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M( werde die schweren Zeitm umso besser ertrogen, wenn man ihnen niemals den vollen Ernst der Lage sagt, damit es nicht aus der Erkenntnis dieses Ernstes der Lage heraus zum Pessimismus komme. Eine andere Art und das war die Art der englischen Füh- rung der össentlichen Meinung macht« kein chehl davon, wgs auf dem Spiele stand, um durch die Darlegungen dessen, um was es sich handelte, auch das letzte herauszuholen, den letzten Ansporn zu geben, um die Loge zu bessern. Mich dünkt, daß die letztere Art wohl die bessere ist.(Lebhafte Zuruf«: Sehr richtig') Wir sind in eine finanzielle Bedrängnis gekommen dadurch, daß die Ausgaben durch Reichseinnahmen nur zu einem sehr ge- ringen Prozentsatz gedeckt gewesen sind. Wir sind heute, abgedrängt uon Rhein und Ruhr, in einen wirtsckmstlichen Berfall gekommen, der dazu geführt hat, daß unser« Ausfuhr in wenigen Monaten von 000 Millionen ffioOdmorf auf 105 Millionen Goldmark zurück­gegangen ist. Wenn Sie sich vorstellen, daß wir vor dem Kriege eine Ausfuhr von 10 Milliarden Goldmark gehabt haben, so sehen Sie, was uns von der einstigen Stärke des Friedens geblieben ist. Es zeigt sich das eine: und darauf möge dos Ausland feine Blicke richten ein Deutschland ohne Ruhr und Rhein ist nicht lebens- fähig, ein Deutschland ohne die Verfügung über Ruhr und Rhein ist außerstande, irgendwelche Reparationsleistungen zu vollbringen. (Sehr gut!) Was brauchen wir demgegenüber? Welche Aufgaben stehen vor uns? Wenn ich von einem Kriegszustand sprach und un­zweifelhaft ist der Zustand an Rhein und Ruhr kein Friedenszustand dann, glaube ich, brauchen wir eine Wehrpflicht des Besitzes, aber auch eine wehrpslicht der Arbeit. Wir brauchen auch eine Wehrpflicht des Beamtentums gegenüber dem Reiche und gegenüber dem Staat. Ich beginne mit der Wehrpflicht des Besitzes. Sei man sich doch darüber klar, daß eine Entwicklung, die zur Besitzbildung führt, überhaupt nur so lange garantiert ist, als der Staat besteht, und als der verfassungsmäßige Staatsbegriff aufrecht erhalten werden kann.(Sehr richtig!) Wir werden zu starken Eingriffen kommen. Wir müssen das, was an wirtschaftlicher Kraft in Deutsch - land ist. soweit für den Staat in Anspruch nehmen, daß seine außen- politischen und innenpolitischen Bedürfnisse dadurch gedeckt werden. Wir erreichen den Frieden nur, wenn uns die Wirtschaft das goran- tisrt, was wir an Stelle der produktiven Pfänder brauchen. wir er rrichen im Innern die Ordnung des Staakshaus- huktcs. die Ausre<!,kcrhaltunp des ganzen Staates nur dann, wenn wir in erster Linie von dem Besitz ganz andere Opfer verlangen, als sie bisher in Anspruch ge- nommen worden sind. Es handelt sich darum, daß diese Wehrpflicht des Besitzes von uns in Anspruch genommen wird. Ihr muß aegenübersteben ei.ee Wehrpflicht der Arbeit. Wenn ich an den Derhältnissen des Ruhrqebiets eines am meisten bedauere, dann ist es die e r z w u n ge ne A r b e c t s lo f i g k e i t. die auch zu demoralisierenden Folgen führen kann und führen wird. Wir brauchen, soweit wir in der Lage sind, normale Verhältnisse wieder- herzustellen, auch die Lust und Liebe zur Arbeit. Wir brauchen da, wo lebenswichtige Notwendigkeiten des Staates vor- liegen, auch die Ueberarbeit für dos allgemeine Wohl. Wenn wir über den größten Teil des besetzten Gebietes nicht mehr verfügen, wenn die Kohlenproduttion sich unter Kontrolle vollzieht, dann müssen wir wenigstens im unbesetzten Gebiet da? letzte herausholen und zur. Verfügung des Staates stellen. Darum muß sich an die Wehrpflicht des Besitzes die Wehrpflicht der Arbeit reihen. Dritten aber ist notwendig die Hingabe des Beamtentums an den- Staat. Meine Damen imd Herren! Ich höre aus allen Ecken und Enden des Deutschen Reiches Anklagen gegen den Staat, daß er in wohlerworbene Rechte der Beamten eingreift. Die Reichs- regierung steht der Kritik und der manchmal außerordentlich scharfen Art der Kritik gegen das deutsch « Beamtentum fern, die in letzter Zeit erfolgt ist. Aber der Staat muß seinerseits in anormalen Zeiten wie den gegenwärtigen auch hier zuerst an sich selbst denken. Da, wo. es technisch und materiell nicht möglich ist. wohlerworbene Rechte aufrechtzuerhalten, weil sonst das Gefüge der Währung in Unord- nung kommt, kommt in er st er Linie der Staat, und ihm haben sich die anderen Notwendigkeiten unterzuordnen. Vir müssen das Interesse des Staates wieder in den Vordergrund stellen. Was bleibt von Deutschland , wenn Sie den Staat nicht haben? Und gegenüber manchen, die da glauben, diesen Staat ansehen zu können als ein Gebilde, das nicht berechtigt ist/von dem einzelnen zu verlangen, was der alte Staat nicht verlangt hat, möchte ich als meine Auffassung aufstellen wenn schwere und stürmische Zeiten kommen, mögen Sie sich an bisse? Wort erinnern: Wir lassen mit der Staatsautorität nicht Schindluder treibe»' Wir werden die Slaatsautorität durchsetzen gegenüber jedem. der da glaubt, sich über sie hinwegsehen zu tonnen. (Lebhafter Beifall.) Meine Damen und Herren! Ich weiß ja wohl, wie hart die Steuern treffen, die der letzte Reichetag doch beinahe ein- stimmig bewilligt hat, wie hart sie treffen in einer Zeit der Wirt- ichaftskrisis in der Industrie, wie hart sie treffen auch in den Zeiten scharfer Anspannung des Kredites in der Landwirtschaft. Wir haben Borsorge dafür getroffen, daß durch die bestehenden Staatsorgcmisa- tionen Kredite für Getreidelieserungen gegeben werden, auch für Getreidelieferungen, die zunächst nur angebahnt werden. Aber seien Sie sich darüber klar: wenn wir auch Rücksicht nehmen auf die Ausführung im einzelnen, so ist doch an der Idee solcher, daß die Steuern durchgeführt werden müssen, nicht im geringste« zu rütteln. Und ich möchte diejenigen, die ihre Einstellung zu diesen Steuern in der letzten. Zeit geändert haben, doch daran erinnern: der Staat wird nicht repräsentiert durch die Parteien oder durch die parteipolitische Einstellung dieses oder jenes Kabinetts. Man bewillig! die Steuern nicht einem Kabinett, man bewilligt sie dem Staat, man bewilligt sie dem Reich, damit da» Reich bestehen bleibt, und man kann die Zustimmung zu dem, was man beantragt und durchgeführt hat, nicht in Opposition oerwandeln, wenn da« äußere Antlitz des Staates sich geändert hat. Der Staat als solcher muh erhalten und weitergeführt werden!(Sehr lebhafter Beifall.) Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß diese Steuern nicht aus dem Einkommen bezahlt werden. Bei manche« dieser Steuern und bei manchen Maßnahmen, die wir weiter noch treffen müssen, handelt es sich um z Eingriffe in die Substanz. Aber auch hier möchte ich Sie bitten, sich zu vergegenwärtigen: was bleibt denn von der Substanz der Wirtschaft, wenn die Substanz des Staates sich nicht erhalten läßt? Im Neuen Testament ist die Rede davon, daß der Vater ein Kalb schlachtet, wenn der verlorene Sohn heimfindet in das Vaterhaus. Könnte man nicht auch einmal für das verlorene Vaterland ein Kalb schlachten, wenn es sich darum handelt, daß dieses Baterland sich wiederfindet zu derjenigen Ordnung seiner Finanzen, ohne die eine Aufrechterhaltung der Wirtschast für den einzelnen- nicht möglich ist?. Es ist nicht möglich, übcrall die Substanz zu schonen und den Grund» satz aufzustellen: an der Substanz darf nicht gerüttelt werden. Mögen die. die in der Wirtschaft stehen, das Eine sich vergegenwärtigen: wo ist die Substanz des geistigen Deutschlands geblieben, mit der das geistige Deutschland in den Krieg hineingegangen ist, seine Opfer für das Vaterland brachte und nun nach der Markentwertung vor dem vollkommenen Nichts steht. Eines möchte ich mit allem Ernste sagen: esgehtnicht, daß irgendwo däzu aufgerufen wird, die Steuern nicht zu bez»hlen»nd daß Aufruse erlassen werden an

solche, die an sich gar nicht ausgesprochen haben, daß sie sich der Steuern entziehen wollen. Wer in dieser Zeit eine Sabolierung der Sienern organisiert oder gar dazu aufruft, der gehör! nach meiner Meinung hinter Schloß und R-egel!(Sehr lebhafter Beifall.) Was Sie vom Reich verlangen können, ist ein anderes. Sie können von ihm mit vollem Recht verlangen, daß die Steuern verein» facht werden. Sie können verlangen, daß die Steuern über- sichtlich gemacht werden. Sie können verlangen, daß eine Finanz- reform kommt, die es dem einzelnen möglich macht, zu wissen, was er denn nun zu zahlen hat. Denn das hat beinahe aufgehörk. (Sehr richtig!) Es Hot nicht nur aufgehört für den Bürger, es har auch ich brauche damit niemand zu nahe zu treten oufgehörl für manchen Beamten in den Finanzämtern. In dieser Richtung dieses Konglomerat von aufcinandersolgenden Steueroorlagen auf eine gewisse primitive Form der einzelnen Steuern zurückzuführen, wird unbedingt notwendig sein. Wir sind uns der Tragweite der Schwierigkeiten, die zwischen Reich und Ländern besiehey, voll bewußt, und mit dem Reichsfinanzminister und mit dem Kabinett bin ich der Auffassung, daß wir den Ländern und den Kommunen wieder eine größere Selbständigkeit in der Erhebung von Steuern geben müssen. Dadurch werden auch die Beziehungen zwischen den Ländern und dem Reich, die manchmal vielleicht besserungsbedürftig sind, sich bessern können. Was uns auf dem Gebiete der Finanzen vor allem als Auf» hüb» vorschwebt, dos ist die Bekämpfung des Verfalls der deutschen Währung. Die Währung ist abhängig von der außenpolitischen und von der Lag« dep inneren Wirtschaft, und beides ist gegenwärtig derartig, daß nicht technische Mittel das gutmachen können, was sich als Folg« eines Wirtschaftszustondes erklärt, bei dem wir die gesamten Gehälter und Löhne beinahe des ganzen Rhein landes und des Ruhr gebiets aus der Staatskasse mit vielen Millionen täglich zahlen, ohne daß wir die geringste produktiv« Gegenleistung haben. Was wir zu tun haben, das ist das«ine, daß wir mindestens alle Einrichtungen treffen, um den psychologischen und m o r a» lisch«« Folgen des Währungsverfalls entgegenzutreten. Die innere Arbeit gedeiht nicht mehr, der Sparsinn ist vernichtet. Manchmal hat man die Empfindung, als tanzlen wir um den Dollar. wie man einstmals um das goldene Kalb getanzt hat. Gewiß ist auch hier eine stark« Schuld der Regierung zuzuschreiben. Wir mußten l ä n g st ein wertbeständiges Geld schaffen, um dem ein- zelnen die Möglichkeit zu geben, aus der Spekulatirn und aus der Devisenhamstsrci herauszukommen, und auch die ganz« Frage der Barauszahlung der Gehälter an die Beamten würde auf einer ganz anderen Grundlage stehen, wenn wir«in-derartiges wertbeständiges Geldzeichen hätten. Wir lzaben die Absicht, und das ist unser« nächst« Acssgabe, deutlich gesogt, die über- nächste ein solches wertbeständiges Geld in Deutschland zu schaffen. So schwer es uns wixd. damit zuzugestehen, daß die Mark zwar Zahlungsmittel ist, aber nicht mehr ein« feste Währung darstellt: Wir wollen die Goldmar? schaffen in der Hoffnung, daß man dann den Goldpfennig auch wieder ehren lernt. Wenn wir weiter durch die wertbeständige Anleihe und durch die einzelnen kleinen Stücke, die demnächst heraus- kommen, die Möglichkeit geben, wertbeständig zu bezahlen und Ber - mögen und Einkommen anzulegen, dann aibt es kein Recht. mehr auf Devisenbesitz im deutschen Volke. Di« Devifen gehören dann dem Reich«, dos der Wirtschaft dos Notwcndige zur Verfügung stellt. Private Devisenspekulation, die sehr wesentlich mit zur Zerrüttung der Mark von innen beigetragen hat. muß aufhören, wenn die Entschuldigung nicht mehr da ist, daß durch das Fehlen eines wertbeständigen Papiers der einzeln« gezwungen fei, sich in Devisen zu flüchten, weil die Papiermark ihn nicht vor Verlusten bewahre. Wir müssen eine Entwicklung anbahnen, die uns freimacht von jener Wechsel- slubcuatmosphäre, in der der einzeln« sich nur einrichtet nach dem Stand der fremden Devisen, und leider die Zahl derjenigen groß geworden ist, die an dem Steigen der fremden. Devisen ein eigenes Interesse haben. Wir müssen«inen Zustand herbeiführen, bei dem jeder einzelne nur an dem Steigen der M a r k«in Interesse bat und bei dem das Gefühl der Verachtung jedes anständigen Menschen denjenigen trifft, der in dieser Zeit i la baisse der Mark svekulien. dabei un- produktiv sich mit Devisen füttert und dadurch. sich aufrechterhalten will gegenüber einem allgemeinen Berfall. Ich glaube,.wir werden auch da Widersprüchen begegnen. Wir brauchen die Devilen für die Lebcnsmitteleinfuhr, wir brauchen sie zur Stützung der Mark, wir brauchen sie auch für die Zeit der Fortführung des Ruhrkamofes, und heute, wo niemand, der ibn kennt, daran zweifelt, daß es ums Ganze geht, da sollte der Eigennutz diejenigen, die als Private etwa Devisen besitzen, sich nicht mehr wehren gegen eine Idee, die dann ihr« Berechtigung nicht mehr hat, wenn die Wertbestöndiakcit der Goldanleihen, wenn die Wert- bestöndiokeit neuer Geldzeichen an die Stelle der heurigen Papier- mark tritt. Wir stehen vor einer großen Arbeitslosigkeit in Deutschland . Sie wird uns neu« finanzielle Losten bringen, neue finanzielle Losten in der E r w e r b s l o sc n f ü r f o r g e. Es darf meiner Meinung noch nur eine produktive Erwerbslofenfürforg« geben.(Bravo !) Jede Erwerbslosenfürforge, die nicht produktiv ist, muß demoralifierend wirken, und wir können diese Demo- ralisterung nicht ertragen. Wir geben dem einzelnen das Recht auf Unterstützung des Staates, er muß uns aber auch dos Recht geben, ihm die Arbeit zuzuweisen, deren wir bedürfen. (Bravo l) Wir haben den Ruf gehört zur Produktionssteigerung dort, wo es möglich ist. Theoretisch kann man sagen: die Frag« sei nicht aktuell, wir würden mehr Kurzarbeit haben, als wir brauchen. Sie mag nicht aktuell fein in diesem Augenblick, ober sie kann aktuell werden in dem Augenblick, wo wir durch Unter- stützung des Exports, den wir zur Heranziehung von Devisen brauchen, und wo wir zur Herbeischafsung von Kohle für den Winter auch an diese Mehrheit appellieren können. Wäre es nicht etwa sozial ausgleichend, eine Ueberstunde im Berg- bau zu leisten und das Erträgnis daraus den Beziehern als Kohle für den Winter zu geben, damit wir nicht irgendwo Geld zu leihen brauchen, um aus dem Aus lande Kohlen einzuführen, die bei einigem guten Willen in Deutschland selbst mehr gefördert werden können als gegenwärtig.(Beifall!) Für das ganze deutsche Bo.k der Gegenwart gilt der Spruch der alten römischen Legionen: aine missione nasr.imur ohne Urlaub werde« wir geboren. Genuß und Freude ge- hören zumJJeben als Ausgleich für die Arbeit, aber manche Gcftal- tung des Schlemmens und eine Art des Lebens, wie wir das in deutschen Großstädten finden, vaßt nicht zum Ernst dieser Zeit. Wenn wir wollen, daß die Menschen sich hineinversetzen in den Ernst der Gegenwart, dann muß sinnfällig für die Augen und das Empfinden des einzelnen hier eingegriffen werden. Und schützen Sie auch unser Volk vor den Parasiten, die jetzt alles ausrauben, was dem einzelnen noch geblieben ist! Schaffen Sie doch kommunal- Goldankaufsstellen. in denen der, einzelne das erhält, was er wirklich zu beanspruchen bat, wenn er sich von dem alten Besitz trennen muß, und überlassen Sie es nicht auch hier der privaten Spekulation und Aufhäufung, jenen vielleicht noch das letzte zu nehmen oder es ihnen nicht voll- wertig zu bezahlen. Jeder Wiederauffticg geht aus vom Sitt- l i ch e n, nicht vom Materiellen. Alles, was heute in diesem Kon- traft von Erwerbslosigkeit. Elend, Hinsiechen weiter Lolksschichten, die einst mit unsere besten waren, sich vollzieht, und auf der anderen Seite jene neuen Reichgewordenen, die im Kriege und

' nach dem Kriege zu diesem Reichtum kamen das muß Span. n u n g e n auslösen, die beseitigt werden müssen und die vielleicht ! psychologisch heute mehr auf das Gemüt des Volkes wirken als em» ! gegengcfetzte Parteiprogramms oder politische Aufrufe es tun. Daß | es gegenwärtig darum geht, diesen Staat zu erhalten, wer wollle das bezweifeln? Goethe hat einmal gesagt:Was nützte alles Wissen der Menschheit gegenüber dem Bewußtsein, einem großen und geachteten Volke anzugehören!" ! Sind wir noch ein großes und geachtetes Volk? Wir sind es, wenn wir es sein wollen, wenn wir die sitlliche Kraft hoben, auch dieses ohnmächtige Vaterland zu lieben, und gerade diesem Land, von dem kein äußerer Glanz ausstrahlt, erst recht die Hin- gäbe und die Liebe des einzelnen zu geben. Gerade im Unglück darf es keine Partei geben gegenüber der Staatsidee. National sein heißt Hand anlegen, um den Karren aus dem Dreck herauszuziehen, und jedem die Hand zu reichen als Bruder, der bereit ist, dabei zu helfen, und nicht zu fragen, welche Farben sein Nack tragt.(Lebhafter Beifall.) Es scheint mir eine Verhöhnung des Staates in dieser Zeit, wenn man darüber spottet, ob die Parteien, die sich zusammengefunden haben in der Regie- rung. wohl den Weg zu gemeinsamem Wirken finden würden, da doch soviel zwischen ihnen liegt, was sie trennt. Ich habe in einer Kriiik der gegenwärtigen Regierungskoalition gelesen, hier seien die Girondisten und die Jakobiner vereinigt. Nun, die Girondisten gingen einst zugrunde, weil sie über dem vollkommenen Äonstitutionalismus ihre Öhren verschlossen gegenüber den so» z i a l e n Nöten der Zeit. Die Jakobiner gingen zugrunde, weil sie den Staatsbegriff gegenüber jeder Parteiherrschast vergaßen. Ich glaub«, Vergangenheit und Gegenwart ähneln sich darin, daß gerade in dem Zusammenwirken der Parteien, miteinander dem Staate zu dienen und den Staat zu retten, doch schließlich nur die Rettung liegen kann. Wenn wir nicht in dieser Zeit uns dahin bringen, daß wir beherrschten Sinnes den einzelnen Fragen gegenüber Parteidogmen über Bord werfen und uns in praktischer Arbeit zusammenfinden, dann hätte allerdings der Pessimismus jedes Großen recht, der davon spricht:.Euch zur Nation zu bilden, hoffet ihr Deutschen vergebens!" Zur Partei uns zu bilden, dos ist leicht, zur Nation uns zu bilden, muß erst gelungen sein und wird nur gelingen, wenn man lernt, die Partei ganz klein und den Begriff Vaterland ganz groß anzusehen.(Lebhafter Beifall.) Wir müssen das Dolk der Arbeit fein oder wir müssen untergehen! Wir werden vom Staat aus auch gar nicht einen mühelos erworbenen Besitz gestatten können. Wir werden ihn auch vielleicht kulturell nicht zu vermissen brauchen. Wenn wir aber«in Bolk der Arbeit sein werden, und ich kenne da keinen Unterschied zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Kopf und Hand und Glieder müssen zusammengehen, und sowie der einzelne nicht leben kann ohne diejenigen, die schließlich die großen Räder seines Betriebes in Bewegung setzen, so sollen auch diejenigen, die die Führung beherrschen, sich manchmal dessen bewußt sein, daß auch heute noch das Wort gilt auch ein Wort, dos der Große von Weimar gesprochen hat:Daß sich das größte Werk vollende, genügt «in Geist für tausend Händel" Demokratie bedeutet nicht, daß jeder dasselbe tun und lassen kann, sondern daß eine Auslese statt- findet unter den verschiedenen ungleichen Bedingungen der� Eni» Wicklungsmöglichkeiten, daß man mit diesen Entwicklungsmöglich» keiten sich zur Größe emporarbeiten kann, daß wir über die Klassen- gegensätze hinauskommen. Den Anspruch auf Achtung hat nur der, der ein Leben voll Arbeit vor sich sieht und in einem Leben voll Arbeit steht.___ Nachdem der Konzler die Verschiedenheit der deutschen Stämme und Landschaften besprochen und gerühmt hatte, fuhr er fort: Diese, ganz« Deutschland ist bedroht. Dieses ganze Deutschland soll zer» stört werden, weil sie die Empfindung haben, daß es unzerstörbar weiterlebt, wenn es sich feinen Glauben an die Einheit erhält, n>:nn es durch die Einheit die Kräfte in sich hat, zur Größe wieber empor zu kommen. Um dieses Deutschland geht es, und ich ruf« Sie auf zum Kampfe gegen den Pessimismus aller derjenigen, die da sagen: es gelingt ja doch nicht mehr! Wir sterben nur, wenn wir nicht die Kraft haben, lebdn zu wollen! Wir werden leben und nicht sterben, wenn wir die Opfer nicht scheuen, die nowendig sind, den Staat am Leben zu erhalten. Wir stehen allein in der Welt wir haben keine außenpolitischen Sekun» danten. Glauben Sie mir, daß man Bundesgenossen, die bereit sind, für jemand einzutreten, nicht au« Mitleid bekommt. Wir bekommen sie nur, wenn die Welt draußen sieht, daß wir den Mut baben. vom Bolkc jene Opfer zu fordern, und das Bolk tos ganze Bewiißt'rin, dem Staate zu geben, was er zum Leben braucht. (Lebhafter Beifall.) Wir stehen mitten drin in Entscheidungen von�un» geheurem Ernst, und vom deutschen Volke wird es abhängen, wie sie ausfallen. Die Blicke aller Deutschen auf dem ganzen Erden» rund richten sich jetzt auf uns. Hier, am Sitze des Auslandsinstituts, grüße ich die Ausländsdeutschen. Wir brauchen nicht das Haupt zu senken, wenn wir an die deutsche K ol o n i o l t ä t i g k e i t in der Vergangenheit denken. Heute erkennen diejenigen, die jetzt die Besitzer dieier Kolonien sind, Frankreich und England, was dort die Deutschen gearbeitet haben, die damals hinausgingen, und die uns eine ehrliche und unbeslcckie Fahne hinterlassen haben, als wir diese Kolonien aufgeben mußten.(Lebhafter Beifall.) Wir können uns jedem unparteiischen Richteriyruch über die deutsche Schuld beugen, aber wir müssen jeden Spruch ablehnen, bei dem_ der Beklagte nicht gehört wird und bei dem chie Parteien Richter in eigener Sache sind. Wir begrüßen alle Bestre» bimoen in Deutschland , die Aufklärung über die Entstehung des Weltkrieges verbreiten, und wir fordern die Wahrheitssucher aller Nationen auf, darauf zu dringen, daß die A r ch i v e aller Nationen für die Forschung so geöffnet werden, wie Deutschland seme Achhioe im Bewußtsein seines guten Rechtes und seines guten Gewissens geöffnet Hot.(Lebhafter Beifall.) Wir sind gebeugt, aber wir sind nicht gebrochen. Gebeugt, aber nicht gebrochen stehen wir in dieser Gegenwart und erwarten die Zukunft. Grüß« in dieser Zeit tiefster Not jeder Deutsche iein Vaterland, und gelobe ihm Opferwilligkeit und Treue. Im Unglück erst zeigt sich, daß ein Bolk wirklich Nation ist. Hurra zu rufen in den Zeiten des Glücks, in dem Gedanken cm den Glanz, der von einem Lande ausgeht, das ist leicht. Treue zu halten, wenn Opfer oefordert werden, das ist schwer, aber da beginnt erst das Nationole. Lossen Sie mich enden mit einem Wort, dos aus dem Auslande gekommen ist, einem Spruch, den die Auslandsdeutschen ihrer armen Heimat der Gegenwart sandten: Deutschland , Deutschland über alles, und im Unglück nun erst recht, Erst im Unglück läßt'? sich sagen, ob die Liebe frei und«cht. Und so soll es weiter klingen oon Geschlecht« zu Geschlecht: Deutschland , Deutschland über alles, und im Unglück nun erst recht. (Tosender Beifall und Händeklatschen.) Der Reichskanzler, der nachmittags in privater Angelegenheit in Tübingen weilte, ist abends dach Versin zurückgereist.

Der LViöerhall in Frankreich . Die Rede Strcsemanns ist in den meisten Pariser Blättern vom Montag morgen ausführlich wiedergegeben, jedoch noch wenig kommentiert. DasPetit Journal" sieht in der Rede die Bestäti- gung dafür, daß in der Reparaticms- und Ruhrfrage eine neue Politik beginne. Stresomonn glaube nicht an übernatürliche Ereignisse. Der Hauptpunkt in seinen Erklärungen sei das wieder- holte Bekenntnis zum Willen einer aktiven Politik. Hin» sicht'ich der Art der Aktivität habe Strefemann mit uubefchreibbarer Geschicklichkeit Angaben gemacht, die den Wunsch zeigten, zu einem positiven Resultatzu gelangen. Wenn man die Angelegen»