-, vielleicht auch einzelnen Hagelschauern za erwarten. Im Lanfe de« Sonntag« wird aber der Wind Toran«BichtIIch mehr und mehr nachlassen nnd die Temperatur etwa« hüber steigen, obgleich sich dazwischen der Himmel wohl tttter wieder bewülken und nach noch mehrmal« leichter Regen(allen wird

hallen sind. Ein solcher Rinnense« ist der Werbellin . In Nordost» südwestlicher Richtung erstreckt er sich senkrecht zum Endmoränen - bogen. Er ist 11 Kilometer lang, durchschnittlich 1 Kilometer breit und bis zu 30 Meter tief. Ungefähr da. wo jetzt der Bahnhof Werbellinsee liegt, durchbrachen die Schmelzwasser den aufstauenden Endmoränenwall, stürzten als Wasserfall in das Vorland und wuschen so di« Rinn« des Werbellinsees aus, der deshalb an diesem Ende sein« größte Tief« hat. Nach neueren Forschungen sind derartige Rinnenseen jedoch fubglazialen Ursprungs. Sie sind durch die unter dem Eise strömenden Schmelzwasser gebildet worden, als das Eis noch das Gelände bedeckt«, in dem sie liegen. Noch dem wetteren Zurückweichen des Eises wurden die Rinnen natürlich von den dem Eisrande entfließenden Schmelzwässern zum Abfluß mitbenutzt. Auch heut« noch besteht eine Verbindung zwischen dem Grimnitzfee im Hinterland« und dem Werbellinsee . Beide Seen, in der Luftlinie nur 1 Kilometer entfernt, besitzen einen Höhenunterschied ihres Wasserspiegels von 21,9 Meter. Vom Bahnhof Werbellinsee wandern wir auf dem Ostufer des Sees, unmittelbar neben dem Wasser, nach Altenhof. Dos Ufer fällt stellenweise 10 bis 15 Meter steil ab, deshalb ist hier di« Vorlandzon« sehr schmal. An manchen Stellen unterspült das Wasser sogar dos Ufer, so daß die Bäume in den See abstürzen. Der Wold auf diesem Ufer besteht vorwiegend aus Buchen, die sich miwnter zu stattlichen Exemplaren entwickelt hoben. Im Jagen 171 stehen hart am See mehrer« von ihnen; die hervorragendste ist 30 Meter hoch und hat «inen Stammumfang von nahezu 4 Metern in 1 Meter Höhe über dem Boden. Von Altenhof lassen wir uns zum Westufer übersetzen. In der Näh« liegt dos Jagdschloß Hubert�sstock. Auf dem Westufer des Werbellin wandern wir nach Norden. Prächtige Ausblicke über den See und feine schönen bewaldeten Ufer, über träumerisch in stiller Einsamkeit liegende Buchten genießen wir von vielen Punften der Wanderung. Di« klaren Fluten laden uns«in zu einem erquickenden Bad. Wir kommen an Holzablagen und an der Siedlung Elsenou vorüber zum Nordend« des Sees zurück. Noch einmal schauen wir über den langgestreckten Werbellin , von dem der Joachimstkaler Dichter F. Brunold singt: Wie ein Gottesang« glänzet,» Drüber dunkle Brauen glüh'n Liegt, von Berg und Wald bekränzet, Märchenhaft der Werbellin . Dann steigen wir hinauf zum Bahnhof Werbellinsee . Don hier wandern wir gen Norden, auf dem Cndmoränenwoll, nach Grimnitz und Ioachimsthal. Der Weg gewährt uns schön« Ausblick« über den Grimmtzse« und weit in die Uckermark hinein. Ioachimsthal wurde 1601 vom Kurfürsten Joachim Friedrich gegründet. Von 1607 bis 1630 war hier das Ioachimsthalsche Gymnasium, das dann noch Berlin und Wilmersdorf verlegt wurde und sich seit 1912 in Templin befindet. Dom Bahnhof Ioachimsthal fahren wir noch Berlin zurück. Für die Strecke Ioachimsthal Werbellinsee müssen wir ein« b-- sondere Fahrkart« lösen. Wegläng« etwa 33 Kilometer.

vom Reisetagebuch.

Nicht jeder, der den Wandersiab in die Hand nimmt, ist ein Heine oder gar Goethe, aber wobl ist jeder imstande, sich Notizen unterwegs zu machen, die den Reiseweg und besondere Erlebnisse und Beobachtungen festhalten. Sie können literarisch schmucklos kein, wenn sie nur das Tatsächliche klar erkennen lassen. Nichts Interessanteres, als später in diesen Tagebüchern zu blättern, sich in die Zeiten zurück zu oersetzen, in denen man als rüstiger Fuß- gänger Wald und Feld durchwanderte, und vielleicht auch Ver- gangenheit und Gegenwart zu vergleichen. Man gehe nicht auf sein.fabelhaftes' Gedächtnis gerade wer viel wandert, wird später nicht alle Einzelheiten auseinander halten. Unnötig zu tagen, daß die Aufzeichnungen kein« Gelehr» samkett enthalten sollen, was in den Reiseführern steht, braucht nicht abgeschrieben zu werden, sondern man soll doS fest» hallen, was die eigenen Augen gesehen und die eigenen Ohren gehört haben. Sind die Wanderungen ausgedehnter Art, so empfiehlt es sich, auch eine einfache Routenkarte einzuzeichnen. Nicht immer hat man beim späteren Durchlesen einen AtlaS zur Hand, und die Loge der Orte zu einander hat man auch nicht mehr so genau im Kopfe. Man lasse sich also die kleine Mühe nicht ver- drießen, am Abend einige Aufzeichnungen zu machen sich selbst und seinen Angehörigen zur späteren Freude. Der preis für vkorkenbrok beträgt, wie das ErnährungSamt mitteilt, vom Montag, den 30. Juli, ab 12 000 M., der Preis für die Markenschrippe 425 M.

---i Als die Wasser fielen. Don Otto Rung . Der Wasserschiffer stand mit gespreizten Beinen über dem Giimmischlanch mit einer Miene wie ein ungezogener Junge und lieh Trinkwasser in den Tank der Bark Beß Ruthby lau» fen. Seine schmalen Augen bekamen einen geheimnisvollen Schimmer. Es gibt vieles in einem Schiff, was kein Mensch ver» steht. Ein Schiff hat sein Leben, und Schicksal und Geschichte eines Segelschiffes wie Deh Ruthbys sind bunter als die eines Mädchens, das nach langen Irrfahrten hier in Nyhavn ge- landet ist. Während des Krieges fuhr sie mit Konterbande, später hat sie Spiritus geschmuggelt. Zwei tüchtige Kerle, die Dragörjungen genannt, haben sie damals geführt. Sie sitzen beide noch im Zuchthause!", Gude hörte zerstreut, in seinen Korbsessel zurückgelehnt, zu. In seiner Arbeit war jetzt eine Pause eingetreten. Die große entscheidende Sitzung mit Aussichtsrat und Sachver- ständigen auf der Dänischen Werst war wegen einer Erkran- kung Andreas Paulis verschoben worden es war allerdings die Frage, ob er wirklich krank war oder nur an schlechtem Gewissen und chronischer Furcht litt und vielleicht nur Zeit suchte, um Rat zu finden. Der Wasserschssser nahm den Schlauch aus dem Spund- loch des Tanks.All right, Sir! Und nun das Fallreep für Badding.' Er sprang in fein Blechboot und hustete sich schnell mit vielen Rauchringen durch den Hasen. Gude blieb in seinem Korbsessel sitzen. Er versuchte zu lesen, doch seine Gedanken fanden keine Ruhe. Die Sommer- sonne brannte aus Deck, der Geruch von Harz . Pech und Farbe legte sich ihm auf die Brust. Es war, als klebten diese alten Planken an seinen Sohlen, als hinge das Schiff wie ein Ge- wicht an ihm. Die aufrechten Masten hatten einmal erhebend auf sein Gemüt gewirkt, jetzt waren sie wie sacht kreisende Nadeln, die Ringe m die weiße Lust zeichneten. Pom Achterschiff kam ein Bradem von Blumen und Erde, Düste von dem schwimmenden Garten. Mißmutig beugte er sich ganz vorn am Steven über die Reling und starrte in das träge plätschernde Wasser. Das Fahrzeug schaukelte lesse, über der Wasserl'nie bekam er bin und wieder einen Streifen der Her alten Muscheln zu sehen, di« den Boden des Schisses über- soucherten, eine schmarotzende Lage von Schaltteren der Tro-

pischen Meere. Der Dust von Teer und Salz mischte sich mit dem Duft von Rosen. Hie und da ertönt« Gerdas Stimme, fern, aber wie durch die Membrane des Wassers herbeigeführt, als spräche sie drunten in der Tiefe. Ihr Lachen klang ihm übermütig und ausgelassen, eine andere Stimme mischte sich dunkler und tiefer mit der ihren: offenbar war sein Schwager bei ihr an Bord. Und Gude dachte verwundert, wie seltsam der Weg des Kameraden mit seinem eigenen verschnörkelten Pfade ver­schlungen war erst durch die Heirat, und nun später durch seine Besuche hier an Bord als suchte er Erlösung von der Bürde, die ihn in den Staub drückte, als strebte er nach einem Tage der Genugtuung durch eine, die dem von seiner Hand getroffenen Manne nahestand. War in der Tiefe seiner Seele ein Trieb, bald zu sühnen, bald zn rächen kraft der stolzen militärischen Idee: Nichts in der Welt der Gnade eines andern Mannes verdanken zu wollen! * Gerda hatte Kapitän Stark als Modell in einem niedrigen Sessel mit einem Hintergrund von blühenden Pelargonien an» gebracht. Er saß in weißer Marineuniform, von allen Far» ben ihres Gartens umgeben, da. Zu seinen Füßen lief ein Gürtel von Brunnenkresse. Der Lukenrabmen und der Mast waren von japanischen Rosen umrankt. Sie sah ihn wie in einem tropischen Garten: schweigend, mit seinem traurigen Lächeln und den visionären Augen saß er da, wie ein Pierre Loti in einem Serail. Diesen wie den Morgen zuvor war sie vor Tagesgrauen erwacht und hatte den ersten Sonnenfleck feuerrot durch das Kuhauge auf dem Rande der Koje spielen sehen. Sie fühlte eine unerklärliche Angst und wußte, daß sie durch einen Laut, einen Lärm draußen geweckt war, der deutlich durch die Bretterwand, die ihre Kajüte vom Mittelraum des Schiffes trennte, ertönt war. Sie sprang auf, hüllt« sich in ihren Kimono und ging an Deck. Hier war alles ruhig. Der Hafen lag still in dem schmelzenden Morgenlicht, die Sonne löste sich gerade vom Horizont. Es war erst Halbfünf Uhr. Frierend ging sie wieder unter Deck und versuchte sich zur Ruhe zu lesen. Dock sie wurde von sieberheißen Träumen gejagt. Sie hatte ein Gefühl, als wäre sie allein hier auf einem Schiffe, das über den öden' Ozean trieb. Erst spät kam sie wieder herauf. Sie bemerkte den Matrosen Matti, der sich mit einer Gruppe von Seeleuten vor

einer Kneipe herumtrieb. Gude war wohl längst an Laich gegangen. Sie sah ihn jetzt nur selten. Ohne Freude dachte sie daran, daß Kapitän Stark heute an Bord kommen wollte, um ihr zu einem Bilde zu sitzen. Sie ging an den niedrigen Kästen an der Reling vorbei, in denen ihre Blumen wuchsen. Neulich waren ihr zwei ganze Wäldchen von lila Hortensien gebracht wordn. Möglicherweise waren sie von Rustad geschickt, eher aber von Andreas Pauli. Sie kamen ohne Bezeichnung des Absenders, und der alle Gärtner, der sich täglich an Bord zeigte und die Schlingrosen, die Perlbohnen und Winden an den Seiten der Hütte hoch- band, wollte nicht mit der Sprache heraus. Sie fragte auch nicht allzu eifrig. Wahrscheinlich waren die Blumen doch von Andreas Pauli. Bei ihrem letzten Besuch auf seinem Landsitz hatte sie die reiche Flora seines Gartenhauses gesehen. Soeben hatte sie die vier Schecks eingelöst, di« er unaufgefordert als Bor- schuß auf neue Bilder geschickt, hatte. Sie war fetzt reichlich mit Geld versehen. Aber er zeigte sich nicht selbst an Bord, schickte auch keiften Brief. Das macht« sie unruhig und verstimmt. Und di« beiden Bilder, die er bei seinem ersten Besuch ge- wählt hatte, standen noch in ihrer Kajüte. Daß Andreas Pauli sie nicht holen ließ, wunderte sie etwas, kränkte sie auch ein wenig. Aber dennoch war es nur gut. daß er sich nicht gerade jetzt an Bord zeigte. Ihre Arbeit ging ihr nur langsam von der Hand. Die Studie vom Hafen war wochenlang nickt einen Pinselsttich weitergekommen. Wenn sie sie auf die Staffelei stellte, erschien sie ihr blaß, tot, wie ein Stück gekalkte Wand. Rings herum leuchteten alle Farben, und es war ihr, als hin« derten gerade diese lebenden Blumen ihre Hand am Schaffen. Da standen sie in ihren lodernden oder blutenden Farben, in ihren grünen und weißen Hüllen, duftend und atmend! Ihre Leinwand ward nur ein Herbarium getrockneter Kräuter, sie konnte diesem Flor, der wi« ein Dornröschen- garten, um Mast und Rundhölzer gerankt, rings um sie wuchs, sich um die Seiten des Schiffes schlang, sich mit seiner Hülle von Blättern über Stög und 33ardunen zu einer blüten­schweren, geschlosienen Laube wölbte, konnte sie keinen Aus- druck verleihen. Sie wurde von dem Duft betäubt, von dieser Ueppigkeit beschwert, fühlte sich wie eine Gefangene hinter dieser Hecke, die wie in tiefem Schlummer der Dinge wartete, die da kommen mußten. (Fortsetzung folgt.)