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Nach dem Reichskanzler nimmt in der gestrigen Reichstags- fitzung zur Begründung der Steuervorlagen das Wort Reichsfinanzminister Vr. Hermes zählt zunächst die verschiedenen Gesetzentwürfe auf, die dem Reichs- tage zugegangen find, und fährt dann fort: Außerdem find ent- scheidend« Maßregeln auf dem Gebiet des T a r i f w e f e n s bei den Reichsbahnen und bei der Reichspost in Vorbereitung. Auf steuerlichem Gebiet wird weiter ein Entwurf zur Abänderung des Vermögens- und des Erbfchaftsfteuergesetzes sowie zur Erhöhung der Umsatzsteuer demnächst vom Reichsministerium beschlossen werden. Auf dem Gebiete der Einkommensteuer sind die Arbeiten zur An- Fassung an die veränderten Verhältnisse im vollen Gange. Die Finanzen sind unzweifelhaft in einem schreckenerregenden Zustand«, wie noch nie seit Beendigung des Krieges.(Gelächter und Anruf bei den Kommunisten:Das haben Sie auch schon gemerkt�.) Die Gesamtausgaben des Reiches betrugen im März 3.8 Dillionen, im April 2,8, im Mai 3,9, im Juni 14,5, im Juli 37 Billionen. Hiervon waren durch Einnahmen gedeckt im März 21 Proz., im April 3öi4, im Mai rund 53 und im Juni 19 Proz. Nach Ausscheidung der Zuschüsse zu den Betriebsverwaltungen und der Kosten der Ruhrabwehr und der Durchführung des Friedensoer- träges waren gedeckt im März 58 Proz., im April 83, im Mai 199 und im Juni 42 Proz. der Ausgaben. Die schwebend« Schuld des Reiches hat sich unter dem Zwang dieser Verhältnisse seit dem 11. Januar von 1,ö Billionen bis zum 4. August auf 69,6 Billionen vermehrt. Abgesehen von der Ruhrabwehr und den notwendigen Be< soldungen lassen besonders die Reichsbetriebe und die Ausführung de? Vertrages von Versailles   die Ausgabenseit« so außerordentlich stark anschwellen. Die Ausgaben der allgemeinen Reichsverwallung, bei denen ich zurzeit das Extraordinarium noch nicht besonders er» rechnen kann, sind durch die Einnahmen jetzt ebenfalls nicht mehr gedeckt, der Mangel an Deckung erreicht aber hier kein Maß, das als unheilvoll angesehen werden müßte, wenn eine gewisse Ruhe­pause in der Abwärtsbewegung der Mark einzutreten schien, waren auch die Finanzen des Reiche« stets nahe daran, ins Gleichgewicht zu kommen. Immer wieder aber traten Ereignisse ein, die alle Be- mühungen zur Ausgleichung des Haushaltes vereitelten. Auch die letzte ungeheuerliche Entwicklung hat ihre Ursachen nicht im Jnlande, sondern im Auslande. Noch niemals seit dem Vertrag von Versailles  find Eingriffe in die deutsche   Hoheit, das deutsche   Finanzwesen und die deutsche   Wirtschaft in einem so unerhörten Maße vorgenommen worden, wie seit dem letzten halben Jahre im Westen des Reiches. Das Reich hat bisher alles versucht, um seinen Verpflichtungen nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nachzukommen. Diese Versuch« waren von finanziellen Anstrengungen begleitet, die ihre Wirkungen auf das Wirtschaftsleben und die Lebenshaltung des einzelnen nicht verfehlten. Wenn allen Bemühungen dennoch der Erfolg versagt blieb, so lag dies einerseits daran, daß das Maß der Leistungen, die von uns verlangt werden, in keinem Verhältnis zu unserer Leistung«- fähigkeit steht, und daß andererseits unsere Leistungsfähigkeit durch die außenpolitischen Verhältnisse, namentlich die unversöhnliche Hol- tung Frankreichs   von Tag zu Tag vermindert wird. Durch die Absperrung des Rhein- und Rohrgebiet» sind auch der Wirtschaft des unbesetzten Gebiets Fesseln angelegt, die ihre Rückwirkung auf die Reichseinnahmen üben. Die Gewaltakte im besetzten Gebiet brachten dort die Gütererzeugung zum Stillstand und wirkten zugleich lähmend auf die Wirtschaft im unbesetzten Gebiet i» der ausgesprochenen Absicht Frankreichs  , hierdurch dem Reich seinen politischen Willen aufzuzwingen. Wenn trotz der ungeheuren Schäden und der brutalen Gewalt da» Wirtschaftsleben des. gesamten Reiches noch in Gang gehalten werden konnte, so ist da»«in Zeichen für d!« Entschlossenheit des deutschen Volke», sein Recht und seine Freiheit zu verteidigen.(Beifall.) Aber die unaufhaltsam rasend« Abwärtsbewegung der Mark hat auch die Preise tm unbesetzten Deutschland   ins Ungemessene gesteigert. Der Minister wendet sich dann den einzelnen Kapsteln der Aus- gabewirtschaft zu. Bei der Ruhrabwehr mußten im wesentlichen die- jcnigen Crwerbskreise unterstützt werden, auf welchen die Last des Kampfe» in erster Linie ruht. Das Schwinden der Absatz- Möglichkeiten machte die Erschließung von Krediten für die Industrie zum Zwecke der Aufrechterhaltung und Fortführung ihrer Betriebe notwendig. Dabei wurde darauf Bedacht genommen, zu verhindern, daß durch Papicrmarkkredit« bei einer weiteren Ent- wertung der Mark den Beteiligten ein ungerechtfertigter Vorteil zu Lasten de? Reiches entstehen tonnte. Wie im Kontrollausschuß dts Reichstags im einzelnen dargelegt worden ist. sind die Kredite grundsätzlich in wertbeständiger Form gegeben worden. Auch durch den neuen Entwurf über die Erhebung eines Opfers für Rhein   und Ruhr kann eine vollkommen« Deckung der Schäden des Ruhreinbruchs nicht erzielt werden. Bei den Eisenbahnen ist durch die Besetzung ein besonders hoher Aussall an Einnahmen zu verzeichnen. Dies« Verwaltung hat daher besonders große Anforderungen an die Reichstasse gestellt. Di« allgemeine Wirtschaftsentwicklung und die Geldentwertung hatte namentlich bei Post und Eisenbahn  sprunghaft aufeinander folgende Erhöhungen der Personen- und Sach- ausgaben zur Folg«. Trotzdem würde die Reichsbahn im Rechnungs- jähr 1922 die laufenden Ausgaben durch die Einnahmen gedeckt haben, wenn nicht der Ruhreinbruch erfolgt wäre.(Hört, hört!) Der Fehlbetrag stellt sich trotzdem nach vorläufiger Feststellung nur auf etwa 370 Milliarden. Auch für 1923 muh mtt einem Fehlbettag g«. rechnet werden. Jedenfalls wird durch äußerste Sparsamkeit und Tarifmaßnahmen Vorsorge gettoffen werden, daß die Ausgaben des ordentlichen Haushalts nach Möglichkeit durch Einnahmen gedeckt werden. Die R e i ch s p o st tonnte sich mit ihren Gebührensätzen der zunehmenden Geldentwertung nicht schnell genug anpassen, weil sie an die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften gebunden ist und die Tariferhöhungen einen Verkehr».rückgang zur Folge hatten. Sie hatte 1922 einen Fehlbettag von rund 200 Milliarden. Für 1923 rechnete man mit einer Billion Fehl- betrag, der bei stetige» WirtschafteverhälMissen allmählich hätte ab- gebürdet werden können. Die scit April in besonderem Maße«m- getretene Geldentwertung hat jedoch den Fehlbetrag wesentlich er- höht. Seine Abbürdung wird durch weitere energische Einschränkung der Ausgaben und durch Tariferhöhungen ersttebt, deren nächste am 1. September erfolgen soll. Um die unerläßlich« schnellere Anpassung der Einnahmen an die Geldentwertung zu erreichen, sollen auf meine Anregung die Tarife der Eisenbahn und Post auf wertbeständiger Grundlage aufgebaut werden in der Weise, daß für die Tarife feste Grund- zahlen bestimmt und diese mit einer der jeweiligen Wirtschaftslage entsprechenden Schlüsselzahl vervielfältigt werden. Die Berhandlun- gen hierüber sind in vollem Gange, sie stehen vor dem Abschluß: die neuen Maßnahmen sollen bei der Reichsbahn mit dem 1. September, bei der Reichspost mit dem 15. September eingeführt werden. Die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts der Reichsbahn und de? Posten sind auf das äußerste eingeschräntt: die ziffernmäßige Er- höhung der Geldbetrags ist lediglich durch die Geldentwertung b«- dingt. In seiner gegenwärtigen furchtbaren Lag« ist da» Reich noch gezwungen,' gewaltige Anforderungen für die Ausführung des Friedensverträge» zu machen. Während der Dauer d«r Ruhrbesetzung   sind bi» zum 20. Juli hierfür fast ö Billionen Mark im Reichshaushalt aufgebracht worden, darunter für Reparationsbarzahlungen 92? Milliarden, für Lieferung von Kohlen, Koks und Nebenprodukten, hauptsächlich an
Italien  , 327 Milliarden, für Viehlieferungen 164 Milliarden, Wiederaufbaulieferungen 2297 Milliarden, Ablieferung von Schissen 290 Milliarden, englische Sanktionsabgabe 1000 Milliarden, Be- satzungskosten und Interalliierte Kommissionen 624 Milliarden. Die durch diese 6 Billionen Papiermark bewirkten Lieferungen und Lei- stungen stellen folgende Goldmarkwerte dar: Die am Ruhreinbruch nicht beteiligten Staaten haben vom 1. Januar bis 31. Juli 1923 Sachleistungen im Werte von rund 270 Millionen Goldmark erhal- ten, dazu tteten 258 Millionen Goldmark, die zur Einlösung der auf 'Grund des Beschlusses der Reparationskommisston vom 81. August 1922 an Belgien   begebenen Schatzwechsel in bar bezahlt worden sindl Es kann vor der Welt nicht laut und deutlich genug beloai werden. daß das von Frankreich   unerhört vergewaltigte Deulschland neben seinen allgemeinen großen Opfern noch derart gecvallige Reparations­leistungen bewirkt hat. Zu der Vermehrung der schwebenden Schuld zwischen dem 11. Januar und dem 31. Juli hat also die Ausführung oes Verfailler B«rttages sehr wesentlich beigettagen. Was die Vermehrung der Einnahmen betrifft, so steht unter den neuen Dorlagen in erster L'mi« der Ent- wurf eines Gesetzes für das Opfer für Rhein   und Ruhr. Dieser Ent- wurf will vor ollem die leistungsfähigen Steuerpflichtigen in großem Umfange auf Grund der Einkommen- und Körperfchaftssteuervor- auszahlungen heranziehen. Redner geht auf die Einzelheiten des Entwurfs ein. Das finanzielle Ergebnis des Rhein  - und Ruhropfers wird sich erst auf Grund der Ausschußverhandlungen genauer über- sehen lassen. Auf alle Fälle wird es sich um gewaltig« Bil» lionenbeträge handeln. Der Entwurf über Abänderung einzelner verbrauchssteuergefeßa will die B i e r st e u e r, die nach den vom Reichstag zuletzt be- fchlossenen Sätzen, gemessen an den Brauereipreisen vom 16. Juni 1923 2,8 bis 3,7 Proz. bettägt, gegenüber einer Vorkriegsbelastung von 13,6 Prozent auf die Höhe bringen, wie st« 1918 geplant war, nämlich auf 20 Prozent der Brauereipreise. Diese Belastung muh erreicht werden rntd ist bei der Leichtigkeit, mit der heute Bierpreis- erhöhungen gefordert und gezahlt werden, auch ttagbar. Der Ertrag dieser Biersteuer kann auf 6,6 Billionen geschätzt werden. Das M i- neralwofferfteuergefetz soll aufgehoben werden. Neben der Erhöhung der Biersteuer sollen bei den Verbrauchssteuern Bier-, Zündwaren-, Leuchtmittel-, Spielkarten«, Salz-, Zucker- und Kohlen- steuern die Fälligkeitsfristen wesentlich gekürzt werden. Eine ähnliche Regelung wird bei dem Weinsteuergesetzent- wurf im Herbst dieses Jahres erfolgen müssen; außerdem werde ich wegen der Beseitigung des Zahlungsaufschubs und der Festsetzung entsprechender Fristen für die Tabaksteuer Vorschlägt machen. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Tabaksteuer unter grundsätz- licher Beibehaltung des Banderolensystems eine Aenderung dahin erfahren müssen, daß die Nachteile beseitigt werden, die dem Kleinhandel aus der infolge der Geldentwertung notwendig werdenden Nack/Versteuerung erwachsen. Das Stellerzins- g e s e tz endlich wird die Möglichkeit schaffen, daß sowohl die Per- zugszinsen für Zahlungsaufschub und Stundung als die Zuschläge für verspätete Zahlungen der Einkommen-, Körpersthasts». Vermö­gens-, Erbschaft«, und Umsatzsteuer seweils vom Finanzministcr nach der Geldentwertung festgesetzt werden können. Reben diesen Maß- nahmen wird in den morgigen Avsschnßberatvngen zu prüfen sein, ob nicht noch andere schnellfließende und ergiebige Steuereinnahmen erschlossen werden können. Schließlich bleibt noch die Neuregelung der Vermögens-, Erbschafts  -, Einkommen- und Körperschaftssteuer. Bezüglich der Vermögenssteuer müssen für die Bewertung der Ver- nnlagung, solange die schwankenden Verhältnisse andauern, die tat- sächlichen Verhältnisse am Stichtage zugrunde gelegt werden. Weiter wird die nächste Veranlagung für die Vermögenssteuer bereits im Zahre 1924 auf Grund des Vermögensstandes vom 31. Dezember 1923 erfolgen müssen, da die letzte Veranlagung nach dem Stande vom 31. Dezember 1922 wegen der Unzulänglichkeit der Bewertungs- Vorschriften und wegen der inzwischen eingetretenen Geldentwertung unmöglich für ein« Steuerleistung von drei Jahren gelten kann. Bei der Erbschaftssteuer sollen die Bewertungsvorfchriften nach den tatsachlichen Verhältnissen am Tage des Eintritts der Steuer- pflicht nach den Vorschriften des Vermögenssteuergefetzes gelten. Außerdem wird der Tarif des Erbschaftssteuergefetzes beweglich ge- stellt werden müssen. Der Entwurf zur Abänderung des Bermö- gens- und des Erbschaftssteuergefetzes liegt dem Reichsministerium bereit, vor und wird von ihm in den nächsten Tagen verabschiedet werden. Ich werde ferner im Herbst«inen Gesetzentwurf wegen Aenderung des Einkommensteuergesetzes vorlegen, bei dem auch die sonstigen grundlegenden Fragen, insbesondere die Einführung der Goldrechnung, der Goldbilanz und de» GoN>karifs eingehend geprüft und erörtert werden. Die Frage der Goldbilanz und der Goldrechnung spielt seit längerer Zeit bei der rasend fort- schreitenden Verschlechterung der Mark ein« groß« Roll«. Ich kann durchaus oerstehen, wenn die Entwicklung der- letzten Tage den Wunsch allgemein werden läßt, daß neben der Papiermark. dem geltenden Zahlungsmittel, eine feste Rechnungseinheit auf einer Art G o l d b a s i s geschaffen wird, die es ermöglicht, Klar- eit in die Vermögens-, Betriebs, und Einkommensoerhältnisse zu ringen. Um Irrtümern vorzubeugen, möchte ich betonen, daß es sich dabei nicht etwa um eine Aenderung unserer Währung, sondern nur darum handeln kann, die Arbeit an der Wiederher st ellung der Goldbasi» für unsere Währung nach besten Kräften zu versuchen. Die Einführung einer Ostmark hat damit nichts zu tun. Die Festmort kann lediglich einen neuen Maßstab für den Wert- Inhalt der Geldschulden und der in Geld festzusetzenden regelmäßigen Leistungen schaffen. Da die Frage der ernstesten Prüfung wert ist. habe ich hervorragend« Sachverständige berufen. Zunächst hat sich au- deren Erörterungen die Notwendigkeit ergeben, durch Gutachten von Wissenschaftlern und Praktikern. die Möglichkeit der Durchführung der Festmartrechnung in der kmifmäunifchen Buchführung und damit die Aufstellung einer reinen Festmarkbilanz feststellen zu lassen. Ueber den Wert und die Wirkung der Festmartrechnung namentlich auf steuerlichem Gebiet gingen die Meinungen der Sachverständigen auch noch erheblich auseinander. Nach Durch- führung aller von mir vorgetragenen Maßnahmen werden die For- derungen an die Wertbeständigteit von Steuern bereits weitgehend erfüllt fein. Seit langem wird die Forderung nach einer grundlegen- den Steuerreform erhoben. Sie ist berechtigt, wenn es sich darum handelt, unser Steuerwesen, das gewiß nicht ideal und wohl ver- besserungsbedürftig ist, auf.fester Grundlage und auf weite Sicht zu ordnen. Aber bei Verhältnissen, wie wir sie heute haben, kann es sich in erster Linie nur darum handeln, mit den vorhandenen Mitteln und mit dem vorhandenen System oder im engsten An- schluß daran den Geldbedarf des Reichs so rasch und so ein- fach wiemöglich zu decken, und zwar so, daß dabei die Leistungs- fähigkeit des einzelnen im großen ganzen berückstchttgt wird. Als. bald aber muß die Reuregelung des finanziellen Verhältnisses zwischen Reich. Ländern und Gemeinden in Angriff genommen werden. Die Reichssteuerüberweisungen an die Länder und Gemeinden stellen nur einen Bruchteil der Bettäge dar, die den Ländern und Gemeinden als Zuschüsse zu den Besol- düngen ihrer Beamten und Angestellten überwiesen werden. Die Last der Besoldungszuschüsse erfährt nach dem neuen Finanzausgleichsgesetz durch die Einbeziehung der Geistlichen und Kirchenbeamten, durch die Zuschußpflicht de» Reichs
gegenüber den nichtstaatlichen und nichtkommunalen Anstalten, vis Aufgaben der öffentlichen Wohlfahrtspflege und des öffentlichen Bil- dungswefens erfüllen, eine wesentliche Vermehrung. Dazu kommen die Beträge, die die Länder für Aufgaben erhalten, die von jeher eigentliche Landesausgaben waren: Aus dem Gebiete der Polizei, auf sozialpolitischem, auf kulturellem und w i r t- s ch a f t l i ch e m Gebiet. Dazu sind die Länder durch die Darlehen des Reichs zur Behebung der Zahlungsschwierigkeiten ihrer Gemeinden und Kirchengemeinden in wachsende Verschuldung gegenüber dem Reich geraten. Diese Röte sind so groß und die Ver- strickung zwischen Reich-, Länder- und Gemeindefinanzen ist so eng geworden, daß das Reich allein mit seiner Gesetzgebung nicht helfen kann. Auch Länder und Gemeinden müssen alles aufbieten, um zwischen ihren Einnahmen and Ausgaben ein erträgliches verhälttns herzustellen. Wenn auch die Länder sich nicht von der Finanzhilfe des Reichs unabhängig machen und ihre Aufgaben nicht ohne Reichs- Zuschüsse lösen können, so bedarf es in den Ländern doch sorgfältigster Prüfung, ob eine stärkere Ausschöpfung der eigenen Einnahmequellen möglich und eine größere finanzielle Selbständigkeit. erzielbar ist. Jede Maßnahme, die ein Land trifft, um die ihm über- lassenen Steuern voll auszunützen, um die Verwaltung seines Eigen- tums, seiner Forsten, Domänen, Bergwerke und sonstigen Betriebe rentabler zu gestalten, verringert die Inanspruchnahme des Reichs und kommt dadurch dem Reichsganzen zugute. Um zu solchen Maß- nahmen anzureizen, wird es Aufgabe des neuen Finanzausgleichs fein müssen, den Ländern und Gemeinden ein größeres SelbstbesUmungsrechk auf dem Gebiete der Einnahmen zuzubilligen, als sie heute besitzen. Die Wirkung der zur Beschlußfassung des Reichstages oorge« legten Steuergesetze kann nicht auf allen Gebieten sofort eintreten. Auch kann durch Steuern allein der Kamps nicht finanziert werden. Da wir aber die schwebende Schuld nicht so weiter wachsen lassen dürfen, hat sich die Reichsregierung entschlossen, erneut an den An- leihe markt hercmzutteten. Wir lxtben das zuletzt getan, als wir die dreijährigen Dollarfchatzanweijungen auflegten, welche die Garantie der Reichsbank waren. Da eine Beibehaltung dieses Typs mit Rücksicht auf die Reichsbank nicht in Frage kommen kann, habe ich mich im Einvernehmen mtt der Reichsregierung entschlossen, an den Anleihemarkt mit Schatzanweisungen heranzutteten, die eine zwölfjährige Laufzeit besitzen und die gleich« Verzinsung wie die Dollarschatzanweisungen haben. Auch diese Schatzanweisungen sind wertbestänidg, 4,20 M. sind gleich 1 amerika- nischen Dollarseine Einzahlung in Devisen wird nicht oerlangt, aber durch den Ausgabekurs wird die Einzahlung von Devisen begünstigt. In dem Gesetz über die Sicherung und steuerliche Behandlung einer wertbeständigen Anleihe des Reichs würden diejenigen Maßnahmen vorgelegt, welche eine solche Schatzwechselousgabe bis zum Betrage von 500 Millionen Mark Gold in ganz besonderer Weise sichern und begünstigen soll, sichern durch Ermächtigung der Reichsregierunq, für di« Deckung des Zinsendienstes Zuschläge zur Ver- mögenssteuer zu erheben. Wenn 500 Millionen Mark Gold ge- zeictznet'werden, und zwar nur in den Stücken von 42 Mark Gold und darüber, so würde dies einen jährlichen Aufwand von 30 Millionen Mark Gold erfordern. Nach der Ausschaltung, die die Vermögens- steuer erfahren soll, ist der Zuschlag tragbar. Die Sicherung für die Rückzahlung des Kapitals besteht darin, daß auch für diesen Zweck Zuscbläge zur Dermögensstouer erhoben werden können. Die Be-' günstigung der neuen Schatzanweisungsanleihe besteht in der B«- sreiuna von der Bärsenumsatzsteuer und von der Erb- i s ch a f t s st« u e r. Di« Befreiung von der Erbschaftsstsuer ist auf die felbstgezeichneten Stück« beschränkt, st« wird der lanfristig�.i Anlegung von Kapital bedeutenden Vorschub leisten. Die Befreiung von der Börsenumfatzsteuer wird dazu beitragen, daß Betriebs- tapitalien leicht und ohne jeden Nachteil in diesem Papier angelegt und vor Entwertung geschützt werden können. Versuche,«ine Wert- b e stand i gleit durch Begründung auf Getreide, Kohle, Kali und anderen Werteinheiten zu schaffen, sind im Publikum im allgemeinen mit großem Interesse ausgenommen worden. Das Reich muh heut« dem allgemeinen Bedürfnis noch einem solchen Anlage- papier entsprechen, wenn es überhaupt an den Kapitalmarkt heran­tritt. Das Problem läßt sich mit raschen Gewaltmaßnahmen nicht lösen. Die Mark kann ihrer Funktion als Wertmesser ohne weiteres entkleidet werden. E» muß aber umfassend dafür gesorgt werden, daß die Bereicherung von Kreditnehmern, welche bisher in erschreckendem Maße mit der Aufnahm« von Papiermarkkredite« verbunden war. ihre Ende finde. Damit hat sich die Reichsbank bereits, wenn sie auch das Diskontieren des als Zahlungsmittel umlaufenden Warenwechsels noch nicht auf- halten kann, entschlossen, wo di« Forderung wertbeständiger Kredite angängig ist, die Sicherung der Wertbeständigkett ihrer Kredite zu for- dem. Die gleiche Maßnohme wird von den Darlehnskassen, abge- sehen vom Kleinverkehr, überall da durchgeführt, wo der Kredit auf Grund von wertbeständigen Pfändern nachgesucht wird.. So wird di« Geschäftswell und das Publikum immer stärker wertbeständige Anleihen brauchen. Diesem Bedürfnis sollen die neuen Schatzan- Weisungen entsprechen. Um«inen sicheren Ueberblick über die spätere Gestaltung der Reichssinanzen zu gewinnen, ist es von besonderer Wichtigkeit, das wahr« Gesicht unseres Haushalts zu erkennen, das heute durch den Schleier der Papiermark oerhüllt ist, und dabei festzustellen, auf welchen Ausgaben mit in erster Währung zu rechnen haben und auf welche Ertröge wir auf anderer Seite rechnen können. Dies« Unter- fuchungen, die außerordentlich schwierig und zeitraubend find, sind in meinem Ministerium im vollen Gange und stehen vor dem Ab­schluß. Soweit sich da» Bild heute kennzeichnet, ist es nicht hoffnungslos. An der Möglichkeit einer inneren Gesundung brauchen wir nicht zu verzweifeln. Allerdings wird ein großes Maß von Entschlußkraft der Reichsregierung und des Reichsiages dazu gehören, um zum Ziele zu gelangen. Aber die Beschlüsse müssen und werden gefaßt wer- den. Inzwischen müssen wir der Welt täglich beweisen, daß wir aus eigener Kraft das Letzte zu unserer Erhaltung herzugeben ent- schloffen sind. Und ich bitte Sie daher im Namen der Reichsregie- rung, ohne Verzug an die Regelung der Ihnen unterbreiteten Finanzoorlagen zu gehen.(Beifall.) Präsident Löbe teilt mit, daß nach einem Beschluß des Aeltssten- rats die Aussprache über die Regierungserklärung morgen beginnen soll. Abg. Svenen(Komm.) beantragt zur Geschäftsordnung, die De- botte sofort zu beginnen, damit die unerhörte Rede des unfähigen Reichskanzlers(Unruhe rechts) nicht einen Tag ohne Widerspruch ins Land gehe. Arbeiterdelegationen der Berliner   Großbetriebe hätten diese Forderung an den Reichstag gerichtet. In vielen B e- trieben fei schon passive Resistenz proklamiert worden, um Cuno» Rücktritt zu erzwingen.(Gelächter.) Abg. Müller-Franken(Soz.): Die Kommunisten haben heute im Aellestenrat der Vertagung der Aussprache zugestimmt.(Ruf bei den Komm.: Da wußten wir noch nicht, daß Cuno solch unmögliches Zeug quasseln würde!) Dann haben Sie also von diesem Staats� mann eine Red« erwartet, di« Ihnen gefallen würde!(Heiterkeit.) Wenn der Reichstag nach dieser Begründung dem Antrag der Kom- munisten zustimmen würde, so wäre das die Abdankung des Paria« ments.(Beifall bei der Mehrheit.) Der Antrag Svenen wird abgelehnt. Um H6 Uhr Vertagung auf Donnerstag 2 Uhr(Aussprache über die Regierungserklärung).