Stellung unerfüllbarer Bedingungen gelungen, das schon halb bereite Amerika wieder aus der Sachverständigen- konferenz herauszuboxen, die endlich einmal die Repara- tionsfrage zu einer Lösung bringen soll, und deren Einberufung England so eifrig betreibt. Kaum daß der englische Minister- Präsident B a l d w i n noch einmal auf dem Lordmayor- Bankett in London seine Hoffnung auf das Zustandekommen dieser Konferenz ausgesprochen hatte, kam auch schon die Nach- richt aus Washington , daß der Präsident C o o l i d g e von dem Konfcrenzplan endgültig zurückgetreten sei. England war es gelungen, unter der Voraussetzung, daß Amerika mittun würde,. Italien und sogar auch Belgien in eine Reihe gegen Frankreich zu bringen. Nun, da Amerika ausgebrochen ist, bleibt bis auf weiteres die Frage offen, ob diese diplomatische Front noch weiter halten wird. Was fordert diese unendlich schwierige Lage von Deutsch - land? Möglichst festes Zusammenstehen breitester Volks- kreise, Fortsetzung der moralischen Offensive für die Lebens- rechte des deutschen Volkes, Sicherung der bestehenden Staatsform, Aufrichtung einer aus den verstehenden Massen hervorgewachsenen Staatsautorität, die wilde Bewegungen sinnloser Verzweiflung abwehrt, aber auch zur Linderung der grauenhasten Not von den Besitzenden reichliche Opfer fordert. All das hat die Sozialdemokratie zu erreichen ver- sucht, indem sie mit den bürgerlichen Parteien bis zu der Volksvartei hinüber eine starke Reichstagsmehrheit bilden half. Die Eigensucht derer, die aus der Not des Volkes Gewinn ziehen, und die stumpfe Borniertheit jener Kreise, die in den „Marxisten" auf alle Fälle Vaterlandsfeinde erblicken w o l- l e n, Hot das groß angelegte Erperiment-mm Scheitern gebracht. Man hat die„Marxisten" aus der Regierung hinaus- gedrängt und. damit nichts erreicht als wachsende Auflösung an allen Ecken und Enden. Niemand hat dem Grundsatz, daß jetzt Uneinigkeit und Parteigezänk für Deutschland verderblich sei, mehr geopfert als die deutsch « Sozialdemokratie. Und darum ist es nur selbstverständlich, daß Zwietracht und Selbstzsrstörung, seit sie aus der Regierung hinausgedrängt wurde, nur noch tiefer um sich fressen. Unbelehrt durch die Münchener Ereignisse holt die deutsch nationale Reaktion zu neuen Schlägen aus. Nach außen predigt sie einen Krieg, den Deutschland nickt führen kann, weil ihm alles dazu fehlt. Im Innern hetzt sie die Landwirtschaft auf, das Volk bei vollen Scheunen ver- hungern zu lassen, bedroht sie den Rest staatlicher Ordnung mit Umsturz und trägt durch ihre Angriffe auf den Acht- stundentag— während Millionen feiern—, tiefe Unruhe in dj « ohnehin schwer leidenden arbeitenden Massen. Sie, die die Theorie vom Klassenkampf als„marxistisch" verdammt. treibt in Wirklichkeit den schärfsten Klassenkampf gegen die Mehrheit des eigenen Volts: sie, die sich national nennt, för- dert damit und durch das Ausspielen der deutschen Einzel- staaten gegeneinander die nationale Zersetzung. Für die sepa» ratistischen Pläne Poincar�z gibt es keine wirksamere Hilfe, als die von ihr angestrebte Rechtsreqierung. Wer steht gegen sie? Einheitlich, stark und geschlossen nur die Sozialdemokratische Partei . Zwischen diesen beiden Mächten steht der unvermeidliche innere Kampf um das Schicksal des deutschen Volks. Hier ist kein müßiges Partei- gezäuk, hier handelt es sich um Gegensätze der Klassen und der Weltanschauungen, die ausgetragen werden müssen. Im Kampf gegen die innere Reaktion und gegen die Welt- reaktion, die sich gegen unsere Volksgenossen an Rhein und Ruhr innerpolitisch austobt, erfüllt die Sozialdemokratische Partei ihre Funktion an der Gesamtheit des Volks, und sie wird noch mächtig dastehen, wenn die reaktionären Hexen- tänze von München und anderswo längst der Sage angehören werden.
Oer deutsche Botschafter In Washington , Dr. wiedseldt, hat an den Reichskanzler ein Telegramm gerichtet, in dem er sich dagegen verwahrt, daß lein Name in Verbindung mit einer Rechts« iHkbatnr genannt wird. Natur und Kunst in Worpswede . Herbstbilder von Erna Loewenwarter. Herbst— braun die Heide, Silbcrbirken mit wehenden Gold- Hauben— ernst ragt die Kiefer, ernst und trotzig der Eichkamp. Ich kam ins Land der Maler, das ich mit der Seele der großen Toten suchte.— Paula Modersohn , du lebst! Dir ist das Land: du drücktest dein Siegel ein, unveränderlich. Wie es uns aus deinen Bildern spricht, schwer und ernst ist das Land.— Wandre im Regensturm an der Hamm « entlang, du spürst noch das Meer, dem es vor Sommerjahrlausenden entstieg.— Elementar, chaotisch dllstert die Landschaft an solchen Tagen. Doch du suchst das zarte Dorfidyll,„versunkene Glockenstim- mung". die das wundersrohe Auge der jungen Bremer Künstlerin hier zuerst entzück!«. Du findest st« im schroffen Gegensatz in lieben obstumhegten Flecken und Dörfern, deren strohdachblonde Katen mit farbenfrohen nledersächsischen Gehöften w Traulichkeit und längst verschollener Heimeligteit wetteifern. Es lohnt sich schon, das alte Malernest kennenzulernen. „Wandrer!— Arbeit ist uns zeugende Saat. Erfüllung und Gabe an der Erde Schoß. Achte, Bruder, das Werk, das allen dient und uns eint." Die Arbeitsschule Barkenhof. Es ist der Wegweiser zur kommunistischen Siedlung Worpswede , deren Haupt Heinrich Bogeler als Maler zarter Stimmungs- bildsr und letzthin als Edelkommunist sattsam im Reich bekannt sein dürste. Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich aus acht ständigen Hausgenossen und deren gemeinschaftlichen Kindern zusammen, die sich aus Pro- lctariern rekruteiren. Auch kommunistisch bestrebten geistigen Ar- beitern, insonderheit Künstlern, gewährt der Barkenhof ein ideelles Zentrum. Ferner wird Waisenkindern, Wandervögeln gegen Ar- beitsleistung Asyl gegeben, soweit Raum und Mittel ex gestatten. Erstrebt wird enger Zusammenschluß von Wirtschaft, Leben, geistigem Schöpfertum, wie überhaupt Freimachung aller schöpfen- schen Kräfte. Hier träumt Heinrich Vogeler seine Malerträume. Di« Fresken in der großen Diele des allgemeinen Wohnhauses, die feinen Ideen vom kosmischen Werde» Gestalt geben, zähle ich zu den stärksten Kunstäußerungen dieses Worpswede ? Malers. Zwischen Sonnen- aufgang und-Untergang, auf der Schmalseite der Halle, als Mittel- punkt dominierend„das Kind"— messianische Jugend aus der Hand des Göttlichen groß in den Raum«mporgehalten. „Das Kind auf der Hand Gottes", zugleich Symbol. Sinnbild der Schule.— Di« Fries« der Längswände stellen den Aufbau der neuen Menschheit in gottgewolltem Zusammenleben mit der Natur dar. Di« Taufe des Neugeborenen im Bergquell— Jünglinge und Mädchen bei heiterem Frühlingsspiel— beim Bau des neuen Hauses — als schönster Akkord die junge Mutter, da» Kind an vollen Brüsten säugend, von reifer Garbengloriole umstrahlt, während der Zu-
Münchens toller Tag. , Infolge der Berlin — Mültchener Telephonsperre, die erst am Sonnabend wieder ausgehoben wurde, ist es für uns erst jetzt möglich, über den Verlauf des Hitler- Ludendorff-Putsches nähere eigen« Meldungen von Ort und Stelle wiederzugeben. Red. d.„Vorwärts". München , 10. November. (Eigener Drahtbericht.) Nach dem Putsch, der, wie bekannt, bei der Kundgebung des Herrn v. Kohr am Donnerstagabend ausbrach, richteten die hakenkveuzlsrifchen Sturmtrupps in Stärke von etwa 2500 bis 3000 Mann im Bürgerbräu ihr 5)auptquartier«in. Zugleich wurden der ganze Osten Münchens rechts der Isar und die in die Stadt hineinführen- den Brücken abgesperrt. Den engsten Kriegsrat bildeten Hitler , Ludendorff und Roßbach. Die beiden großen Säle wurden als Truppenlager hergerichtet. Der andere Teil der sogenannten revolutionären nationalen Regierung, Kahr-Lossow, begab sich in die RegierungsgcbSude links de? Isar und organisierte den Widerstand gegen Hitler . Zur Sicherheit verlangte Herr v. Kohr sein Generalstaatskommissariat in ein Kasino im Kascrnenviertel Münchens , wo er auch jetzt noch residiert� Kurz vor Mitternacht fuhr ein Hausen von etwa L00 mit Handgranaten. Gewehren und Pistolen schwerbewaffneter Hakenkreuzler im Stahlhelm auf zwei Lastauto vor das Gebäude der.Münchener Post". Sie zertrümmerten sofort die vier große» Schaufenster, wodurch der im Hause wohnende Geschäftsführer geweckt wurde. Er mußt« sofort das Gittertor aufsperren. Die Rotte stürmte daraus in die im erste» Stock gelegenen Verlagsräume und begann hier ihr Zer- siörungswerk: Türfüllungen wurden«ingeschlagen. Schränke umge- morsen, eingetreten und mit Gewehrkolben zertrümmert, der Inhalt durchwühlt und herausgeworfen. Ebenso wurden die Schreibtische erbrochen. Di« Geschäftsbücher und die ganzen Beleg« der Briefe und Korrespondenzen, die Invaliden. und Steuerkarten der Arbeiter und Angestellten des Betriebe wur. den zerfetzt und vernichtet. Die Tintenfäster flogen an die Wand und sämtliche Fenster wurden zertrümmert. Dann ging es in den zweiten Stock, in die Redaktionsräums, wo die Herr- schaften in der gleichen Weife hausten. Hier wurden sogar di« elekirischen Lampen zertrümmert und 1» di« Papierkörbe geworfen. Die Zwischenwände in den Redaktionsräumen, die aus �Holzrahmen mit kleinen Fensterchen bestehen, wurden vom Fußboden bis zur Decke vollständig eingeschlagen, im ganzen etwa 400 Scheiben: kein einziges Fensterchcn blieb ganz. Besonder» roh hausten die Leute in dem Redaktionsraum des Genossen Auer, aus dem sie nach Erbrechung sämtlicher Schränke eine Menge von Akten und Biblio. theksbänden auf die Straße hinabwarsen, darunter auch ein« überlebensgroße Büste Dollmars und di« schwarzrotgolden« Hausfahne. Aus dem Verlag des im Gebäude untergebrachten„Bayerischen Volksblattes" raubten sie die Kasse msi mehreren BlMonen Mark und das Postscheckbuch. Außerdem liehen sie noch mitgehen: sechs Schreibmaschinen, fünf Autoreifen, das gesamte Schreib- Material und die zur Auszahlung bereitgelegten Lohngelder. Vor ihrem Abzug vollbrachten st« ihr Meister- stück im Setzersaal, wo sie die Kästen und Schubladen mit Gewehr- kolben zerschlugen und den Inhalt auf den Boden streuten. Fuß- hoch lagen di« Bleiiettern auf dem Boden. Inzwischen griff die Polizeidirektlon ein, ebenso erschien Landespolizei, so daß die Band« endlich abzog. Auf der Straße verbrannten sie dann unter Gejohle die aus dem Fenster hinausgeworfenen Gegenstände. Der am Freitagmorgen erschienene„Völkische Beobachter" berichtete lakonisch:.Die Giftküche am Altheim«? Eck wurde zerstört. Die grüne Polizei bewacht die rauchenden Trümmer." Die Zer- störung der Maschinen unser«? Parteiblattes unterblieb, weil Hitler mit seinem„Völkischen Beobachter" in das Gebäud« der.Mün- chener Post" überfiedlen wollte. Aus diesem Grunde konnte die „Münchener Post" am Sonnabend wieder, wenn auch in verkleiner. tem Umfange, erscheinen. Um dieselbe Zeit fuhren zwei andere Lastautos mit bewaffneten Hateukreuzlern
sammenbruch, die Verzweiflung der alten morschen Welt sich in der Darstellung einstürzender Kirchen, brennender Fabriken Genüge tut und Arbeitergestalten revoltierend mit roter Fahne in die Wälder zur„guten Mutter" heimkehren. « Schräg gegenüber der im Baumgrün versteckten Siedlung er- hebt sich fast BrolKnd die Ruin« des abgebrannten Brunnen hos s, des einstigen Wohnpalastes von Professor H o e t g e r. Wir wandern zur letzten Ruhestätte von Paula Modersohn , dem tannenumrauschten Friedhofe beim Hügel. Ihr Freund, der einzige Zeitgenosse, der ihren Wert als erster erkannte, setzte ihr, zugleich seiner Liebe und Verehrung, ein Denkmal. Hoetgers„sterbend« Mutter", viel- leicht sein ergreifendstes Werk. Es feiert jene tiefste Religion Paula Modersohns, vor der sie sich in Demut beugte, wo immer sie ihr begegnet«, das Mysterium der Mutterschaft und des Todes, das seine reifste Frucht in ihr selber finden sollte. „Diese größten Ding« der Erde: Mutterschaft und Tod." Das Grabmonument fängt jenen höchsten Augenblick ein. Die junge Mutter in der Sterbestunde, ein Held nach siegreicher Schlacht! Nichts Klägliches in dieser verklärt Sterbenden, deren brechender Blick auf dem ahnungslos mit dem Apfel des Lebens spielenden Säugling auf Ihrem Schöße ruht. „Es ist vollbracht!"—„Es lebe das Leben!" » Es wäre unbillig, am Neubau Hoetgers, der an Eigenart in der modernen Architektur so leicht keines gleichen findet, vorüber- zugehen. Wie aus wogendem Meer«in rostrotes Segel, ragt aus Kieferdunkel dos weitschweifige Ziegeldach und weckt Vorstellung an ein streitbares Wikingerschiff Urgermanisch, urnordisch wirkt dieser Vau von innen und außen. Als Grundform hat wohl das alt- friesische Bauernhaus gedient, das noch durch Erker und mancherlei Verkröpfung interessant wird.— Alles ist Handwert. Roter Ziegel- stein ist durchgängig als Material verwandt: auf dem Dache ein polychromer Sonnengötze und ab und zu ein buntes Glassenster bieten dem Auge die einzig andersfarbig« Ablenkung. Die Einheit und Formenschönheit machen allein den Reiz des Baulichen aus. Gewaltige Eichentüren aus groben Stämmen fast zyklopisch gefügt, werden von Schnitzwerk, das an primitive Höhlen- kunst erinnert, belebt. Der Phantasie«inen weiten Spielarum ge- während, zieht sich diese nur andeutungsweis aus dem Holz gelöst« Skulptur im Innern des Hauses, das auf knorrig«» Baumstamm- ballen ruht, fort. Am Eingang das erste Menschenpaar«Ast und Embla" der germanischen Mythologie, welche die Menschenwerdung nicht wie orientalische Mythe au » dem ungestalten Crdenkloße, sondern dem Organischen, der weiblichen Ulm « und der männlichen Esche, her- leitet. In der Mitte die offene Feuerstelle mit dem walfischähnlichen Rauchfang, an dem elektrische Glühkörper, die großen mystischen Augen frühromanischer Ornamentik nachzuahmen suchen. Ein zweiter Ose« aus Kalkstein in Burgform ein« Wandnische monumental aus- füllend. Welte hohe Fensterflächen lasten dl« Landschaft, dl« bell« Welt, in den Raum«in, doch vermag dieser, w«nn die duntelschweren
vor die Wohnung Auers und durchstöberten Speicher und Keller des Hauses nach ihm. Auch hierbei kam es zu sinnlosen Zerstörungen von Hausgerät und zu Mißhandlungen von Auers Frau. Da sie Auer nicht fanden, zogen sie unter Schimpfen und Fluchen wieder ab. Zwei Stunden später erschien abermals ein Trupp, der die Untersuchung wiederholte. Als der Führer dieses Trupps die umgeworfenen und zerschlagenen Gegenstände am Boden liegen sah, drückt« er hierüber unverhohlen seine Empörung aus. Eberl vogclfrei. Am Fneitagmorgen prangten an allen Straßenecken Münchens verschieden« Proklamationen in hitlerischer Schreibart, aber ohne Unterschrift. In einem dieser Aufrufe hieß es u. a.: Di« führenden Schufte des Verrates vom 9. November 1918 sind von heut« als v o g s l f r e i erklärt. Jeder Deutsche, welcher Ellert. Scheidemann, Oskar Cobn, Paul Levi , Theodor Wolfs, Georg Bernhard und ihre Helfer und Helfershelfer ausfindig machen kann, hat di« Pflicht, sie tot oder lebendig in die Händer der völkischen nationalen Regierung zu liefern. Nachdem die Hitlerbanden in den Morgenstunden des Freitag den wachsenden Gegensatz zwischen sich und Kahr als nicht beilegbar erkannt hatten, begannen sie ihre Agitation aus Autos auf allen Plätzen im Innern der Stadt. Dabei wurden die blutrünstigsten Reden gehalten und die Leute die tollsten Versprechungen gemacht. Zwischen 10 und 11 Uhr wurde der Aufruf Kohrs bekannt, und nun muhte nk!» sich auf einen Kamps gesaßt machen. Nach 12 Uhr marschierten Nationalsozialisten in Stärke von etwa 2000 Mann, mit nagelneuen Gewehren und Uniformen ausgerüstet, von ihrem Hauptquartier aus in die Stadt, voran Hitler und Ludendorff im Auto. Hierbei kam es an der Residenz zu einem Zusammenstoß mit der Reichswehr , wobei Hitler mit seinen Leuten schon nach der ersten Maschinengewehrsalv« die Flucht ergriff. Ludendorss wurde gefangengenommen. Als Opfer dieses Zusammenstoßes zählt« man bis Sonnabend nachmittag 18 Tote und etwa 20 Verwundet«, darunter einig« führende Leute der Nationalsozialisten. — HitlersFlucht ging nach Osten. Cr sammelte sein« Leute, soweit sie nicht schon entwaffnet waren, abends in dem zwei Stunden entfernten Ramersdorf. Noch in der Nacht zog dies« Schar größtenteils nach dem SO Kilometer entfernten R o se n h e i m l teilweise unter Benutzung der Bahn. Dieses Stadt- chen ist seit langem ein fester Stützpunkt Hitlers . Am Sonnabend früh hat aber bereits Pittinger die ehemalige Einwohnerwehr des Chi-emgaucs aufgerufen, und schon im Lauf« des Vormittags sind einige Tausend Bauern aus dem Chiemgau eingetroffen. Bis zur Stund «(abends IM. Uhr) stehen sich die beiden Parteien gegen- über. Man darf annehmen, daß der Widerstand auch hier binnen kurzem gebrochen sein wird. Auch in Traunstein , ebenfalls ein starker Hort der Hakenkreuzler, begann die Säuberung noch am Frei» tag. Am Sonnabendvormittag wurden dort in den Wohnungen der Nationalsozialisten Haussuchungen vorgenommen, und die Leute all- gemein entwassnet. In dem von den Nationalsozialisten verlastenen Hauptquartier in München wurde«in Lastwagen mit Waffen be- schlagnahmt, ebenso eine Kaste mit zwei Billionen Mark Inhalt. Einer der wichtigsten Punkte des Hitlerschen Programms war die Eroberung des Rathauses. Am Freitagvormittag um M-10 Uhr drangen nationalsozialistische Trupps in das Raihaus ein. aber erst um 11 Uhr erfolgte di« wirtliche Aushebung des. Stadtrats. Es tagte eben der Aeltestenausfchuß unter dem Vorsitz des ersten Bürger. melsters. Eenosten Schmid. Di« Putschisten verhafteten mit vorge- halten«» Gewehren di« sozialdemokratischen und kommuniststchen Stahtratsmitglieder, brachten sie unter Mißhandlungen auf ein Last- auto und führten sie in ihr Hauptquartier. Dabei wurde ihnen der Tod durch Erschießen angedroht. Nach weiteren Drangsalen(sie wurden angespien und mit Gewehr- kolben traktiert) wurden sie unter schwerer Bedeckung auf ein an» deres Lastauto gebracht, und am Nochmittag ging die Fahrt aus der Stadt hinaus fort in östlicher Richtung. Nach langer Fahrt durch oerschiedene Ortschaften wurde inmitten eines Waldes halt gemacht. Den Stadträten wurde nach einem kurzen Kriegsrat ange- delltet. daß sie sich auf dos äußerst« gefaßt zu machen hätten. Sie
Samtvorhänge herabgelassen sind, sich ganz auf sich selbst zu be- sinnen. Dann gewinnen die Dinge ein unheimliches Leben. Auf den Simsen, die Statuen strömen geheimnisvolle Kraft des Schöpfers aus. Di« erdhaftsn Bauernmüdchen der Modersohn wer- den lebendig, Chagalls große Sinsonie in Silber und Rot, ekstatisch« Visionen des Meisters geistern.— Draußen flammt Purpur überm Hügel,— wabernde Lohe umzüngelt die Kicfernstämm«.— Im Moorbruch ballt sich der Nebel, ballt sich im Glanz des Abends mir zum Gesicht, zum Traum der Heide.
Die Stimme. Don Max Geisenheyner . Es war die Stunde, da die vornehme internationale Gesell- schaft sich um den Telefuntenapparat versammelt«, um das abend- liche Konzert anzuhören. In einem dieser Salons war große Ge- sellschast. Die Damen in Balltoilctte, tz�2�de und Samt, tn Perlen und Edelstein, die Herren in Frack unikWWttng: Diplomaten, Kauf- leute, Offiziere, gute Bürger und juW Menschen. Die Diener gingen umher und servierten Weine und feines Gebäck. Es war kurz vor 9 Uhr, und da die Musik gewöhnlich mit einem Tanz cm- fing, hatten sich die Paare bercits aufgestellt. Schlag 9 Uhr be- gann die Musik, frech, lockend, wie eine Preisgabe. Di« Paare drehten sich, schleiften und schwebten nach den fremdländischen Weism über das Parkett: heiter, sorglos, gedankenlos, glückliche Lebewesen, Schmetterlingen gleich über den Spiegel eines Teiches. Festlich brannten die Kronleuchter, Gläser klirrten, Lachen schwirrte. Plötzlich hörte die Musik ausl Die Tänzer stockten, sahen nach dem Radioapparat, ebenso alle Menschen in Sessel und Divan. Zwei Sekunden herrschte lautlos« Stille. Während dieser zwei Sekunden aber blitzte eine Stimme in tausend und abertausend Funkenwellen über Ehausiecn, Wälder und Felder heran, warf sich in hundert Städte, stürmt« durch tausend Mauern über tausend Treppen empor und dröhnte durch die Drähte in hunderttausend Ohren: .Ihr tanzt! Und nicht ferne Eurer Grenzen geht ein Volk zu- gründe! Ihr tanzt, und ihm frißt die Sorge um Brot die Seele an. Ihr tanzt, und sie verlieren ihr Innerstes an ein bißchen Fraß. Ihr tanzt, und dort in der Fern« und doch nahe genug wanken Mil- lionen verdunkelter Gesichter hoffnungslos, stumpf durch die Straßen: Kinder spielen in kalten Stuben mit schmutzigen Milliarden und hungern. Ihr aber tanzt. Wer sind sie, die da leiden? Eure Feinde? Mütter, Väter, Menschen sind es wie Ihr! Das Herz gepreßt voller Sehnsucht nach Leben und Heiterkeit, hungernd nach Schönheit und Vergessen wie das Eure, Ihr aber laßt st« zugrunde gehen. Ihr tanzt, und ihnen ist«» zumute, al» wären sie vor die wilden Tiere geworfen, den Tigern des Hungers, den Schakal der Geldgier, den