Nr. 543 ♦ 40. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
Vkettstog, 20. November 1923
Ein bestkeiöenes Amtsgericht. Ts ist unbegreiflich, warum die Leute soviel darüber schimpfen, daß sie an den Postschaltern lange Schlangen bilden müssen. Wenn man in so einer Schalterschlange ein« halbe bis eine Stunde warten muß, so ist das das beste Zeichen dafür, daß die Verwaltung auf ehrlich« Weise bemüht ist, an Beamten zu sparen. Als Staats- kürzer hat man unter dem Belagerungszustand die Pflicht, so etwas warm anzuerkennen. Man kann, wenn man in so einer Schlange steht, doch mancherlei Lehrreiches erleben, z. B. dieses: Ein junges Mädchen, Angestellte einer Handelsfirma, kommt mit einem tadellos ausgefüllten Einzahlungsformular zum Schalter. Der einzu- zahlende Betrag lautet über 120 000 Mark, in Wor- ten Hundertzwanzigtausend Mark, oder, um ganz deutlich zu sein, Hundertzwanzigtausend Papiermark. Der Beamte erklärt laut Vor- schrift, daß er einen so kleinen Betrag nicht annehmen könne. Eine Million muß es mindestens sein. Das junge Mädchen:„Das Gericht »erlangt es doch aber so." Der Beamte:„Es hilft nichts, unter einer Million nehme ich nichts an." Das junge Mädchen:„Gut, ich werde also ein« Million einzahlen. Verbessern Sie doch, bitte, den Betrag." Der Beamte erklärt, das gehe nicht. Er reicht ihr ein Formular heraus, das sie nun aufs neue ausfüllm muß. Das junge Mädchen muß aus der Schlange heraus und ist verzweifelt. Als Ehrenmann kann man ein verzweifeltes junges Mädchen nicht ohne Rührung sehen. Man erkundigt sich und erfährt, daß ein Berliner Amtsgericht von der betreffenden Firma als Kostenvorschuß für einen zu er- öffnenden Prozeß den Betnag von 120 000 Mark eingefordert habe. Zur Zusendung dieser Aufforderung hat besagtes Berliner Amtsgericht ein Porto von 500 Millionen Mark verbraucht. Geschehen ist das am 5. November 1923. Man unterstehe sich nicht, auch nur entfernt einen häßlichen Gedanken gegen das Amtsgericht zu fassen. Slotie Milch. Gefängnisstrafe für eine Milchpanlscherin. Ein Urteil, das wegen seiner Schärfe in Konsumenten- und Händlerkreisen Aufsehen erregen dürft«, fällt« soeben die 191. Ab- teilung des Schöffengerichts Berlin-Mitte gegen ein« Lebensmittel- fälfcherin. Während bisher gegen Nahrungsmittelfälscher immer auf Geldstrafe erkannt zu werden pflegte, die in keinem Verhältnis zu dem durch die Betrügereien eingestrichenen Gewinn stand, gehen die Gerichte jetzt endlich dazu über, empfindliche Denkzettel zu erteilen. Bei den Kmiden der MilchhSndlenn Charlotte Deginus hatte es feit langem Unwillen erregt, daß die ihnen verkaufte Milch ein bläulich-wäfseriges Auslehen hatte. An verfchie- denen Tagen eilten die Frauen sofort mit ihren Milchtöpfen zur Polizeiwache und ließen den heutzutage so kostbaren Inhalt unter- suchen. Die Proben ergaben, daß die Milch stark oerfälscht war. da sie IV bis 12 P r o z. Wasserzusatz enthielt. Die wegen Nahrungsmittelverfälschung angeklagt« Milchhändlerin wollte keine Ahnung haben, wie die Milch zu dem Wasserzusatz gekommen sein könnt« und kam mit der faulen Ausrede, daß es Regenwasser sein müsse, der durch die Decke durchgetropft sein müsse. Das Schöffen- gericht war der Meinung, daß gegen derartig« Verfälschungen«lnes der wichtigsten Nahrungsmittel, die die Gesundheit der Säuglinge und Kranken aus das-äußerste ge- fährden, nur die strengste Straf« am Platz« fei. In Anbetracht der Gemeingefährlichkeit und Verwerflichtest der Handlungsweise wurde Frau Deginus zu sechs Monaten Gefängnis oer- urteilt und sofort aus dem Gerichtssaal in das Ge- fängnis abgeführt.'_ entartete Tpröhlinge der Aristokratie. Zwei Sprößling« hochangesehener Münchener Familien hatten sich vor der Strafkammer des Landgerichts II wegen Be- truges und schwerer Urkundenfälschung zu verantworten. Di« An- geklagten waren der 20jährige Freiherr Ewald o. Dungern , aus einer altberühmten Gelehrtenfamilie, und der gleichalterige Fritz Kupfer, der Sohn eines Münchener Groß- industriellen. Die jungen Leute hatten eine Reife nach Berlin unternommen und hier sehr vergnügt gelebt. Als ihnen das Geld ausging, erschienen sie bei einem Steglitzer Installateur und gaben sich als Beauftragte des Hotels Efplanade aus. Im angeblichen Auftrage des Hotels kauften sie für viele Mllionen Glühbirnen, die sie mit einem vom Hotel Efplanade unterstempelten Scheck bezahlten. Darauf gingen sie zum Hotel Efplanade und oer-
kauften die Glühbirnen gegen bar. Als der Installateur den Scheck in Zahlung gab, stellte sich die Fälschung heraus. Beide Angeklagten haben bereits in München Bestrafungen wegen ähnlicher Betrüge- reien erlitten. Die Verteidiger baten, den Angeklagten, die hoch- gradig minderwertig sind, noch einmal mildernd« Um- stände zuzubilligen, und sie hatten trotz der Vorstrafen damit auch Glück. Das Gericht verurteilte sie, um sie noch einmal vor Zuchthaus zu bewahren, zu je neun Monaten Gefängnis. Schließung der geburtshilflichen Polikliniken? Der preußische Staat unterhält in Berlin mehrere geburts- hilfliche Polikliniken in der Charite und in der Frauenklinik in der Artilleriestraße. Hier stehen fach- und sachkundige Aerzte(nicht Studenten, wie vielfach angenommen wird) Geburtshilfe suchenden Frauen hilfsbereit zur Verfügung. Be- dingung ist nur, daß«ine Hebamme zugegen ist. D i e Be h a n d- l u n g i st k o st e n f r e i. Nur das Fahrgeld für die Straßenbahn nach und von der Wohnung der Patientin und die Auslagen für Medikamente usw. werden berechnet. Bei Mittellosigkeit, Kurzarbeit oder Erwerbslosigkeit werden weder Fahrgeld noch Auslagen für Apotheterwaren zurückverlangt In dringeirden Fällen kommen die Aerzte per Automobil unentgeltlich. Dieser segensreichen Einrichtung droht Gefahr, denn die Polikliniken erfordern vom Staat große Zuschüsse. Den Sparmaßnahmen, die vor-
das partei-Notopfer für öerlin wird zum Kampf gegen die politischen Meuchelmörder von recht», wie zur Abwehr der gesamten Reaktion überhaupt, dringend gebraucht.— Die Kassen der Verschwörer werden aus großkapitalistischen und agrarischen Onellen reichlich ge- speist.— Ansere Kassen müssen daher auch gestärkt werden. Geldsendungen für den stampffonds überweise man ans Post- scheckkonko 48743 an Alex Pagels, Berlin SV 68, Lindenstr. 3.
genommen werden, sollen nun die Polikliniken zum Opfer fallen, d. h. sie sollen geschlossen werden, wenn nicht nachweisbar ein dringendes Bedürfnis zu ihrer Erhaltung besteht. 5sier kann von den Frauen der unbemittelten Schichten viel zur Erhaltung der Polikliniken getan werden. Sie müssen darauf dringen, daß die Hebammen die notwendige ärztliche Hilfe bei. Entbindungen aus einer dieser Polikliniken anfordern. Werden die Polikliniken reg« in Anspruch genommen, so daß der Beweis des dringenden Bedürfnisses auch weiterhin, und dann erst recht erbracht wird, so müssen diese Einrichtungen«rhalten bleiben. Bei der zunehmenden Verelendung sollte übrigens der Nachweis des dringenden Bedürfnisses ohne weiteres erbrocht sein.______ Uebertrieben hohe Eierpreise in Berlin . In unserer SonntagSauSgabe machten wir von einer Preis- Notierung für Eier Mitteilung, die mit 32 Goldpfennigen für das Et sehr hoch erschien. Der Amtliche Preußische Prcsiedtenst erklärt dazu, daß diese festgesetzten Eierpreise keine amtlichenPreise im Sinne des 8 3 Absatz 3 der Preistreibereiverordnung vom 13. Juli 1923 sind. Sie unterliegen wie jeder andere Preis der Nachprüfung durch die Wucherpolizei. In Rücksicht auf die exorbitante Höhe dieser festgesetzten und bekannt- gemachten Eierpreise wird eine Nachprüfung in besonders s ch a rfe r W ei i e erfolgen. Im übrigen fei bemerkt, daß auch die Preise, die über Obst und Gemüse verbreitet werden, keine amtlichen Preise sind._ Das Abenteuer eines KriegSinvaliden. Ein« grob« Ausschreilung gegen einen Schwerkriegsverletzten beschäftigt« in längerer Verhandlung die Berufungsstrafkammer des Landgerichts I. i>ie Polizeioberwachtmeiftsr Max Habermann und faul Litzke waren vom Schöffengericht wegm Mißhandlung des rieosinvaliden Zetsch zu Gefängnisstrafen, und zwar fiabermann zu fünf Monaten und Litzke zu drei Monaten verurteilt worden. In der Nacht zum 2. Juni 1921 hatte sich auf dem Srausberger Platz gelegentlich der Festnahme eines Kucschers eine Menschenansammlung gebildet. Habermann hatte aus der Menge den Kriegsinvaliden herausgegriffen, weil er behauptete, daß Zetsch die Menge gegen die Beamten aufgehetzt habe, was dieser e n t- schieden be st ritt. Zetsch, ein Invalid« mit einem Bein, wurde zur Wache gebracht und er soll nun auf der Wache schwer miß- handelt worden sein. Auf Grund der vom Rechtsanwalt Dr. Arras
gestellten Zeugen hielt das Gericht einen Nachweis dafür, daß Litzke sich an den Mißhandlungen beteiligt habe, nicht für erwiesen und sprach diesen mangels Beweises frei. Das Urteil gegen Haber- mann wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Der Sörsenvertreter. Sie sahen ihn nietnals wieder. Ein„netter" Vertrauensmann war ein 2S Jahre alter Kauf- mann Hans Frey aus der Turmstraße 4S, der bei einer Bank in der Mauerstraße angestellt war. Frey, der mit Börsengeschäften Bescheid wußte, empfahl allen Leuten, die er schon kannte und die ! er neu kennen lernt«, ihm ihre Effekten anzuvertrauen, damit er � sie in ihrem Interesse besser verwende als sie selbst es könnten. Sein gewandtes Auftreten und feine sachverständige Ausführungen verschafften ihn um so eher Vertrauen, als er den Leuten vor- spiegelte,«r sei„Mitinhaber einer Bank" in der Mauer- straß« und deren„Börsenvertreter". Man vertraute ihm Hunderte von Billionen in Effekten an und s a h sie niemals wieder. So wurden viel« Leute um ihr ganzes Hab und Gut gebracht. Einige wurden in der letzten Zeit miß- trauifch und verlangten Abrechnung. Frey aber wußte immer ! wieder Zeit zu gewinnen. Endlich gingen die Zweifler nach der Mauerstrahe, um sich auf der Bank selbst nach dem vermeintlichen Mitinhaber umzusehen. Da wurden ihnen dann als wirklicher Mitinhaber ein ganz anderer Mann vorgestellt, und so kam der ganze Schwindel endlich ans Licht. Frey hatte sich Formulare der Bank angeeignet und mißbraucht, um feine Opfer noch sicherer zu machen. Bevor man il/n fassen konnte, muß er sich überzeugt haben, daß sein Spiel verloren war. Er verließ mit seiner Frau, die ihm erst kürzlich angetraut war. feine Wohnung und verschwand auch aus Berlin . Nach gewissen Anzeichen ist das Paar nach der Schweiz durchgebrannt._ Geburten und Sterbefälle in Berlin . Das Statiftii-be Amt der Stadt Berlin hat aus der Berliner Statistik einige Hauptzahlen zusammengestellt. Den Ergebnissen der Bevölkerungsstatistik entnehmen wir. daß im Jahre 1922 die Zahl der Lebendgeborcnen siib auf IS 686, die der Gestoibenen aber sich auf 62 984 belief. Die Geburten waren so spar- l i ch. daß sie in dem Jahre u m 7208 hinter den Sterbe- fällen zurückblieben. Im Jahre 1923 wird, soweit sich da« schon jetzt übersehen läßt, die Differenz»och größer werden und der Verlust etwa 12000 betragen. Vor dem Kriege war in dem da- maligen Berlin mit rund 2 Millionen Einwohnern die gabt der Geburten fast ebenso groß(1910, 19lt.>19t2. 1913: 44 191, 43 203. 42 586, 40 846 Lebendgeborene), wie jetzt in dem neuen Berlin mit rund 4 Millionen Einwohnern! Wem gehört der Stock? Zu dem Mord in Steglitz , dem der Musikdirektor Gervais zum Opfer fiel, wird mitgeteilt, daß die Mordkommission verschiedene Spuren verfolgt und auch mehrere Verdächtige festgc- nommen hat. Diese mußten aber alle wieder entlassen werden, nach- dem sie ihr Alibi nachgewiesen hatten, lieber die Herkunft des Stockes, den der Mörder auf der U«b«rfallstelle zurückgelassen Hai:, ist noch nichts ermittelt. Es ist«in guter Z u ck e r r o h r st o ck mit abgenutzter Hornzwing«, der einmal teuer gewesen sein muß. Der Stock ist jetzt beim Mosse-Verlag gegenüber dem Ratlzaus in Steglitz ausgestellt. Er spielt für die Aufklärung des Verbrechens eine große Rolle. Die Groh-Berliner Frage. Im Ausschuh Groß-Berlin des Preußischen Landtages wurde am Freitag die Frage der Ausgemeindung, insbesondere der Ausgemeindung von Spandau , Cöpenick und anderen bclzandelt. Da die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, beschloß man, noch neuesMaterial anzufordern. ----« Die Strastenreittigmigskosten der Mieter. Demnächst werden zum ersten Male von allen Groß-Berlincr : Mietern die Beiträge zu den Straßenreinigungskosten erhoben, uno zwar für die Zeit vom 1. April bis 30. November. Groß-Berlin ist in vier Reinigungsklassen eingeteilt. Die Klassen 1 und 4 sind die teuersten. Der Beitrag wird berechnet nach der Meterzahl der Straßenfrontlänge des Grundstücks. Inzwischen sind natürlich auch diese den Mietern angesetzten Daumfchrauben der Geldcntwer- hing angepaßt. Für November ist der Meter in Klasse 1 auf 10, Klasse 2 auf 4, Klasse auf 2, Klasse 4 auf 100 Milliarden berechnet worden. Erstmalig wi.d noch«in Deranlagungsschreiben zugestellt, ' für die Folgezeit nur der Multiplikator öffentlich bekanntgegeben.
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-Und einer nach dem anderen kam an; in der einen ge- fchwollenen Faust hatte er einen zusammengeknüllten Brief- Umschlag, in Der anderen einen Bogen Papier mit blauen Linien,— den hatten sie für zwei Oer« im Kramladen gekauft, als sie eines Tages an Land hatten bleiben müssen. „Schau her... du mußt auch für mich ein paar Worte hin- schmieren, ja?" Und alle wollten geschrieben haben, daß sie hinsichtlich des Fangs nicht klagen könnten,— aber das fügten sie alle ganz leise hinzu, indem sie sich tief zu ihm nieder- beugten. Es kam etwas Verlegenes über diese schwerfälligen See- bleute, als sie nun aus der Kiste einen Geldschein holen mußten, so daß die anderen es sahen, und noch schwerer war es, da- mit in den hellen Lampenfchein zu treten und zu sagen, daß die Frau ihn haben solle. Das war fast, als zeige man einen Verlobungsring vor, wenn es doch noch ganz geheim sein soll. Und am Tisch machte der Mann seinen Rücken so breit er mir konnte und steckte dem jungen Burschen den Schein so oer- stöhlen wie möglich zu.„Vielleicht legst du den Schein mit in den Brief hinein," sagte er., Und nun ging Kristaver auf den klappernden Pantoffeln in die Küche hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Er und Henrik Rabben waren allein. „Na. gut. daß ich Hilfe bekomme," sagte Henrik und hantierte mit Holz, Feuer und Kessel. Kristaver sah ihn an.„Ich möchte unter vier Augen ein Wort mit dir reden." „Ja? Ist es etwas Unangenehmes?" Henrik hntte schon Zeit gehabt, heute Haar und Bart zu kämmen, und Gott weiß. ob er nicht auch draußen gewesen war und Nase und Mund mit Seewasier gespült hatte. „Du hast für mich Bürgschaft geleistet, so daß ich das Boot behalten konnte."> „Ja, war das etwa zuviel? So ein Kerl wie du muß doch ein Boot haben." Aber Kristaver sagte, jetzt wolle er Henrik auch einen Gegendienst leisten.
„Ich? Ja, willst du mich lehren, ein ebenso geschickter Bootsführer zu werden, dann..." „Du begreifft doch wohl, daß es unsinnig ist, wenn du hier als Halbpartmann umher gehst." „Ja, aber er habe doch kein Netz und besitze keinen Anteil an dem Boot— also könne er doch nur als Halbpartmann geizen, er wie die anderen. Das war doch ganz klar? Kristaver sagte, er wolle ihm gern Netze überlassen, so daß er vollberechtigter Teilhaber werde.„Und das mußt du annehmen," sagte er. Das war keine Kleinigkeit. Der Bootsführer kam zu ihm und verdoppelte seinen Anteil. Henrik sah erst ihn an und dann den Topf, der Mund lächelte, die Äugen blieben ernst. „Ja, soll ich mich denn dafür bezahlen lassen, daß ich dir einen Dienst geleistet habe," sagte er. „Ja, du hast im vorigen Jahre deine Netze verloren, aber jetzt hast du die Möglichkeit, sie wiederzubekommen. Darauf mußt du eingehen." „Hm. Aber du hast doch für uns alle das Risiko über- nommen, in bezug auf Netze und Boot. Und wer wagt, soll auch gewinnen. Wir kleinen Leute auf Rabben können nicht mehr als uns satt essen, und wir wollen das Geld nicht haben, das dir zukommt. Dein Anerbieten ehrt dich, aber jetzt geh' nur hinein und setze dich zu Tisch!" Kristaver sah ihn erstaunt an. Henrik brauchte nur die Hand auszustrecken, so bekam er Netze und den doppelten An- teil. Und dazu sagt der Mann nein. „Mölje! Platz da, Leute, jetzt gibt es endlich was Rich- tiges zu essen!" Henrik trug mehrere Schüsseln mit zerstückeltem Fladbröd herein, jetzt kam der Topf mit gekochter, dampfender Leber, von der er eine reichliche Portion auf jede Schüssel verteilte. Das Fett glänzte auf den Fladbrödhaufen, jetzt wurde Molken- käse geschabt und darüber gestreut, und schließlich wurde Sirup in langen goldenen Schlangen über das Ganze gegossen.- Dann wird alles mit dem Löffel verrührt, daß es wie ein Brei wird, — Herrgott, das schmeckt! Die zwölf Männer saßen um den Tisch und langten zu. Sie wußten ja kaum noch, wann sie zuletzt einen Löffel in der Hand gehabt hatten. Sie meinten, solange sie denkest konnten, von Kaffee und Brot gelebt zu haben. Aber dies war mehr als Essen. Dies war wie auf einer Hochzeit!
Es war unglaublich, wie schnell die Schüsseln sich leerten. Aber Henrik Rabben hatte noch mehr Leber,— rasch wurden neue Schüsseln hergerichtet, und dann setzten sich die Lössel wieder in Bewegung. Wie... waren die Schüsseln schon wieder leer? Jetzt fing es ja erst an zu schmecken! Nur der eine oder der andere schnallte den Leibriemen ein paar Löcher weiter. Es ist ja nicht alle Tage Hochzeit im Fischerplatz. Gesichter, Bärte, Finger glänzten von Fett, Sirup und Käse. Lars mußte in den Schnee hinaus, wo die Leber frisch gehalten wurde, und einen Topf voll herbeiholen. Es dauerte eine Weile, bis die gekocht war, aber jetzt konnte man sich eine Pfeife anstecken, einen Schnaps trinken und warten. Da trampelte es vor der Tür, Jakob kam lzereingehumpelt, und schwang den langen Fuß herum, als er sich umdrehte und die Klinke wieder schloß. .„Guten Abend, Leute. Schwerenot, ja, das habe ich doch gerochen, daß hier etwas Gutes auf dem Tisch steht." „Komm herein und setz' dich!" ertönte es von den Pfeifen an der Wand. Und sie blinzelten sich zu. Es war doch immer so... stand irgendwo im Fischerplatz Mölje auf dem Tisch, so wit- terte Jakob es und stellte sich ein, und wenn er sich in seinem eigenen Hanse an Mölje übersatt gegessen hatte. „Du mußt dir da am Tisch einen Platz suchen," sagte Per Suzansa, und wer nicht nein sagte, war Jakob. Uebrigens brachte er Neuigkeiten. „Wir Fischer müssen wieder eine neue Abgabe bezahlen," sagte er und lieh sich einen Löffel, den er am Aermel abrieb. Im selben Augenblick wurde eine neue Schüssel Mölje herein- getragen. „Was denn jetzt schon wieder?" „Ja, jetzt soll jedes Boot fünfzig Fische ans Krankenhaus abliesern. Das wird natürlich den Fischern auferlegt." „Hm," sagten sie und waren mit ihm einig. Wie Jakob jetzt dasaß, wirkte er ganz anders als die anderen. Das struppige schwarze Haar und der Bart stachen so sehr von diesen blonden, blauäugigen Männern ab. Sie saßen da in Friesstoffen, die in ihrem eigenen Hause aus Wolle von ihren eigenen Schafm gewebt waren— aber wer webte wohl für Jakob?(Fortsetzung folgt.)