Und das soll 6rot fein? Man mutet der Berliner Devölk->rung seit Wochen zu. auf Kartenbezug Tag für Tag etwas zu derzehren, was wie Brot aus- sieht, als Brot verkauft wird und im Grunde doch zu nichts anderem nütze ist alS zum Fenstertitten. Man weist bald nicht mehr, wor» über man sich mehr wundern soll: dast Mund, Zunge und Zähne diesen scheustlichen sauren grau-braun-schwarz-grünlichen PampS herunterbekommen oder dast der Magen die Kraft hat, ihn wieder hinauszubefördern. Wir hatten im Frieden und im Krieg und haben heute noch berühmte Kapazitäten der Ernährungswirtschaft, Professoren und Geheimräte, die in ollen möglichen Wissenschaft« lichen Deputationen und Kommissionen, Akademien und Hoch« schulen, Reichsämtern und Ernährungsämtern, Nahrungsmittel« prüsstellen und amtlichen Stellen zur Bekämpfung der NahrungS - mitlelversälschung als Amtspersonen mit beträchtlichen Gehältern und Pensionsberechtigung sitzen. Aber das Volk mutz zu der Ueberzeugung gelangen, dast das alles Ueberorganisation und Leerlauf ist. nutz» und zwecklos. Denn die Bevölkerung mutz sich heute ein Brot gefallen lassen, das diesen Ehrennamen nicht mehr verdient, daS noch fünf Friedensjahren im Zeichen der freien Wirt- schaft eine Schande für Deutschland ist. Ein Brot, dast durch seine Unverdaulichkeit und Unbekömmlichkeit dafür sorgt, dast die Kinder im Mutterleibe bereits zu unheilbarer Degeneration verdammt werden. Heule ging ich zu meinem Bäcker, einem Mann von unbegreif- licher Leibesfülle und Besitzer von zwei prächtig gedeihenden Sckweinen sich habe leider weder daS eine noch das anderes, um mich einmal in aller Ruhe über diesen unerträglichen Zustand zu unterhalten. Die Unterredung hatte einen merkwürdigen Verlaus! .Woher das Brot so schlecht ist? DaS kommt vom Ma« gistrotSmehl. DaS Mehl ist schlecht.'—.Wa« heitzt daS, daS Mehl ist schlecht?'—„DaS kommt daher, weil eS zu 80 Proz. aus- gemahlen ist.'—.Sie müssen doch als Fachmann wissen, dost schon im Frieden mit zu 80 Proz. und höher auSgemahlenen Mehlen ganz ausgezeichnetes Brot gebacken werden konnte. Tie Vollkorn», Simons», Graham- und ähnlichen Brote und auch die Kommihbrote waren doch nichts anderes als Brote aus hoch ausgemahlenem Mebl. Jetzt datte ich verspielt. Ter Meister mochte ein paar Augen wie ein wütender Kater!.Wat Sie nich alles wissen! Ick sag et Ihnen nochmal. det Mehl is schlecht, weil et Magistratsmehl iS. Det Mehl is feucht, da lästt sich kein andres Bröl draus backen. Und solange es Markenbrot gibt, gibt'S auch kein andres Brot. Verstanden!' Also sprach der wohlgenährte Besitzer einer wohlnährenden Bäckerei und zweier wohlgenährter Schweine. Er kam um den Ladentisch herum auf mich zu und sah mich von unten bis oben und retour an, und das so drei», viermal:.Mehr habe ick mir mit Ihnen nich zu erzähl'». Jehn Se doch zu Ihren Magistrat und bekchwer'n sich.' Nun verstehe ich auch, warum alle Frauen darüber schimpfen, dast der Meister ein so schlechtes Brot bäckt und trotzdem zwei so ichöne Schweine hat. Aber sie sagen es nicht laut. Es gibt Leute, die sich über untere heutigen Zustände ernhaft den Kops zerbrechen und meinen: Deutschland müsse an seiner Bureaukratie zugrunde zehen. Die andern, die behaupten, es müsse an seinem schlechten Brot zugrunde gehen, haben offenbar nicht minder recht. Des Rätsels Lösung aber scheint das zu sein: Am Ib. September fällt die Brotkarte. Dieser Umstand macht gewissen Kreisen mehr Sorge als sie öffentlich zugeben. Wenn also, so kalkulieren sie, das Markenbrot täglich schlechter wird, wird das Volk eine solche Wut daraus bekommen, dast eS schliestlich sagen wird: Gott sei Dank, dast daS Markenbrot ein Ende hat! Wir wollen lieber mehr zahlen und ein geniehbareS Brot haben, als noch länger das Markenbrot.' Und damit hätten die Herrschaften, die den Abbau des Markenbrotes verschuldet haben, den so notwendigen Uebergang zum freien Brot gefunden. Zur Ehre des Bäckerstandes aber sei gesagt, datz eS noch überall Meister gibt, die keine Schweine haben und mit dem.schlechten Magistratsmehl' ein sehr gutes Brot zustande bringen. Liegt daS nun an den Meistern oder an dem Mehl. Oder liegt eS etwa an den Schweinen?
privatürucke. Ein Postdirektor als Opfer de».Priefmarkenfiebers". Vor der 3. Ferionstrafkammer des Landgerichts I spielte sich gestern«ine aufsehenerregende Verhandlung ab, die sich gegen den Postdirekt«/ St. wegen fortgesetzter Unterschlagung richtete. Der Mann mutz als ein psychologisches Rätsel angesehen werden, denn er hat seine Ehre und seine Stellung um 400« M. aufs Spiel gesetzt und ist«ffenbar ein Opfer des heute vielfach grassierenden„Briefmarken- fiebers' geworden. Gleichzeitig eröffnete die Verhandlung einige interessante Einblicke in den Briefmarkenhandel und seine Zwischen- gewinne. St. wor Direktor eines der größten Postämter Berlins und wurde 1919 als Hilfsarbeiter ins Reichspostministerium berufen, um dieHerstellungderneuenReichspostmarken zu leiten. Hierbei hat er sich, wie sein Vorgesetzter Ministerialrat Lerche vom Rcichspostministerium als Sachverständiger bekundete, große Ver- dienst« um die künstlerische Gestaltung der Postwertzeichen erworben. Neben den von der Reichsdruckerei hergestellten, auf festen Tafeln aufgezogenen Probedrucken, die später dem Reichspostmuseum über- wiesen werden, hatte St. von dem Entwurf in der Reichsdruckerei sich lose Nachdruck« herstellen lasten. Seitens des Ministeriums hatte man St. schon bedeutet, daß die Anfertigung dieser Privat» drucke nicht stoichaft sei. Bald darauf wurde auch festgestellt, daß auf unerklärliche Weise Probedrucke der neuen Marken im privaten Handel erschienen seien. Als St. im Mai 1922 aus dem Postministerium ausschied, um wieder die Leitung seines Postamtes zu übernehmen, hat er die in seinem amtlichen Ge- wahrsam befindlichen losen Probedruck«, etwa 300 Stück, nicht ab- geliefert. Eines Tages teilte nun ein Sammler dem Reichspost- Ministerium mit, daß die Briefmarkenhandlung Kosack Probedrucke von Marken zum Kauf anbiete. Di« von dem Postdirektor Dr. Wag- nsr angestellten Ermittlungen ergaben, daß Kosack im Besitz ganzer Serien von Probedrucken, u. a. Geigerschen Ziffernmarken, Flugpost- marken und Münchener Gewerbeschaumarken und den Probedrucken anderer Entwürfe war. Kosack hatte die Sammlung für etwa eine Viertelmillion von einem anderen Briefmarkenhändler, dieser sie ebenfalls aus zweiter Hand erworben. So war die Sammlung durch mehrere Hände gegangen und schließlich stieß man auf die Briefmarkenhändler Muetzlig u. Sohn in der Mauerstrahe, die die Sammlung für 4000 M, von einem fremden Mann erworben und gleich für 180000 M. weiter ver- kauft hatten. Der Postdirektor wurde den letztgenannten Händ- lern gegenübergestellt und als der Verkäufer erkannt, der drei- bis viermal Serien verkaust hatte. Vor Gericht bestritt St. energisch, die Drucke verkauft zu haben und behauptete, die Serien seien ihm offen- bar aus seinem Amtsschreibtisch entwendet worden. Am Schluß der Beweisaufnahme kam es noch zu einem merkwürdigen Zwischenfall. Als letzte Zeugin wurde«ine Frau Walter, die mit dem Angeklagten befreundet ist, vernommen. Sie ist zusammen mit dem Angeklagten Mitglied einer anthroposophischen Gesellschaft. Di« Zeugin hat sich mit der Angabe gemeldet, daß sie selbst die Diebin sei und die Marken im Amtszimmer bei einem Besuch entwendet habe, um einem Veremsfreunde, den sie nicht nennen wolle, aire der Not zu helfen. Auf die Frage von Landgerichisdirektor Marschner: Habe» Sie die Probewarte» gejtohle»?, erwidert die Zeugu« zunächst
mit ja. Unter dem Druck der ernsten Vorhaltungen des Vorsitzenden zog die Zeugin jedoch i'hre Angabe zurück. Das Gericht war von der Schuld des Angeklagten voll überzeugt. Der Angeklagte habe sich in schwerer Weise gegen seine Stellung vergangen und das Gericht hielt daher eine Strafe von acht Monaten Gefängnis für an- gebracht.(Der Name des Angeklagten ist in dem Bericht, den wir einer Berliner Korrespondenz entnehmen, nicht genannt worden. D. Red.)_
wo bleiben die Lebensmittel? Die Schwierigkeiten auf dem Lebensmittelmarkt wachsen sortgesetzt, Seitens der verängstigten Hausfrauen hat ein Run auf alles was Fett heißt eingesetzt. Margarine konnte am Freitag bei den Kleinhändlern und auch bei der Konsumgenossenschaft und bei dem Beamtenwirtschaftsverein als zum größten Teil ausverkauft gelten, womit nicht gesagt sein soll, daß nicht noch beim Großhandel und in den Kühlhäusern bedeutende Mengen lagern, Naturbutter taucht nur hier und da vereinzelt auf und ist natürlich im Umsehen fort. Infolgedessen wirft man sich auf andere Fette, Speck, Talg und Schmalz. Klug-e Leute decken sich mit Oelen ein, obgleich diese Art Feit in Norddeutschland ziemlich unbeliebt ist, wiewohl ein natur- reines Oel, das natürlich nicht mit tranigen Fischölen durchsetzt sein darf, der Margarine entschieden vorzuziehen ist. Italien wirtschaftet bekanntlich nur mit Oel . Eine besonders starke Rachfrage herrscht auch nach Wurst waren, Biels Schlächter haben vollkommen aus- verkauft. Eine nichc minder starke Nachfrage herrscht nach ollen Dauernahrungsmitteln wie Gries, Rei», Erbsen, Bohnen, Linsen. Di« Stimmung: Kaufen um jeden Preis! ist ähnlich der in den Augusttagen 1914, nach denen allerdings die Zwangswirtschaft kam, während wir heute die fteie Wirtschaft haben, die uns in der Tat mit ihren großmäuligen Versprechungen herrlichen Zeiten zu- geführt hat. In aller Morgensrühe stellen sich die Frauen auf den Märkten, vor den Kaufmanns-, Milch- und Schlächterläden an, müssen lange Schlangen bilden unter peinlicher Beaufsichtigung eines reich- lichen, oft überreichlichen Aufgebots von Schupo— wo kommen nur plötzlich die vielen Beamten her?—, um womöglich mit leeren Körben abzuziehen, weil keine Waren vorhanden sind. Berlin , die vier- ZNillioneastadt. also mit einer Einwohnerschaft so groß wie die von ganz Württemberg und Laden zusammen, kann als von Karkofseln vollkommen, von Nahrungsmitieln nahezu entblößt gelten. Man scheint in der Reichsregierung, geschweige denn draußen im Reich, keine Vorstellung davon zu haben, was das bedeutet, fönst würde man doch wohl schon längst zu wirksamer Abhilfe geschritten sein._ Wenn man Dollars hat. Ausplünderung eines Ausländers im Tiergarten. Einen bösen Empfang erlebte«in Ausländer, der erst gestern nach Deutschland und Berlin kam. Nachdem er im Hotel abgestiegen wor, steckte er 700 amerikanische Dollarnoten in die linke Hosentasche und machte sich auf den Weg, um bei einem Kunden eine größere Rechnung zu begleichen. Beim Absteigen vom Straßenbahnwagen an der Ecke der Leipziger und Eharlotlenstraße stieß er auf zwei Männer, die sich in einer fremden Sprache, an- scheinend Russisch, in einem Handelsgeschäft unterhielten. Diese, von denen der«ine auch gebrochen Deutsch sprach, wandten sich auch an ihn, und nun ergab sich, daß der eine ein„goldenes Zehn- Rubel-Stück' verkaufen wollte. Der zweite Ausländer bot immer höher und erwarb das Stück endlich für 100 000 M. Der Zu- gereiste ahnte nicht, daß er es mit Neppern zu tun hatte, die ihm das„Goldstück' anzudrehen versucht hatten. Der Verkäufer zog nun auch noch eine Blechschachtel aus der Tasche, die vier Steine ent- hielt. Es sollten große Brillanten sein. Auch diese wollte er ver- kaufen. So kam man zu Dreien in der Friedrichstraße an ein Haus, in dem sich ein großer Juwelenladen befindet. Hier stand ein Mann vor der Tür, als wenn er der Geschäftsinhaber gewesen wäre. Die Beiden zogen nun auch diesen in den Handel hinein, aber nicht etwa im Laden, sondern im Hauseingang, Der„Juwelier' bot nach län- gerem Feilschen endlich für einen Stein, nachdem er ihn genau be- sichtigt hatte, 180 Millionen. Wieder sollte, ohne daß er etwas Böses ahnte, der Zugereiste angereizt werden. Der aber verzichtete auch jetzt wieder auf den Ankauf, und so kam kein Geschäft zustande. Jetzt wanderten die Beiden mit ihm, der auch Deutsch spricht, die Friedrichstraß« und die Linden entlang, nach dem Brandenburger Tor und dem Tiergarten. Hier setzten sich die Drei aus eine Bank und plauderten über dieses und jenes. Plötzlich verlor der Zugereiste das Bewußtsein. Als er nach einer Viertel-, vielleicht auch halben Stunde wieder zu sich kam, waren die beiden anderen verschwunden und mit ihnen feine 700 Dollarnoten. Die Nepper hatten ihn irgendwie betäubt und ausgeplündert. Auf die Wiederherbeischaffung des Geldes fetzt er eine Belohnung von 10 Proz. ans. Mitteilungen an Kriminalkommissar Dr. Riemann im Zimmer 83z, des Polizeipräsidiums.
Merzte und Krankenkassen. Schiedsspruch für die zweite Iulihülfte. Das Reichsarbeitsministerium gibt folgendes bekannt: Nach dem im Reichsorbeitsministerium gefällten Schiedsspruch vom 27. Juli 1923 wird der Berzütting der Kassenärzte für die zweite Julilzälst« die Beratungsgebühr von 22 000 M. zugrunde gelegt. Für die erste Iulihälfte waren 6500 M. zuerkannt. Das 3!4 fache geht über die sonst angewendete Meßziffer hinaus: Der Aerztebund Groß-Berlin verbreitet durch die Berliner BS.-Korrespondenz folgende Mitteilung: Im Reichsarbeitsministerium trat gestern vormittag unter dem Vorsitz des Ministerialdirektors Dr. Grieser das zuständig« Schieds- gericht zusammen, um in dem Honorarstreit zwischen den Kranken- kassenverbänden und den Aerzten das Honorar für die zweite I u l i h ä l f t e festzusetzen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ging dahin, daß für die zweite Julihälfte ein Honorar von 8250 M. zu zahlen fei, so daß das Pauschalhvnsrar für den ganzen Juli Jv 6 8 7,50 M. beträgt, lieber di« für die Monate August und September zu zahlenden Honorare werden heute Verhandlungen im preußischen Wohlsahrtsministerium stattfinden, von deren Ergeb- nis es abhängen wird, ob nach dem 1. August die kasienärztliche Tätigkeit unter den vertraglichen Bestimmungen weiter fortgesetzt wird oder ob in diesen Tagen die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien aufhören._
Ei« großer Devisenprozeß. Der wegen unerlaubter Devisengeschäfte verhaftet« General- direktor Litwin von der Evaporator-A.-G. ist gestern gegen eine Kaution von 12 Milliarden Mark aus der Haft entlassen worden. In dös Verfahren gegen den Direktor Litwin wird«ine Reihe weiterer Persönlichkeiten hineingezogen werden, so die Leiter des Bankgeschäftes, das die Devisenkäufe für di« Eoaporator-A.-S. tätigte. Die Anklage wirft Generaldirektor Litwin vor. daß er unter dem Vorwand, für den ihm nahestehenden Konzern und die Eooporator-A,-G., eines der größten Werke ihrer Art auf dem Kontinent, Devisen zu beschaffen, sich selb st bereichert habe. Im Lauf« der bisherigen Untersuchung ist festgestellt worden, daß der Generaldirektor über sein Privatkonto sehr erhebliche Devisen- kaufe abgeschlossen hat, die denn auch in den Bückzern der Eva- porator-A.-G. erscheinen. Zu semer Verteidigung gibt er an, daß die Devisen restlos für das Werk bestimmt gewesen seien. Er h«be dies« Transaktion mit Kenntnis des Aufsichtsrates, in dem u.a. auch Reichstagsabgeordneter Sirsfemann und der Direktor der Nationalbank"Dr. Schacht sitzen, vorgenommen habe. Die durch fein Konto gegangenen Devisen seien sur Valmaverbindlichteiten der Evaporator-A,-G. bestimmt gewesen, für die er zum Teil persönlich mithast«. Direktor Lmom hat dem Umersttchungsrichter erklärt,
daß seiner Ansicht nach die Anzeig« auf Veranlassung eines Dwektors der Evaporator-A.-G, erfolgt sei, der ihm persönlich nicht wohl wolle und daß die ganze Angelegenheit nicht anderes als ein R a ch e a k t sei. Inzwischen sind vom Untersuchungsrichler Mitglieder des Auf- sichtsrates vernommen worden, die die von Litwin ge- machten Aussagen vollinhaltlich bestätigten, so daß nach dieser Richtung hin seine Angaben auf Wahrheit zu beruhen scheinen. Der Auffichtsrat hat dem Angeschuldigten jetzt ein B«"- trauensvotum ausgestellt und erklärt, daß er einer strafbaren 5)and- lung keineswegs fähig sei.__
Die Friedensdemonstrationen am Sonntag. Die Liste der Redner. In den am Sonntag vormittag 10 Uhr in großen Sälen Berlms. stattfindenden Erinnerungskundgebungen„Nie wieder Krieg' wer- den unter anderen das Wort ergreifen: Altmoier, Bioing, Dr. Bloch, H. v. Gerlach, Klötzel, Dr. Kawerau, Prof. Langevin-Paris , Alfred Müller-Hepp, Emil Rabold, Rudolf Rocker , C. v. Osiietzky, Miß Sheepsshanks-London , Renni« Smith-London, A. Souchy, Dr. Helene Stöcker und Karl Vetter, Als künstlerische Kräfte wirken mit di« folgenden Mitglieder des Berliner Schaufpielertheaters: Leo Reuß , H. H. v. Twardowfki, Peter Jhle, Ernst Reschke, Jochen Poelzig, Heinz W, Vogt und Leo Monier. Kostenfreie Eintrittskarten sind heut«, Sonnabend, in der Zeit von 5 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends erhältlich:„Alhambra', Moritzplatz , Vötzow-Brauerei, Kliems, Hafenheide und im Gewerk- fchaftshaus._ vor der Markgrafendiele. Ein bedenklicher Fall von Deamkenbeflechlichkeik. Die Schutzpolizei geht neuerdings mit befondever Schärf« gegen di« Bestechung ihrer Beamten durch di« Inhaber von Nachtbettieben vor und es ist den Beamten durch besondere Berfügungon einoe» schärft, auf ihr« Kameraden Obacht zu geben und alle Fälle der Pflichtvergesienhcit zur Anzeige zu bringen. Ein derartiger Fall kam gestern vor der 1, Ferienstrafkammer des Landgerichts I zur Aburteilung in einer Bestcchungsanklage gegen den Polizeiwochl- meifter Otto Herrmann, den Polizeiunterwachtmeister Richard Huntus, den Kellner Otto Dundesmcmn und die Schankwirtin Ella Rieß, Auf einem Streifgang bemerkten die Polizeiroachtme.stsr Fe rüg und Rusch im Juni v. I. nachts gegen/l� Uhr vor der Markgraten- öiele einen regen Auloverkchr. Als sie sich die Sache näher ansehen wollten, kam ihnen der ihnen schon als Spanner bekannte Bundes- mann entgegen und sagte:„Es ist ja schon einer von Euch dnn. Ihr habt ja ganz raffinierte Beamte unter Euch. D>e können za nicht genug bekommen'. Durch Au-ftagen erfuhren die Beamten dann, daß ein„Grüner " vom Wirt Geld verlangt Hab: und in das Lokal hineingelassen worden iei. Bald daraus lam auch ein Be- amter heraus und die anderen Beamten stellten fest, daß es d:r derselben Hundertschaft angehörende Wachtmeister Herrmann war. Sie brachten dorouf den Dorfall zur An.zeigs und die Folge war die gegenwärtige Anklage. Die Ermittelungen ergaben, daß Herr- mann und Huntus, obwohl sie damit nichts zu tun hatten,>n jener Nacht auf eigene Faust auf die Straße ge- gangen waren. Bor der Markgrafendiele war Herrm.ann an den Spanner herangetreten mit der Forderung, daß er vom Wirt etwas haben müsse. Der Spanner drückte ihm 100 M. in die Havo. Damit schien aber H. nicht zufrieden zu sein, denn er rief:„Sias soll das Geld?" Der Spanner verwies ihn daraus an den Aiirt. Diu Wirtin schenkte ihm noch 50 M„ ober Herrmann erklärte, wn, dies für die heutige Zeit etwas wenig sei. Darauf gaben ihm r-e Gäste noch weitere 50 M, mit den Worten:„Es ist doch eine Frechheit. Da kommt so ein Grüner wegen nichts und verlangt Geld". Bor Gericht leugneten die Angeklagdtn sämtlich. Bundes- mann gab zu. dem Angeklagten Herrmann 100 M. gegeben zu haben.' Er erzählte dem Gericht, er sei jed-n zweiten Tag betrunken. bildete sich dann ein, Christus zu fein und verschenke alles� was er besitze. Erst vor wenigen Tonen habe er auf der Strasse S'A Millionen weggeschenkt. Gegenüber den vom Stoa's. anwalt beantragten Gefängnissttafen bat Rechteanw. Dr. Julms» berger II die Strafkammer, den Fall mild« zu betrachten und aus Geldstrafe zu erkennen. Das Gericht verurteilte Herrmann und Frau Rieß zu se 1 Million, Bundesmann zu 3 Millionen Geldstrafe. Schwere Berkehrsunfälle. Gestern abend gegen 914 Uhr stieß an der Ecke der Berg- und Emserstraße in Neukölln, ein Kraftwagen der Ein- taufsgenossenschast Lichtenberg , der in die Saalestratze ein- biegen wollte und aus der Emserstraße kam, mit einer Elektrischen der Linie 15 so heftig zusammen, daß der Anhänger des Lastkraftwagens umschlug und den Begleitmann unter sich begrub. Der Sttaßenbahnwagen sprang aus den Schienen, wobei die Plattform eingedruckt wurde. Der Begleit- mann, Richard Schuhmann aus Lichtenberg , Lichtenberger Äratze 3 wohnhaft, hatte eine schwere Rückenquetschung sowie Verletzungen an der Rose und an beiden Beinen davon- getragen. Er erhielt die ersten Verbände atis der Rettungsstelle 5. Die Beseitigung des Verkehrshindernisses dauerte ungefähr«ine Stunde. — Nachmittags gegen 5 Uhr brach dem AutoHandler Adolf Brinkmann vor dem Hause Chausieesttaße 59 beim Be- steigen und Anfahren seine? Motorrades die Dordergabel. wobei das Rad aus der Gabel heraussprang und ein Schaufenster zertrümmerte. Brinkmann trug Verletzungen am rechten Oberschenkel davon, und wurde nach dem Augustahospital in der Scharnhorftsttaße gebracht.__ Vorauszahlungen auf Gewerbe- und Grundsteuer. In dem vom Landtag am 10. Juli 1923 verabschiedeten Gesetz zur Regelung verschiedener Fragen des kommunalen Abgaberechts ist bestimmt, daß die für das Rechnungsjahr 1922 festgesetzten Steuerbettäg«, sofern nicht«in anderes beschlossen wird, für die erste» drei'Vierteljahre des Rechnungsjahres 1923 i» einem Vielfachen forterhoben werden. Das Bielfach« beträgt nach dem Gesetz für dos erste Vierteljahr das Sechsfach« des Jahres- betrages und wird für di« folg-nden Bierteljahr« entsprechend den Bestimmungen des neuen Gesetz«, vom Finanzminister festgesetzt Demgemäß hat der Magistrat beschlossen, di« Grundsteuer und die Gewerbesteuer in einem Vielfachen der für 1922 veron- tagten Bettäg« fortzuerheben. An Gewerbesteuer ist für dos erste Vierteljahr(April-Juni) das Sechsfach« der für 1922 ver. anlagten Gewerbesteuer zu zahlen: an Grundsteuer das Dreifach« der letzten Jahressteuer. Diese Vorauszahlungen werden auf die endgültig zu veranlagenden Steuerbeträge ange- rechnet. Dem Steuerpflichtigen wirb in kürzester Zeit eine Zahlungs- aufforderung durch die städtisch« Steuerverwaltung zugehen.
Ei« Stadtpart mit Badebetrieb. Der Spandauer Stadtpari soll jetzt eine erfreuliche Ausgestaltung erfahren. Für Badezwecke war bisher nur der nördliche Teich der Teichonlage bestimmt. Die übrigen Teiche find wegen ihre« moorigen Untergrundes für Badezwecke nicht geeignet. Nachdem für die Herrichtung des Badeteiches und für die Herstellung einer Badeanstalt zunächst 200000000 M. zur Verfügung gestellt worden sind, besteht die Aussicht, anS teile des bisherigen wilden Badebetriebes einen der Lage innerhalb eine« Wohnviertels entsprechenden geregelten Badebetrieb im nächsten Jabre zu ermöglichen. Selbstverständlich wird bei der jetzigen wirtichokt- lichen Lage die ganze Anlage gegeniiber dem»r'prünglichen Projekt wesentlich cingeichränlt werden. Hoffentlich gelingt es. die weiteren für die Durchführung dcS Projekts erforderlichen Mittel rechtzeitig zu erhalte».