Nr. 491 40.Jahrgang Ausgabe A nr. 245
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Sonnabend, den 20. Oktober 1923
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Kahr treibt zum Bruch.
Abberufung Lossows.
Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst" meldet: Die Ubberufung des Generals v. Coffom ist am Freitag durch den Reichswehrminister offiziell erfolgt. Die banerife Regierung hat daraufhin nicht nur den Rüdfritt des Reichswehrministers Geßler gefordert, fondern auch die Reichsregierung außerdem wiffen laffen, daß fie in Zukunft jeden dienstlichen Berkehr mit dem Reichswehrminister ablehnt.
for beantwortet.
Bayern fordert Geßlers Rücktritt!
dienstlichen Verkehr mit ihm. Das heißt: der Bruch mit dem Reich wird vollzogen!
und selbst, wenn es einstweilen das Ende wäre, so wäre es auch schon wieder ein neuer Anfang. An dem Tag, an dem die Reichseinheit zerbricht, wird sich von der Ostsee bis zu den Alpen eine Bewegung für ihre Wiederherstellung erheben, und die deutsche Sozialdemokratie wird an ihrer Spize stehen. Es wird einem engstirnigen Kirchtumpolitiker vom Schlage Kahrs nicht gestattet sein, die großen Linien der geschichtlichen Entwicklung zu durchbrechen, die aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen heraus zur staatlichen Einheit des deutschen Volkes führen.
Kahr vergeht, das Reich besteht!
Die Vorgeschichte der Krise.
Ueber die Entwicklung des Konflikts, erfahren wir noch: Bekanntlich wurde vor wenigen Wochen der Chef der Heeres=
bieten.
Das ist eine Entwicklung der Dinge, die aufs tiefste beflagt werden muß. Es ist ein Verbrechen, die Einheit des Reiches zu zerschlagen, und die Folgen, die daraus der wahrlich schon genug gequälten Bevölkerung erwachsen können, find unabsehbar. Darum ist hier auch niemals einem überstürzten Vorgehen gegen Bayern das Wort geredet worden. Wenn wir an dem Die Abberufung des Generals v. Lossow, die als eine Berhalten der Reichsregierung etwas zu tadeln hatten, so war vollzogene Tatsache zu betrachten ist, hat in hohem Maße den Gründen, die ihr reichlich zur Verfügung standen, nach es das, daß sie es versäumte, öffentlich mit den guten Unwillen der derzeitigen Machthaber Bayerns hervorgerufen. Bayern hinüberzuwirken. Wäre das bayerische Bolk rechtSie haben diese Abberufung mit der Forderung nach zeitig von dem unantastbaren Rechtsstandpunkt des Reiches dem Rücktritt des Reichswehrministers Geßunterrichtet und auf die Gefahren hingewiesen worden, die sich aus einer Zufpigung des Konflikts ergeben, so wäre das Es ist ein feltenes Spiel des Zufalls: die Mehrheit Intermezzo der Kahr- Diftatur heute vielleicht schon beendet. leitung, General v. Seedt, vom Bölkischen Beobachter" in des sächsischen Landtages und Herr v. Kahr treffen sich auf Benn nur das Reich fest zu seinem Recht stand und an seinem gemeiner Weise beschimpft. Der Reichswehrminiſter gab daraufhin einer gemeinsamen Linie mit der Forderung nach der Demis willen, es durchzusehen, feinen Zweifel ließ, dann mußte den Befehl nach München , den„ Bölkischen Beobachter“ zu ver sion Geßlers. Die Dinge in Sachsen werden hoffentlich gütlich ins nicht gleich mit großen Kanonen geschossen werden, dann ging Befehl, gegebenenfalls mit militärischer Gewalt das Er. Er wiederholte das Verbot und ergänzte es durch den reine gebracht werden können. Wenn die Sozialdemokratische es voraussichtlich auch so. Partei in Berlin und in Dresden zusammenarbeitet, um wendung des mildesten Mittels verzichtet. Und Herr Geßler hat achter" trotzdem weiter erschien. General v. Loffow lehnte die Die Reichsregierung hat wochenlang fogar auch auf die An- scheinen des Hitler - Organs zu verhindern, da der„ Bölkische BeobGegenfäße auszugleichen und Verständigungen anzubahnen, in aller Stille zu ordnen und zu schlichten versucht. Bochen- Durchführung der Anordnung feiner vorgefekten fann der Erfolg nicht ausbleiben. Dann werden weder die fann der Erfolg nicht ausbleiben. Dann werden weder die lang hat man überlegt, ob man zur Abberufung des Generals Dienstbehörde ab, weil er einen Konflikt mit Herrn v. Kahr Rechtsradikalen noch die Kommunisten, die beide es gar nicht v. Rossow schreiten sollte, die gerade von militärischer vermeiden wollte und erklärte gleichzeitig auf telegraphischem Wege, mehr erwarten können, daß losgeschlagen wird, auf ihre Rech- Seite wegen Nichtausführung eines Befehls für notwendig daß er auch in Zukunft weitere Befehle des Reichswehrministeriums nung fommen. Anders, ernster liegen nach unserer Aufaffung die Dinge gehalten wurde. Man hat, wenn wir recht unterrichtet sind, in ähnlichem Sinne behandeln werde. Auch jetzt versuchte man noch Anders, ernster liegen nach unserer Aufaffung die Dinge Herrn v. Lossow nahegelegt, freiwillig zurückzutreten. Kurz, in aller Stille, diesen meuternden General", wie ihn der in Bayern . Denn weder gibt es im Verhältnis zwischen die Reichsregierung hat sich im Streit mit Bayern benommen General v. Seedt nannte, zum Abschied zu bewegen. Man teilte ihm und dem Reich einen Bermittler, der eine ähnliche Rolle wie ein geduldiger Heiliger in einer frommen ihm brieflich mit, daß der Chef der Heeresleitung kein Vertrauen spielen tönnte wie die Sozialdemokratie beim Ausgleich des Konflikts mit Sachsen , noch ist für einen solchen Ausgleich die Legende. Sie hat nur Streiche hingenommen und feine aus mehr zu ihm habe, und deshalb seinen Abgang erwarte. erste grundlegende Boraussetzung geschaffen, nämlich die AnHerr v. Lossom beantwortete diesen Brief erst erkennung des Grundsages, daß das Reich den Einzelstaaten heute auch seinen Vorteil. Denn heute sieht jedermann, muß ministerpräsidenten, der dann in Berlin auf indirektem Hatte dieses Verhalten seine Nachteile, so hat es doch gar nicht, sondern übergab ihn dem bayerischen übergeordnet ist.. Bon München und von Dresden aus entlädt sich der auch in Bayern jederman sehen, wer die Schuld an dem Wege Fürsprecher des Generals wurde und feiner Auffassung dahin Bon München und von Dresden aus entlädt sich der drohenden Bruch trägt. Herr v. Kahr, hinter dem die Ausdruck gab, daß v. Lossow Militärbefehlshaber in Groll gegen Berlin aus verschiedenen Gründen. In Dresden halb abgedankte Regierung Knilling willenlos hinterbrein Bayern sei und auch über die ihm von Berlin geift man unzufrieden, weil in der Reichsregierung neben Sozial- humpelt, will den Bruch, und jeder Anlaß ist ihm dazu recht. gebenen Befehle nach Gutdünken entscheiden demokraten auch Bürgerliche ſizen, in München tobt man, weil in der Reichsregierung neben bürgerlichen Parteien auch Ist das das Ende des Reichs? Wir glauben es nicht! tönne! Schließlich fuhr Geßler am Mittwoch nach Augsburg die Sozialdemokratie vertreten ist.
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Daß nun die Entladung des Münchener Ingrimms gerade gegen den Reichswehrminister Geßler erfolgt ist, nimmt im ersten Augenblick wunder. Es läßt darauf schließen, daß der Reichswehrminister, der selber ein geborener Baner ist, im stillen gegen das verfassungswidrige Regiment in feinem engeren Vaterlande doch eine Aktivität entfaltet hat, die den Münchener Machthabern unbequem wurde. Im Mittelpunkt des Konflikts Geßler Kahr steht die Berson des Generals v. Lo so w. Dieser General hat den ihm erteilten Befehl, das Nichterscheinen des von der Reichsregierung verbotenen Bölfischen Beobachters" mit eigenen Mitteln durchzusetzen, nicht ausgeführt. Er hat dafür an Regimentsfeiern teilgenommen, die mit monarchistischen Kundgebungen verbunden waren. Aber je mehr es offenbar wurde, daß seine Loyalität dem Reiche gegenüber etmas wurmstichig geworden war, desto höher stieg er in der Gunst des Generalstaatsfommiffars.
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geteilt.
Kabinettsrat über die Sachleistungen.
terung der Regie im befetten Gebiet zu dem diplomatiNicht zuletzt hat das französische Ansinnen der Erwei schen Auftrag des Reichskanzlers an die diplomatischen Vertreter im Ausland beigetragen. Die französische Regierung machte dem Reichskabinett vor wenigen Tagen über die Einrichtung der Regie nähere Mitteilungen und forderte die Annahme dieser Pläne ohne jede Diskussion. Dieses Diktat hat das Reichskabinett abgelehnt. Poincaré hat daraufhin wissen lassen, daß für ihn die Verhandlungen mit Deutschland nunmehr erledigt seien.
Das Reichsfabinett wird sich am Sonnabend mit tragt, der mit den letzten deutsch - französischen Verhandlungen der Reparationsfrage beschäftigen und über die Möglichkeit und ihrem ergebnislosen Berlauf in engstem Zusammenhang bzw. Unmöglichkeit der Finanzierung von Sachsteht. Dr. Stresemann dürfte im Laufe des heutigen Tages lieferungen Beschluß faffen. Es handelt sich also um eine noch Gelegenheit nehmen, vor einem fleineren Kreis diejen Entscheidung von ungeheurer Tragweite für die un- Schritt und die Außenpolitik des Reiches für die kommenden mittelbare und vielleicht auch für die weitere Zukunft des Wochen zu begründen. Deutschen Reiches und des deutschen Volkes, die heute im Kabinett fallen soll. Ein solcher schicksalsschwerer Beschluß fann nur nach sorgfältigster Erwägung aller politischen und wirt fchaftlichen Folgen getroffen werden, die er nach sich ziehen dürfte. Deutschland steht zweifellos vor der Alternative, entweder seine soeben in Angriff genommene finanzielle GesunDie Ernennung und Abberufung von Militärbefehls- dung zugunsten der Kohlenlieferungen an Frankreich auf das habern ist Sache des Reichspräsidenten . Hier besteht ein voll- äußerste zu gefährden, ohne dabei die geringste Sicherheit zu tommen flarer Rechtszustand. Der Reichspräsident will einen haben, daß es auch dann tatsächlich in absehbarer Zeit zu einer General abberufen; der durch eine verfassungswidrig gewor- Berständigung mit Frankreich tommen wird, oder die Folgen dene Berordnung in fein Amt eingesetzte Generalstaatstom- einer Ablehnung der neuen Forderungen Frankreichs auf sich miffar will den General halten. Es ist selbstverständlich, daß zu nehmen. In beiden Fällen, darüber muß man sich im da der Befehl des Reichspräsidenten zu gelten hat. flaren fein, stehen dem deutschen arbeitenden Volfe weitere Es ist Frankreich glücklich gelungen, den belgischen tech Herr v. Kahr und Herr v. Knilling fönnen darüber ungeheuere Leiden bevor, für die allein Poincaré die Ber - nischen Studien durch Ueberweisung an die finanzielle Abunmöglich anderer Meinung fein, aber fie sind anderen antwortung trägt. In diesem entscheidenden Augenblick ist es feilung der Reparationskommission ein Begräbnis erster Klaffe zu Willens. Sie wollen das Reich in bayerische Dinge über aber um so mehr die Pflicht der Reichsregierung, nach bestem der Gegenseite, positive Borschläge zur Lösung der Reparationsfrage bereiten. Damit dürfte dieser immerhin erwägenswerte erste Versuch haupt nicht mehr dreinreden laffen, auch dort nicht, wo es sich Bissen und Gewissen zu entscheiden, ob die technische Mög zur Erörterung zu stellen, auf absehbare Zeit erledigt sein. In Bel um militärische Angelegenheiten handelt. Darum beantworten lichkeit einer Ausbringung der nötigen Goldmillionen aus dem zur Erörterung zu stellen, auf absehbare Zeit erledigt sein. In Belfie nicht gnaz logisch die Abberufung Lofsoms mit der deutschen Besitz noch besteht oder nicht. Die ganze Welt, mit gien zeigt man sich über diese Behandlung sehr enttäuscht und Forderung nach dem Rücktritt Geßlers. Das Reich soll in Ausnahme der französischen Regierung, ist wohl der Ueber: bebauert, nicht mehr Unterstützung auf englischer Seite gefunden zu Bayern nicht mehr dreinreden, dafür redet Bayern desto mehr zeugung, daß wir in dem jezigen Chaos einer Atempause un- haben. Deutschland hatte inzwischen eine Denkschrift zu den belgibedingt bedürfen. Es handelt sich aber nicht mehr darum, schen Plänen der Reparationskommission überreicht, doch dürfte diese Poincaré zu überzeugen oder gar zu befriedigen, sondern ebenfalls in die finanzielle Abteilung" wandern und dort sanft darum, das Proletariat an der Ruhr und im übrigen Deutsch land vor dem Hungertode zu retten.
im Reich drein.
Wie der Sozialdemokratische Parlamentsdienst" meldet, hat sich die bayerische Regierung nicht darauf beschränkt, Geß fers Demiffion zu fordern, sie hat auch nach berühmten Mustern erklärt, daß sie jeden dienstlichen Verkehr mit ihm ablehne.
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ruben.
Inzwischen hat die Reparationstommiffion gestern vormittag beschlossen, Deutschland zu beauftragen, gewisse Sachlieferun= Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst" teilt mit: gen an Frankreich , Belgien und Italien vorzunehmen. Ob damit Herr Geßler ist unter dem militärischen Ausnahmezustand Der Reichskanzler hat die deutschen Vertreter auch Kohlenlieferungen oder andere Leistungen nach dem Versailler Inhaber der vollziehenden Gewalt im ganzen in den europäischen Ländern und in Washington für heute Vertrag bzw. nach dem Wiesbadener Abkommen gemeint sind, geht Reich. Bayern erkennt ihn nicht mehr an, es verweigert den mit einem wichtigen diplomatischen Schritt beauf aus den Meldungen nicht hervor.