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Rheinstaat und Sozialdemokratie. Die sozialdemokratischen Reichstagsabgeord- neten, Landtagsabgeordneten und Vezirksvorstände der Partei und der Gewerkschaften des besetzten Gebietes waren am Montag in Berlin   versammelt, um über die Rheinland  - frage zu beraten. Reichstagsabgeordneter M e« r f e l d be- richtete über die bisherigen Verhandlungen zwischen den beut- schen Parteien und Wirtschastsvertretern, ferner über die Ver- Handlungen des in Hagen   mit Billigung der Regierungen des Reiches und Preußens gewüWten Fünfzehneraus­schusses mit dem Chef der Rheinlandkommission, Herrn T i r a r d. Die von französischer Seite gemachten Vorschläge, die einen aus dem Reichsverbande ganz oder nahezu los- gelösten Rheinstaat mit französischem Einschlag fordern, wurden von der Versammlung einmütig als u n a n n e h m b a r be- zeichnet. Eingehend wurde über den aus deutschen   Kreisen ge- kommenen Vorschlag diskutiert, ein Direktorium mit einem Verwaltungsausschuß für das besetzte Gebiet zu schaffen, auf welch« Körperschaften die Hoheitsrechte des Reiches und der Länder im wesentlichen übertragen werden sollen. Gegen«ine Beteiligung an dem Direktorium wurden allgemein schwere Bedenken geltend gemacht. Darüber, ob es zweckmäßig sei, sich an dem Ausschuß zu beteiligen, gingen die Meinungen auseinander. Schließlich wurde ein Antrag an- genommen, der die Beteiligung an dem Ausschuß von den Befugnissen abhängig macht, die ihm allgemein und gegenüber dem geplanten Direktorium gewährt werden sollen. Einhellig war die Versammlung in dem Willen, den f r a n- zösischen Loslös ungsbe st rebungen mit der bis- herigen Zähigkeit zu widerstehen. Die Irage des Rheinstaates. Tie Temokraten einverstanden. Elberfeld  , 25. November.  (WTB.) Auf dem außerordent- lichen Vcrtretertag der Demokratischen Partei sprach der Reichsiogsabgeordnete Erkelenz   über di« bevorstehende Eni- scheidung über die besetzten Gebiete. Nachdem Tirard einem Herrn au» Köln di« Frage vorgelegt hätte, ob man nicht über die Bildung eine» Nheinstaates im Rahmen des Deutschen Reiches verhandeln könne, hätten Verhandlungen stattgefunden, zunächst am vorigen Freitag, über die im einzelnen noch nicht» bekanntgeworden sei Er glaubt aber in großen Zügen folgendes darlegen zu können, was von Tirard angenommen sei: Es solle über die Frag« beraten werden, die besetzten Gebiet« im Rahmen eines verwoltungstörpers zusammenzufassen, der auch über die Provinz» und Staatsgrenzen, über Westfalen, Hessen   usw. hinübergreift. An die Spitze diese» Zweckverbandes tritt ein zwei bis fünfköpfiges Direktorium. Dahinter steht zunächst ein Ausschuß, der gewissermaßen der Berater dieses Direk- toriums ist. Dieses Direkiorium hat die Aufgabe, einerseits mit den Franzosen  , andererseiis mit dem Deutschen Reich« all« die Derhandlungen zu führen, die notwendig sind, um wieder Orb- nung zu schaffen. Voraussetzung dafür ist l. ein« Regelung der Finanzen. Ein solches Gebilde muß Finanzhoheit, also eii« eigene Steuer haben: 2. muß dieses Gebilde die Verwaltung ordnen. Die Verwaltung muß wieder mit den ersten Kräften besetzt werden, dl« in der Hauptsache ausgewiesen worden sind. Aufgabe des Direk. toriums wird deshalb sein, auf die Rückkehr der Ausgewiesenen Hinzuarbeiten oder, soweit dies nicht möglich ist, auf die Neubesetzung der betreffenden Aemter bedacht zu sein. Äm übrigen hätte dieses Direktorium das Recht und die Pflicht alle Maßnahmen zu treffen, die«in souverän er Staat in seinem Gebiet treffen kann. Es würde gewissermaßen die Sou. oeränität des Reiches und der Länder für die Zeit, in der hier der Zwangezustand herrscht, auf diesis Direktorium übertragen werden. Wenn unter dem herrschenden Druck die Bande zwischen Reich und Ländern gelockert werden müssen, so dürfen wir nicht Frankreich  die Möglichkeit geben, die einzelnen westfälischen, rheinischen, hessi- schen und bayerischen Teile usw. gegeneinander auszuspielen. Trotz eines gewissen Widerstandes, der vielleicht in Westfalen   am größten ist, muß man zusammen vorgehen. Das Entscheidend« ist, daß wir vor der Schaffung eines Selbst- Verwaltungskörpers im besetzten Gebiet stehen. Denn auch nicht an ein Ausscheiden aus Preußen oder dem Reich gedacht wird, sondern ein« reine Zusammensasiung au» Zweckmäßigkeitsgründen beab- sichtigt ist, enthält doch diese Situation ein« politisch ganz außer- ordentliche Bc�ntung. Trotz de» Zweckverbande, ist di« poli» tische Gefahr immer noch sehr groß und wird um so größer, je selbständiger dieses zu schaffende Gebilde wird. Wir haben meines Erachtcns uns immer mit Recht gesträubt gegen die Mög- lichkeit einer Abtrennung von Preußen, solang« di« Besetzung be- steht. Es wird den Franzosen nicht schwer fallen, in diesem Gebilde ihren Einfluß geltend zu machen. Aber di« Ding« find so, daß wir zwischen dieser Mög. lichkeit zu wählen haben und der. Millionen der Bevölkerung gegen. einander losgehen und sich gegenseitig ausfresien zu lassen. Um die Bevölkerung vor dem Allerschiimmsten zu bewahren, muß der erste Weg beschritten werden. Ich werde deshalb vorschlagen, daß wie un» dahingehend erklären, daß wir unter dem Zwang der Umstände und vor der Gefahr de» Verhungern» und der Verelendung un» mlk diesem Schrill einverstanden erklären in dem Vewußkseln, daß die deutsche Bevölkerung am Rhein   deutsch   ist und bleiben wird, auch wenn die Form de» Slaaie� wechselt. v Das Ruhr-Abkommen. Das Abkommen, das zwischen der Micum, der Jnter- alliierten Kontrollkommission für Fabriken und Bergwerke, mit dem Bergbaulichen Verein getroffen worden ist, liegt jetzt im W o r t l a u t vor. Es bestätigt im allgemeinen die privaten Meldungen über den Inhalt des Abkommens, den wir seiner» zeit wiedergegeben haben. Bemerkenswert ist, daß über die Regelung der Arbeitszeit und ähnliche Fragen in dem Mantel- vertrag nichts enthalten ist. Dagegen sind die an den Kohlen- bergbau sowohl, sowie an die gesamte deutsche   Wirtschaft für die Weiterführung der Produktion gestellten B e d i n g u n« gen außerordentlich hart und drückend. Reben rück- ständigen Kohlensteuern bis zu 15 Millionen Dollar sind bekanntlich auf die künftige Kohlenförderung Abgaben von Ist französischen Fronken pro Tonne gelegt, und zwar aus alle Kohle, die zum Vc-fuuf oder zur Versendung an angeschlosiene Fabriken gelangt. Lediglich der Eigenverbrauch und die Deputatkohle sind von dieser Abgabe befreit. Daneben sind außerdem große R a t u r a l l c i st u n.g e n als Reparations- lieferungen auferlegt, die auf Reparationskonto verbucht werden sollen. Der K o t s. den die Interalliierte Kommission cnfcrdert. kann bis zu 35 Proz. der Produktion der einzelnen Werke betragen und ist entsprechend auf die Kohlenlieferungen anzurechnen. Zu alledem kommen noch di« Beschlagnahme der früher geförderten Kohle und scharf, Kontrollb«stimmungen über die
k Ausfuhr von Kohle und Metallprodukten. Das Abkommens ' hat Gültigkeit bis zum 15. April 1924. Es enthält eine Unzahl von Einzelbedingungen, deren Nichterfüllung, ähnlich wie früher die Reparationskohlenlieferungen Frankreich   leicht Vor- wände geben könnte, den Vertrag außer Wirksamkeit zu setzen. . Wenn man ihn trotzdem abgeschlossen hat, so geschah das fraglos deshalb, weil man die ungeheure politische Gefahr eines Stilliegens des Ruhrgebiets nicht ertragen kann. Es muß anerkannt werden, daß man hier um einen unerhört hohen Preis die Grundlage zur Wiederaufnahme einer geregelten Produktion erkauft hat. Um so dringender ist zu verlangen, daß die Reparationskommission durch einen klaren Entscheid über Deutschlands   Leistungsfähigkeit den guten Willen zur Erfüllung der Reparationen anerkennt und einen Rechtszustand schafft, der auf die Dauer die Arbeit im Ruhrgcbiet ermöglicht. * Das Ruhrprovisorium wird im Lauf« dieser Woche durch Sonderabkommen mit den einzelnen Zechen ergänzt werden. Außerdem steht die Erneuerung der Verträge bevor, die eine Reihe von Werten, u. a. Becker, Krupp  , Phönix, schon früher mit der Kon- trolltommission abgeschlossen hatte. Diese Verträge sind bereits Mitte November abgelaufen. Da sie eine Klausel enthalten, nach der alle Vergünstigungen des Ruhrprooisoriums automatisch auch für sie gelten, ist mit einem schnellen Abschluß zu rechnen. Von bescnderer Wichtigkeit sind die bevorstehenden VerHand. j lungen über di« Regelung des Verkehrs im Ruhrgebiet  , weil ein« allgemein« Arbeitsaufnahme im Bergbau nur durch eine normal« Abfuhr gewährleistet wird. Di« Derhandlungen gestalteten sich sehr schwierig und wurden in voriger Woche, aber lediglich wegen Rückfragen technischer Natur, vertagt. Nachdem nun das Ruhrprovi- forium vorliegt, dem di« rheinisch-westfälische Schwerindustrie am Sonntag in einer Versammlung in Hamm   zugestimmt hat, ist mit einer Wiederaufnahme der Derhandlungen am Mittwoch, den 28. No- vember, zu rechnen. Der Kampf um die Ruhrgewinne. pari», 26. November.  (TU s Die deutsSen Vertreter, die zu den Reparationsverhandlungen hierher gekommen waren, find bis auf den Präsidenten der KiiegSIasienkommisfion. Staatssekretär Fischer, wieder noch Berlin   zurückgereist. Die ReparationSkommiifion hat ihre nächste Sitzung aus morgen, Dienstag, angesetzt und sie wird nunmehr, da das sogenannte.verhör der Deutschen   beendet ist, ihre eigene Unteisuchung der deutschen   ZahlungSsäbigkeit er- öffnen. Ob zu diesem Zwecke ein SachverständigenauSschuß berufen wiid. sieht noch nicht fest. Der morgige Tag wird wohl darüber di« Enischeidung bringen. Inzwischen bahnt sich für die Repa» ralionSkommiiston bereits ein neuer schwerer Konflikt über die ver- rechrning der Ruhrgewinne an._ Franzosen verhaften Deutschvölkische. Dortmund  , 26. November.(Eigener DrabtberiSt.) Franzö» fische Kriminalbeamte au» Düsseldorf   trafen hier ein und verhasteten etwa 2k> Perionen, die der deutsch  » völkischen Bewegung angehören. Unter den Verhafteten befinden sich BergwerkSdirektor Tingelmann- Dorstfeld, Re- gierungSbaurat a. D. Althüser sowie ein Bankbeamter der Dresdener Bank. Die verhafteten wurden ins lranzösische Ge» iängniS gebracht und nach kurzem Aufenthalt nach Düsseldorf   über» geführt. Der 32iShrige SB teuer, der in feiner Wohnung in der Hollestr. verhaltet werden sollte, sprang zwei Stockwerke hoch auf die Straße. Di« Kriminalisten schofien hinter, ibm   her. Obwohl Wreuer am Arm verletzt wurde, gelang eS ihm, sich der Festnahme ,» entziehen.__ Sanktionen zum Soll Gr äff. Pari». 26. November.  (WTB.) Wie der Brüffeiler Bericht- ci stalter desTcmps" meldet, hat ein Vertreter der belgischen �Regierung heut« vormittag in Duisburg   rollendes Eisen- bahnmaterial beschlagnahmt, das zur Ablieferung an : di« deutsch  « Eisenbahnverwaltung bereitstand. Die Maßregel wird damit begründet, daß die deutsch  « Regierung das Ultimatum in �er Angelegenheit des Leutnants Graff nicht be- olot Hab«, in dem-rvn ihr Bezahlung einer Geldbuße von > 215 000 Franken verlangt wird. Das beschlagnahmte Material cll in Höhe dieser Summe liquidiert werden. Eine Million Franken werde die belgisch« Regierung nach der Meldung des. De- ! richterstatte rs dem Roten Kreuz und 215 000 Franken der Familie de» Getöteten zur Verfügung stellen.
lag« entgegengeht und daß di« britische   Labour Party   wieder einen Sieg davontragen soll. Dies« erwarteten Erfolg« würden aber fast bedeutungslos sein bei einem Untergang der deutschen   Sozial- demokrati«. Darum hoscfn die Arbeiter Hollands  , daß di« deutschen  Arbeiter, wiewohl der kommende Winter schrecklich für sie sein wird. erwägen werden, daß die Zukunft der ganzen internationalen Arbeiterbewegung von ihrer Geduld, ihrer Zähigkeit, ihrem Fest- halten an dem Glaubm der Sozialdemokratie abhängt.
Nebeneinkommen der Pensionäre. Anzeigepflicht bis Ende November. Nach der Personalabbauverordnung vom 27. Oktober 1923 ist jeder Versorgungsberechtigte, der nicht im Reichs- oder in einem sonstigen öffentlichen Dienste oerwendet wird und neben seinen sonstigen Versorgungsgebührnissen ein weiteres steuer­bares Einkommen bezieht, bei Verlust seiner Versorgungsbezüge ver» pflichtet, der Dersorgungsbehörde oder Kasse bis Ende November dieses Jahres die Hol)« dieses weiteren Einkommens anzuzeigen. Näheres hierüber ergibt der Aushang in sämtlichen Berliner Post- anstalten, Zahlstellen, Fürsorgestellen, Versorgungsämtern und im Hauptversorgungsamt Berlin  .
Internationale Solidarität. Amerikanische   Hilfe für die deutschen   Gewerkschaften. Rem Port. 26. November, swlv.) ver amerikanische Ge- werkschaslsbund beschloß, seine drei MIlllonen Mitglieder zu vel- trägen für dle Lildung eine» Unter st ühung»sond- für die verarmten deutschen   Gewertschafte« aufzu­fordern. die nach der Auffassung der amerikanischen   Gewerkschaftler da, einzig« Vollwerk Deutschland» gegen Volschewismu» und Monarch>»mu» seien, ver Betrag de» zu bildenden hilwfond» wird nicht genannt.(Et heißt jedoch, daß e» sich um«ine be- deutende Summe handle._ Kronprinzenrückkehr und tveltmeinung. Eine Stimme ans Holland  . Man schreibt un» aus Holland  : Die Rückkehr des Exkronprinzen von der Insel Winringen   nach Deutschland  (man kann wohl von einer Flucht sprechen, denn sein« Abreise hat sehr heimlich stattgefunden) hat auch di« holländischen Sozialdemokraten beunruhigt. Ersten», weil es möglich war, daß dieser Mann in Deutschland   zugelaffen wurde, zweitens, weil die ! holländische Regicrui� den Verbannten ohne weiteres gehen ließ. Daß es möglich war, den Exkronprinzen zurückkommen zu lasten in einer Zeit, in der gerade der Münchener Putsch vorgefallen war, wird vielfach hier als«in Zeichen für die baldig« Wieder- Herstellung der Monarchie in Deutschland   betrachtet. An. dcrnteils wird es für möglich gehalten, daß die republikanische Treue den großen Angriff aus die Republik   durch einen allgemeinen Streik und durch«inen bewaffneten Widerstand der Arbeiter ab- schlagen wird. Jedenfalls rechnet die holländische Sozialdemo. krati« darauf, daß der deutsche Arbeiter nicht verzagen wird, weil die deutsche Republik ein Symbol vom stegreichen Aufmarsch der ganzen internationalen Arbeiterklasse bedeutet. Weiter ist sie überzeugt, daß auch, wenn der Monarchismus oder der Faschismus die Ueberhand gewinnen würden, dieser Erfolg doch nur von kurzer Dauer sein wird, nur«ine E p t s o d e im Kampf der deutschen   Arbeiterbewegung gegen die Reaktion oder bester für den Sozialismus. Der Aufruf zur Hilf« der Sozialistischen Arbeiterinter- nationale wird in Holland   verstanden. Di» Hoffnung ist groß, daß dernationaleBlock in Frankreich   im Jahr« 1924 einer Nieder»
Wirtschaft Haugewerbe und Geldentwertung. Der.verband sozialer Baubetrieb«', erkannt als Vorkämpfer für gemeinnützige Bautätigkeit, veröffentlicht soeben den Bericht über sein drittes, am 30. Juni 1923 abgelaufenes Geschäfts. jähr. Einleitend befaßt er sich mit der Lage des Baumarktes und übt dabei heftige Kritik an der bisl)«rigen Wohnungsbaupolitik. In- dem wir uns vorbehalten, auf die Geschäftsergebniste im einzelnen noch zurückzukommen, geben wir diesen interessanten Teil des Be» richtes ausführlich wieder: Dos deutsch  «Baugewerbe hatte von der Markentwertung zunächst insofern einen Vorteil, als viele Privatleute ihr flüssiges Kapital, um es vor der Entwertung zu schützen, in Bauten der ver» schiedensten Art anlegten, oder sich gar durch billige Papiermarkkredite Kapital zum Bauen verschafften um es später in entwertetem Geld« zurückzuzahlen. Auch Reich, Länder und Gemeinden lieben, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und unproduktive Unter- stlltzunyen zu sparen, Bauarbeiten der verschiedensten Art ausführen, so daß während des größten Teils des Berichtsjahres das Baugewerbe leidlich beschäftigt war. Nur di« Wohnungsbau. tätigkeit, die vom volkswirtschaftlichen und sittlichen Standpunkt aus am nötigsten war und b-e größtenteils mit Lffenlichen Geldern finanziert werden mußte, ließ stark zu wünschen übrig und lag zeit- weilig infolge Mangels an Mitteln nahezu still. Auch das war eine Folge der Geldentwertung bzw. des Umstandes, daß sich die Regierungen und Parlamente infolge einer unglaublichen Einsichts- losigkeit und Kurzsichtigkeit, zum Teil auch aus Angst vor den Wählern, nicht zu den infolge der Geldentwertung unbedingt not- wendigen Maßnahmen aufschwingen tonnten. Anstatt die W o h» nungsbauabgab«, aus der der Wohnungsneubau zum guten Teil finanziert werden mußt«, rechtzeitig dem sinkenden Geldwert anzupasien und damit auf der einen Seite größere Mittel für die Finanzierung der Neubautätigkeit zu bekommen, andererseits aber durch die Erhöhung der Mieten den rentierlichrn Bauwert zu steigern und auf dies« W«ise di« Höh« der unrentierlichen Baukostenzuschüsse herabzusenken, trieb man eine Politik, die gleichzeitig zur Herab» senkung der Mieten auf ein Butterbrot und zu einer maßlosen Steigerung der unrentierlichen Baukosten führen mußt«. Auf diese Weise wurde der gemeinnützig« Wohnungs» neubau förmlich erdrosselt und der Weg zur Wiedereinführung der freien Wirtschaft im Wohnungswesen freigemacht. Schon im August 1922 waren infolge der fortschreitenden Geld- «ntwertimg und der damit verbundenen Steigenmg der Löhn« und Baustoffpreise di« für das Baujahr 1923 zur Verfügung- stehenden M! t t e l e r s ch ö p f t. In der Hoffnung, daß der Reichstag   ein« ausreichende Erböhung der Wohnungsbauabgab« beschließen werde, stellte damals d!« Reichsregierung auf Verlangen des Wohnungs- ausfchusies den Ländern Kredit« zur Verfügung, die zur Vollen. dung der halb- und dreiv!ert«lf«rt!gen Wohnungsbauten und gleich­zeitig zur Verhinderung größerer' Arbeitslosigkeit im Baugewerbe dienen sollten. Das ist später noch mehrmals geschehen. Der Reichs- tag konnte sich aber nicht dazu aufschwingen, für diese Kredit« Deckung zu sämffen, geschweige denn die Wohnungsbauabgabe so zu erhöhen, daß damit ein ausreiihendes Wohnungsbauprogramm finanziert werden konnte. Man wollt« angeblich die Mieter schützen, legte aber in Wahrheit durch ein szdam Eemeinwirtschaftsgedanken hohnsprechendes Verhalten Sprengkörper an die Wurzeln des Mieterschutzes. Di« Folgen werden sich bald in einer Weis« zeigen, daß den Mietern und ihren angeblichen Schützern die Augen übergehen. Mit aller Kraft hat der Verband sozialer Baubetriebe zusammen mit den Gewerkschaften für di« Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Beschaffung produktiver Arbeit im Baugewerbe und damit für den Wiederausbau der deutschen   Volkswirtschaft ge- wirkt. In zahlreichen Eingaben an die Regierungen und die Be- Hörden des Reiches und der Lönder wurde von ihm und seinen Be- zirksverbönden der Standpunkt vertreten, daß es ein Verbrechen am deutschen   Volk« wäre, wenn in einer Zeit der größten Not nicht all« Dolkskräfte restlos z u produktiver Arbeit aus- genutzt würden, und daß die Finanzierung nützlieber Arbeit durch die öffentlichen, Körperslhafton der Zahlung unproduktiver Unter- stützungen vor'uziehen sei. Hatte der Verband sozialer Baubetrieb« immerhin die Genugtuuna, daß von de» öffentlichen Gewalten diesem Standpunkt bis um die Mitte des Jahres 1923 wenigstens teilweife Rechnung getragen wurde, so scheiterten all« feine Bemühungen um die Durchführung einer gesunden, nacki gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten gerichteten Wohnungs- und Baupolitik an der Ver» stärrdnislosigkeii der politischen Barksen. Ein Oellrufl von Siinne» ist in der Bildung begriffen. Zu der gleichen Zeit, wo man das Reich mit gewaltigen Krediten in Anspruch nahm, weil es zur Aufrechterhaltunp der Produktion angeblich an Kapital fehlte, hat man die Vorarbeiten dazu geleistet. Als man die Stillegung des Ruhrgebietes für unvermeidlich er- klärte, angeblich ebenfalls wegen Kapitalmangels, glaubte sogar ein dänisches Blatt melden zu können, Stmnes sei im Begriff,..sein« Fabriken in Europa   zu opfern, um die Petroleumqucllen in Argen  » tinien, Texas  , China   und Mesopotamien   zu erwerben'. Nun, ganz so schlimm ist es nicht geworden. Stinnes wird seine«uro- oäischen Unternehmungen noch gebrauchen. Slber er hat es immer« hin fertigbekommen, in New Port, wo man sich den Kopf zerbricht, wie man Deutschland   mit Kradit helfen soll, eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 20 Millionen Dollar zu gründen, die sich di«Erfassung von Nohpetroleum auf der ganzen Welt zum Ziel« setzt"/ Schon vorher gingen Meldungen durch die Presie, wonach Stinnes über Sinclair-Gesellschaft mit der Standard Oll Compagnie Liescrungsvertrüge über Petroleum   abgeschlossen und sich mit dieser Gesellschaft über die Ausbeutung großer Petroleumgebiete geeinigt habe. Stinnes hat sich Petroleum   in Texas  , Mexiko  , Rußland   und Angola  (in Westvfrila) gesichert. So­weit die Meldungen, di« durchweg ans bürgerlicher Quelle kom» inen. Man sieht, das deutsch  « Volk hungert nicht nur bei vollen Scheunen, sondern auch bei prall gefüllten De  » v i s e n s ch r ä n t« n, die für die Lebensmitteklnfuhr nicht in Be­tracht kommen. DI« glücklichen Besitzer sind ja Leute, die nicht hungern und die nur ein bißchen Diktator spielen wollen, weil sie noch nicht genug Geld und Macht haben.