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vor fünf fahren. Zum S. November. Seit von der Terrasse des deutschen Reichstags aus die Zeutschs Republik ausgerufen wurde, ist erst ein halbes Jahr- Zehnt ins graste Meer der Zeiten versunken. Nur ein halb Jahrzehnt, nur winzige fünf Jahre! Aber wenn unsere Blicke aus diese kurze Zeitspanne zurückschweifen, dann finden sie eine Fülle von Hoffnungen, von Ansätzen, von Schößlingen einer - neuen Zeit, und wir finden ein Blachseld, auf dem ebenso viele erschlagene Hoffnungen und Entwürfe bleichen. Was sich am 9. November 1918 mit eruptiver Gewast durch- setzte, war die Sehnsucht nach Frieden, nach Nahrung und nach Freiheit. Innen- und außenpolitisch! Was aber am gleichen Tage zusammenstürzte, war ein System, das sich selbst über- lebt hatte, das innerlich zersetzt war und nur noch durch eine glänzende Decke zusammengehalten ward, bis dievierjährige Not des Weltkriegs auch den letzten Rest des schillernden Plunders durchgefressen hatte. So versank das hohenzollernsche Kaisertum und zencs Bündel von Dynastien, auf das es auf- gepfropft war, sang- und klanglos ins Dunkel. Nicht einmal in Schönheit wußte es zu sterben. Die beiden Hohenzollern flüchteten bei Nacht und Nebe! nach Holland , Nupprecht Wittelsbach suchte Schutz in der spanischen Gesandtschast in Brüssel und dann mit Zioilistenpast den Weg in die Heimat. lind die anderen Potentaten alle nahmen den Kündigungsbrief entgegen, setzten sich in den Schmollwinkel oder ehrlich' zur Ruhe. Niemand fragte mehr nach ihnen. Es fei denn das Heer von Lakaien aller Grade, das in ihrem Gnaden- und Ordens- fegen sich gelabt.hatte. Ein System ging am 9. November 1918 zu Bruche. Es hatte in den Jahrzehnten seiner Macht und seiner prunkenden Herrlichkeit das Land in der West isoliert, es von Feinden rings umgeben lassen und nichts getan, um Land und Volk fest miteinander zu verschmelzen. Klassengegensätze sind über- all in der Welt. Aber nirgends wurden sie von den herrschen- den Schichten so brutal betont, so gewollt herausgestellt wie in dem Deutschland vor 1918. Hier herrschte das System des Stiefelabsatzes und des Stiefelküssens wie es nachträglich von den Höflingen in dicken Erinnerungsbüchern geschildert wird. Hier herrschte eitle Phrasenhaftigkeit und geschwollene Wichtigtuerei. Hier herrschte das preußische Junkerwm, das noch bis in die Wochen der revolutionären Gärung engstirnig auf feinen dreiklassigen Privilegien beharrte. Dasselbe Junter- tum, dem die vox populi als die Stimme des Rindviehs er- schien, und dem derLeutnant mit zehn Mann" der Inbegriff oller politischen Weisheit war. Und neben diesem Junkertum wuchs in gewaltig quellender Kraft das neue Grandengeschlecht der Schlotbarone und Industriekapitäne. Das werkende Volk aber ward als Kanaille behandelt. Um jeden Fußbreit sozialen Fortschritts und neuen politischen Rechtes mußte jahrelang erbittert gerungen werden. Was jedermann im europäischen Ausland als selbstverständlich empfand: staatsbürgerliche Gleichberechtigung und soziale Eni- wicklungsmüglichkeit das wurde hierzulande noch ver- weigert, als schon Millionen arbeitender Volksgenossen auf den Schlachtfeldern der Welt verblutet waren. Am 9. November 1918 wurde der Schlußpunkt unter dieses System des lügnerischen Glanzes und der sozialen Unterdrückung gesetzt. Die Revolution der Soldaten und Ar- - bester war der Aufschrei eines gequälten Volkes, das jähre- lang Entbehrung, Not und Kriegsleid getragen hatte in der Hoffnung, nach dem Ende dieses blutigen Ringens dies Land auch als sein Land, diese Heimaterde auch als seine freie Heimat grüßen zu dürfen. Wenn je und irgendwo, so be- stätrgte sich in Deutschland das Wort Lassalles, daß Revo- lutionen nicht gemacht werden können, daß sie vielmehr im Schöße der Gesellschaft selbst erst gereift sein müssen, deren Umgestaltung sie im Gefolge baben. Die Revolution von 1918 war wirklich von der alten Gesellschaft großgezogen und ihr Ausbruch erfolgte mit der Gewalt eines Naturereignisses, dem kein Gebild von Menschenhand zu widerstehen vermag.

�snn öas ist kein serner Klang... Zum S. November. W3r' nur einen Augenblick unser Ohr vom Lärm des Tags gereinigt, hätten wir uns schon geeinigt. und wir härten alle die Musik: ein« Harfe über unserem Leid, eine Geige über unserer Rot, und die Aufruhrtrommcl neuer Zeit, der Trompete schallendes Gebot: Heilen, was das Leid zerbiß. stärken, was die Rot zerbrach. ketten, was die Zwiekrachk riß, wecken, was da müde ward und schwach, sammeln, was sich in der Angst verlor, sammeln, was sich feig verkroch, sammeln auch den schlimmen Tor. schlotternd unkerm alten Joch. Denn das ist kein ferner klang, mein verwehter, süßer Ton: D i e Musik ersülli uns lebenslang: n eunzehnhunderlachizehn! Revolution!! D i e Musik geht vor un» her. die Musik dröhnt uns im Ohr, d> e Musik stößt wie das aufgeregte Meer » in das Land der Zukunft vor! Mär' nur einen Augenblick unser Ohr vom Lärm des Tag« gereinigt, hätten wir uns schon geeinigt, und wir hörten alle die Musik: diese Harfe über unserem Leid, dieser Geige zukunftshellen Ton. diese Ausruhrtrommel neuer Zeit: Reunzehnhunderlachlzehn! Revolution!_____<in® Gothmann. Robert Slum. Zur 75. Wiederkehr seiner Erschießung am S. November. Ein Kölner Kind, hcmdwerkersohn, von früh auf schwer mit dem äußeren und inneren Leben ringend: so trat Rover! Blum seinen Lebensweg an. Er ward Wanderburlch und fand In der Technik der Straßenbeleuchtung einen Unterschlupf, hier in Berlin hat er auf diesem Gebiete gearbeitet,, sogar eine klein« Broschüre darüber geschrieben. Im Jahre 1830 müßte sein Prinzipal ihn ent- lassen, da die entstehend« Gasindustrie die Oellampe verdrängte. Mittellos wandert Robert Blum zu Fuß von Berlin nach Köln , gerade als die Wogen der Iulirevolution auch nach Deutschland her-

Was auch immer die Deutschnationalen nachrevolutio- närer Zeit über denDolchstoß" zusammenarsunden haben, die einfache Tatsache straft sie Lügen, daß keines der bestehen- den Herrfchaftsinstrumente auch nur den Versuch machte, dem elementaren Sturm Widerstand zu leisten. Damals brach sich auch bei den Konservativen die Erkenntnis Bahn, daß eine G e k ch i ch t s e p o ch e endgültig erledigt sei. Und die agrarische..Deutsche Tageszeitung" sprach nur die Meinung desNährstandes" aus, als sie am 15. November 1918 schrieb:! Verschwunden ist die Monarchie, weil die Träger der Man-' archie sich persönlich als schwach und unfähig erwiesen, und zwar nicht erst während des Krieges.... Di« Träger der Monarchie sind nicht das gewssen, wofür man sie gehalten hat, sie waren nicht mehr die Führer, die sie hätten sein müssen. Run ist mit den Personen auch das System verschwunden, welches in geschichtlich gewordener Form den monarchistischen Gedanken in Deutschland verkörperte. Das System ist endgültig verschwunden, darüber darf mau sich nicht im unklaren sein, gerade unter den Vertretern und Anhängern der in derDeutschen Tageszeitung" vertretenen An- schauungen." Heute freilich und seit langem schon sind dieselben Kräfte, die damals unter dem erschütternden Eindruck des Zusammen- bruck?sz alles Ueberliefsrten der Wahrheit die Ehre gaben, um so eifriger an der Arbeit, dem Neugewordenen jedes Daseins- recht abzusprechen und sein« Existenz zu untergraben. Die Gelegenheit erscheint ihnen günstig. Denn die Not des Volkes hatte sich in den fünf Jahren, die seit dem Umsturz ins Land gingen, nur vorübergehend gelindert. Sie ist im letzten Jahre ins riesenhafte gewachsen. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, nackter Hunger sind wie verheerende Seuchen über uns hereingebrochen. Am Notwendigsten leidet die breite Masse des Volkes Mangel. Der Mittelstand versinkt vor unser aller Augen. Das Heer der Verzweifelten wächst von Tag zu Tag. Und alle, denen das Wort Republik ein Greuel ist, haben bei Verzweifellen ein leichtes Spiel, wenn sie höhnend alle Schuld an dem Elend dieser Zeiten der neuen Staats- form zumessen. Es ist wahr: die Form des Staates allein macht keinen Hungrigen satt, kann keine Nackten kleiden. Aber wenn wir heute uns mit Stolz erinnern, daß die Volksbeauftragten von 1918 als Ziel ihrer AmtsführungFriede, Ärot und Freiheit" verkündeten, so dürfen wir auch heute noch be- kennen, daß sie, die völkischer Gassenton alsNovemberver- brecher" zu beschimpfen wagt, das Ihre redlich getan haben, um jenes Ziel zu erreichen. Sie haben den Frieden erstrebt. Die kalte Faust imperialistischer Sieger hat ihn zu einem Frieden� der natio­nalen Demütigung gemacht. Sie haben Wohlfahrt und Brot schaffen wollen. Aber kapitalistischer Eigennutz im eigenen Lande wie in den Sieger- ländern hat uns zum Frieden der Erniedrigung den Frieden des Hungers beschert. Sie hoben dem Volke langersehnte Freiheit zugesagt. Und dies Versprechen nach innen mit einem Maß demokrasi- scher Selbstbestimmung erfüllt, wie nur irgendwo ein anderes Volk es sich wünschen mag. Aber dieselben Kräfte, die bei vollen Scheunen das Volk hungern lassen, dieselben, die am Krieg wie am Frieden, an Revolution wie an Reparation ver- dienten, unterhöhlten auch dies demokratische Fundament. Sie haben in offenem oder geheimem Bunde mit ihren kapitalisti- schen Klassengenossen der Siegerländer dem deutschen Arbeiter, dem Angestel�en und Beamten, dem Handwerksmann und dem Kleinbauern oas Brot vom Munde weggenommen, indem sie ihm den päpiernen Arbeitslohn in ein Nichts verwandelten. So stehen wir an der Schwelle des sechsten Jahres der Republik voller Sorgen ob der Gegenwart und der nächsten Zukunft. Aber nicht voller Trauer über das vergangene Halbjahrzehnt. Denn was auch immer die Pläne der Put- schiften und Monarchisten sein mögen: Sie können das Rad der Geschichte nicht vollends rückwärts drehen! Die Entwicks- lung der Menschheit voll, zog sich nie auf glattem Plan. Immer gab es Höhen und Tiefen, immer Wellentäler und Wogen- kämme. Im Augenblick sind wir auf der Sohle eines solchen

überschlagen. In Köln wird er Thcaterdicner. Als solcher geht er mit seinem Direktor nach Leipzig , wird Theatersetretär, schreibt selbst Dramen(die er bald vernichtet), macht eine Buchhandlung und einen Verlag auf, wird Politiker. In Leipzig bald eine überragende Persönlichkeit, greift er mehrmals glücklich ein, im Grunde eine Natur, die vermitteln will und diplomatisch-dialektisch vorgeht, um das ge- steckt« Ziel:«inen deutschen Volksstaat zu erreichen. Von grotesker, aber verg«istigter Häßlichkeit, einer der faszinierendsten Redner, die Deutschland gehabt hat, ist er immer Herr der Massen, der geborene Volksführer. Als 1848 die Revolution ausbricht, führt er, zwischen dem monarchistisch-liberalsn Biedermann und dem radikal-republitanischen und sozialistischen Semmlg, die gemäßigt republikanische Partei Sachsens . So kommt er ins Frankfurter Parlament und leitet hier die gemäßigt« Linke. Seine Reden schlagen«in. Wie Fanny Lewald bezeugt, wirkt«r wie ein Richard III. Aber es fehlt ihm die letzte Konsequenz. Er vermittelt auch hier. Mit dem Erfolg, daß die Jugend von ihm abrückt, daß selbst Freund« zur radikalen Linken übergehen. Bis zu dem unglückseligen Vertrag von Malmö glaubt«r an das Parlament und die Möglichkeit, von ihm aus das neu« Deutschland aufbauen zu können. Da aber verläßt ihn der Glaube. Und er beginnt, seine ausgleichende Politik, fein diplo- matifches Vorgehen zu bereuen. Er entwickelt sich innerlich zu einer aktiveren Politik hin. Als Oktober 1848 die Revolution in Wien ausbricht, begrüßt er mit Freuden die Gelegenheit, das Frankfurter Parlament, das ein unfruchtbares Schwatzhaus geworden ist, zu ver- lassen. Tragische Ironie: bei der Wahl der vier Vertrauensmänner, die die in dieser Frage vereinigte Frankfurter Linke nach Wien schicken will, bekommt er nur die sünftmeisten Stimmen. Da bittet er den Freund Voigt, für ihn zurückzubleiben: er hält es In Frank- surt nicht mehr aus: er will keine Reden mehr: er will Taten. Er geht in den Tod. In Wien läßt er sich in den Strudel der Ereignisse reißen. Wird Hauptmann. Zunächst nur bei einem Korps, das vie Ordnung in der belagerten Stadt aufrechterhalten soll, d«s aber dann doch in den Kampf eingreift. Es ist bezeugt, daß er tapfer auf der Barrikade gestanden hat. Als der Kampf aussichtslos wird, legt«r sein Amt nieder. Auf Pässe wartend, wird er von dm Häschern des Diktators Windischgrätz verhaftet. Nach der Komödie eines Per- hörs zum Tode verurteilt, wird er am 9. November 1848 auf der Brigittcnau in Wien erschossen. Ein Schrei der Entrüstung geht durch Deutschland . Das Par- lament nimmt einen großen Anlauf zu einem feierlichen Protest. Es hat selbst dazu nicht mehr die Kraft. Die Reaktion ist stärker. Die große Flut der Lieder, Balladen, Biographien, die zu seinem Tode erschienen, verebbt. Man vergißt Blum. Bis sein Sohn Hans jene Biograplsi« schreibt, die Wilhelm Liebknecht mit Recht die zweite Hinrichtung Blums genannt hat. Liebknecht lelbft hat Blums Leben und Kämpfen sinnvoller beschrieben. Doch oann wurde er wieder vergessen. Run ist's an der Zeit, daß dieser Dorkämpfer für dm deutschen Dolksstaat, der sich übrigens, wie Hermann Semmig be- zeugt, in den letzten Wochen seines Lebens energisch vom Bürgertum fort zum Arbeiter hin entwickelt hatte, wieder lebendig wird. Sein Leben war vorbildlich: das Leben eines Bürgers, der sein ganzes Denken und Wesen sür ein Volt einsetzte, um es aus Bedrückung und Unfreiheit zur Selbstregierung und Selbstgestaltung zu führen. Er war kein einseitigerPolitiker", er war ein religiöser Mensch

Tales cmgekangt. Doch nur Verzagten scheint der Weg nach oben versperrt. Aber das Meer steht niemals still. Es trägt misder hinauf, was zu versinken schien. Und der kühne Schwimmer, der die Anne selber regt und sich nicht treiben läßt, kann die Fluten bezwingen, die ihn zu umstricken drohen. In solcher Lage findet sich die Arbeiterklasse heute. Sie ist zum Teil ermüdet und verwirrt.'Aber noch ist sie stark, wenn sie stark fein will. Und sie, die Schöpferin und Träge- rin der Republik ist, wird den Willen zeigen, diese Republik trotz allem zu erhalten und auszubauen. Nicht müde Rest- gnation ziemt einem lebensstarken Geschlecht. Sonden? festes Zupacken, eisernes Wollen und tatkräftiges Bollbringen! Die sozialistische Arbeiterschaft von 1923 ist ein anderes als das Bürgertum von 1849, das einen Wrangel kampflos trium- phieren ließ!_

Die Teaßö'öie DeutfthlanZs. Di« unter diesem Titel vor zwei Jahren lim Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart ) ersibieuene Sckrist.Von einem Deutschen ", die als eine der besten politischen Schriften der Nach� kriegSzcit bezeichnet werden kann, ist dieser Tage in einer neuen verbesserten und teilweise mnaearbeiietcn Ausloge erschienen. Der Vcrsasier slbreibt-in seinem Vorwort: .Der Geist des Werkes ist derselbe geblieben. Tie Zeit des Heute ist noch wesentlich ernster, trauriger, hoffnungSarmer. als die vor zwei Jabren. Französischer EhanviuiSmuS am Rheni und Ruhr gewiß nicht der Ausdruck der Stimmung des sranzösischen Volles, aber eben doch seiner gegenwärtig maßgebenden Kreise hat eine gewaltige nationali st is che Welle in Deutschland aus« brausen lassen. Die von dieser Welle Getragenen sind innervolitisch gleichzeitig Träger der Reaktion und veiweiiden nicht ohne großes Geschick allgemein schwer empfundene nationale Demütigungen und wirtschaftliche Schädigungen dazu, um einen beispiellosen Haß in die Herzen aller derer zu senken, die der nationalistisch-reakttonären Propaganda(der reichste Geldmittel zur Verfügung stehen) aus- gesetzt werden. Dieser Haß. nach außen und nach innen, macht Deutschland blind und doppelt unglücklich. Empörender WirtschastSegoiSmnS gewisser Kreise ver­birgt sich heute wieder unter patriotischen Schlagworten. Verarmt, aller Hoffnungen beraubt, vertraut das arme deutsche Volt jeden» Propheten besserer Zukunft und ist seit 1918 in eine kaum je da- gewesene geistige Abhängigkeit gerade von den Menschen gcraien, von denen frei zu werden innerer Sinn der deutsch irn Republik häne sein sollen... So ist die deutsche Republik eine Formsache geworden. Es fehlt ihr der Geist verantwortungsfreudiger Freiheit. Sie hinkt auf Krücken. Vielleicht sind eS ihre letzten Tage, in denen dieses Buch eines Parteilosen erscheint, das heute nur der deutschen Tragödie e r st e n Teil enthält. Der noch viel traurigere zweite Teil wird von uns allen erlebt. Wer Augen hat zu schen. mag erkennen, daß Ivir heute de?« bald so leiden, weil wir vom Gestern nichts gelernt haben, weil Hunderttausende mir ihrem Verstaude und ihrem Gefühl noch in diesem Gestern, das unS den Zusammenbruch brachte, sich befinden." Am sünfre» Jahrestage der Novemberrevolution klingt diese Anklage besonders scharf und schneidend. ES ist kein Sozialist, der diese Anklage erhebt, sondern einer der ivenigcn überzeugten bürgerlichen Republikaner, die den Mut znr Wahrheit gesunden haben. Um so greller tritt der Abstand hervor, der zwischen dem schmählichen Bankrott des deutschen Bürgertums und den Idealen eines seiner besten Vertreter klafft.

Keine Lanötagsauflöfung in Sachsen . Dresden , S. November.(Eigener Drahlbcrichk.) Die heuttge Laudlagsflhung beschäfiigle sich in elnhalbstündlger Sitzung mit dem Mihtrauensanlrag der KPD . und dem volksparieilichen Antrag aus Landiagsauslösung. Beide Anträge wurden in namentlicher Abstimmung mit den Stimmen der Soziatdemo- traten und Demokraten gegen die Stimmen der Kommunisten. Doiksparteiler und Dculschnalionaleu mit Stimmengleichheit(48 zu 4S Stimmen) abgelehnt. Die nächste Sitzung finde! am Diens- lag. den 13. d. M, nachmittags 1 Uhr, statt.

(er hat am Altkatholizismus mitgearbeitet), er war«ine geistige Per- sönlichkeit voller Beziehungen zu den geistigen Größen der Nation. zu Luther und zu Schiller , dem er jahrelang in Leipzig die Gc- dächtnisrede hielt. Aus dem Boll emporgewachsen, liebte er das Volk und glaubte er bis zum letzten Atemzuge an Deutschland. Ich sterbe für die Freihkitl Batcrland, sei meiner eingedenk!" Mit diesen Worten fiel er. O. E. H.

vie Wiffenschast der Politik. Im größten Auditorium der Technischen Hochschule Darm- stadt hielt am 5. November in Anwesenheit des hessischen Staats- Präsidenten der Reichsvertreter beim hessischen Staat Dr. Eduard David seine Antrittsvorlesung überWesen und Aufgabe der Wissenschaft der Politik". Er erläuterte die plato- Nischen und aristotelischen Staatsbegrifs«, setzte sich eingehend mit der allgemeinen Staatslehre der Vergangenheit und der Gegenwart auseinander. Keine der bisher vorliegenden Auffassungen und Ein- ordnungen der Politik in die Staatslehre oder von ihr abgeleitet« Gebiet« können als erschöpfend oder dem Wesen der Politik rest- los entsprechend angesehen werden. Dr. David gelangte in seiner Prägung des Begriffs der Politik zu folgenden Sätzen:Geschichte und Staatswissenschaftcn hören da auf, wo die Politik anfängt. Der Politik Antlitz ist ganz der Zukunft zugewandt. Die Politik läuft der Historie und den Staatswissenschasten immer voraus, diese wur- zeln in der Vergangenheit.... Die handelnd« Persön- lichkeit, ihre Erforschung und Durchleuchtung gehört zur Wissen- schaft der Politik... Geschichte wird erst zur Politik, soweit sie be- wüßt gewollt« Geschichte ist, geeignet, politisches Werden ins kol­lektive Bewußtsein zu bringen. Das eigentliche Objekt der Wissenschaft der Politik ist das politische Hau- dein und dessen Träger, die politische Persönlich- k e i t. Das Objekt der Wissenschaft der Politik ist die Praxis der Politik selbst. Die Politik gehört nicht zu den Wissen- schaften, sondern zu den Künsten, und zwar zu den praktischen Künsten, wie etwa die Baukunst.... Die wissenschaftliche Cr- forschung und Klarstellung dieser Kunst: das ist die Aufgabe der Wissenschast der Politik.' Dazu gehört auch eine o b j e k t i v e Parteilehr«, eine objektive Quellenkunde der Parteien als der Exponenten sozialer und wirtschaftsicher Interessengruppen.... Die Staatslehre tritt nun in die Stellung einer H i l f s- und Vor- Wissenschaft. Die weltanschaulichen Probleme gehören nicht zur Voliiik, sondern zur Plulosophie. Ihrer Aufhellung hätte eine Philosophie der Politik zu dienen.... Der Nutzen einer so begriffenen Wissenschast der Politik liegt in der Hebung der Voraussetzungen zur volitisckren Tätigkeit, in der Herausbildung eines starken Gemeinschaftsgefühls." Die Ausführungen des Vortraaenden fanden die lebhaften An- erkennungen und Zustimmung der Hörerschaft.

Museinnsfülirung««. Sonntag S'/, Uhr vorm. finden wissenichastliche Führungen im Alten Museum Antike Bildwerke. BaalBet!" Dr. Schede und im alten Kunltgewerbcmuseum»Vor- und stühgeschichtliche Abteilung" Pros. Götze statt.