Nr.55140.Jahrgang Ausgabe A nr. 275
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Sonntag, den 25. November 1923
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Kardorffs Mission gescheitert!
Die Volkspartei für Anschluß nach rechts.
Der Verlauf der Feste, durch die die italienische Regierung den Jahrestag ihres Antritts als Nationalfest erster Ordnung gefeiert hat, ist in mehrfacher Hinsicht lehrreich. Auf der einen Seite hat er gezeigt, daß man Feststimmung und Begeisterung nicht von oben verordnen kann, man mag noch so fräftige Agitationsmittel besigen; auf der anderen Seite wirft er ein scharfes Licht auf das, was der herrschende Faschismus unter innerem Frieden" und unter der Abrüstung der Geister" eigentlich versteht.
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auf seiner Seite zu haben, solange er alle materiellen Macht
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Auf die befondere Bedeutung der Berufung des Herrn| nationalen Stellung und beschloß, sich an einem nach rechts er o. Kardorff zum Reichspräsidenten ist schon im gestrigen weiterten Rabinett nur unter der Führung des Reichskanzlers Abendblatt hingewiesen worden. Tatsächlich war dieser volts- Dr. Stresemann zu beteiligen, was von vornherein aussichtslos parteiliche Politifer vom Zentrum zum Reichskanzler vorge- war. Am Sonnabendvormittag befaßte sich auch die 3entrums schlagen worden, und dieser Borschlag hatte dann auch die Zu- fraktion mit der Krise. Sie beauftragte den ehemaligen Reichsftimmung der Boltspartei sowie der Demokraten gefunden. tanzler Fehrenbach, dem Reichspräsidenten mitzuteilen, daß Die Deutsch nationalen jedoch erklärten, daß sie gegen unter feinen Umständen der Kanzler aus den Reihen des Zentrums Mit dem Beifall der Massen war es wirklich recht trübKardorff der früher ihr Parteimitglied war und dann zur gestellt werden könne. Dieser Standpunkt wurde besonders von dem Bolfspartei übertrat- Opposition machen würden, so daß nur ehemaligen Zentrumsminister Stegerwald vertreten, so daß felig bestellt. Die Beflaggung und Illumination war ausder Versuch einer Anlehnung nach links übrig geblieben wäre. eine Reichstanzlerschaft Stegerwalds, die angeblich besonders von schließlich auf die Straßen des Mittelpunkts der Stadt beDas wurde für die Bolkspartei zum Anlaß, von Herrn v. Kar- den Deutschnationalen gewünscht werden soll, nicht in Frage kommen schränkt. Die Festtage haben allerdings gezeigt, daß der Faschismus seine Wurzeln tief in gewisse Interessendorff zu verlangen, daß er den Auftrag zur Kabinettsbildung dürfte. ablehnen solle, was er auch tat. gefentt hat: fast jeder& ad en hat ein Bild Musso. Erst im Laufe des Sonnabendnachmittag, nachdem der Reichs- Iinis, wie fast jeder ein solches der Madonna hat. Die Ob Herr v. Kardorff persönlich den Wunsch hatte, mit der präsident zuvor mit den Führern der Mittelparteien Fühlung ge- Banten waren dicht beflaggt und trugen zum Teil die Sozialdemokratie Fühlung zu nehmen, wiffen wir nicht. Tat- sucht hatte, tauchte ernsthaft die Kandidatur Kardorff auf. Liktorenbündel des„ Fascio " zur Schau. Aber das Bolf, fache aber ist, daß seine Bartei eine solche Fühlungnahme, falls Dieser Borschlag fam aus den Reihen des Zentrums und wurde von Liftorenbündel des Fascio" zur Schau. Aber das Boll, er fie gewollt haben sollte, von vornherein verhindert hat. Die den Demokraten lebhaft unterstützt. Beide Parteien wünschten die die Leute, die arbeiten, zum Teil auch die Geistesarbeiter, waren abwesend. Eine solche halb ablehnende, halb Bolkspartei hat sich damit auf den Standpunkt festgelegt, daß Bildung einer Regierung der Mitte mit Dr. Stresemann als gleichgültige Haltung der römischen Bevölkerung hätten wir eine Regierung ohne oder gegen die Deutschnationalen nicht Außenminister ohne direkte Beteiligung der deutschnationalen gleichgültige Haltung der römischen Bevölkerung hätten wir gebildet werden dürfe. Fraktion. Jedoch bestand gleichzeitig die Neigung, einen bayerischen selbst noch vor sechs Monaten für unmöglich gehalten. Demgegenüber ist die Stellungnahme der" Germania " Boltsparteiler in das Kabinett aufzunehmen, der als Verbindungs: Wichtiger als diese Erfahrung der Festtage bemerkenswert, die für das Zentrum anführt: Die Wiedermann zu den Deutschnationalen gelten sollte. Es war geplant, das Grunde kommt es dem Faschismus nicht darauf an, die Masse fehr zur großen Koalition sei gegenwärtig undenkbar, auch neue Kabinett mit wechselnden Mehrheiten regieren zu laffen. die kleine Koalition mit der Sozialdemokratie sei heute Als Herr v. Kardorff vom Reichspräsidenten gefragt wurde, ob mittel auf seiner Seite hat ist die Klärung, die uns über psychologisch nicht mehr möglich". Der Eintritt der Deutsch er bereit sei, die Kabinettsbildung zu übernehmen, bat er sich eine den Begriff des sozialen Friedens, wie ihn die Fanationalen in die Regierung fei grundsätzlich nicht abzu- turze Bebentzeit aus. Er verhandelte zunächst mit dem deutsch - schisten verstehen, geworden ist. Sie verstehen unter BürgerEr verhandelte zunächst mit dem deutsch - frieden lehnen, doch müsse ihm ein unzweideutiges Be- nationalen Abgeordneten Hergt im Beisein feines Frattions frieden die unterwürfige Anerkennung ihrer fenntnis zur Verfassung" vorausgehen, auch dürfe follegen Dr. Heinze. Später hatte Kardorff Besprechungen mit Machtstellung, die Scheidung des Bolles in eine herrin der Außenpolitik teine grundsägliche Wendung eintreten, und dem Zentrumsführer Marg und dem Borsitzenden der demokratischen schende Schicht, die die Staatsämter und Staatsmittel in Hänvor allem sei unbedingt zu vermeiden, daß eine solche Fraktion Dr. Petersen. Vor Beginn der Fraktionssitzung der den hat und zu eigenem Vorteil über sie verfügt, und in eine Regierung in Kampfstellung gegen links geriete". Das ist, Bolkspartei, die zur Besprechung der Kandidatur Kardorff und der beherrschte, die gehorcht und Beifall flatscht. Man will feinen Bürgersinn, sondern Knechtssinn, feinen Frieden unter Menmit Berlaub gefagt, ein Kalb mit fünf Beinen. Weder denken die Deutschnationalen daran, ihren Ein- sammentrat, vergewisserte sich der Kanzlerfandidat der Mitarbeit des schen eines Vaterlandes, sondern ein faschistisches Monopol tritt in die Regierung mit solchen Bugeständnissen zu erkaufen, bisherige Post, Ernährungs- und Arbeitsministers. Die übrigen aller vaterländischen Gesinnung. noch ließe sich zwischen einer Regierung, in der die Deutsch Aemter sollen mit Nichtparlamentariern besetzt werden, wobei für das„ Siegesfeft" vom 4. November( vor dem Faschismus Dies ist erstens darin zum Ausdruck gekommen, daß man nationalen mit figen, und der Sozialdemokratie der schärfste das Finanz- und Wirtschaftsministerium an Herrn Minoux geKampf vermeiden. Vermutlich würde eine solche Regierung dacht war. Die Pläne Kardorffs wurden jedoch hinfällig infolge der nannte man es das Friedensfeft; heute, wo man den auch schon von den Demokraten entschieden abgelehnt werden. ablehnende Haltung der Deutschnationalen und der Stellungnahme Frieden noch schlimmer befunden hat als den Krieg, zieht man So ist im Geduldspiel der Krise fein Ende abzusehen. Die feiner eigenen Fraffion. Die Deutschnationalen lehnten Kardorff die andere Benennung vor) ganz gegen das Jahresfest des Volkspartei will nach rechts. Zentrum und Demokraten als Kanzler ab und verneinten gegenüber einem Kabinett der Regierungsantritts hat zurücktreten lassen. Der faschistische wollen zwar nicht nach links, aber auch nicht nach rechts. Mittelparteien von vornherein die Toleranz, während die Volks. Kommissär der Stadt Rom , der die Bürgermeisterfunktionen Die drei Parteien, die das dritte Kabinett Stresemann stützten, partei sich gegenüber dem Bestreben, eine Regierung mit Unter- in der Hauptstadt ausübt, ein gewisser Cremonesi, früher brachten in der entscheidenden Abstimmung nur 155 Stimmen ftügung der Sojialdemokratie zu bilden, ebenfalls ablehnend verSpediteur, hat zum Jahrestag des Regierungsantritts ein auf, nicht viel mehr als ein Drittel des Reichstags und 18 Stim- hielt. Stardorff mußte deshalb gegen 9 Uhr abends den vom Manifest erlassen; aber zu dem das ganze Volt, nicht eine men weniger als die Sozialdemokratie allein in die Wagschale Reichspräsidenten zum Ausdruck gebrachten Wunsch, die Kabinetts. Partei angehenden Feste der Beendigung des Belikrieges hat zu werfen hat. Aber sie haben mindestens dreierlei Meinung, bildung zu übernehmen, gezwungen durch seine eigene Fraktion, er den Aufruf an fein Bolt" ganz vergessen. Offenbar sieht er in dem Weltkrieg nur die Vorstufe zum Marsch auf Rom ", und des Hin und Herzerrens ist kein Ende. das Piedestal des faschistischen Monuments. Noch charakteristischer war das Verhalten der Zentralregierung in Mailand . Dort fand am Tage des Siegesfestes die Beisehung von 40 Kriegerleichen, die eben in feierlicher Weise statt. Zu dem Demonstrationszug hatte von den Gräbern an der Front heimgeführt worden waren, der Verband der Kriegsinvaliden alle Bürger in einem Aufruf eingeladen. In dem Aufruf hieß es:
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von ihm bereits geführten Verhandlungen um 6 Uhr abends zu
ablehnen.
Kahr gegen das Reich.
Müßte der Reichstag schließlich boch aufgelöst werden, weil feine Regierungsbildung möglich ist, so trügen die Mittelparteien die Schuld daran, und es wäre Aufgabe der Wähler, zwischen deutschnational und sozialdemo= München , 24. November. ( WTB.) Das Generalstaatskommiffratisch zu entscheiden. Aber auch Auflösung und Neuwahlen unter französischer Militärdiktatur im besetzten Ge- fariat telit mit, daß das Verfahren wegen der Vorgänge am 8. biet und deutscher im unbesetzten- fönnen nicht den Sinn und 9. November bereits bei den bayerischen Juftizbehörden an der Verfassung erfüllen, wonach die Wahlen den Willen der hängig fel und daß eine Auslieferung an den Staatsgerichtshof sei Wähler flar und unbeinflußt in Erscheinung treten lassen der Republik daher nicht in Frage fomme. sollen. Würde gar das Ergebnis der Wahlen neben der unvermeidlichen Verschärfung der Parteigegenfäße zu einer noch stärkeren Zersplitterung führen, so wären die Aussichten auf eine Aktivierung des parlamentarischen Systems noch trostloser als zuvor.
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„ Das Schweigen der Toten beherrscht die Leidenschaften und hallt wider, tief und weit. Es ruft die, die hassen und voll Erbitterung sind; es ruft die Herrschenden und die, die ihr Haupt beugen. Es dringt zwischen die verschiedenen sozialen Klassen, durch Irrtümer, durch die schmählichsten Erinnerungen und die stolzesten Hoffnungen; es dringt zu den Männern der schwieligen Faust und zu den Männern des Gebantens; zu den Männern jeder Arbeit, zu den Angehörigen jeder Partei, soweit sie der Haß nicht stumpf macht. Es ruft die Brüder, die am Leben sind, alle, die sich verbittert verschließen, alle, die drohend ihre Faust ballen. wie Chriftus, für alle! In welchem Zeichen wollt ihr euch vereinen und zusammenscharen, wenn nicht in dem ihres Opfers, das heute in diesen Bahren erscheint, entblößte Knochen und unsterb licher Geist." Laßt uns die Siegesfeier begehen, in reinen Ge danken und mit reinen Taten. Fern von uns sei jede Gewalttat und jede Feigheit. Italien , dessen Bild die Toten Bombay, 24. November. ( Eca.) Die Parlamentswahlen brachten tröstete, bei der Hingabe ihres jungen Lebens, war und wird sein bisher einen unerwarteten Sieg der' n versöhnlichen( Swaraj). eine in ihren Grenzen und in ihrer Ueberzeugung gefestigte Von 60 bisher bekannten Wahlergebnissen erhielt Swaraj 25 Man- Nation, ein freies, mündig gewordenes Bolt, mit Ueber die Vorgänge, die zum Scheitern ber Rombination date. Das Parlament wird aus 86 gewählten und 25 ernannten den Rechten und Pflichten der bürgerlich und kulturell höchstMitgliedern bestehen. Hiervon wird Swaraj mit den anderen stehenden Bölker. Kardorff führten, berichtet der Sozdem. Parlamentsdienst": fleinen oppositionellen Gruppen einen Oppositionsbloď von 40 Mit,, Brüder, Arbeiter, wie Bürger, Brüder aller Klassen und Herr Hergt, der noch am Freitagabend vom Reichspräsidenten gliedern bilden fönnen. In der Stadt Bombay wurden 2 Oppo aller Parteien, laßt über diesen Bahren, laßt über die Menge das empfangen wurde, hat die fitionelle und 1 Liberaler( der Regierung Deutsch nationalen nicht verlangt, sondern den Vorschlag ge In Bengalen ist der Führer der Regierungspartei Dr. Das dem behre leuchtende Antlig des Vaterlandes aufgehen, das eins ist macht, einen Vertreter der Volkspartei unter Beteiligung Swarajkandidaten Satcowripati Roy unterlegen. der Deutsch nationalen mit der Bildung einer neuen Re
Neue Reparationsverhandlungen. Auf Grund der belgischen Studien. Brüssel , 24. November. ( Agence Belge.) Der deutsche GeschäftsDie deutschnationale Bresse bleibt in ihrer Haltung starr. träger überreichte heute vormittag dem Außenminister Jaspar eine Die Kreuzzeitung" fordert als Bedingungen für den Eintritt Note, die ausführliche Darlegungen zu den belgischen techni in die Regierung: vollkommenen Bruch mit der Sozialdemo- fchen Studien enthält, und erklärte, feine Regierung sei bereit, fratie, Gewähr einer nationalen" Politik und Bruch der die Erörterung des Reparationsproblems auf der Grundlage dieser Preußenkoalition. Die" Deutsche Zeitung" verlangt noch dazu Studien fortzusetzen. Die belgische Regierung wird diefe neue Note Italiener! Für euch alle haben diese Toten ihr Blut vergossen, den sofortigen Rücktritt des Reichspräsidenten . Die„ Deutsche der Reparationsfommiffion übermitteln, die gegenwärtig die im Tageszeitung" wünscht nach wie vor den Vertreter des Land- lezten Graubuch veröffentlichten belgischen technischen Studien prüft. bundes Herrn Schlange als Ernährungsminister und droht Diese Studien schlagen u. a. eine ganze Anzahl Monopole für mit fortgesetzter Aushungerung des Volkes. Solche Forde- Deutschland vor. rungen und Drohungen lassen die Absicht erkennen, den Barlamentarismus mit Borbedacht zugrunde zu richten und die Rechtsdiktatur aufzurichten, die das eigentliche Ziel der deutschnationalen Sehnsucht ist.
gierung zu betrouen. Der Reichspräsident gab dem später von ihm
empfangenen Bertreter der Bolkspartei, Dr. Scholz, von der Auf- Einige deutschgeschriebene Dänenblätter in Nordschleswig faffung der Deutschnationalen Kenntnis. Noch am Freitagabend wurden verboten, und zwar vom Wehrkreisfommando der Reichs nahm die volksparteiliche Fraktion zu dem Standpunkt der Deutsch -| wehr; sie sollen Lostrennungspropaganda getrieben haben.
mit dem Antlig der Gerechtigkeit."
Nach Kenntnisnahme dieses Aufrufes beschlossen die Einheitssozialisten, an der Ehrung der Kriegerleichen teilzunehmen, um dadurch, im Einklang mit den von diesem Flügel immer betonten Grundsägen, ihrer Soliidarität für ihr Baterland öffentlichen Ausdruck zu