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Vellage des Vorwärts
Frettag, y. November 1�25
„Stark tuberkulosegefährSet... Eine erfreuliche Schule. Amerikanische Hilfe.
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Drouhm, im Osten, am W«idenweg, in«wer jen«r Etratzen, m denen durch die Rudel tollender Kinder hindurch»er- härmt« Proletarierfrauen mit fast leeren Markttaschen zerfallenden »Reimen zueilen, steht eine Schule, die äußerlich ebenso trocken und nüchtern sich gibt, wie«igenllich alle Amtsgebäude zu tun pflegen. Und doch birgt diese Schule so etwas wie ein zartes Teheimnis, das . zu enthüllen Lust und Kummer zugleich bringt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Mehrzahl unter uns ausgewachsenen Sterblichen sich im allgemeinen nur wenig hingezogen fühlt zu den Stätten, in denen einstmals auch gegen uns der Vakel geschwungen ward, aber selbst ein eingefleischter Gegner dessen, was nach.Schule' riecht, wird sich belehren lassen, daß hier in der Eckertstraße cin pädagogisches Institut beheimatet ist, daß sympathisches Wohl- wollen aller verdient. Sechzeh« KochmäÜels. Vcst du zur Linken vier Stufen emporgestiegen, strömt dir ein Duft in die Nase, der dich in manchem an schönere Tage mahnt. In dieser Zeit, die so angefüllt ist mit Elend und Not wie keine seit den, Dreißigjährigen Kriege, ist es tröstlich, kräftiges Essen zu riechen, und wir, die wir fast nur noch von Erinnerungen leben, trüben und lichten zugleich, spüren in der Brust das Gefühl einer erquickenden Melancholie, wenn wir eintreten in diesen Raum, in dem die Koch- schule tagt. Sechzehn Mädels im Aller von 12 bis 14 Jahren werden hier von zwei unermüdlichen Lehrerinnen vorbereitet auf i1 0 Zutunftsmission, auch in mageren Jahren tüchtige Hausfrauen ?, fein. Die liebenswürdige Leiterin dieses heute doppelt notwen- digen Unterrichts versucht, mich, den Junggesellen, m die Geheim- nisse ihres Instituts einzuweihen. Zu vieren ist die Einteilung r, folgt. Vier Mädchen arbeiten zusammen an ein ein der vier Herde. Zu vieren marschieren die Töpfe, zu vieren die Löffel, die Kellen, die Quirle auf. Und ein« Freude ist es, dies Geschirr, diese Küchengeräte sich anzusehen, die, wiewohl sie seit Jahren schon in Gebrauch sind, vor Gmiberkett blitzen und plänzen. Und das rührt und salzt und löffeit und wäscht ob, daß r? nur so eine Lust ist! Natürlich fehlt auch der theoretisch« Ii n t e r r i ch t nicht. Was die Gewürze bedeuten, welchen Nähr- wert die einzelnen Nahrungsmittel haben, wird mit Eifer erörtert b in gutes Essen schmeckt mn so besser, je billiger es ist, also wird sclbst in dem Wust der Euno-Preise dieses ruchlosen Jahres 1923 p mau besprochen, was alles kostet und wie dieses und jenes Gericht '» verbilligen ist. Ein Kochbüchlein wird geführt, und mit berech- tigtem Stolz erzählt die Lehrerin," daß noch heute verheiratete junge Frauen, die als Mädchen am Kursus teilnahmen, zu ihr kommen und berichten, das Quartheft von«inst sei das Hauptstück ihrer l ausfraulichen Tätigkeit qebliebon.— Hier glaubt man nicht in einer Schul« zu sein: Mit herzerfrischender Fröhlichkeit. mit. allseitigem Eifer, in erfreulicher Harmonie wird hier gearbeitet. Weit gefehlt aber, wer da glaubt, hier spielten achtzehn Menschen Unterricht, um nachher trotz Notzeit und Teuerung aus irgendwelchen staatlichen oder kommunalen Mitteln«in kräftiges(Essen zu ' i'nnausen. Geh ein Zimmer weiter, und du wirst sehen, für wen d e eifrige Schar so wacker mn Schaffen ist: Amerikanerinnen habe» sich verpflichtet, monatlich die nötigen Mittel zu stellen, um besonder» bedürftigen tuberkulosegesührdelen Sindern der Großstadt ein gutes Essen zu geben. Sei öen speifenüen Kinöern. Zwischen der Kochschule nebenan und diesem Raum«, in dem fünfzig Kinder gespeist werden, herrscht ein Gegensatz, der«r- schreckend ist. Gewiß, auch aus diesen Augen leuchtet Freude vorm dampfenden Töpfchen, aber Gedrücktheit, Beklommenheit überwiegen. Auf den zerfasernden Kleidchen und Röckchen dieser Jungens und Mädels liegt die beängstigend« Patina des Elends, die zuriickgechiicbenen Körper mit ihren eingedrückten Brüsten, den hohlen Manzen, den dürren Gliedern reden eine Sprache, die flehende Dille»nd furchtbare Anklage zugleich ist. Ich habe die Attest« d: r A e r z t e, die Bekundungen der Fürsorgerinnen«ingesehen, und die!« nüchternen Feststellungen haben mich mehr erschüttert, als d.i: ergreifendsten Stellen aus Hauptmanns Webern.„Besonders elendes kleines Geschöpf, Mutter tuberkulös verstorben, Vater schwer tuberkulös, 5 Kinder unter vierzehn Jahren, große Not, da Aaier arbeitsunfähig. Stark tuberkulosegefährdet. Sehr ungesunde
Kellerwohnung. Alter 9% Jahre. Länge 106(normal 130,4). Gewicht lb.9 Kilogramm(normal 27,7 Kilogramm). Sehr blaß, Lid- randentzündung, Schleimhäute schiecht durchblutet, Drüsenschwellun- gen.' Entsetzliche Geißel Tuberkulose, die diese zarten Leiber veitschtl Und haßdurchsetzte Sucht überläuft einen, hierherzuführen die Menschen, die, gemästet am Elend der Zeit, in Peize und Decken gehüllt, im smarten Mercedes von der Börse zum Adlon sausen... Nur eine Kostprobe. Man sieht an der Gier, mit der zum Teil die Kleinen sich über das Essen stürzen, wie hungrig sie sind. Ich selber habe eine Kostprobe genommen, und ich, der ich aus Pensionen und Lokale an- gewiesen bin, gestehe, selten in Berlin Schmackhafteres gegessen zu haben. Uebrigens: Auch die kleinen Köchinnen erhaiten keine Portion, nur ein« Kostprobe! Behördlicherseits, das sei an- erkannt, ist dieses Mal rasch gearbeitet worden. Als Gefahr bestand, daß die Speisung infolg« der sonstigen Verpflichtungen der Koch- lehrerinnen nicht täglich würde durchgeführt werden können, hat der zuständige Schulrat zielbewußt eingegriffen, und der Rektor der Schule in der Eckertstraße hat sich bereitwilligst in den Dienst der guten Sache gestellt. * Ich verabschiede mich. Doch neben der Freud «, hier«in humani- täres Werk in schöner Durchführung gesehen zu haben, bleibt bang« Sorge, ob wirklich genug geschieht, genug geschehen kann, um die zu retten� die von den endlosen Nöten der Zeit am meisten bedrückt werden. Was darf öas Srot tosten? Debatte in der Stadtverordnetenversammlung. Gestern hatte endlich auch die Vertretung der Berliner Bürgerschaft Gelegenheit, sich mit den unglaublichen Borkommnissen zu be- fassen, die seit dem letzten Sonntag die Berliner Bevölkerung auf dem Gebiete der D r otv er s o rg u ng in dauernder Aufregung er hatten. Der umfassenden Aussprache lag die Anfrage unserer Ge- nassen zugrunde:„Die Versammlung ersucht den Magistrat um Aus- kirnst, nach welchen Gesichtspunkten die Preisprüfungsstelle für diese Woche den Brotpreis auf 140 Milliarden Marl ohne jede Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung für angemessen erklärt hat.' Don den Demokraten und von den Deutsch - nationalen lagen ähnliche Anfragen vor, die Deutsche Bolkspartei hatte dazu eitlen Dringlichkeitsanttag«ingebracht. Zur Begründung der Anfrage wies Dr. W e y l auf die Em- pörung und dos Entsetzen hin, das am Montag die gesamte Be- völkerung angesichts jenes Wucherpreises, den auch die Preis- prüflmgsstelle und sogar dos Wucherdezernat anerkannt habe und der am Dienstag Berlin zum Schauplatz wüster antisemitischer Exzesse gemacht, ergriffen habe. Mitschuld an den tumultuösen Vorgängen sei di« Tatsache, daß ein solcher Wucherpreis unter Zustimmung einer städtischen amtlichen Stelle festgesetzt wurde. Am nächsten Tage sei es mit einem Male auch mit 80 Milliarden gegangen. Nach einer zu- verlässigen(auch im„Vorwärts' wwdergegebenen) Kalkulation, hinter der auch der Staatssekretär Dr. Ramm vom Landwirtschoftsministerium steht, hätte der Brotpreis am Montag nach dem Dollarstande dieses Tages nicht höher als 68 Milliarden sein dürfen. Nach einer gestrigen Mitteilimg von sehr maßgebender Stelle habe sich die Preisprüsungsstelle in vollem Gegensatz zu unserer Wucher- Polizei und zu allen Regierungsstellen befunden, di« die Preisrege- lung zu bcaufsichttgen haben. Ein engeres Zusammengehen der Stelle mtt der Wucherpolizei sei sehr notwendig, um für die Zukunft solche beschämenden Dorkommniss« zu verhüten. Daß es auch anders und billiger zu machen gehe, zeig« das Beispiel der Konsum- g e n o s s e n s ch a f t, die damals, ohne zugrunde zu gehen, ein gutes Brot für 62 Milliarden hergestellt Hab«. Wenn man nun wieder auf 10S Milliarden hinaufgegangen sei, so sei auch das noch ein wucherischer Preis; die Konsumgenossenschaft verkauf« für 93 Mil- liarden. Die Preisprüsungsstelle bedürfe einer anderen Zusammen- setzung, um eine objektivere Prüfung zu gewährleisten: jetzt gäben die Vertreter der Interessenten im Derein mit dem Stadttat Richter den Ausschlag.— Merten, der die demokratische Anfrage be-
gründete, machte die fehlerhafte Organisation der Preisprüfungs- stelle für das polittsch und wirtschaftlich angerichtete große Unheil verantwortlich. Nach weiteren Ausführungen von Koch(Dnat.) und H L t t ch e n(D. Vp.) ging Stadtrat Richter als Magisttats- oertteter an den Gründen der ungeheuerlichen Preisfestsetzung vor- über und beschränkte sich vielmehr auf die Anführung, daß alles bei der Preisfestsetzung„ordnungsmäßig' zugegangen sei, und wies den Vorwurf der Leichtfertigkeit energisch zurück. Der amlliche Mehl- preis von 3,3 Billionen pro Zentner habe nicht zugrundegelegt wer- den können, weil er nicht in Goldmark bezahlt werden konnte. Die Kalkulation fei auf Grund eines Mehlpreises von 6 Billionen er- folgt. Die Senkung des Preises aus 80 Milliarden sei nur durch die Intervention des Ernährungsministeriums und nur dadurch zu erreichen gewesen, daß die Mühlen und di« Mehl- Händler veranlaßt wurden, Mehl zum amtlichen Börsenkurs« gegen Papiermark an die Bäcker abzugeben.— Nach dem Kommunisten Schwenk trat mit großem Wort- und Stimmenauswand der Bäcker- obermeister Grüsser von der Wirtschaftspartei für die Berechtigung des 140-Milliarden-Preises in die Schranken, indem er den amtlichen Berliner Papierknrs als „Volksbettug' charakterisierte, gegen dos Crnährungsministerium loszog und den Zwischenhandel und die Geldmächte für alles und jedes verantwortlich machte und den Artikelschreibern (auch des„Vorwärts"), die sich von der geschichtlichen Wahr» heit hinsichtlich des Böckergewerbes entfernt hätten, wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen gerichtliche Klage an» drohte, natürlich auch den Hinweis auf die Konsum- genossenschaft nicht gelten lassen wollt«. Genosse Dr. Wey! fand die Antwort des Magisttatsvertteters außerordentlich schwächlich und begrüßte es, daß dieser mit seiner Auffassung beim Magistrat keine Gegenlieb« gefunden habe. Nebenher fertigte er Herrn Grüsser und seine Anzapfung der Konsumgenossenschaft ab. Nach einer Replik des Stadttats Richter nahm die Bersamitilung den Antrag der D. Vp. an. Der Gegenstand war damit erledigt. Das Ortsgesetz zur Vorbereitung des Beamten- abbaus wurde angenommen, ebenso nach längerer lebhafter Aus- spräche, an der sich Gen. Dr. Loh mann sowie die Stadwerord- neten Schwien(D. Vp.), Dr. Michaelis(Dem.), Dr. Stei- Niger(Dnat.) und der Steuerdirektor beteiligten, die Nachträg« zur Hunde st euer-, Pferde st euer- und Motorboot»rdnung, wodurch diese Steuern auf Goldbasis gestellt werden. Zugleich beschloß man, die Steuer für den erst e n Hund auf 20 M. festzusehen. Zur Kenntnisnahm« hatte der Magisttat eine Dringlichkeitsvorlage gemacht, die an den Beschlüssen der Versammlung, betr. die Organisation der Werke Kritik übt, insbesondere di« Vertretung der Stadt in der Ge- neralversammlung durch bestimmt« Mitglieder des Magistrats(Ober- bürgermeister und Kämmerer) und durch ein drittes von der Stadtverordnetenversammlung gewähltes Magistratsmitglied als gegen die Städteordnimg verstoßend und ohne Not die Rechte des Magisttats beeinttächtigend bezeichnet. Der Magistrat hat sich in diesem Punkte für ein„Unannehmbar' entschieden, will aber gleichwohl nunmehr sofort zur Gründung der Aktiengesellschaft schreiten. In der Versammlung stieß dieses Vorgehen des Magistrats bei der Rechten, von der Fabian(Dnat.) und Hallensleben (D. Vp.) sprachen, aus entschiedenen Widerspruch. Kämmerer Dr. Karding legt« sich für die Magifttatsauffassung ein, während Prenzel(Dem.) einen vermittelnden Standpunkt einnahm. Ge- nosse Heimann stellte sich in dieser Kompetenzfrage durchaus aus den Boden der Magisttatsauffassung. Zur Annahme gelangte ein von den Dnat., der D. Vp. und der Wirtschaftsportei gestellter An- trag, für den neben der Gesamtheit der Bürgerlichen auch die Koin- munisttn stimmten; danach lehnt die Versammlung die bloße Kenn?» nisnahme ab und erwartet, daß der Magisttat mit der Gründung der Aktiengesellschaft nicht eher vorgeht, bis übereinsiimmende Be- schlüsse beider städtischen Körperschaften vorliegen. Nachdem noch einige weitere Vorlagen, n. a. die wegen Erweiterung des West- Hafens, ohne Aussprach« angenommen' worden waren, schloß der Vorsteher um �10 Uhr die öffentlich« Sitzung, an deren Anfang er des plötzlichen Hinganges der Genossin Frau Zucker in einem warm empfundenen ehrenden Nachruf gedacht hatte, Da» Sttaßenbiid Berlin» war am gestrigen Donner?tag wieder ziemlich daS alte, auch in denjenigen Stadtteilen, die der Scbau- Platz der jüngsten Tumulte waren. Der Polizeibericht verzeichnet nur noch eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Plön - derungen. So drangen gestern nachmittag etwa 200 Personen in die Bäckerei von Bumke in der Hermannstraße in Neukölln ein und plünderten den Laden aus. Die alarmierte Polizei nahm 2 Personen test. Ebenfalls in Neukölln drangen 4 mit Stöcken be- waffnete junge Burschen in das Geschäft von Willmeier, Kranold-
Lopz-rlrlit Otorc Malier, Mänckern,
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Die Oofotfischer. Roman von Zohaa Rojer.
Aber die Staatsbehörden griffen eines Tages ein. und was war die Folge? Die Fischer verloren allen Respekt und legten jede Höflichkeit ab. Sie verkauften die Fische an die Hcmdelsfahrzeuge und wollten bei ihm im Laden Waren auf Pump nahmen— hehe! Und nun standen sie hier, und ihre «lugen glühten, als wollten sie sagen:„Bäh! Jetzt haben wir keine Furcht mehr vor dir. Viele Jahrhunderte hindurch haben Leute deines Schlages uns Fischer gequält, hier und aus dem ganzen Lofot! Aber jetzt geben wir dir einen Nasen» siüber. Du kannst uns den Buckel hinunterrutschen! Bäh!" Der Alte beachtete sie nicht, sondern ging wieder in sein Ltontor. Lars und Kaneles Gomon waren zusammen fortgegan- gen an die frische Luft, und sie trabten über die Klippen, beide in blauen Schirmmätzen und Friesanzügen. Sie waren un- aefähr gleich groß. Kaneles war zwölf Jahre älter, hätte er aber nicht den blonden Bort unter der Nase gehabt, dann wäre fem Gesicht ebenso kindlich gewesen wie das des anderen. Jetzt wollte er dem Knaben die Sehenswürdigkeiten des gan- zen Fischerplatzes zeigen, und als sie nun so dahinttabten. ver» suchte Lars, dem anderen nachzuahmen, indem er den Ober- körper hin und her wiegte, die Mätze schief setzte und sich das Ansehen eines Teufelskerls gab. „Haft du dir schon überlegt, wann du einen schmeißen willst?" fragte Kaneles. „Schmeißen,.... was meinst du damit?"' „Hehe... Der weiß nicht, was schmeißen ist. Weißt du, was ein Jährling ist?". „Nein, ist es ein Bogel oder ein Fisch?" „Jährling! Ja, vor allem ist es eine einjährige Möve. So eine wie die da überm Sund. Und außerdem ist es ein Gelbschnabel, der zum erstenmal.mit auf der Lofotfischerei ist." „Au, an— dann bin ich ein Jährling." „Freilich, aber ein Jährling muß eben schmeißen." „Heißt das, die Kameraden verprügeln?" Lars versuchte einen Priem zu kauen und spuckte den braunen Saft nach allen Seiten.
„Hehe!" Der andere maß ihn von Kopf bis Füßen.„Ach nein, das heißt Schnaps spendieren, mein Junge! Gin Liter pro Mann ist das mindeste, was du rausrücken mußt." „Au, Donnerwetter! Aber hier im Fischerplatz kann man doch keinen Branntwein kaufen." Kaneles juchzte auf.„Hehe! komm einmal mit mir abends auf einen Handelsdampfer, dann sollst du so viele hundert Liter haben wie du haben willst." Sie gingen in eine Kneipe und Lars sah mit an, wie Kaneles mit allen Mädchen gut Freund war. Aber als sie nachher weiter über die Klippen gingen, bekam er zu hären, was er sei.„Da geht ein Jährling," sagten die Leute.„Und er müsse ans Schmeißen," sagten sie. Aber du großer Gott, wo sollte er das Geld für all den Branntwein hernehmen! In der Hütte faß Arnt Aasan allein, die Ellbogen auf den Tischrand und das Kinn auf die Hände gestützt. Er war allein. Die anderen waren aus und tummelten sich in der Lofotluft, und selbst der Knabe Lars, der ja von klein auf nur immer vom Leben der Fischer hatte erzählen hören, wußte längst mit allem an Bord wie an Land Bescheid. Aber er selber, der oben im Tal in der.'Heimat für so einen forschen Kerl galt, war bisher auf See nur zu Schimpf und Spott gewesen. Die Handgriffe lernen kannst du, und die Namen der Sachen an Bord wirst du auch behalten. Aber ein Seemnan? Wenn er nur den Mund austat, um ein Wort über Wind und Wetter zu sagen, so blinzelten die anderen sich zu und lachten. Und vor ihm la� ein ganzer Winter, den er aushalten mußte. Wenn er doch wieder daheim wäre! Er wollte sich hinsetzen und einen Brief an Gurina schreiben. Noch nie hatte er ein solches Verlangen gehabt, sie auf den Schoß zu nehmen und mit ihr zu plaudern, wie jetzt. Aber zwischen ihr und ihm lagen Hunderte von Meilen. Die Tür ging auf, Henrik Rabben kam herein und schloß die Klinke wieder, aber dann blieb er eine Weile stehen und sah Arnt lächelnd an. Die Augen waren groß und ernst und Haar und Bart frisch gekämmt. „Ja, was sitzt du hier denn so in Gedanken?" sagte er. „Was.geht das andere Leute an?" meinte Arnt bockig. „Nun, nun, komm jetzt nur mit mir, wir wollen«inen kleinen Gang machen. Ich muß dir doch die Sehenswürdig- ketten hier in dem Fischerplatz zeigen, und vielleicht kriegen
wir irgendwo eine Tasse Kaffee und einen Schnaps. Komm nur!" Arnt zupfte an dem rostfarbenen Bartbüschel unter dein Kinn, stand auf und ging mit. Auf einer Brücke waren Schießbuden aufgestellt, und hier war ein großes Gedränge.„So sein Geld wegzuwerfen!" meinte Arnt. Aber Henrik fand es lustig, zuzusehen, er hätte selber auch gern geschossen, aber zufällig konnte heiite nichts droits werden. Sie gingen ig eine Kneipe und ließen sich Kaffee geben, und min kamen einige betrunkene Matrosen herein und prügelten sich. Arnt wollte sich einmischen und sie hinauswerfen, aber Henrik hinderte ihn.„Laß sie doch!" sagte er. Er selbst hatte auch so großes Verlangen nach einer tüch- tigen Prügelei, es traf sich nur so unglücklich, daß heute nichts draus wurde. Arnt starrte ihn an. Aus diesem Mann wurde er nicht klug. Im Dämmern fuhr der Kommandant in den Hafen ein mit seiner Uniformmütze und der Splittflagge auf dem Damp- fer. Und zwei von den Aussichtsbeamten des Fischerplatzes ruderten eilig an Bord, legten schon van weitem die Hand an die Polizeimütze und zitterten ein bißchen in dem Gedanken, vor das Angesicht des Allmächtigen treten zu sollen. Er stieg in ihr Boot ein und ließ sich durch den Hofen rudern. Seine Adleraugen glitten von einer Schute zur anderen.„Zum Teufel, worum liegt der Trandampfer hier?" donnerte er plötzlich.„Es war kein anderer Platz da, Herr Kommandant," wagte einer der Beamten zu sagen.„Platz hin, Platz her.— er liegt ja mitten im Fahrwasser— schafft ihn beiseite, und zwar schleunigst!" Sie ruderten durch die Sunde, und der Herr Komman- dant stand aufrecht im Boot und blickte auf die beiden langen Reihen von Fischerbooten, die längs der beiden Brücken lagen, nebeneinander wie Pferde im Stall. Das war gut. Aber das sagte er niemals. Wenn etwas in Ordnung war, so räusperte er sich mw und sagte nichts. Es wurde' ein klarer Frostabend, vom östlichen Himmel leuchtete die Mindsichel. Der Schnee knirschte unter vielen Schritten, und e? war schwarz von Menschen bei dem Hause des Platzkönigs. Man flüsterte gespannt und lachte leise. Jetzt mußte der Kommandant bald kommen, und was würde er dann mit Jakob machen? (Fortsetzung folgt.)