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lTc.415 4S. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
Vonnerstag, ö. September 792?
Die neue Straßenbahn-Sefellsthast. Konflikt mit der städtischen Arbeiterschaft? Als in der letzten Sitzung der Verkehrsdeputation ein sozial- doniokrotischer Vertreter die Direktion der Straßenbahn darauf auf- n:erksam machte, daß infolge der veränderten Torifpolitik der Reichs- bahn der Berkehr auf der Straßenbahn in ganz kurzer Zeit wieder auf mindestens 800 000 Personen täglich steigen würde, wurde er ausgelacht. Heute nach acht Tagen ist diese Ziffer längst erreicht. Die neu« Ankündigung der Reichsbahn, daß sie ihre Schlüsselzahl von 600 000 auf 1,3 Millionen erhöht, bedeutet für zeden Fachkundigen eine weitere ungeheure Steigerung des Verkehrs auf der Straßenbahn und die Möglichkeit für die Ge- felifchaft, einen Tarif zu erheben, der einigermaßen den Selbstkosten entspricht. Die Aussichten für das städtische Unternehmen bessern s i ch d a m i t v o n T a g z u T a g. Da die Reichsbahn ausdrücklich erklärt hat, daß ste die zurückgebliebenen Personentarifwerte Schritt für Schritt auf die Höhe der Selbstkosten bringen wird, ist also die Hauptkonkurrenz für die Straßenbahn beseitigt. Denn wenn auch das System der überaus billigen Monatskart« der Stadt- und Ringbahn vorläufig noch erhalten bleibt, so fällt doch für die zahl- losen Einzelfahrer in Zukunft jeder Anreiz zur Benutzung der überfüllten Ringbahn fort. Um so mehr muß die Bevölkerung und auch die heutige Stadtverordnetenversammlung nachdrücklichst ver- langen, daß die geplanten rücksichtslosen Einschränkungen des �uaßenbahnverkehrs unterbleiben und daß nur die unbedingt notwendigen Einschränkungen vorgenommen werden. Di« Ziffern, mit denen die Direktion um sich wirst, z. B. die ständig wieder- kehrende Behauptung von dem 60-Milliarden-Fehlbetrag, sind um ein Bedeutendes übertrieben. In dieser Woche wenigstens beträgt der tägliche Fehlbetrag allerhöchsten? 25 bis 30 Milliarden und muß sich in der nächsten Woche bei Tarifverdoppelung und gleichbleiben- dem Verkehr völlig beseitigen lassen. Schon mit Rücksicht auf die zur Entlassung kommenden Straßenbahner sollt« der Aussichts. rat mit äußer st er Vorsicht an die Verkehrseinschränkungen herangehen. Im übrigen scheint sich aus der Umbildung der Straßenbahn in eine Gesellschaft emschwererKonfliktmitder städtischen Arbeiterschaft zu entwickeln. Der Magistrat und die Mehr- heit des Aufsichtsrates hat die Absicht, neue Arbeitsbedin- g u n g e n bei der Gesellschaft durchzusetzen. Reben Lohnverminde- rungen spielt man auch mit dem Gedanken einer Arbeitszeit- Verlängerung, der natürlich bei den beteiligten Gewerkschaften auf den heftig st en Wider st and stoßen muh. Es ist durch- aus nicht ausgeschlossen, daß die übrigen städtischen Arbeiter sich mit den Straßenbahnern solidarisch erklären und daß daraus noch die größten Schwierigkeiten für das Berliner   Wrtschaftsleben erwachsen. Es ist auch anzunehmen, daß in der heutigen Stadtverord- netenversammlung der Magistrat über die beabsichtigten Maßnahmen interpelliert werden wird. Alle Parteien werden zweifellos auf die Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses das aller- größte Gewicht legen, während die Sozialdemokratie jedenfalls Maß- nahmen zum Schutze der zur Entlassung kommenden Arbeiter verlangen wird. Für die Beamten ist ja dank ihrer .wohlerworbenen Rechte" wie immer hinreichend gesorgt. Die wertbeständigen Hebammengebühren. Wie imvorwärts" vom 80. und 31. August mitgeteilt wurde, srllte» die Hebammengebühren auf wertbeständige Grundlage ge- stellt werden. Nach dem gewählten Verfahren war die Aufstellung einer Schlüsselzahl notwendig, die sich der Geldentwertung anpaßt und bei jeder Veränderung des Geldwertes neu aufgestellt werden sollte. Die Gebührensätze vom 13. November 1S22 gelten als Einheit, die für die Zeit vom 1. bis 14. August 1023 mit 800, vom 13. bis 22. August mit 2000 und vom 23. bis 81. August mit 0000 multipliziert werden. Weil die Festsetzung der notwendigen Schlüsselzahl nicht qenügmd Sicherheit fiir die richtige Gebühren- bökis bietet, strebt« der Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter lAbteilung: Deutscher Hebammen-Bund)«in« wöchentliche Ge- bührenregeluna nach derReichsindexzifter für die Lebens- boltung" an. Unter Bezugnahme auf die Verfügung des Ministers für Volkswohlfahrt vom 28. August 1923 lIMV. 2493) sind nun Gebührensätze für Hebammen im Einverständnis mit der Gemeinde- behörde Berlin  , den Krankerkassen und den Organisationen der Heb- a.mmen vom Regierungs.  (Poli.w-)Präsident«n von Berlin   dahin feftgesetzt, daß die Reichsindexziffer für die Leben-
Haltung die Meßziffer für die Hebammengsbühren ergibt. Errechnet wird die Gebührenhöhe derart, daß die Entgeltzahlen der Gebühvmordnung vom 13. November 1922 durch 100 geteilt, Vb abgezogen und um die auf volle Tausend nach oben abgerundete Reichsindexzahl multipliziert wird. Als Beispiel diene die Niedrigst- ziffer für den Beistand bei einer regelmäßigen Geburt(Pos. 1 der Gebührenordnung) 1000 M. geteilt durch 100, ergibt 10, weniger%, ergibt 8, mal Rcichsindexzahl abgerundet 1 184 000(1 183 434 am 27. August 1923) ergibt eine Gebühr stdn 9 472 000 M. Diese Rege­lung trat am 1. September in Kraft. Jede neue Reichsindexzahl soll vom Tage nach der Veröffentlichung angewendet werden.
Der Mietwucher blüht! Durch die am 17. August d. I. in Kraft getretene neu« Preu- ßische Ausführungsoerordnung zum Reichsmietengesetz hat der Minister für Volkswohlfahrt mit Zustimmpng des Reichsarbeits­ministers die reinen Geschäfts- und Jndustriehäuser von den Be­stimmungen des Reichsmietengeseges ausgenommen. Demnach unter­liegen die Mieten in solchen Häusern derfreien Bereinbarung", d. h. unter heutigen Verhältnissen: der Diktatur der Haus- besitzer. Wer die geforderte Miere nicht zahlt, der fliegt hinaus. Di« betr. Hausbefitzerorganifationen begnügen sichzunächst" mit der 730 000fach«n Friedensmiete. Dementsprechend werden in einem uns bekannt gewordenen Fall« für eine Anzahl von Bureauräumen, die im Frieden jährlich 14 000 M. Mietzins brachten, für September 873 002 500 M. gefordert. Im Falle der Zahlungsverweigerung wird mit sofortigem Rücktritt vom Vertrage gedroht, und zwar ge- schieht das rein geschäftsmäßig auf gedrucktem Formular. In einem anderen Fall« wird für«inen Lagcrkellsr zum Friedensmietwert von 600 M. ein monatlicher Mietzins von 1 Milliarde gefordert. Weiter wird uns mitgeteilt, daß für eine Apotheke mit nur 20 Quadrat- meiern Grundfläche ein Monatsmietzins von 1% Milliarden Mark gefordert wird. Und das alles, obwohl dies« Räume bisher noch dem Mieterschutz unterliegen, also nicht beliebig kündbar sind. Di« Hausbesitzer berufen sich auf irgendeine Reichsgerichts- entstheidung, um diesen Wucher zu decken. Jedes Kind weiß, daß diese Wuchermiete ganz glatt auf den Konsumenten abgewälzt wird, falls der betreffende Betrieb nicht geschlossen wird. Das sind die Segnungen derfreien" Wirtschaft, deren Herstellung der Hausbesitz zunächst(und zwar sofort) allen übrigen gewerblichen Mietern und dann den Wohnungsmictern zuteil werden lassen will. Einstweilen herrschen diese paradiesischen Zustände mir in denjenigen Häusern, in denen sich außer den Wohnungen der Hausangestellten(Berwalter, Hauswart, Heizer, Nachtwächter) nur solche Räume befinden, die gewerblich, geschäftlich oder industriell genutzt werden. Noch sind also die übrigen gewerblichen Mieter geschützt gegen den Willen der Hausbesitzer. Man darf nun darauf gespannt sein, ob trotz dieser Warnungszeichen der gewerbliche Mittelstand sich auch weiter- hin vor den Karren des Hausbesitzes spannen lassen wird, damit auch ihm die Segnungen der Hausbesitzerpolitik recht schnell zuteil loerden. Jedenfalls haben die Hausbesitzer die Parole ausgegeben, bei den nächsten Wahlen mit dem Mittelstand zusammenzugehen, um sich die Wucherfreiheit zu verschaffen. Wird es im gewerblichen Mittelstand tatsächlich soviel derallergrößten Kälber" geben, die ihre eigenen Metzger selber wählen? Gegen Abbau der Zwangswirtschaft aus dem Wohnungsmarkt hat der Schutzverband der Arbeits- und Geschäftsraummieter zu heut« nachmittag 1�3 Uhr im großen Festsaal des Stadthauses, Ein- gang Klosterstraße eine öffentliche Protestversammlung einberufen. Mit dem veil niedergeschlagen. Der Tapezierer Martin Saalfrank, der in Lichtenberg  , Leopoldstr. 1, mit seiner Ver- tobten, einer geschiedenen Frau Lina Zeidler, zusammen wohnte, geriet mit ihr in einen Streit. In dessen Verlauf ergriff S. ein Beil und schlug die Frau nieder. Sie wurde auf der Ret- tungsstelle verbunden und mußt« nach dem Hubertuskrankeuhaus übergeführt werden. Saalfrank wurde festgenommen und der Kriminalpolizei übergeben. Feuergesecht mit Aarloffeldieben. Auf einem Kartoffelacker des Rittenguts Britz in der Röhe des Grünen Weges hatten Polizeibeamt« mit einigen Kartoffeldieben ein Feuergefecht. Es gelpng den Dieben, in der Dunkelheit zu entkommen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob eine? von ihnen verletzt worden ist.
Soxerhcms und sein Verhältnis. Die Ehen werden im Himmel geschlossen.... Ein unerquickliches Familienbild kam in der Verhandlung gegen den Berufsboxer Hans Rothe, der in seinem Freundes- kreis unter dem NamenBoxerhans" bekannt ist, zur Sprache. Boxerhans" hat sich in einer Weise betätigt, daß er eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung erhielt und sich vor der Ferienstrafkammer des Landgerichts I   verantworten mußte. Das Opfer des Angeklagten war ein älterer Kaufmann Heinrich Hahn  . Er war mit einer jungen Frau verheiratet. Diese trat in Beziehungen mit einem Tischlermeister und ließ um Weihnachten   v. I. ihren Mann im Stich. Im Mai kam der Ehemann zufällig in ein Lokal in der Marienstraß«, und dort traf er feine ausgerückte Frau nicht nur in Begleitung ihres Liebhabers, sondern auch des Angeklagten Rothe. Als die junge Frau ihren betrogenen Mann sah, setzte sie sich Rothe auf den Schoß und rief ihrem Mann zu:Das ist jetzt mein B e r h ä l t n i s!" Dann schleuderte sie ihm ein Bierglas an den Kopf, und gleich darauf ging Rothe auf den Kaufmann zu und versetzte Hahn mit den Worten: Dos ist mein Berhältnis! Haben Sie was dagegen?" Faust- st ö ß e ins Auge. Hahn sank blutüberströmt zusammen, während Rothe das Weite suchte. Kurze Zeit darauf wurde Hahn nochmals von dem d r c i b l ä t t e r i ge n Kleeblatt überfallen und erhielt erneut Fanstschläg« ins Gesicht. Der betrogen« Ehemann wurde so schwer mißhandelt, daß«r auf dem linken Auge erblindet ist mid daß auch die Sehkraft des rechten Auges gelitten hat. Der als Nebenkläger vor Gericht er- fchienene Kaufmann Hahn machte einen völlig gebrochenen Eindruck. Der erst 44jährige Mann ist durch die Ausregungen von einem S ch l a g a n f a l l betroffen worden, so daß er sich nur a n Krücken fortbewegen kann. Wie Hahn vor Gericht aus- führt«, ist auch sein Iis jähriges Kind gestorben, nachdem es die Mutter im Stich gelassen hat. Die Hauptschuld an der Miß- Handlung schob der Ehemann nicht dem Angeklagten, sondern der Frau zu, die im Verein mit ihrem ersten Liebhaber, dem Tischler- meist«, denBoxerhans" zu seinen Roheiten aufgehetzt habe. Das Gericht verurteilte Rothe zu drei Monaten Gefängnis und rechnet« ihm 2% Monate auf die Untersuchungshaft an. Ter Kampf für das Alkoholvcrbot i» Teutschland. In einer Aussprache, die vom 26. bis 28. August in Hamburg  stattfand, und an welcher sämtlich« alkoholgegnerisch« Organisationen Deutschlands   beteiligt waren, faßt« der Ausschuh für das Altohol- verbot in Deutschland   einstimmig eine Entschließung, aus der folgendes zu entnehmen ist: In dem vorliegenden Entwurf eines Reicj�schankstättengesetzes begrüßen wir die Einführung des Gemeindebestirnmungsrechtes, be­dauern aber zugleich, dessen übermäßige Erschwerungen. Im fchreidensten Widerspruch zu der gegenwärtigen Ernährung steht die Vergärung und die Ausfuhr von gewaltigen Mengen auf deutschem Boden«zeugt«? Nahrungsmittel für Zwecke der Alkoholerzeugimg und des Alköholgenusses. Wir halten ein Notgesetz für erforderlich, das im Interesse der Erhaltung von hunderttausend deutscher Menschenleben einem solchen Widersinn schleunigst ein Ende macht. Da die Interessen des Gemeinwohles unbedingt über diejenigen eines besonderen Berufes zu stellen sind, müßte alles getan werden, um die zurzett in der Alkoholproduktion beschäftigten Kräfte auf anderweitig« und weniger schädlich« Betätigung hinzulenken. Nach- dem jetzt die ersten wissenschaftlichen zuverlässigen Arbeiten über das amerikanische   Alkoholverbot und sein« günstigen Folgen vorliegen, sollte die Frage eines allgemeinen Altoholverbotes auch für Deutsch  - Ccrnd ernsthaft ins Aug« gefaßt werden." Sroener-Dollars" undOeser.Psirnde". Die Millionenscheine der deutschen Reichsbahn, die der VolksmundGroener-Dollars" getauft hat, weil sie die Unterschrift des letzten Reichsverkehrs. Ministers tragen, werden jetzt durch neue Scheine zu zwei und fünf Millionen ergänzt, die bereits vom Reichsverkehrsminister Oeser unterschrieben und alsOefer-Psunde" populär sind. Das Reichsbahn-Notgeld wird übrigens auch anallen Po st- s ch o l t e r n an�lZahlungsstatt angenommen. Invalidenversicherung. Vom 3. und 17. September 1923 ab treten die durch Verordnung des Reichsarbeitsministers geschaffenen neuen Beitragssätze in Kraft. Auf die Bekanntmachung der Landes- Versicherungsanstalt Berlin   in dieser Nummer unserer Zeitung, in der auch noch weitere Bestimmungen erwähnt werden, weisen wir unsere Leser besonders hin.
1.9]
Kilian. Roman von Iakob Bührer.
Woran merkten Sie das?" An Ihrer Zufriedenheit! An dem Glück, das aus Ihren Augen strahlte, wenn Sie manchmal von Madame Favre kamen, wenn Sie wi? Sie sagten ihr einen Marktkorb nach Hause getragen hatten. Sie waren mit der Seele be- teiligt, und darum war dieses Verhältnis schön." Märe Iuliette," sagte Kilian,aus Ihnen werde ich nie klug werden." Und dann erzählte er ihr seine Begegnung mit Favre und was er in der Wirtschaft gesagt hatte. Solche Menschen," erklärte die alte Frau,trifft man zuweilen unter den Trinkern. Sie haben eine erstaunlich freie Auffassung und ein kindlich-gütiges Gemüt. Fast immer sind sie an ihrem Gemüt zugrunde gegangen. Ich besuche regel- mäßig im Auftrag der Heilsarmee   fünf Familien, deren Väter alle sogenannte Quartalssäufer sind. Sie sind alle fünf im Grunde sehr fein veranlagt- Menschen und mit ein paar ver- ständigen Worten um den Finger zu wickeln. Aber sie ver- fallen'immer wieder und rettungslos einem tiefen Jammer, der irgendwie in unseren Zuständen begründet ist, ohne daß sie sich Rechenschaft darüber geben können, was sie im ein- zelnen beelendet.", v. Das sind vielleicht auch solche, denen irgendwie das Rückgrat gebrochen wurde."...... 2BahrfchcinIich. Sie hätten ihrer Natur nach Revolutw- näre werden müsien. Aber sie waren zu schwach. Wie Sie, Mdre Iuliette!" Wie ich," sagte die Greisin leise. Ach!" schrie Kilian und sprang auf. Er wußte aber nicht, was ihn so in Wallung brachte, wenigstens wollte er es sich nicht eingestehen. Plötzlich sagte er:Es muß ein Ende nehmen. Unbedingt!" ,'Was?" Es geht nicht mehr, namentlich jetzt nicht, wo ich weiß. daß dieser Favre ein anständiger Kerl ist." Jetzt, wo Sie wissen, daß er ihr die Freude gönnt... M-re Iuliette. wollen Sie mich an dieses Weib ver- kuppeln? Sagen Sie einmal, was wn Sie eigentlich bei der Heilsarmee? An Gott   glauben Sie natürlich nicht, Ser sagt Ihnen das?" frug die alte Frau scharf.
Sie, mit Ihrem Verstand und Ihrem Wissen.. Aller Verstand und olles Wissen hat bis heute noch nicht die geringste Wesensfrage gelöst. Wenn ich weiß, aus der Zelle entsteht alles organische Leben, so weiß ich damit weder das Warum, noch das Wieso, noch irgend etwas Entscheiden- des. Deshalb fällt es mir nicht ein, mit dem Verstand die Sache des Gefühls und der Ahnung zu entscheiden. Daß ich keinen Hokuspokus mache, auch in der Heilsarmee nicht, die ich übrigens lieber Hilfsarmee nennen möchte wollte Gott  , es wäre die einzige Armee, welche die Welt kennt! werden Sie mir wohl glauben. Doch was h'at das eigentlich alles mit Ihrer Angelegenheit zu tun? Lieben Sie Madame Favre nicht mehr? Und warum?" Lieben? Lieben! Was weiß ich! Aber ich kann doch nicht ewig Schiffsknecht bleiben. Ich muß doch einmal heraus, ich muß etwas leisten." Aha," sagt? Mademoiselle Naville,das ist etwas anderes. Etwas leisten müssen Sie allerdings." Nicht wahr? Ich muß irgendwie loskommen. Es muß ein Ende nehmen." Es kam keine rechte Untethaltung mehr in Gang, und bald legten beide die Nadeln hin. Kilian aber träumt? dies? Nacht, cr säße auf einem blauen 1 Schleier und segle darauf durch die Lüfte, während er mit beiden Händen ein Hühnchen abnagte. Als er erwachte, flim-! merte das blaue Fähnchen noch vor seinen Augen, und Kilian erinnert? sich an den Hutschlcier, der gestern im Motorboot vor ihm her geflattert war.... Zwei Tage darauf kam Kilian vollständig niedergeschmet- tert zu seiner mütterlichen Freundin. So, jetzt habe ich die Bescherung!" stöhnt? er. Was ist denn geschehen?" frug Fräulein Naville er- schreckt. Das Allerschlimmste. Sie bekommt ein Kind!" Wer?" Frau Favre!" Eb. eh, eh," lachte Mdre Iuliette auf,ist das jetzt ein Unglück!" Aber ja! Von mir. von mir ist das Kind." Sind Sie so sicher?" Natürlich ist das sicher. Sie muß sich scheiden lassen, und ich muß sie heiraten. Selbstverständlich." Wer sagt das?" Wer»igt das? Ich sage das. Das ist doch ganz klar." Und Madame Favre?"
Madame Favre? Die sagt überhaupt nichts! Die ist verrückt vor Freude!" Was wollen Sie denn mehr? Dann ist doch alles in schönster Ordnung." Sie finden immer alles in schönster Ordnung! Was ist denn in der Ordnung, wenn die Frau meines Prinzipals ein Kind bekommt von ihrem Knecht, und wenn ich blödsinniger- weise dieser Knecht bin?" Vor allem,- mein Freund, ist das doch ganz unsicher, ob Sie wirklich der Vater sind, und wenn Sie es sind, so ist dos wahrscheinlich besser, als wenn Favre, der Trinker, der Vater wäre. Auch er kann in diesem Fall von Glück reden." Sagen Sie einmal, Fräulein Naville, sind Sie eigentlich von allen guten Geistern und jeder Moral verlassen?" Lassen Sie doch die Moral nußer Spiel, mein Freund. Das Gute ist wickssiger als die Moral. Ich glaube, daß es gut ist für Madame Favre, wenn sie ein Kind bekommt, und es ist, wie gesagt, sehr wahrscheinlich gut. wenn es nicht von ihrem Mann ist. Für Sie aber kann es vielleicht sehr von Gutem sein, wenn Sie wissen: es gehen möglicherweise Men- schen, an deren Existenz Sic eine Verantwortung haben, in die Zukunft. Sie haben deshalb die Pflicht, etwas für diese Zu­kunft zu tun." Ist das alles, was Sie mir sagen können?" Das ist sehr viel, Kilian!" Kilian ging kopfschüttelnd auf sein Zimmer. Madame Favre verging wirklich beinahe vor Freude über ihren Zustand. Sie hatte die Hoffnung auf ein Kind längst aufgegeben! Nun war sie doch gesegnet worden. Und daß es ausgerechnet von diesem lieben Kindskopf Bill war und nicht von dem waschlappigen Favre oder dem... ah, nein, nein, das gebt schließlich niemand etwas an! Bill, was heute wieder für schönes Metter ist! Bill, sieb mal die große, weiche Wolke! Bill, willst du mir nicht.. So ging es jetzt den ganzen Tag! Bill hinten. Bill vorne. Es war bald zum Davonlaufen, zumal Kilian die Abkürzung seines gutdeutschen Namens Billwanger auf die Dauer sowieso widerwärtig war. Ueberhcnwt gefiel ibm Madam? Favre nicht mehr besonders. Er begriff gar nicht, wieso er die ein- mal schön geftinden hatte. Was mar denn an der? Einmal ein vernünftiges Wort konnte man nicht mit ihr reden. Immer sollte man irgend etwas Verliebtes schwatzen. Dummes Zeug! Ueberhaupt.. was tat er nur hier auf dem Floß? Das war doch kein Leben!.'(Fortsetzung folgt.)