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!Tc. 491 40. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
Sonnabenö, 20. Oktober 1923
herbftwanöerungen. Der Herbst hat seinen Einzug geheilten: das Laub an Baum und Strauch leuchtet in prächtigen Farben. Vom tiefen Rot über Braun bis zum brennenden Gelb können wir alle Farbentöne be- wundern. Nur kurze Zeit währt diese Pracht. Wenn Regenschauer, Frost und Sturm über das Land fegen, dann wirbeln auch die ab- gestorbenen Blätter zur Erde, neue Nahrung für die Pflanzen in kommenden Zeiten. Jetzt müssen wir die märkischen Laubwälder durchstreifen, zu den märkischen Waldseen wandern, wenn wir die Freuden des Herbstes recht genießen wollen. Rund um den Liepnihsee. Der Liepnitzsee ist einer der schönsten Seen in der Umgebung Berlins  . Rings von.Laubwald umkränzt liegt er in einer lieblichen Takmulde, die sich mehrere Kilometer weit erstreckt. Mit der Stet- tiner Vorortbahn fahren wir bis Zepernick   und kommen durch die Kolonie Schönbrück nach Schönow  . Vom Nordende des Dorfs führen drei Wege ab. Wir wählen den mittleren und kommen sogleich in Kiefernwald. Durch Dünengeländ« erreichen wir in 3S Minuten den breiten Weg von Bernau  , dem wir nach links folgen bis 3 Minuten hinter den Jagenstein 8.4. 8. Alsdann wenden wir uns rechts ab aus einen Fahrweg, der nach einigen Minuten in den Gestellweg L einläuft. Durch schönen Mischwald, bestehend aus Kiefern, Buchen und Eichen mit reichlichem Unter- holz, kommen wir zur Chaussee von Wandlitz, in der Nähe des Forst Hauses Liepnitz, überschreiten die Chaussee und stehen bald darauf am Liepnitzsee. Um das Westende des Sees wandern wir zu seinem Nordufer. Nördlich vom Liepnitzsee liegt der Regenbogensee, ein echtesWaldauge", lieblich einge­bettet zwischen buchenbestandenen Höhen. Auf dem Südufer dieses Sees wandern wir gen Osten und kommen bald wieder zum Liepnitz- see. Regungslos liegt die Wasserfläche vor uns, von der leichter Rebeldunst aufwallt. Die Herbstsonne leuchtet durch das braunrote Buchenlaub und vergoldet es mit mildem Schimmer. Auf dem Grase perlen die Tautropfen wie funkelndes Gestein. Am Kämmerersee vorüber wandern wir nach U e tz d o r f am Ostend  « des Liepnitzsees, einer stillen, lraumverlorenen Siedlung. Wir wenden uns nun zum Südufer des Liepnitzsees und folgen dem schmalen Unterpfad, der unterhalb der buchenbestandencn Höhen hart am Wasser zum Westende des Sees zurückführt. Von dem hier gelegenen Gasthans wandern wir auf schönem Waldwege und weiterhin auf der von Fußwegen begleiteten Chausie« nach B e r- n a u, dem alten Hussitenstädtche». Ein Spaziergang an der noch teilweise sehr gut erhaltenen Stadimauer mit den alten Tortürmen beschließt die Wanderung(Weglänge 30 Kilometer.) Am Lienswitzfee. Wir beginnen unsere Wanderung in Potsdam  , das wir von den Bahnhöfen der Stadtbahn oder vom Potsdamer Bahnhof aus erreichen. An der Brücke über die Bahn wenden wir uns nach links und gelangen durch die Leipziger Straße  , am Fun des B r a u- Hausberges vorüber, zur Havel  . Links der Straße steigen Bergzüge auf, die einem Endmoränenzug angehören. Die Straße wird von alten Buchen begleiiet. Gerade jetzt im Herbst gewährt es«inen eigenartigen Reiz, hier zu wandern, zwischen den braun- rot schimmernden Bergen und dem leise gurgelnden Fluß. In einer ruhigen Bucht liegt in stiller Abgeschiedenheit die Siedlung T«mplin. Der schöne Weg führt uns weiter nach Caputh  , dem langgestreckten Obstdvrf, das den Beginn des märkischen Obst- gmres uin Werder   anzeigt. Es roifti bereits 1317 urkundlich er­wähnt und entstammt der Wendenzeit. In der Nähe der Kirche zweigt ein Weg in südlicher Richtung ab. Links von den Krähen- bergen vorüber kommen wir in d«n Wald. An der Kreuzung der Gestellwege r und 7 wenden wir uns gen Südost zum Großen L i e n« w i tz s c e. Bon hochstämmigem Kiefernwald umrahmt, gleicht der See einemWaldauge", wie es die märkischen Wäld«r selten in so ausgesprochener Eigenart ausweisen. Westlich vom Großen Lienewitzsec erstreckt sich der Kleine L i e n e w i tz s e e. Auf der schmalen Landenge zwischen beiden Seen liegt die Siedlung Lienewitz, nur aus wenigen Häuschen bestehend, die sich in das Waldesgrün schmiegen. Bon Lienewitz ivenden wir uns südlich auf der Chaussee zum Forsthaus Schmerberg. Hier beginnt' ein kleines Tal, in dem die Lienewitzseen und eine Reih« weiterer See- decken liegen. Den Ausgang zur Havel   bildet der große C a- puther See. Das Forsthaus erhebt sich auf dem erhöhten Ufer
des Waldtals. Hier führt«, von Brück kommend, die alte Straße aus Sachsen   und Anhalt nach Potsdam   vorüber. Vom Forsthaus wandern wir in östlicher Richtung durch Kiefernhochwaid nach Michendorf  , das sich 1 Kilometer lang an der Chaussee hin- zieht. Erwähnenswert ist ein bedeutender Fund wendischer Münzen aus dem 12. Jahrhundert, der bei dem Dorf gemocht wurde. Vom Bahnhof am Nordende des Dorfes fahren wir mit den Vorort- zügen der Wetzlarer Bahn nach Berlin  (Stadtbahn) zurück.(Weg- länge etwa 20 Kilometer.)
Ter Sturm auf die Bäckereien. Gestern vormittag gegen lO'/z Uhr drangen 20 junge Burschen in die Bäckerei von A 1 b r e ch t, Elsasser Straße 38, ein und verlangten unentgeltliche HemiZgabe von Brot. Um Plünderungen zu verhiitcih gab ihnen die Verkäuferin 20 Brote. worauf sie davongingen. Um dieselbe Zeit sammelten sich etwa 1800 Personen an der Ecke der Scheerer- und Rei- nickendorfer Straße. Die Schutzpolizei zerstreute die An» sammlung. Aehnlich erging eS 800 Personen, die um etwa 12'/., Uhr mittag« der Bäckerei von Pache, Schönhauser Allee   180, einen Besuch abstatten wollten. Auch hier griff die Polizei ein.
Wettvl'aussidhten für Sonntag.
Am Anfang dieser Woche hfrtseht» in Deutschland   veränder­liches, aber ziemlich mildes Wetter; im Alpenvorlande gingen zahlreiche und zum Teil starke, im Westen mehr vereinzelte ge­ringe Kegenfalle hernieder, die pich in den nächsten Tagen mehr­mals wiederholten. Es war nämlich der Ausläufer eines auf dem Nordmoere befindlichen Tiofdrnctgcbietes langsam über Mittel­ europa   hinweggezogen. Bei vorherrschend südwestlicher Luft­zufuhr stiegen die Tompornturen in den Tagesstunden meist bis 12 und 15 Grad empor. Als aber in der Macht zu Dienstag der Himmel sich vorübergehend aufheiterte, trat namentlich im mitt­leren Morddeutschland beträchtliche Abkühlung ein. Das Thermo­meter sank r.u Kyritz   und Dahme   bis auf 1. zu Schwerin   und Frankfurt   a. 0. bis auf 2 Grad. In den nächsten Tagen wieder­holten sich, namentlich im Küstengebiete, die Eegenfälle noch mehrmals, waren aber im allgemeinen gering. Auch im nord­deutschen Binnenlande kamen an verschiedenen Orten leichte KiederschlSgc vor. Gegen Ende der Woche rückte ein umfang­reiches Hochdruckgebiet nach Mitteleuropa   vor. die Winde drehten sich nach Süd und führten beträchtliche Erwärmung herbei, so daß am Freitag mittag die Temperaturen im Binnenlande vielfach Grad Celsius überschritten. Doch schon am Freitag nach­mittag entstand an der Südseite eines bei Island   aufgetretenen neuen und sehr starken Tiefdruckgebietes eine ziemlich weit aus­gedehnte Niederschlagszone in Westdeutschland, die sich langsam ostwärts ausbreitete. Wir werden in den nächsten Tagen im Be­reiche de- Tiefdruckgebietes bleiben und haben daher nn- faiig« wehr milde», aber grJißtente.ili» trüben Wetter mit leichten Itegcnfüllcn nnd mäßigen südlichen Winden?» erwarten. Später, besonders am Sonntag. dürfte sich der Himmel xeltweisc aufklären, aber das Wetter noch veränderlich bleiben, auch sind noch einxclne imbcdeutcndo Begenschnaer wabr- schoinlich. Uci allmählicher Drehung der Winde nach West dürfte dann auch etwas Abkühlung elu- treten.
Die Volksspeisungsaktion. Noch immer Borbereitungcn. Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt mit: Die Spenden für die Bolksspeisungsaktion der preußischen Regierung laufen von Tag zu Tag in vermehrtem Umfange ein. Die Berliner   Börse hat aus der von ihr veranstalteten Sammlung bereits an den Magistrat Berlin   10000 Dollar überwiesen. An der Berliner Pro- duktenbörse ist die Sammlung von Naturalien ebenfalls für die Berliner   Speisung im Gange. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß sämtliche preußischen Fonds- und Produkten- b ö r f e n nach dem Berliner   Beispiel sich mit laufenden großzügigen Sammlungen an der Bolksspeisungsaktion beteiligen werden. In den Kreisen der Großindustrie wird gegenwärtig der Gedanke be- sprachen, in den einzelnen Städten aus den Kreisen der angesehensten Industriellen L o k a l k o m i t e e s ins Leben zu rufen, die gleichfalls fortlaufende Sammlungen bei ihren Berusskollegen veranlassen sollen. Die preußischen Zentralbehörden haben die Sammlungen ihrer Beamten schon vor einiger Zeit in der 1. Rate abgeschlossen. Wir haben eigentlich nicht viel Zeit zu verlieren. Darum sei die bescheidene Frage erlaubt: Weshalb wird nicht be- gönnen, mit den vorhandenen Mitteln zp arbeiten? Maßnahmen des Jugendamtes. Es ist in Aussicht genommen, den Sänglingsfürsorge. stellen der Stadt Berlin  , soweit möglich, Beträge zur Verfügung zu stellen, um Nährpräparate für bedürftig« Kinder abgeben zu können. Weiterhin erhalten bedürftige Schwangere und Kinder im ersten Lebensjahr eine Beihilfe zum Ankauf von 14 Liter Milch täg­lich. Um den Vereinen, die Krippen, Kindergärten und Horte unterhalten, die Möglichkeit zu geben, diese im Jnteresse unserer Jugend so unbedingt erforderlichen Anstalten offen zu halten, werden den Vereinen bedeutende Beihilfen zur Besoldung des Per- sonals gezahlt. Daneben werden auch noch Vorschüsse zur Vestrei- tung sachlicher Ausgaben(z. B. Kohlen) gegeben. Ferner ist das Jugendamt bemüht, für die Kinder, die In F a m i li e n p f l e g e gegeben worden sind, ein ausreichendes Pflegegeld zu zahlen. Dieses Pflegegeld beträgt für Säugling« den eineinhalb- fachen Milchpreis, d. h. zurzeit für Kinder bis zu 2 Jahren wöchent- lich 2 280 000 000 M. Schließlich läßt es sich das Jugendamt auch angelegen sein, den Unterhaltssatz für uneheliche Kinder der Geldentwertung entsprechend stets auf einer solchen Höhe zu halten, daß der Lebensunterhalt dieser Kinder gedeckt ist. Er beträgt vom 15. Oktober ab drei Milliarden für den Monat. Das Jugendamt unterhält in Nest. a. d. Ostsee  (Kreis Köslin  ) und in Scheuen bei Celle  (Lüneburger Heide  ) Kindererholungsheime, die in diesem Jahre vielen erholungsbedürftigen und unterernährten Kin- dern Groß- Berlins eine Stätte der Kräftigung und Gesundung ge- wesen sind. Um die Berliner   Waisenanstalten zu entlasten, hat das Jugendamt die Maßregel getroffen, diese beiden Heime während dieses Winters mit Waisenkindern zu belegün.
Oer Mörüer öer£ucic Conraü. In Berlin   ermittelt und verhaftet. Der Kindesmörder ans der Oudenarder Straße, der Gelegen- heitsarbeiter und Händler Heinrich Schaper, ist verhastet. Er hatte versucht, sich durch den Berkauf eines Paares Stiefel vielleicht die Mittel zu verschaffen, um aus Berlin   herauszukommen. Aber auch dieses letzte Geld war bald verbraucht, und bevor er die Stadt verlassen konnte, wurde Schaper verhastet. Die Kriminalkommissare B ü n g e r und Busch unterzogen ihn nock gestern abend einem eingehenden Verhör, das noch nicht abgeschlossen ist. Frau Conrad hatte es so dargestellt. daß sie stets die Zudringlichkeiten ihres Mieters zurückgewiesen habe. Dem widerspricht Schaper. Er behauptet vielmehr, daß sie zu ihm in enger Beziehung gestanden hatte, ihn ober habe abschieben wollen, weil er arlieitslos geworden sei und ihr nicht genug Geld mehr habe geben können. Die Mordtat gibt er zu. Er versucht aber, sich mit einer Art Dämmerransch berauszureden, in dem er nicht gewußt haben will, wie er zu der Tat gekommen sei. Der Mörder hat nach seinem eigenen Geständnis zunächst versucht, die Kleine, die nach dem Weggang der Mutter aus der Küche zu ihm in die Kammer gekommen war, um mit ihm Schul- arbeiten durchzusehen, zu erhängen. Als die Schnur riß und das Kind jetzt schrie, griff er zum S ch u st e r h a m m e r.
Die Lofolfischer. Roman von Zshan Rojer.
2.
Der Schubkarren kam zuerst und hinterher der Mann, der ihn schob, und der hinkte so stark, daß selbst das Knacken des Radzapfens schief und hinkend klang. Von vorn war der Mann nur ein breiter Oberkörper, ein kleines verwittertes Gesicht in einer Fülle schwarzen Bartes und Haares, und darauf eine rote Zipfelmütze, deren Quaste über dem einen Ohr baumelte. Aber die. Knaben, die am Strande Tang ver- brannten, sahen ihn danm-auch von hinten, und da hatte er auch Beine, ein langes und ein kurzes. Er ging wie bei starkem Seegang, und der helle breite Westenrücken war eine feine Zielscheibe für Schneebälle, wenn nur Winter gewesen wäre... aber nein, der Hosenboden war breiter und noch besser! Er war ganz schief, und die vielen Friesflickcn darauf erinnerten an kleine Ackerparzsllsn. Die Hosenbeine warfen takten wie eine Ziehharmonika, aber sie reichten bis über die trippen der hohen Stiefel.Hallo, Jakob! Hallo, Schwere- not mit dem Kurzfuß!" Still, Jungens!" sagte er nur nnd karrte weiter. Ja, das war der Jakob, und den Beinamen hatte er be- kommen, weil er so oft Schwerenot sagte, wenn er fluchte und gleich: itig schwang er gerne mit dem kurzen Fuß aus. Aber die Knaben blickten zu ihm auf, denn er war Boots- fuhrer auf dem großen LofotbootMeerblume" und hatte zu Wasser und zu Lande soviel durchgemacht es war ein reines Gotteswunder, daß er hier noch lebend umherging. Wenn ein Bursch mit ihm auf die Lofotfohrt ging, so bekreuzigte sich die Mutter und sagte: Großer Gott, du willst doch nickt etwa Fischen und im Trinken, und während die anderen Schiffer in den grauen Hütten an der Bucht wohnten und für Weib und Kind zu sorgen hatten, war er ein forscher Junggesell von sechzig Jahren, und das Boot war sein Weib, sein Haus und sein Heim. DieMeerblume" lag allerdings die Hälfte des Jahres abgetakelt am Strande  , aber Jakob hielt sich auch dann an Bord in der Kambi"> auf, und während die anderen im Somr.Tr T.id Herbst sich mit dem Heringsfang abmühten, nahm Jakob die Sache mit Ruhe, vom Ende der einen Winter- fischerei bis zum Beginn der neuen. Und die Tage, vergehen
so sonderbar rasch, wenn einer zu allen Tageszeiten zu schlafen versteht. Bisweilen stieg aus dem Ofenrohr der Kambüse Rauch auf, dann sagten die Leute:Jetzt ist der Jakob wach: wenn du einen Schnaps haben willst, so klettere nur zu ihm an Bord." Er hatte in dieser Gegend keine Verwandten mehr, aber am Tage der Abfahrt winkte er eifrig mit seinem Südwester, obwohl niemand ihm Lebewohl sagte und ihm Glück auf die Reise wünschte, und im Frllhlung schloß er sich den anderen an und segelte die Hunderte von Meilen südwärts hierher, obwohl keiner unter den vielen, die am Strande   standen, ihn willkommen hieß. Was tat das? Die ,, Meerblume" und er, sie fühlten sich hier wohl, und heute schob er seinen Karren bei dem schönen Wetter und war nicht einmal betrunken. Ueber die See hin stieben die blauen Windstöße in der Sonne, und rings an der Bucht zwischen den beiden Land- spitzen liegen graue Bootsschuppen. In einigen von ihnen streckt das Lofotboot seinen teerbraunen Vordersteven zur hinterep Wand heraus, wie um Ausschau zu halten nach der Jahreszeit, da es hinauskommt und wieder getakelt wird. Aber dieMecrblume" steht allein am Strande ohne Schuppen, sie ist ebenso obdachlos wie Jakob selber: sie streckt ihren langen Rumpf mit dem weißen Streifen längs des oberen Randes, .und die beiden Steven ragen schwarz und stolz empor. Neben den Schuppen hängen Heringsnetze zum Trocknen... nun ja, einen Hering und auch zwei können die Leute wohl er- beuten, die Luft und Geduld haben, aber der Jakob schiebt seinen Karren und pfeift auf solchen Fang. Da verstummt das Rad. Jakob ist stehen geblieben und starrt über die Bucht hin. Ein Segler kreuzt an der südlichen Landspitze vorbei, das ist sicherlich kein Heringsboot, kein Zehner oder Vierer und kein Lastkahn, das ist... ja Schwere- not... das ist ein Lofotboot. So ein Kerl auf See um diese Jahreszeit, das ist wie ein Blitz aus heiterm Himmel, es ist ganz unglaublich, und doch, da kommt er, und er hat sogar ein Boot ohne Segel im Schlepptau. Jakob setzt den Schub- karren nieder und starrt auf die Bucht hinaus. Er beachtet nicht einmal, daß ein anderer hinter ihm herkommt, stehen bleibt und ebenfalls hinüberschaut. Das ist Elezeus Hylla, breit, braunbärtig und mit vorstehenden Backenknochen, und er glotzt so grenzenlos erstaunt, daß man die kreideweiße Zahnreihe sieht. Kannst du das begreifen?" sagt er und steckt beide Hände I tief in die Hosentaschen, Seine Jacke ist aus weißem.Segele
tuch, und die Frieshosen hängen bis auf die Stiefelstrippen genau wie bei Jakob. Der Alte dreht den Kopf nach ihm um, nimmt den Priem heraus, steckt ihn in die Westentasche und spuckt aus:Nein, kannst du das begreifen?" Das mutz ein Fremder sein." Ja, aber mir scheint, das Boot im Schlepptau sollt ich kennen." Oben in den Hütten erschienen viele Gesichter an den Fenstern, und einige Leute kamen heraus, um besser sehen zu können. Und vor dem Hause in Myran standen zwei blonde Buben mit Schirmmützen und nahmen Kartoffeln auf, das waren Lars und fein Bruder Oluf, und sie hielten beide inne, stützten sich auf den Spaten und sahen hinüber. Ich geh an den Strand hinunter," sagte Oluf. Du bleibst hier," sagte Lars, denn er war sechzehn und der andere erst vierzehn Jahre, und wie sollte es hier in der Welt zugehen, wenn der jüngere Bruder dem älteren nicht gehorchen müßte? Die beiden Brüder waren übrigens sehr verschieden. Lars war krummbeinig, breitschultrig und heftig, der andere groß und stark und hatte die kurze Oberlippe der Mutter ge- erbt, so daß der Mund immer offen stand. Er kommt auf unseren Schuppen zu," sagte Oluf. und damit warf er den Spaten hin und rannte davon. Aber im nächsten Augenblick war der Bruder an ihm vorbei.Das ist Vater," schrie er.Potzwetter, du sollst sehen, er hat sich ein Lofotboot gekauft." Und es war wirklich Kristaver Myran, und für ihn war es ein großer Tag. Das, wonach er sich viele Jahre lang in aller Stille gesehnt hatte, das war endlich Wirklichkeit ge- worden: er stand als Führer seines eigenen Lofotbootes, es war unglaublich, aber die Steuerpinne, die er über dem Kaps hin und her drehte, war sein eigen, Rumpf, Takelage, Anker und Tauwerk, alles an Bord war sein. Noch war der vierschrötige Seemann   in den besten Jahren, der Bart umgab rot und kurzgeschnitten ein festes Gesicht, das Haar unter dem schwarzen Südwester war lockig und blond. Wenn er die Kirche betrat, kam es vor, daß die feinen Damen die Lorgnetten hervorholten, um besser sehen zu können. Aber ein Fischer mit Frau und sechs Kindern hat an anderes zu denken als an seine Schönheit. �Fortsetzung folgt.)'