Nr. 409 40.Jahrgang Rusgabe A nr. 204
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Sonntag, den 2. September 1923
England und der Orientkonflikt.
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" Die Situation ist ernst, wahrscheinlich so wie 1921." Bom Osten weht ein scharfer Wind. Grischa Sinowiews
Außenminister Curzon unterbricht seinen Urlaub.- Debatte im Völkerbundrat. Fanfarentöne find nur äußere Beſtätigung für das, was hinter
Paris , 1. September. ( Eca.) Wie man erfährt, hat Lord Curzon heute gegen 12 Uhr feinen Sommeraufenthalt in Bagnoles abgebrochen und fid) nach Paris begeben. Sein Aufbruch hängt mit der Lage im Orient zusammen. Cord Curzon, der fich sowohl mit Baldwin in Wig les Bains als auch mit der Downingfireet in fländigem Gedankenaustausch befindet, wird eine Unterredung mit dem englischen Botschafter in Paris haben, deren Ergebnis darüber entscheiden wird, ob Lord Curzon nach Condon meiterreist.
flawischen Konflikts, der dem Rat feinerzeit unterbreitet wurde, ohne daß Italien die Zuständigkeitsfrage erhoben hätte. Branting- Schweden unterstützte Cecils Ausführungen und erklärte, daß alle fleinen Staaten seiner Ansicht wären. Die Frage fei eine Lebensfrage für den Bölberbund. und lehnte die Zuständigkeit der Botschafterkonferenz ab. Sa Bolitis trat nechmals für die Zuständigkeit des Rates ein landra erklärte, daß er seine Stellungnahme zu der Frage der Zuständigkeit sich vorbehalten müsse. anotaur. Frankreich sowie die anderen Ratsmitglieder ergriffen während der Debatte überhaupt nicht das Wort. Die Frage ist damit ungelöst. Sie beteiligten sich erst an der Aussprache über die Abfaffung des Kommuniqués, die zu längeren Schwierigkeiten führte, bis man fich auf eine Entschließung einigte, in der Bertagung fest gestellt wurde und in der beide Parteien aufgefordert wurden, sich weiterer feindseliger Handlungen zu enthalten.
Zusammenkunft Curzon- Poincaré.
den Kulissen der KPD . vor sich geht. Mag auch Radek sich durch seinen scheinbar zur Vorsicht mahnenden Artikel ein Alibi zu verschaffen suchen, so fann doch der Kundige genug Anzeichen erkennen, die die fieberhafte Arbeit der„, grauen Kardinäle" in Deutschland anzeigen. Es soll und muß zur Jebe Gelegenheit wird benutzt, um das Feuer zu schüren. Aktion" fommen. Bald mit den Faschisten, bald gegen sie. Manchmal scheint die Einpeitscherarbeit selbst führenden Kommunisten zu starker Tabat zu sein. Das ergibt sich sehr deutlich aus Aufzeichnungen in einem Protokoll über eine kombinierten Sigung der Bezirks- und Ortsleitung der Kommunistischen Partei in Bremen vom 12. Juli d. J. Danach äußert sich ein Mitglied der Bezirksleitung( das auch der Bremer Bürgerschaft angehört) über den am 13. Juli veröffentlichten Aufruf der kommunistischen Zentrale in folgender Weise:
Die Besorgnisse der britischen Regierung über das Borgehen Mussolinis gegen Griechenland werden auch offiziös durch Reuter ausgesprochen und hinzugefügt, daß man schied liche Regelung verlangt. Der Londoner Korrespondent des „ Echo de Paris" berichtet, daß England Interventionen nicht abgeneigt sei, weil England als erste Mittelmeermacht fich durch die Initiative Mussolinis bedroht fühle und man für die Sicherheit Maltas und Cyperns Befürchtungen Als dieser Aufruf von der Zentrale antam, hatten wir alle drei habe. Man glaube, daß die Belegung von Korfu nur der erfte Schritt einer Politif sei, die darauf abziele, die Paris , 1. September. ( Eca.) Lord Curzon, der heute einmütig Bedenten gegen diese Art Kundgebungen. Es ist italienische Herrschaft im Mittelmeer zu sichern. Der abend 46 Uhr in Paris eintraf, hatte um% 8 Uhr am Quai nicht das erstemal, daß die Zentrale in einem derartigen Ton Politik zu machen versucht. Es ist genau so wie am Jahre 1921, genau dieitalienische Botschafter hatte am Freitag eine längere Unter- d'Orsay eine kurze Besprechung mit Poincaré . Wie in redung im englischen Außenministerium. selbe Tendenz. Offen und deutlich spricht daraus die direkte Aufoffiziösen Kreisen Derlautet, war Die Zusammen. funft in der Hauptsache ein Höflichkeitsbefuch. Es sind jedoch die zu gehen. Es wird einfach behauptet, daß ein Losschlagen am forderung zur Einzelbewaffnung der Arbeiter, um gegen die Faschisten Fragen der Reparationen und der Ruhr sowie die letzten 14. Juli geplant sei, ohne auch nur ein Dokument dafür bekannt zu italienisch- griechischen Zwischenfälle furz in der Unterhaltung angeben. Es sind feinerlei Unterlagen für die als Tatsache hingegeschnitten worden. stellten Faschistenbewegungen vorhanden.
Mussolini sucht Rückendeckung bei Frankreich , dessen Regierung er wohl mitfühlendes Verständnis für Pfandnahme, Sanktionen und auch für Feuer auf Wehrlose zutraut. In einer von der Agenzia Stefani veröffentlichen Note heißt es, daß die freundschaftliche Haltung der französischen Regierung sowie die in der franzöfifchen Presse und der öffentlichen Meinung Frankreichs befundele Sympathie und Solidarität mit der Politit Italiens hätten das italienische VoIP tief gerührt. Diese Haltung Frankreichs würde einen günstigen Einfluß auf die Beziehungen der beiden großen verbündeten Nationen haben.
Menßerungen Brantings.
Ein anderer Redner unterstrich diese Ausführungen durch folgende Bemerkungen:
Dies ist nicht mehr und nicht weniger als eine wirkliche und beBern, 1. September. ( WTB.) Der Delegierte Schwedens wußte Provotation... Die Situation ist ernst, wahr. beim Bölferbund Branting sagte auf der Durchreise nach fcheinlich so wie 1921. Unmittelbar vor der MärzGenf dem Berline: Berireter der Schweizerischen Depeschen. attion tam ein Beauftragter der Exekutive aus Meskau, der Muffolini läßt eine Darstellung der Tätigkeit der Grenz- agentur u. a.: die Partei auf die März attion einstellte. Ich glaube, tommiffion verbreiten, worin die Vertreter Griechenlands „ Es ist fraglich, ob der Völkerbund in diesem Moment mehr daß das jest gleichfalls zu verzeichnen ist, wo die deutsche der Obstruktion bezichtigt werden, die auch der Botschafterrat als vielleicht eine Demonstration zugunsten seiner Delegation von der Sigung der erweiterten Erefutive mit dengerügt habe; die Mörder hätten der griechischen Uniform eigenen Univerfalität machen fann. Jetzt, wo an- jenigen Parolen zurückgekehrt ist, um der Partei einen vollständigen ähnliche Kleidung getragen, die griechischen Behörden seien scheinend Dreh zu geben. nachlässig gewesen und dergleichen mehr.
Die Beschießung der offenen Stadt Korfu wird von der italienischen Regierung damit begründet, daß der Forderung nach Hiffung der weißen Flagge auf dem Fort nicht nachgetommen worden sei.
gewisse Brücken zwischen der neuen Regierung Deutschlands
und der französischen Regierung gebaut werden, wäre es cine sehr schwierige Sache, von außen her in diese Annäherung oder in dieses ein wenig gebesserte Ber. hältnis einzugreifen. Man muß daher mit sehr großer Bor ficht die Frage der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund anfassen. Offenbar gibt es nach meiner Meinung eine Mehrheit für die fofortige Aufnahme Deutschlands , und zwar, denke ich, ohne neue besondere Bedingungen. Natürlich dürfte es Frankreich nicht gerne sehen, wenn
Griechenlands Appell an den Völkerbund. Genf , 1. September. ( WTB.) Der griechische Appell an den Bölkerbundrat, der vom 1. September battert ist und vom Chef des griechischen Sekretariats beim Bölkerbund, Politis, unterzeichnet wurde, spricht zunächst lebhafteste Entrüstung über die Mordtat von Janina aus. Die griechische Regierung habe sofort energische Maßnahmen ergriffen, um die Schuldigen ausfindig zu machen, und Deutschland in den Bölferbundrat spontan der italienischen Regierung das tiefste Bedauern ausge- hineinfommt, aber es ist selbstverständlich, daß ein Bolt von 60 sprochen. Aber ehe noch der geringste Beweis erbracht Millionen im Herzen Europas nicht außerhalb des Rates war über die Nationalität der Angreifer, ihre Beweggründe und des Bölkerbundes bleiben fann, sondern den ihm gebührenden Platz die näheren Umstände, unter denen sich das Verbrechen vollzog, hat einnehmen muß. Wenn die Spannung zwischen Frankreich und die italienische auf die griechische Regierung die moralische und Deutschland noch durch lange Zeit dieselben bleiben würde, wie materielle Berantwortung abgewälzt, Genugtuung und Wiedergut bis jetzt, so wäre es unmöglich, noch etwas zu hoffen. Wenn man machungen gefordert, die mit der Souveränität des Staates aber die Hoffnung hegt, daß diese Spannung in nicht allzu lange: und den Ehrbegriffen der Nation unvereinbar seien. Die griechische Regierung habe nachdrücklichst die Anschuldigungen zurüd- 3eit gemilbert werden kann, dann verstehe ich nicht, warum gemiesen und sich außerstande erklärt, den Forderungen nach. Frankreich es nicht auch annehmbar finden fönnte, mit zukommen, jedoch sich erboten, Genugtuungen und Wiedergut. Deutschland im Bölkerbundrat zu fügen. machungen zu leisten. Durch diesen außerordentlich verföhn. Es war ja der Grundgedante, alle zusammenzubringen, und lichen Schritt fei die griechische Regierung bis an die äußerste das geht nicht ohne Rußland und Deutschland , Grenze der Opfer gegangen, die mit der Ehre und der Souve gar nicht zu sprechen. Es ist nur eine Frage der Zeit. ränität Griechenlands vereinbar sind; sie hat Italien auch von ihrem Entschluß Kenntnis gegeben, den Böllerbundrat und dazu gehört ein anzurufen, um auf gütlichem Wege eine gerechte Regelung zu er langen. Demgegenüber wird der Generalfefretär erjucht, auf Grund der Artikel 12 und 15 des Bölferbundpaktes die Frage in fürzester Frift vor den Bölferbundrat zu bringen.
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Wir müssen den Glauben an eine bessere Zukunft bekennen,
Böllerbund mit Amerika Rußland und Deutschland . Schon daß man in Genf privatim über diese Frage verhandeln und vielleicht eine sehr verbreitete Stimmung in diefer Richtung fonstatieren tonn, wäre ein Schritt vorwärts. Wenn es möglich sein wird, einen Schritt weiter zu gehen, so wird Schweden sich nicht zurückhalten. Dazu bedarf es natürlich in Deutschland auch einer versöhnlichen und verstehenden Stimmung gegenüber dem Bölferbund. Die Agitation, die für den Bölkerbund in Deutschland einsetzte, hat bereits ihren Nugen getan.
Ergebnislose Debatte im Völkerbundrat. Genf , 1. September. ( WTB.) Aus der heutigen geheimen Ratssigung erfährt man folgende Einzelheiten. Politis. Griechen land hielt zwei Reden, deren sehr gemäßigter Ton Italien gegenüber allgemein auffiel. Er gab zu, daß Italien berechtigt fei, Genugtuung zu verlangen, betonte aber nachdrücklich, daß es nach dem Bölferbundspaft nicht ohne Einwilligung des Rats handeln dürfe, ohne sich Ganttionen auszusehen. Griechenland for Frankreich bewaffnet Spaniens Feinde. dere nicht, daß Artikel XVI des Battes, der die Sanktionen vorfieht, in Straft trete, aber es rege an, ohne daraus eine Bedingung zu Madrid , 1. September. ( WTB.) Die Preffe meldet, daß der madjen, daß Italien die Insel Korfu räume und den Status quo ministerrat die Absendung einer Profestnote an Frankreich wiederherstelle. Griechenland werde sich auf jeden Fall dem Be - wegen des Waffenschmuggels in Marotto beschlossen habe. schluß des Rats unterwerfen.
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Salandra Italien ging davon aus, daß er feine In. struttionen erhalten habe, er fragte den Rat, ob er sich überhaupt für zuständig halte und wies darauf hin, daß die Angelegenheit die Boff aftertonferenz angehe.
Cecil England erklärte in ausführlichen Darlegungen, daß über die Zuständigkeit des Rates fein Zweifel bestehen könne. Er berief sich auf das Beispiel des albanisch- füd
Der Hinweis auf die Situation im Frühjahr 1921 wurde noch von einem weiteren Redner gemacht mit der Betonung, daß die Situation jest genau so jei wie vor der Märzattion.
Die Zentrale stehe mehr unter dem Einfluß der Exekutive ( Moskau ), als unter dem der Massen.
Bon diesem Redner wurde die Wirkung des Aufrufs auf die übrige Arbeiterschaft sehr steptisch beurteilt. Er sagte:
In dem Kampf gegen den Faschismus müssen wir alles mobil machen. Auf Grund dieses Aufrufs aber hat die SPD . im besten Falle die Handhabe, uns derartig verächtlich und lächer lich zu machen, daß wir einen schweren Stand haben.
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Von dieser Auffassung bestimmt, hatte die Redaktion des Nordwestdeutschen Echo" sich erlaubt, an dem Aufruf der kommunistischen Zentrale einige Aenderungen vorzunehmen. Das Bureau der Zentrale der Kommunistischen Partei in Berlin hat dafür das genannte Blatt in nicht gerade fanfter Weise gerüffelt, indem es den Redakteuren folgenden Utas übersandte:
Ihr habt aus dem Euch telephonisch übermittelten Auszug des Aufrufes an die Partei einige taftisch wichtige Stellen weggelassen. Nach Ihrem gestrigen Anruf fann darin nur eine bewußte Sabotage erblickt werden. Wir fordern Euch dringend auf, den gesamten Aufruf, ohne auch nur ein Wort wegzulassen, zu veröffentlichen und in Zukunft alle Aufträge der Zentrale bis zum i- Bunft zu er füllen.
Solche Stellen beweisen, was leider viele Arbeiter immer wieder nicht recht glauben wollen, die vollständige Abhängigkeit der Kommunistischen Partei und ihrer Zentrale von Moskau und in den einzelnen Bezirken von der Barteileitung. Alles was nach außen hin als Betriebsräteorganisation, Parteilose, Kontrollausschüsse usw. ,, aufgezogen" wird, ist restlos in der Hand jener verbrecherischen Drahtzieher, deren Aufgabe es ist, russische Aufträge durchzuführen. Auch die Bremer werden nicht lange wider den Stachel gelöft haben, schon weil das Gold sie viel zu fest bindet. Deutsche Arbeiter fönnen daraus jedenfalls lernen, was für die fommunistischen Bonzen der Kampf gegen den Faschismus" bedeutet, nichts anderes mehr als die bequeme und billige Redensart, mit der man die Arbeiterschaft in Konflikte zu stürzen versucht, an deren Entwicklung man ein Parteiinteresse hat.
Für jeden Besonnenen ergibt sich daraus, daß er gegenNach dem gestrigen New Yorker Schlußkurs ist die Mart über den fommunistischen Provokationsmethoden die kühlste dort wieder etwas zurückgegangen. An Hand des Goldkurses Reserve bewahren muß. Das Verbot von Versammlungen für die Mark stellt sich der Dollar auf 11,11 millionen und Aufzügen unter freiem Himmel gilt nach rechts ebenso M art. I wie nah fints. Von den Behörden ist zu erwarten, daß fie