Abendausgabe
Nr. 526 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 265
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
15 Milliarden M.
Freitag
9. November 1923
Berlag und Anzeigenabteilung
Geschäftszeit 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag Gmb. Berlin SB. 68, Cindenstraße 3 Ferafprecher: Dönhoff 2506-2501
Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Kahr und Lossow wollen Opfer von Erpressern sein.- Haftbefehl gegen Luden dorff
Poehner in Schutzhaft.
Aus München wird von zuständiger Seite furz vor genommen wurde, war der Verbindungsmann wi- Berliner Mitwisser des Putsches. Schluß des Blattes mitgeteilt, daß Pöhner in Schuh- fchen den Geheimbünden und Kahr . Unbestritten ist diese Tathaft genommen wurde. fache schon im Sommer vorigen Jahres im bayerischen Land- Offenbar hatte die Münchener Berschwörergesellschaft, Ludendorff hat sich im Kriegsministerium verschanzt. tag zur Sprache gebracht und der Eid dafür angeboten wor- einschließlich Kahrs, 3 usicherungen von gleichgesinnter den. Kahr war Beschüßer und Förderer der Ge- Seite aus Berlin erhalten, wonach der Hitler- Ludendorff Durch einen Funffpruch des Oberbürgermeisters in Nürn - heimbünde, die jezt die Gewalt an sich zu reißen suchen. Putsch auch in der Reichshauptstadt das Signal zum Loss berg wird mitgeteilt: von Kahr, General von Loffow und Oberst Er ließ im September 1921 seelenruhigeinen Butsch schlagen sein würde. In diesem Zusammenhang ist der beSeißer haben erklärt, daß ihre 3uftimmung zum Vorgehen vorbereiten. und ging, damals noch Ministerpräsident, reits erwähnte Schritt Hergts bei Stresemann bemerfens Ludendorffs und Hitlers heute nacht erpreßt worden sei und nach Berchtesgaden , um sich vor„ fertige Tatsachen" stellen zu wert, ebenso die Forderung der Deutschnationalen Fraktion daß fie die Bewegung in jeder Beziehung ablehnen. Sie laffen. Damals mußte erst der bayerische Landtagsprä auf Errichtung einer Rechtsdiftatur. Darüber hinaus aber ist hoffen, noch im Laufe des heutigen Tages des Putsches fident Rönigsbauer ihn telegraphisch ersuchen, den put noch zu erwähnen, daß gestern abend zu einer Zeit, als der Herr zu werden. Etwaigen einrüdenden Truppen der schistischen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten und un- Münchener Butsch noch gar nicht erfolgt war, von deutsch Reichswehr würden sie den Sachverhalt mitteilen, um perzüglich als verantwortlicher Minister des Innern nach nationaler Seite der Rücktritt Stresemanns noch weitere Konfequenzen zu verhindern. Gleichlaufende Mitteilung hat München zu fommen, da ein Rechtsputsch gegen den für dieselbe Nacht mit aller Bestimmtheitan gefündigt wurde. Ein führendes deutschnationales Blatt General von Coffow den nordbayerischen Truppen durch Funk- Landtag beabsichtigt sei. spruch zugehen lassen. Kahr hat sämtliche Bezirksämter au- Erst auf Grund dieses Telegramms warnte Rahr, vor hatte schon zu diesem Zeitpunkt Dispositionen für verlängerten gewiesen, genaueste pakontrolle auszuüben. Alle Ange- etwaigen Bersuchen gewaltsamen Eingreifens in den ver- Nachtdienst usw. getroffen. Die jubelnde Aufmachung der hörigen der Nationalsozialisten und des Bundes Oberland feien zu fassungsmäßigen Gang der politischen Ereignisse". Auch Deutschen Zeitung" wird an anderer Stelle erwähnt. Noch verhaften. Ludendorff und Hitler feien feft zunehmen, jet hat Rahr alle Borbereitungen Hitlers und bezeichnender aber ist die Tatsache, daß der im schwerEr industriellen Scherl- Berlag erscheinende Tag" zwei vers wo fie angetroffen werden. Aus Bamberg wird mitgeteilt, daß Ludendorffs stillschweigend geduldet. man die dort befindlichen Führer bereits entwaffnet hat.. ließ, während er dauernd mit ihnen in Verbindung stand, schiedene Aufergen herausgebracht hat, wobei die erste offenweder den einen noch den andern verhaften. Und wenn er bar mit einem durchschlagenden Sieg der Butschisten auch in Norddeutschland rechnete. fich in der Bersammlung, wie der Wolffbericht meldet, von
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Der novemberliche Fastnachtsfput im Münchener Bürger- Hitler unter brausendem Jubel die Hand Die eigentlichen Meldungen über den Umsturz wurden artig beleuchtet und sogar die bisher fo nachfichtige baß er die Zeitung der Geschide Bayerns übernehme und fich öffentlicht: bräu hat plötzlich die Situation in Bayern bli brüden ließ. wenn er dort selbst die Erklärung abgab, unter nachstehenden triumphierenden Ueberschriften verReichsregierung zu neuen Entschlüssen gedrängt. Sie hat noch als Statthalter der Monarchie betrachte, so ist es Nationaler Umsturz in Bayern . in der Nacht, etwa um 2 Uhr, einen Aufruf an das deutsche eine feige Ausflucht, hinterher zu versichern, daß die General Ludendorff Machthaber, Kahr Statthalter für Bolt herausgegeben, den wir an anderer Stelle zur Kenntnis zustimmung von ihm erpreßt worden fei. die Monarchie. Hitler verkündet Vormarsch nach unserer Leser bringen. Borher jedoch, als unsere Zeitung fich bereits im Drud befand, fam die fategorijahe Anordnung, In Wirklichkeit sind Kahr und Hitler und Lossow Hoch- Berlin.- Reichsregierung und Reichspräsident abgesetzt. daß über die Vorgänge feine anderen als amtliche verräter am Deutschen Reiche , Lossow zudem ein Sitz der neuen deutschen Regierung in München . Meldungen veröffentlicht werden dürfen. Diese Anordnung mehrfach eibbrüchiger General. Wir erwarten, daß die Reichs- Knilling und Schweher verhaftet. Unter den Meldungen war folgender unzweideutiger Arist den meisten Berliner Blättern zu spät gefonmen, so daß regierung sich durch die Funksprüche der bayerischen Stellen eine Reihe von ihnen auch andere Meldungen veröffentlicht nicht beirren lassen, sondern jest wenigstens die not titel von E. Schwarzer zu lesen:: haben. Dabei fonnte es passieren, daß gewisse Rechts wendigen Maßnahmen treffen wird, um dem seit Monaten Heute vor 5 Jahren erfolgte in Berlin der Umsturz. Gestern organe ihren Jubel über die Vorgänge nicht unterbrüden während verbrecherischen Treiben der bewaffneten Banden vor fünf Jahren war Münhen vorangegangen. Gestern, am fünf. fonnten. Die Deutsche Zeitung" z. B. versichert in einem endgültig ein Ende zu bereiten. ten Jahrestage der Münchener Revolution, ist München aber. eigenen Telegramm, daß in den Straßen von München ,, Doll- Es muß in dieser Stunde offen ausgesprochen werden, mals vorangegangen. Wird Berlin heute nachfolgen? tommene Ruhe" herrsche, aber gleichzeitig ungeheure Be- daß die 3 audererpolitit Stresemanns und Geßlers die Wir stehen am Beginn der Rechts- ,, Revolution". Eine Revo. geisterung und daß nächtlicherweile Musik die bayerische Entwicklung erst auf ihre Spike treiben ließ. Hätte lution, die den Bersuch machen wird, einen Strich unter die Er Straßen durchzieh Der Tag" aus dem Hause die Reichsregierung auch nur einen Teil der Energie, die sie eignisse der letzten fünf Jahre zu ziehen. In München regiert seit Scherl- Hugenberg hatte sogar eine Auflage mit eigenen Tele- gegen Sachfen entfaltete, auf Bayern verwandt, gefiern abend General Ludendorff . Es ist klar, daß damit voll. grammen aus München fertig und zum Teil ausgegeben, die fo wäre der neuefte Butsch nicht möglich gewesen und die endete Tatsachen auch für Berlin geschaffen werden sollen. Die den ganzen Jubel einer schönen Seele in die Worte der Ueber- Folgen, die im Aufruf der Reichsregierung beklagt werden, Reichsregierung und der Chef der Heeresleitung sind in München schrift faßte:„ Reichspräsident und Reichsregie mären verhindert worden. Die Sozialdemokraten im als abgefeht erklärt. In München hat man gehandelt, wäh rung abgefeht diese Ueberschrift mit einem ebenso Koalitionsfabinett und die gesamte Partei im Lande haben rend in Berlin der Umschwung der Dinge auf jubelnden Artikel feines Chefredakteurs begleitet. Schon vor- immer wiede: die Notwendigkeit schnellen und scharfen legalem Bege erwartet wurde. Auch hier war bie her hatten wir vertraulich erfahren, daß in den Berliner Re- 3upadens betont. Aber die Reichsregierung hatte Angst Wendung ohne Gewalt auf rein verfaffungsmäßigem Wege daktionen der deutschnationalen Blätter verlängerter por ber eigenen 3ivilcourage. Jetzt endlich nur eine Frage von Tagen. Die schleichende Krise in der Nachtdienst angeordnet sei, weil man augenscheinlich die perrt fie den Verkehr nach Bayern , eine Maßnahme. Wilhelmstraße zeigte das. die hoffentlich nur einen Teil der getroffenen dariteilt. Nachrichten von dem Fastnachtsputsche erwartete. Wir mahnen zur Ruhe und Besonnenheit. Bir mahnen Zwischen gestern und heute hat sich in München wieder Da inzwischen General v. Seeckt zum Obertomman zur nationalen Eintracht. Wir fiehen am Scheldewege. Es einiges geändert. Augenscheinlich unter dem Eindruck bierenden der Reichswehr und, an Stelle Geßlers, ach steht alles auf dem Spiele. Niemand weiß, was die nächsten Tage der Tatsache, daß die Reichsregierung den Berkehr mit zum Inhaber der nichenden Gewait ernannt worden und Stunden bringen werden. Bayern unterbunden hat, wird jegt erflärt, daß ist, so besteht wenigstens die Möglichkeit, daß dieser
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D.
Wir haben in dieser ernsten Stunde eine tiefe Bitte: Goff
Als jedoch die Nachrichten aus der Reichstanzlei bewiesen, daß die Hoffnung auf einen Rücktritt Stresemanns und auf einen Anschluß der Reichswehr an die Butschbewegung ver geblich waren, verschwanden aus der zweiten Auflage des„ Tag" die jubelnden Ueberschriften mitsamt den er wartungsvollen Kommentaren des Schriftleiters, um den Plaz für den Aufruf der Reichsregierung und für die Ernennung Seedts zum Oberbefehlshaber frei zu machen!... Seeckt Oberkommandierender.
Kahr und Lossow sich gegen Hitler und Ludendorff erklärt Militär schnell und entschieden die notwendigen Entschlüsse land ist es, um das der Kampf geht. Um das Baterland, um bas und sogar deren Verhaftung angeordnet hätten. Heldenhaft faßt und für ihre Durchführung forgt. Sollte das der Fall sein, Reich. Erhaltung des Reiches ist oberstes Ziel. Nichts darf uns vom wie immer versichern diese„ deutschen Männer", daß ihre Zu- so wird die republikanische Bevölkerung ihn sicher mit Freuden Wege abweichen lassen. ftimmung zum Eintritt in die Hitler - Regierung von ihnen unterstützen. Aber nach allen Enttäuschungen der letzten Zeit erpreßt worden sei. Ein Diktator", der sich eine solche ist sie nicht mehr in der Lage, bedingungsloses Ber- schuhe das Vaterland! Zustimmung ab zwingen läßt, ist an sich schon eine frauen zu den Maßnahmen und Anfündigungen der leitenden fomische Figur. Unwillkürlich drängt sich die Erinne- Stellen zu hegen. rung auf an jene Stunde, da ein Trupp Bewaffneter in den ersten Revolutionswochen vor dem Reichstanzlerhause in der Wilhelmstraße zu Berlin sich einfand und von dem damaligen Die Deutschnationale Dolfspartei veröffentlicht folgende Er Boltsbeauftragten Eberf verlangte, daß er sich zum flärung: Reichspräsidenten ausrufen lasse. Kühl und fachlich „ Die Vorgänge in Bayern haben unseren wiederholten dringenwehrte Ebert dieses Anfinnen ab mit der Bemerkung, er den Warnungen recht gegeben, daß das hinschleppen der würde mit seinen Kollegen über die Sache beraten", aber es Regierungsfrise und das längere Berbleiben der sei nicht Aufgabe der republikanischen Soldaten, solche politi Regierung Strefemann, die von weitesten nationalen fchen Anforderungen zu stellen. Der neue Bismard" aber, Kreisen abgelehnt wird, zu unheilvollen Explosion en führen wie& a hr sich gern titulieren läßt, und sein Meuterergeneral werde. Nur durch Bildung einer Regierung, die das Vertrauen der Kahr Lossow lassen sich angeblich eine Zustimmung abprefsen nationalen Kräfte im ganzen Reiche genießt, fann weiteres Unglüd in demselben Saale , in dem die Minister Knilling und Schwener von den Hitler - Banditen in haft gefeht verhütet und wird der Reichsfriede wieder hergestellt werden. Die werden. Die Erzählung von der angeblichen Erpressung ist unverzügliche Schaffung einer Regierung des nationalen Bertrauens nichts weiter als eine schamlos.unwürdige Ausrede ist daher bas dringendste Gebot der Stunde." ertappter Berbrecher. Man möchte jet, da durch den Ludendorff- Hitler- Schlag das ganze Gewebe der langwieri gen Butschvorbereitungen offen an den Tag gelegt wurde, die eigenen Spuren verwischen. Das soll und darf nicht gelingen. Die Deutsche Boltspartei veröffentlicht einen Aufruf, Mindestens seit dem Februar 1921 weiß Rahr, daß im in dem fie versichert, daß sie einig und fest hinter den ver. bayerischen Oberland Geheimbünde gebildet find. Mit faffungsmäßigen Gewalten des Reichs stehe. Jedem diesen Geheimverbänden hat er direttin Verbindung Bersuch, die bestehende verfassungsmäßige Ordnung des Reichs gestanden. Derselbe Boehner, der jetzt wieder in die Hit weiterhin gewaltsam zu stören, weise fie mit Entschiedenheit zurüd. Terregierung" als Ministerpräsident oder etwas ähnliches auf- Das ist alles!
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Das ist eine glatte Unterstübung der Butschisten von München . Was wird Seedt gegen die hochperräterische Forderung dieser Halbputschisten unternehmen?
erlassen:
Der Reichspräsident hat folgende Berordnung Auf Grund Art. 48 der Reichsverfaffung verordne ich, wie folgt: § 1. Die Ausübung des mir verfaffungsmäßig zustehenden Oberbefehls über die Wehrmacht des Reiches übertrage auf den Chef der Heeresleitung, General von Seedt § 2. In Abänderung meiner Berordnung vom 26. September 1923 übertrage ich die vollziehende Gewalt an Stelle des Reichswehrminiffers dem Chef der Heeresleifung General von Seedt, welcher alle zur Sicherung des Reiches erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat.
ich
§ 3. Diese Verordnung triff sofort in Kraft. Der Reichspräsident: gez. Ebert Gegengezeichnet: Der Reichskanzler Dr. Strejemann. Der Reichswehrminister Dr. Geßler,