Kahl , der bekanntlich seit kurzem ein bayerisches Mandat aus» übt, die unflätigsten Beschimpfungen gegen die neue Reichs- regierung losgelassen und gemeinsame Forderungen aufge- stellt, die sich ganz in den Gedankengängen der extremsten Antisemiten bewegen. Unterschrieben war der Brief sowohl von der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei wie auch von der Bayerischen Volkspartei , ja sogar von der Bayerischen Mittelpartei, in der bekanntlich Deutschnationale und Deutsche Volksparteiler vereinigt sind. Ueberhaupt schwimmt die Bayerische Volkspartei trotz Rupprecht, jield und Dr. Heim zum Teil ganz im Fahrwasser Hitlers und Luden- dorffs. Zahlreiche ihrer Lokalblättchen sind im Sinne des „Völkischen Beobachters" und im Stile des„Miesbacher An- zeigers" redigiert— je nach der persönlichen Einstellung des maßgebenden Ortspfaffen—, und die Leitung der Bayerischen Volkspartei trägt neuerdings diesen Verhältnissen so weit Rechnung, daß sie ihre in München für die Provinzpresse aus- gegebene Zeitungskorrefpondenz in zwei verschiedenen Auf- lagen herausgibt, für die Blätter der einen und für die der anderen Tendenz! Schließlich darf nicht verkannt werden, daß der frühere Ministerpräsident und jetzige Regierungspräsident o. K a h r, der heute noch in der Bayerischen Volkspartei , ob- wohl protestantischer Mystiker ü ia Michaelis, einen hervor- ragenden Einfluß ausübt, zugleich der Vertrauensmann Hitlers und Ludendorffs ist und in der kommenden Putschregierung als dritter Mann im Triumvirat ausersehen ist. Wie sich die jetzige bayerischeRegierungzu dieser ganzen Entwicklung stellt, ist um so schwerer zu sagen, als sie innerlich höchst uneinig ist. Es ist ein tolles Durcheinander von persönlichen Feindschaften und Intrigen, die letzten Endes doch den aktivsten Elementen innerhalb der bayeri- schen Reaktion, nämlich den nationalsozialistischen Hitler-Banden zugute kommen. In dieser Hinsicht hat man es allerdings in der baye- rischen„Ordmmgszelle" unglaublich weit gebracht. Wer am Abend des„Deutschen Tages", am 2. Sevtember, durch Nürn- berg fuhr, der konnte einen Einblick in jene bayerischen Ord- nungsverhältnisie gewinnen, der die kühnste Phantasie über- traf. Der ganze Bahnhof glich einem Heerlager. Tausende von uniformierten Hitler -, Wiking-, Reichsslaggebanditen, meist zwischen 17 und 20 Iahren, größtenteils bezecht, stan- den auf den Perrons oder füllten die Sonderzüge, grölten das E h r h a r d t- L i e d ünd konnten vor Heiserkeit und Be- soffenheit die Heilrufe auf die neuankommenden oder ab- fahrenden Scharen mit meterhohen Hakenkreuzbannern gar nicht mehr herausbringen. Ausländer, darunter Delegierte einer amcrikan-ischen Quäkerkommission wurden mit den un- flätigsten Beschimpfungen bedacht, weil sie den halbwüchsigen Rassentheoretikern mit schwarzweißroten Armbinden und Hakenkreuzabzeichen nicht arisch genug aussahen. Und immer wieder drängt sich die Frage auf: Wer bezahlt die Milliarden, die eine solche Masienkonzentration heutzu- tage erfordert? Und dann die andere Frage: Was wür- den die sozialistischen und �christlichen Ar- beiter an der Ruhr und am Sjyye i n empfunden .haben, wenn sie Zeugen dieser bodenlosen Schweinerei gewesen wären? Es wird nun vielfach versichert, daß der Höhepunkt der nationalsozialistischen Woge in München selbst überschritten sei. Wenn das zutrifft, so läge fiir Hitler darin ein Grund mehr, bald loszuschlagen, ehe er noch mehr abgewirtschaftet hat. Aber die Sozialdemokratische Partei hat durch die Aufftellung einer vieltausendköpfigen, vorzüglich disziplinierten S i che r h e i t s a b te i l u n g ein.Abwehr- Instrument im Interesse der Reichseinheit und der Republik geschaffen, die den Kampf mit den Hakenkreuzlern in jeder ' Hinsicht aufnehmen könnte, vorausgesetzt allerdings, daß sich Reichswehr und Landespolizei im Putschfalle neutral ver- hielten. Die besten Kenner der Verhältnisse versichern nun, daß die Reichswehr im allgemeinen als zuverlässig betrachtet werden dürfe, die Polizei dagegen ganz und gar nicht, da. sie seit Poehner und Nortz ganz hakenkreuzlerisch infiziert sei. In dieser kritischen Lage erwachsen der R e i ch s r e g i e- rung ganz besondere Pflichten. Die früheren Ersahrungen lehren, daß jede weitere Konzession an die sogenannte i> Die erste Tat öer„Truppe*. Es war unter den Kunstfreunden«in großes Neugierigsein, als die ersten Nachrichten von der Gründung der.Truppe" bekannt wurden. Schauspieler, di« sich nicht dem Geschäftsbetrieb der Theaterkapitalisten unterwerfen wollten, hatten sich zusämmengetan, um eigenes Glück und eigenes Leid zu versuchen. Sie waren Re- vvlutionär« der sozialen Gesinnung, sie«raren nach dem großen Schauspielerstveik vom Herbst des letzten Jahres die Widerspenstigen, die ihren Kamps nicht nur zur Lösung von Geldsragen führten. Das Ideal des Komödianten schlechtweg, die Sehnsucht nach dem Zusammenspiel, die Freude an der strenge» Kulissenzucht, das sollte hier erfüllt«»erde». Man berief Berchold Viertel, einen tapfere� Anwalt und hartköpfigen Verteidiger dieser Ideale, an die Spitze. Di«„Truppe" will in Berlin und Wien spielen. Si« will dem Kinemo-thographen nur dann dienen, io«nn alle Kameraden zu einem anstänZigen Filmwerk zu gebrauchen find. Das Kino soll nicht das Theater verflachen, das Theater soll unter Umständen von den Ueberschüssen des volkstümlichen Kinos unterhalten roerden. Die „Truppe" und das„Schauspielertheater", das den Sommer über- stand und den Winter nicht fürchtet, sind Gründungen der Schau- spiel er selbst. Ein genossenschaftlicher Kunstgeist beseelt alles. Die hochheilige Frage, ob dieser G««st mit der Wirklichkeit und der Niesenteuerung und dem zahtungsschwachen Publikum auskommen wird, ist noch zu lösen, Di« erste Kunsttat der„Truppe", bejubelt von den Anhängern- war ein schöner Versuch, wenn auch kein glänzend geluirgener. Von vielen alten Theatern wurden die jungen Kräfte zusammengeholt. Der Regisseur Berthold Viertel hätte«in Ueberm«nsch sein müssen, um sogleich die feindlichen Temperamente, die lauten und di« lauen, zu einer vollendeten Einheit zusammenzuschmieden. Außerdem ist die Bühne des Lustspielhause», in dem die Gastfrerndschaft erbeten würde, klein und nur für die bequeme Komödie ausreichend. Wo das„Husarensieber" sich jahrelang breit machte, ist der„Kauf- mann von Venedig " kein bequemer Eindringling. Es sehlte der Architektur der Bühne das Schwärmerische und Zauberhafte. Man muß rechnen und sparen. Die Morgendämmer- li)rik des Schlußaktes, das wundervollendete Liebesgezwitscher tönte durch einen arinstligen Raum. D«i««dig, das Haus der reichen Wucherers Shylock, der Gerichtssaal, all das könnte in Farbe ge- tucht werden. Es fehlte aber die Gestaltung und Majestät des Raumes und die südliche Phantastik. Nur die Gewänder leuchteten an den Körpern und auf den Häuptern prunkten di« Goldver- zicrungen. All diese ausfällige, durchaus ausgeklügelte Heuchelei des Reich. tums und kaum versteckte Armut würde nichts gegolten haben, wenn das Wort der Künstler gesiegt hätte. Es hat noch nicht ge- siegt! Vielleicht wäre«s nützlicher gewesen, gar nicht mit den u..,
bayerische Eigenart lediglich zur Steigerung der anarchischen Zustände in der„Ordnungszelle", zur Stärkung der reichs- zerstörerischen Elemente und umgekehrt zur Schwächung und Entmutigung der republikanischen und reichstreuen Kräfte führt. Das muß jetzt aufhören; das Reich darf feine treuesten Vorkämpfer auf exponierten Posten nicht länger im Stiche lassen. Der Reichskanzler Dr. S t r e s e m a n n hat in seiner Stuttgarter Rede verkündet, daß er nicht mit der Staatsauto- rität Schindluder treiben lassen würde. Dieses Ver- sprechen ist gerade von den treuesten Söhnen des Reiches auf bayerischem Boden nach den neun Monaten Gewährenlassen durch Cuno-Heinze mit freudiger Hoffnung aufgenommen worden. Bei den geringsten Anzeichen einer Krise muß von Reichsrvegen rücksichtslos durchgegriffen werden, damit end- lich in Bayern das Reich, das Recht und der ele- mentarste politische Menschenverstand wieder zur Gel- tuna kommen._ Hoffnung auf ein zweites Halle. Ueber taktische Fragen hat es in der politischen Arbeiter- bewegung stets Meinungsverschiedenheiten gegeben. Es ist darum nicht erstaunlich, daß auch die Politik der großen Koalition, zu der sich die Partei in einer außerordent- lichen Lage nach langem Zögern und Bedenken entschlossen hgt, bei den Parteigenossen nicht überall ungeteilten Beifall findet. Es ist ebensowenig erstaunlich, daß diese Kritik mit- unter in rednerischen und schriftstellerischen Aeußerungen scharfen Ausdruck erhält. Auch das ist eine Erscheinung, die wir von alter Zeit her gewöhnt sind. Reu ist nur im Ver- hältnis zu den Zuständen der Vorkriegszeit die Tatsache, daß links von der Sozialdemokratie eine Partei steht, die alle Vor- gänge in ihr belauert und jede Gelegenheit wahrzunehmen sucht, um auf neue Spaltuirg. neue Zertrümmerung der Arbeiterbewegung hinzuarbeiten. Mit welcher Aufinerksamkeit und mit welchen verstiege- nen Hoffnungen alle Vorgänge in der Sozialdemokratischen Partei von der KPD. verfolgt werden, davon legt jede Rum- rncr der„Roten Fahne" deutlich Zeugnis ab. Auch die neueste ist von oben bis unten angefüllt mit Betrachtungen über die „Opposition in der VSPD.", die teils belobigt, teils zu schärferem Vorgehen angetrieben wird. Man mutet ihr zu, sich auf die blödsinnige Parole der„Arbeiter- und Bauern- regierung" einzuschwören, die ihre Verwirklichung finden soll. nachdem die gegenwärtige Reichsregierung durch einen politischen Massen st reik beseitigt sein wird. Sozialdemokraten sollen also mithelfen,«inen politischen Massenstreik zu inszenieren gegen eine Regierung, in die die Sozialdemokratische Partei vier ihrer Mitglieder entsendet hat. Die„Rote Fahne " muß von der Disziplin in der Sozialdemo- kratischen Partei sonderbare Vorstellungen haben, wenn sie solche Forderungen zu stellen wagt. Ganz offensichtlich wird das Ziel verfolgt, auch mit der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei dasselbe Spiel auf- zuführen, das seinerzeit auf dem Parteitag von Halle mit der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei gespielt worden ist. Vergessen wird dabei nur, daß Erfahrungen schließlich dazu da sind, daß man aus ihnen lernt, und daß die Einigung von Nürnberg ein Ergebnis dieser Er- sahrunKen und eine Tatsache ist, gegen die alle Vauernschläue deutscher Ehrenkosaken nichts auszurichten imstande sein wird Der Weg der KPD . geht von Spaltung zu Spaltung bis zur völligen Zersplitterung, der Weg der Sozialdemokratie geht zur Einigung des ganzen werktätigen Volkes in einen ge- schlosienen aktionsfähigen Parteikörper. Und jeder sozial- demokratische Arbeiter begreift, daß es richtiger ist, diesen Parteikörper auch in schwierigen Situattonen einheitlich und aktionsfähig zu erhalten, als wegen taktischen Meinungsver- schiedonheiten auseinanderzulaufen. Es geht nicht noch einmal nach Halle, sondern e s b l e i b l bei Nürnberg !_
Der Umrechnungskurs für di« Landabgabe beträgt für bis Zeit vom 15. bis 18. September 1923 einschließlich 13 900 000 für je eine Goldmark.
Palosttheatern um Shakespeare zu wetteifern. Ein modernes Stück, von findigen Dramaturgen ausgesucht, mit allen Nerven durchgeprobt und bis zum Grunde durch Seele elektrisiert, hätte ein eindrucksvolleres Bekenntnis«rgeben, ein Bekenntnis zur Zeit, zu ihrer Dichtung, zu ihrer Traurigkeit, zu iher Gewalt. So blieb olles eher ein versprechender Versuch. Herr K o r t- n e r, einstmals nicht im Staatstheater zu bändigen, ist jetzt willens, sich in den Kreis der„Truppe" einschmelzen zu lassen. Er überragte seine Mitspieler. Er neigt zu Ausschweifungen. Die Natur hat in ihm einen bizarren Künstler geschasten. Es ist ein schriller Held der Bewegung, er ist ein häufig überschäumender Spekulant in Kehlkopfkunststücken. Das Sinnliche bedarf seines besonderen Stils, das Tierisch« sogar, di« Geistigkeit adelt ihn selten. In seinem Shylock rumoren hunderte bedeutender Mätz- lein, er wird aber kaum der irrsinnig Besesiene, der die Blutgerech- tigkeit nur fordert, weil er sie für Gottesrecht und ewige Ueberwelt- erfüllung hält. Herr Kortner ist der größte Gegensatz zu seinen Kameraden, von denen jeder«in akademisch gewundener Schau- spieler ist. Johanna H o f« r, Herr M ü t h e l, Herr B i l d t— aus verschiedenen Schulen kommen st«, doch sie blieben trotz viel- fachen Talents in den stramm zusammenhaltenden Fesieln ihrer Natur. Si« werden nie unendlich groß, aber auch nie unendlich schlecht sein wie der ungewöhnlich legabte Kortner. Nun ist es Ausgabe des Regisseurs, dies« getreu« Gefolgschaft so zu modeln, daß sie gelenkiger wird, daß sie sich für die ganz« Dauer eines Dramas die siegreiche Beredtsamkeit erobert. Sprechen, sprechen, nach ganz festen, heiligen Gesetzen, das ist vorläufig die Hauptsache im Theater, nicht minder für den Dramattkor als für feine Va- fallen, die Schauspieler. Wer gut singt, braucht sich noch nicht gut auf der Buhn« zu bewegen, aber wer gut spricht, wird auch auf geheime Art der Bühnenbewegung Herr. Wir brauchen wieder das Theater für das mitdichtende, mitbauende, mitformende Ohr, nachdem das Theater für das Aug« einer deutlichen Dekadenz und sogar einer bedeutenden Unwichtigkeit rerfallen ist. Max Hochdorf . Eine Votschaft ausländischer Zugend. Anfang August hielten die„Poung Friends", die jungen Quäker, in Richmond-Indiana «ine Konferenz ad. Es trafen sich dort 350 junge Leute, die alle Teile der Vereinigten Staaten , England, Kanada , Kuba , China und Japan vertraten. Die„Freunde" wünschen in erneuter Erkenntnis der physischen Leiden und geistigen Abgeschlossen hett der deutschen und österreichischen Jugend, daß auch sie trotz allem den Mut aufrecht- erhalten im Kamps„für ein Leben, das jede Möglichkeit der Entstehung van Kriegen verhindert". Als Aus- druck ihre-s Kameradschaftsgesiihls senden sie„den jungen Menschen in Deutschland und Oesterreich " diese Botschaft: „Die jungen Quäker fühlen sich Euch herzlich nahe. Jugend aus den Vereinigten Staaten , aus England und anderen Ländern traf
wo blieb»as Sei»! Im„Kölner Tageblatt" wird mit einer erstaunlichen Offcnherzigkest Stellung genommen gegen die„rheinischen Parteiführer", die kürzlich in einer Unterredung mit dem Reichskanzler zur Fortsetzung des passiven Wider- st a n d e s eintraten. Unter ihnen befand sich neben dem Vor- sitzenden des Preußischen Staatsrats , dem Oberbürgermeister von Köln , Adenauer , auch der Kölner Großbankier Louis Hagen . Das Kölner Vlatt behauptet, daß die Befürworter des passiven Widerstandes„nur noch in den Reihen sitzen, die aus dieser Politik geldlichen Nutzen schöpfen". Ueber die Mißwirtschaft, die mit den Rhein - und Ruhrkrediteir getrieben wurde, berichtet das Blatt in grellen Farben und schließt:. „Wer das große Elend und die riesenhafte Un- moral, die wir im Westen mit der Polittk des passiven Wider- standes erkaufen mußten, ständig vor Augen hat, der muß dem Währungsausschusse des Reichswirtschaftsrats dar H bar sein, der die Ding« beim richtigen Namen genannt hat. Voraussetzung für jede Besserung ist die Beseitigung der Defizitwirt- s ch a f t der öffentlichen Gewalten. Diese Defizitwirtschast ist im besetzten Gebiet durch staatspolitische Maßnahmen, deren S tü mp e r h a f t i g k e i t wir nicht erst jetzt, sondern schon vor Monaten im„Kölner Tageblatt" gegeißelt haben, zum System erhoben wordt!-.. Und deshalb schließen wir uns den Forderungen des Währungsausschusies des Reichswirtschaftsrats an. Die A u s- gaber.» für den Ruhrkampf sind sofort auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, die für Ruhrzwccke zur Ver- fiigung stehenden Gelder sind zu kontingentieren unk» ihre Verteilung ist unter Kontrolle eines kleinen, mit dikta- torischen Vollmachten ocrsehencnf Ausschusse» zu stellen. Bedauern müssen wir es, daß diese Forderungen nicht von den politischen Führern des Rheinlandes ausgegangen sind." Als Genosse Hilserding das Reichsfinanzministerium über- nahm und nun genaueren Einblick in die bisherige Ruhr- finanzierung gewann, ist er— wir verraten da kein Ge- heimnis— ebenso e r st a u n t gewesen über den Zustand, den er vorfand, wie die große Oesfentlichkeit, die erst durch Hilfer- dings schonungslose Rede im Hauptausschuß des Reichstages über die Verwahrlosung der Reichsfinanzen volle Klarheit be- kam. Daß jetzt schleunigst dieser Verwahrlosung ein Ende ge- macht werden muß, darüber sind sich alle einig. Aber man. kann nicht plötzlich alle Zahlungen einstellen, ohne heilloseste Verwirrung im besetzten Gebiete anzurichten. Aber es muß der„riesenhaften Unmoral" mit allen Mitteln begegnet wer- den, die sich vor allem darin äußert, daß„das Rheinland ". will sagen, gewisse rheinische Kapitalsgruppen, durch riefen- hafte Kaufaufträge an der Berliner Börse den Kurs auslün- dischcr Zahlungsmittel schamlos in die Höhe treiben.
Ermäßigungen beim Steuerabzug. Vom IS. September 1923 ab werden di« Ermäßigungen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn wiederum erhöht, und zwar auf das Doppelte der für die erst« Septemberhälfte gelten- den Sätze. Sie betragen von diesem Zeitpunkt ab: a) für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau monatlich je 720 000 M.(bisher 360 000 M.), wöchentlich je 172 800 M.(bisher 86 400 M.), b) für jedes auf dem Steuerbuch verwerkte minderjährige Kind monatlich 4 800 000 M.(bisher 2 400 000 M.), wöchentlich 1 152 000 Mark(bisher 576 000 M.), c) für Werbungskosten und sonstige Abzüge monatlich 6 000 000 M.(bisher 3 000 000 M.), wöchentlich 1 440 000 M.(bisher 720 000 M.).
Serbisch - französisches Einvernehmen. Der jugoslawische Ministerpräsident Pasitsch erklärte im Ministerrat, daß er mit Poincari wegen der Fiumefroge verhandelt habe. Sein Bericht war opti- mistisch gehalten, da zwischen Jugoslawien und Frankreich volles Einvernehmen in dieser Angelegenheit erzielt worden sei.
sich in diesen Tagen, Jugend der verschiedensten Meinungen-, und überwältigend stark erstand in uns das Bewußtsein der tiefen Ge* meinschaft, der Einheit oller Mensch« ir. Das Dunkel des Krieges, dos uns verwirrte, beginnt sich zir lichten: wir sehen, was für ein Unding es ist, ein ganzes Volk zu verurteilen. Wir glauben, daß alle Staaten schwere Schuld tragen und unser Stolz auf Amerika wird Demut, denken wir an Lüge und Haß, mit denen wir uns beluden. Aber wir glauben auch, daß in allen Ländern Menschen in Hingabe die Welt der Wahr, heit und Liebe zu bauen suchKy. Wir hörten von Euch jungen Menschen in Deutschland und Oesterreich, die Ihr entschlossen seid, treu zu sein trotz Einsamkeit, gescheiterter Hossnung, Rot. Ob unser nächstes Ziel auch nicht das- selbe, wir wandern gemeinsam mit Euch, Kameroden, auf dem Pfad der Liebe. Mit Euch glauben wir, daß uns aus der ernsten B e- tätigung der Liebe im Alltag jedes einzelnen ein« neue Welt des Brudcrsinns ohne Grenzen, die Welt des Rechts entstehen kann." „Mein Vetter Eduard", der neue Schwank von Fred Rods, erlebte im Komödienhaus feine Urausführung. Eine unhcim- liche Verwechslungs- und Dertleidungsgeschuhte, di« sich in nichts von dem üblichen Durchschnitt der bloßen Unterhaltungsschwünke, nach dem Geschmack des neureichen Spießertums, unterscheidet. Trotzdem ist die Sache diesmal auch fiir andere Leute unterhaltend, da ein Darsteller von starten Fähigkeiten(Ralph Artur Rodert?» sich mit Lieb« und guter Laune ihrer angenommen Hot. Dieser Roberts spielt den Eduard, den Typ eines„guten Jungen", der sich zu den unmöglichsten Täuschungsmanövern voller Frohsinn ge- brauchen läßt. Er hat Spaß daran und verstrickt sich in einem amerikanischen Erbonkel, den er zu kopieren hat, so mrrettbar, daß er aus der Wirrnis der Charaktere sich selber nicht mehr befreien kann. Außer Georg B o s« 1 t fand sich in der Schar der Darsteller kaum einer, der den Qualitäten des Hauptdarstellers auch nur an- nähernd entsprochen hätte, K. Die deulsche Wissenschafkskullur in Gefichr. Die„Notgemein- schaft der deutschen Wissenschaft" hat sich in einer Sitzung am 10. September 1923 mit der verhängnisvollen Entwicklung in der misjenlchastlichen Buchproduktion beschäftigt. In der Erkenntnis, daß der Nisdergong der wissenschaftlichen Literatur eine unheilbare Krisis der Kulturpolitik bedeute, forderten die anwesenden Vertreter der wisienfchaltlichm Verlage und des Parlaments in einer Eni- schließung die wtetscha filichen Berufsstände des Bolkes und die Re- gierung auf, eine Retttingsaktton einzuleiten, die versucht, die kata- strophale Entwicklung des Wirtschaftsvevsalls insoweit aufzuhalten, daß ein Mindestmaß deutscher Wisfenschaststultur gewährleistet wird, die für dos Dasein des Gesamwolkes unerläßlich ist.
Das Ende des deutschen Buche?. Die Tchlüsselzahl im Buch- Handel beträgt vom Donnerstag neun Millionen. Der Bölkerdund gegen die unsittliche Literatur. Die von ffrank» reich nnlcr den Niiivizien deS VöllerbnndeS einberufene international« Kon-rcn-. zur Belämpiung der unsittlichen Literatur genehmigte ein inier- nationales Äblommen.