Nr. 5�5 ♦»o.�tchrgaag
Heilage öes vorwärts
dleustag, 7. August 1923
Das teure Rauchen. Zunahme der Raucher— aber Krise in der Tabakindnstrie?
Zu den vielen Proteststreiks, die wir in letzter Zeit erleben mutzten, ist nun auch ein neuester hinzugetreten: der Protest- streik der Tabatindustrie, die am Donnerstag feierte und Fabriken und Läden verschlossen hielt, um dadurch gegen die hohen Steuern zu demonstrieren. Ob dies« Steuern nun berechtigt sind oder nicht, wollen wir hier nicht untersuchen; leider muß das Reich heute, um zu seinen notwendigsten Goldpsennigen zu kommen, alles Mögliche und Unmögliche mit unglaublichen Steuerquoten belasten. Wir wollen es also hier dahingestellt sein lassen, ob man dem Bürger einen großen Gefallen tut, wenn man sein einziges Anregungsmittel so hoch besteuert, daß er— ob er will oder nicht— allmählich zu einem Verzicht kommen muß. Andere Fragen tauchen aber nun, wo die Tobakindustrie fich in die Oeffentlichkeit flüchtet, auf, deren Aufrollung uns wohl interessieren dürfte. Die TabakZnöuftrie hat in den letzten Monaten einen allerdings sehr bedrohlichen Rück- rang zu verzeichnen, der in wirtschaftlichem und sozialem Interesse d?r außerordentlichen Beachtung wert ist. Vor einigen Tagen hat so die bekannte Zigarettengroßfirma Manoli ihren Betrieb schließen müssen und ihre Arbeiter und Angestellten entlassen; ander« Ziga- retlenfirmen drohen mit dem gleichen. In der Zigarettenindustri« sieht es trostlos aus: fast«in Drittel der Unternehmungen— natürlich die kleinsten und kleineren stets des Mittelstandes— haben ihre Tore zugemacht und ihre Angestellten verstärken heute dkl- Heer der Arbeitslosen. Es ist bekannt, daß gerade in der Tabakindustri« Leute tätig sind, die von schwächlichem Körperbau, mangelhafter Ge- sundheit und Kraft, teilwerfe sogar Krüppel, sich nicht oder nur schwer in eine andere Tätigkeit— wie etwa Notstandsorb« iten, Erdarbeiten usw., die Kräfte und gesunde Menschen verlangen— umstellen können; ein großer Teil der Beschäftigten besteht aus Frauen, die oft als Witwen und Mütter den einzigen Ernährer der Familie dar- stellen. Von in der Tabakindustrie Beschäftigten waren Ende Juni freigewerkschastlich organisiert 16410 Männer und 70 710 Frauen. Bovon waren 1 2 S S 1 und zwar 2413 Männer und 10 S78 Frauen völlig arbeitslos; weiiere 1 9 2 8 9 waren nur verkürzt tätig. Seit Ende Juni haben sich ober diese Zahlen bedeutend vermehrt. In Prozenten ausgedrückt sind das in der Tabakindustrie 14.91 Proz. völlig Arbeitslose und 22,14 Proz. Kurzarbeiter. Das bedeutet aber allein aus der Tabakindustrie ein« Verstärkung des Arbeitslosenheeres um etwa 23 000 Menschen, die der Arbeitslosen- fürsorge zur Lost fallen. In der Großstadt lassen sich ein« Anzahl dieser Arbeitslosen vielleicht nach längerem Worten in anderen Be- trieben unterbringen; es muß aber bedacht werden, daß das in der Tabakindustrie schwer der Fall ist H«r muß nämlich in Betracht gezogen werden, daß ganze Dörfer in Süddeutschland , Baden und Westfalen z. B. nur von der Zigaretten- Herstellung in Form von Heimarbeit bei übrigens meist tarlf- lich geregelten Löhnen leben. Raucher unü Raucherinneo. Durch den Krieg, der viele zu Rauchern erzog, hat das Rauch- zeug sich neue Freunde erworben, während allerdings durch den hohen Preis des„Glimmstengels" die meisten Raucher sporsamer geworden sind und sich in ihren„Gelüsten" etwas und manchmal sehr einschränken. Man kann heute wohl sagen, daß die Hälfte aller erwachsenen, drei Viertel der halberwachsenen Männlichkeiten rauchen. Im Durchschnitt darf man da pro Tag entweder drei Zi- garron oder 10 Zigaretten rechnen. Natürlich gibt es auch viele, fr? sich mit weniger begnügen; der Ausfall wird aber durch die wilden Paffer, die es bis auf 12 Zigarren und manchmal auf 40 bis 5i> Zigaretten bringen, wieder ausgeglichen. Das ist natürlich ein Unfug, der mit Reingenuß nichts zu tun hat. Auher dieiew Prozentsatz kann man noch 20 Proz. Pfeifenraucher rechnen. Dos minder starke Rauchen der Männer gegenüber der Friedenszeit wird in etwas, vielleicht sogar stark weitgemocht durch die„rauchende" Weiblichkeit. Hier ist es schwer, mit Zahlen zu kommen. Man muß sich daran gewöhnen, auch Frauen, die erklären, niemals zu rauchen, nicht mehr zu trauen; in der bewußten stillen Stund« irgendwo tun sie es doch. Man kann heute Frauen kennen lernen, die es mit einem Mann im Rauchen aufnehmen, auch schon solch«, die mit Bor- 1
liebe nach dem Essen ein« leicht« Zigarre konsumieren. Schluß- folgernug: der größte Teil und— einem Philosophen der„Rauche- rei zufolge— auch der beste Teil der Menschheit raucht! Und warum....7 Warum raucht man! Es gibt wüst« Zigorrenraucher und Zigarettenraucher, die ihre siebzig Iährchen glänzend überstanden haben; ich habe selbst«in- mal einen alten Herrn kennen gelernt,«inen Westfalen, der Tag für Tag nicht nur seine sechs Münsterländer Korn genehmigt«, sondern auch ein Dutzend Pfeifchen im Tag und ab und zu eine Zigarre für dringend erforderlich hielt und— trotzdem 96 Jahre alt gewesen war. Das Rauchen muß doch wohl seine Berechtigung haben. Di« Zigarre gehört der Stunde der beschaulichen Ruhe, di« Zigarette dem Moment der Ungeduld und nervösen Erregung. Menschen, di« Pfeifen rauchen, sind Phlegmatiker; Zigarrenraucher haben die Ruhe weg; Zigarettenraucher sind vielbeschäftigte, nervöse, hastige Menschen, Zigarettenpaffer zappelige, unruhig« Nerv«nbündel. Und warum rauchen sie all«? Weil olle Well heute das seelische Gleichgewicht verloren hat und in der betreffenden Sekunde ein starkes Anreizmittel, ein Stimulans, nötig hat, will sie nicht die Ruhe verlieren. Wer im Felde war und im Trommelfeuer oder in der Oede des Unterstandes eine Zigarette paffen konnte, kann bestätigen, we außerordentlich dieser Genuß die Nerven beruhigen kann. Die schwierigen Verhältnisse und komplizierten Situationen, mit denen wir uns abzufinden haben, fordern zuweilen«in anregendes Reizmittel. Raucher sind meist friedliche, gemütliche Leute. Und der Philosoph erklärt, daß dem Nikotingegner der Kampf gegen die Zigarre ff« in Stimulans, sein„Zigarrenersotz" ist! Unö Sie preise! Es wird zwar immer kosffpiesiger. Die billigste Zigarette soll demnächst 5000 M, in primitivster Qualität 3000 M., di« gleiche Zigarre 12 000 M. kosten. Die Tabakindustrie behauptet, daß die hohe Banderolenbesteuerung daran schuld sei; eine Zigarette ist mit einer Steuer von 40 Proz., eine Zigarre mit einer solchen von 20 Proz. Verkaufspreis belastet. Auch der Goldzoll— zurzeit 1566 000 M. für einen Doppelzentner Tabak— sei zu hoch. Ohne ausländische Tabake aber könnten sie nicht auskommen.(Di« Versuche mit deutschen Tabaken stehen ja noch in üblem Geruch!) Mag das nun fein, wie es will! Gerade dem kleinen Mann und dem Arbeiter war das Rauchen noch eine Erholung, di« er sich noch leisten konnte, eine Anregung, die noch erschwinglich war. Nimmt man ihm nun auch diese, dadurch, daß man sie unerschwinglich macht, so bleibt ihm, der sich Vergnügungen und Kurort« sowieso nicht leisten kann, nichts mehr übrig. Ein Stimulans aber muß er haben; so wird man es anderwärts suchen. « Bedenkt man den Arbeitslosigkeitszuwachs und den Ruin der Kleinhändler, so wäre es bedauerlich und— w«nn auch im kleinen Umfang— bedrohlich, wirtschaftlich und sozial«ine Schädigung, di« sichersich auf Kosten des kleinen Steuerzahlers verfpürbar würde. Der große„kleine" Steuerzahler wird ja doch sein« Importe rauchen; er hat's ja dazu, und ihm kann es gleichgültig sein, nicht aber dem kleinen Mann, der sich keine Importen leisten darf und ebenso mindesten» wie«r seinen„Glimmstengel" wert ist! Die j�ahrt ins besetzte Gebiet. Der„Reichszentrale für Deutsche Derkehrswerbung" wird von unterrichteter Seit« mitgeteilt: Seit dem 15. Juni wird eine Einreise, genehmigung in dos besetzte Gebiet fast nur noch gegen Vorlegung standesamtlicher Urkunden über Eheschließung. Todesfälle oder ganz wichtiger Familienangelegenheiten erteilt; auch di« im besetzten Ge- biet wohnenden Angehörigen vermögen die französische Genehmigung nicht zu beschaffen. Für eine Reise ins Ruhr - oder Rheingebiet empfiehlt sich als einzige gut« Verbindung der Nachtschnellzug Ber. lin—(ab Friedrichstr. 11.00 nachmittags) Hannover — Osnabrück — Wesel (an 8.23 vormittags) mit durchlaufenden Wagen Berlin - Wesel . Der Bahnhof Wesel ist besatzungssrei, die Stadt teilweise
besetzt: bis Wesel bedarf es keiner Einreiseerlaubnis. Reisend«, die das französische Visum haben, fahren von Wesel mit der Bahn nach Spellen (scharfe Kontrolle!) und haben von hier aus nach allen Rich- tungen Straßenbahnverbindungen. In Wesel wickelt sich zurzeit der Hauptoerkehr nach der Ruhr ab.— Trotz dieser Schwierigkeiten treffen auf den Bahnhöfen des Randgebietes immer noch riele Rei- send« ein, die ohne Visum in das Randgebiet wollen: die Einreise ohne Vffum ist unmöglich und der Versuch, die Sperre zu umgehen, ist lebensgefährlich. Das Randgebiet ist von Zurückgewiesenen über- füllt; Eisenbahn, Gemeinden und Rotes Kreuz raten daher dringend von einer Reis« ins Randgebiet ab. Das Existenzminimum. Die Großberliner Finanzämter legen augenblicklich die letzte Hand an die Eintommensteuereinschätzungen für das Jahr 1922. Was der Lohn- oder Gehaltsempfänger über den gesetzlichen Abzug hinaus etwa nachzuzahlen hat, ist längst unter dem Steueridache. Es handelt sich in der Hauptfach« nur noch um die zahlreichen Zweifel- haften und für di« steuerliche Bearbeitung recht verantwortungsvollen Fälle, in denen für die Beurteilung des Finanzamtes die Höh« des Einkommens aus Arbeit ohne feste Bezahlung in der Luft schwebt und auch unter Mitwirkung des Steuerausschusses, also solcher Mit- bürger, die mit den sozialen Verhältnissen des einzelnen in einem begrenzten Bezirk einigermaßen vertraut sind, eben nur geschätzt werden kann. Hier soll das Existenzminimum, das für das Jahr 1922 auf 200 000 M. festgesetzt ist, eine Richtlinie sein. Man klebt nicht gerade an dieser Normalsumme, aber man geht auch nicht allzugern nach unten. Es muß deshalb hier einmal gesagt werden, daß ungeachtet der ollbekannten Sucht, den Steuerfiskus zu be- mogeln, die Angaben der sehr zahlreichen Steuerpflichtigen, die noch nicht die Hälfte des offiziellen Existenzminimums oder noch weniger verdient haben wollen, durchaus der Wahrheit enffprechen können. Wer gewohnheitsmäßig oder berufsmäßig in den Tiefen des Lebens schürst, der weiß nur zu genau, wie unsagbar traurig es in vielen Familien und bei Alleinstehenden aussteht. Heut« sind 15 000 M. monatlich auch für Arme ein Pappenstiel, aber im vorigen Jahre wäre diese Summe für sie ein Vermögen gewesen. Weil ste viel weniger, zuweilen noch nicht 5000 M. im Monat zur Verfügung hatten, führten sie ein Hundeleben, das gerade vor dem Verhungern schützte. Hier gab es keine Kleider-, Kohlen, und Lebensmittelbei- Hilfen, keine Kinderzulagen. Jede Papiermark mußt« zusammen- gehökert werden, und gerade diese Bedauernswerten find gewöhnlich die Allerletzten, die fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Gegenwärtig sind diese Berhältnisse noch viel trauriger geworden. Selbstverständ- lich sind auch die Einnahmen derAermsten gestiegen, aber die Spanne im Verhältnis zur Lebensmittelteuerung und zu Tarifeinnahmen wird immer größer. Man glaubt am grünen Tisch, daß diese Leute von dem angegebenen Einkommen gar nicht existieren konnten, ober sie machten es möglich mit dem Heldentum der Entsagung. Aufgabe des Steuerausschusses muß es sein, solchen Erscheinungen weit- gehendste Beachtimg zu schenken. Auch wenn es ein gelinder Trost ist, daß die erst jetzt Eingeschätzten ihre Steuer mit völlig entwertetem Geld« bezahlen, wurmt es, eingeschätzt zu werden mit einem Ein- kommen, das man nicht gehabt hat. Vorgehen der Apotheker. Nach dem vor kurzem erst beigelegten Streit zwischen Aerzten und Krankenkassen scheint sich jetzt zwischen Apothekern und Kranken- kassen etwas Aehnliches entwickeln zu wollen. Der Berliner Apo- thekerverein hat den Beschluß gefaßt, vom 13. August ab von den Krankenkafleninitgliedern Barzablung zu oerlangen, wenn die Kassen nicht bis Sonnabend, den 11. August, zur Deckung der ihnen von den Apothekern kreditierten Beträge die Summe von wenigstens 30 Milliarden den Berliner Apothekern zur Der- fügung stellen. Selbstverständlich wird dieser Vorstoß der Ber - liner Appotheker feine Konsequenzen für das ganze Reich haben. Um so wichtiger sind deshalb di« im Lauf« der Woche stattfindenden Verhandlungen. Am Dienstag treten die Berliner Krankenkassen zu einer Kommisssonssitzung zusammen, um zu den Forderungen der Apotheker Stellung zu nehmen. Am Freitag werden dann die beiden Parteien zusammenkommen, um endgültige Beschliiss« zu fassen. Das Preußische Wohlsabrtsministeriuw hat nach Fühlung- nähme mit den beiden Parteien Verlnrndlungen zu einem Einigungs- versuch auf den kommenden Mittwoch angesetzt.
BT]
Als die Wasser fielen. Von Okto Rung.
Er lachte munter, rief den Leuten an Deck zu, daß er jetzt käme! Mit einem Sprung war er an Bord, Hände wurden ihm entgegengestreckt, eine von ihnen ergriff er: die des Schwagers. „Siehst du, das ging!" rief er lustig.„Mein eines Auge sieht oft besser als die zwei eines anderen!" Er nahm den Arm des Schwagers, führte ihn mit sich, kameradschaftlich und munter. Er zeigte über das Deck:„Ja. mein Junge! Jetzt wollen wir beide zusammen die Sache schon wieder ins rechte Gleis bringen— sowohl dies Schiff hier, wie die beiden anderen!" Er lachte:„Weißt du, daß ich dir wirk- lich dankbar bin für die Geschichte, als mein Auge zum Teufel ging? Das brachte mich in andere Bahnen. Da gehöre ich lri», dazu paffe ich, und auf ihnen können du und ich als gute Kameraden miteinander gehen!" Stark sah ihn immer noch an. Sein Antlitz löste sich in allen Zügen, etwas von der gedankenlosen Verwunderung eines Knaben kam in seinen Blick. * Gude stieg hastig die Leitern im Innern des Schiffes her- unter. Jeden Teil des Baues hatte er mit den Sachverständigen besichtigt. Eine neue Aufgabe wartete seiner jetzt. Die Be- oegnung mit dem Schwager hatte seinen Nerven neu« Frische verliehen, es war, als hätte er nach Iahren eine Zwangsjacke abgestreift. Ob es der letzte Rest der militärischen Idee seines Vaters und der Marine,' der Begriff der qualifizierten Ehre war? Er blickte sich um: auf dem Platze war niemand mehr zu sehen. Aber hinter den Scheiben des Kontors sah er beide Bankdirektoen, und vor ihnen, scherzend und spaßend: Andreas Pauli. Gude fühlte sich in einer eigentümlich ausgelassenen Laune, kampflustig und zornig. Er verspürte einen unbändigen Drang, zu schlagen. Rasch riß er die Tür zum Kontor auf, daß die letzten Glasscherben zitterten, und trat ein. Die An- wesenden wandten sich langsam um. Es waren nur die drei. Er vermutete, daß die übrigen fortgegangen wären, wahr- scheinlich, um zu frühstücken. Direktor Heine bestätigte dies:„Aber ich habe Steensen und Paulj gebeten, zu. warten, bch Sie kämen."_
„Danke!" sagte Gude.„Das paßt mir gut. Ich möchte «ine Besprechung mit den Herren haben. Es gibt hier viel- leicht einen einigermaßen wasserdichten Raum,'wo wir sitzen können." Er öffttete eine Tür zu dem hinteren Kontor. Da stand ein Tisch mit Lehnstühlen, wahrscheinlich waren die Auffichls- ratssitzungen hier abgehalten worden. Gude bat die anderen Platz zu nehmen und setzte sich selbst. Pauli lachte gutmütig, wandte aber die Augen nieht von Gude.„Ja," sagte er,„ich gehe davon aus, daß es wichtige Dinge sind, die Herr Gude für uns hat." „Das sind sie," sagte Gude.„Es handelt sich um die russischen Kontrakte." Steensen sah irritiert aus:„Ich glaubte, Sic hätten es aufgegeben, die zu ordnen! Und welchen Nutzen hätte die Werft auch davon? Das ist verlorenes Spiel— so wie die Zustände in Rußland nun einmal sind." „Es geht die Werft in höchstem Grade an." wandte Gude ein.„Und ganz besonders die Frage, die ich für die wichtigste von allen halte: das Verbleiben von Direktoren und Aufsichtsrat!" „D i e Frage liegt nicht vor," rief Steensen irritiert,„auf jeden Fall haben Sie nichts damit zu schaffen, Herr Gude! Und wenn Sie sonst nichts anzuführen haben—" „Sie werden mir vielleicht ein paar Bemerkungen er- lauben," unterbrach ihn Gude,„die, wie ich denke, beide Direk- toren der Bank für entscheidend ansehen werden— und die gerade das Verhältnis des letzten Direktors der Bank betreffen! Ich habe die russischen Kontrakte in meinem Bericht bisher nicht berührt. Das Materiol war unvollkommen. Aber es wird durch persönliche Erfahrungen, die ich in Archangelsk gemacht habe, vervollständigt." Pauli hatte die Hände auf dem Tische gefallet. Er rührte sich nicht, aber es kam ein schiefer Zug in sein Gesicht. Direktor Heine sah ihn aufmerksam an. Gude fuhr fort:„Auf Grund meiner Revision und gestützt durch eine Erklärung, die ich persönlich beeiden kann, bezichtige ich Direktor Pauli des Betruges gegen die Dänische Werst." Alle schwiegen. Die Gesichter der drei Männer waren völlig eins in ibrem Ausdruck: abwartend. „Aus den Büchern der Werft geht hervor," fuhr Gude fort,„daß dem russischen Ingenieur Isay Michailoff, der im j Auftrage der Murmanbahn hierherkam, um den Bau von drei[ Eisbrechern zu beaufsicktigen, eine Summe von dreihundert- MseM Rubeln ausbezahlt worden ist. Zur Bezahlung dieses
Betrages ist die erste— und einzige eingegangene— Rote angewandt, die die russische Regierung auf die Kaufsumme der Schiffe bezahlte." Pauli zuckte die Achseln.„Und die Geschichte finden Sie wert, sich selbst und uns andere damit aufzuhalten?" „Ich habe mich darüber gewundert," sagte Gude,„welchen Nutzen Herr Michailoff der Dänischen Werst als Entgelt für das betreffende— sagen wir: Salär geleistet hat!" Jetzt lachte Pauli lustig auf:„Salär! Nein, nennen Sie es nur ruhig beim richtigen Namen: Bestechung. Herr Michai- loff verschaffte uns den Auftrag bei seiner Rcgiening. Glauben Sie, daß ein russischer Beamter in der zaristischen Zeit so etwas umsonst tat? Die erste eingezahlte Rate auf die Kauf- summe für ihn! Das war von vornherein ausgemacht." „Ja, das weiß ich," sagte Gude.„Das geht aus der Korrespondenz hervor, und die Bücher weisen nach, daß der Betrag richtig an Herrn Michailoff ausbezahlt wurde. Seine Quittung für die volle Summe liegt vor.— Indessen hat er nur den halben Betrag empfangen." Pauli zog die Augenbrauen hoch und sah lächelnd auf die anderen, aber Gude beobachtete, daß sein Gesicht blank wie Gelatine war, offenbar schwitzte er. „Die andere Hälfte," fuhr Gude fort,„hat Herr Michailoff nach vorhergegangener Vereinbarung dem Direktor der Däni- schen Werft, Herrn Andreas Pauli, ausbezahlt!" Pauli schlug krachend mit der geballten Faust auf den Tisch.„Das sollen Sie beweisen!" Gude beugte sich zu ihm hinüber. Er sah in diesem Augenblick die Szene im Klubhause von Archangelsk vor sieh: die bleichen Flüchtlinge in zerknüllten Kleidern, die nervös- phlegmatischen Engländer und den Champagner schlürsenden. mit seinen schwarznägeligen Fingern eine Zigarette aus seinem goldenen Etui suchenden Jsan Michaffoff— hörte wieder seine schleppende Stimme, sah wieder sein Grinsen, als er die kleine Affäre mit dem Direktor der Dänischen Werft beschrieb. Und bier saß sein Makler, Andreas Pauli, dieser gefräßige Gorilla. mit stinen Goldzähnen grinsend, zynisch wie der rülpsende Russe, aber vor Furcht säiwitzend. „Ich wiederhole," rief Gude,„daß ich mich erbiete, meine Erklärung zu beeidigen. In Archangelsk traf ich Ingenieur Michailosf. Er bestätigte mir, daß sein Salär ausdrücklich mit dem doppelten Betrage in den Büchern der Werft angc- führt wurde, damit Direktor Pauli seine Hälfte bekommen konnte!" __ � 1 �(Fortsetzung solgt-l