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stehenden Presse zu rechnen, weil eine ganze Anzahl von konservativen Blättern die Wahlparole Baldmins:Wieder- einführung der Schutzzölle", bedauert oder gar bekämpft. In einem erweisen sich allerdings alle bürgerlichen Blätter, gleichviel welcher Richtung, als unbedingt zuverlässig: in der Bekämpfung der Arbeiterpartei. Gewiß, die Form und die Heftigkeit dieser Bekämpfung ist verschieden, aber, abgesehen von dem linken Flügel der Liberalen, der lieber eine Koalition mit der Arbeiterpartei als mit den Kon- servativen eingehen würde, ist die Angst des Gesamtbürger- tums vor einer Machtergreifung durch die Arbeiterpartei un- geheuer. Sie ist um so größer, als die Weiterentwicklung der Arbeiterpartei seit den letzten Wahlen im Sinne des kontinen- talen Sozialismus unverkennbar ist. Sie hat die Parole des capital lery" ausgegeben, einer Kapitalabgabe, ähnlich im Prinzip dem deutschen Rdchsnotopfer, jedoch von ganz gigantischem Ausmaße: denn es handelt sich nach ihrem Plan darum, die schwebende Schuld des britischen Reiches mit einem Schlage um 3000 4000 Millionen Pfund(60 80 Mil­liarden Goldmark) zu reduzieren. Gegen diese Absicht wehren sich nun die Geldmächte des englischen Kapitalismus mit allen Mitteln und stellen die Presse in den Dienst dieses Abwehr- kampfes rücksichtslos ein. Ob sie. nun das Fehlen einer Ar- beiterpresie dahin ausnützen, um den Wahlkampf der Labour Party möglichst totzuschweigen oder um die Partei und ihre Führer in der gemeinsten Weise zu v e r u n- g l i m p f e n, das sind nur verschiedene Formen eines ge- meinfamen Kampfes zur Erreichung des gleichen Zieles, der Verhinderung einer sozialistischen Mehr- h e i t. Nur zwei Beispiele unter Hunderten: Das an sich durch- aus vornehme liberale. BlattDaily News" Halle einen Sonderberichterstatter mit R a m f a y M a c D o n a l d ge- schickt, als dieser sein erstes größeres Propagandatournee"in der vorigen Woche unternahm. Diese Reise gestaltete sich zu einem ungeheuren Triumph. Der Grad der Begeisterung, die Zahl der zusammenströmenden Menschenmassen übertraf die kühnsten Erwartungen. Aber dieDaily News", die täg- . lich ganze Spalten über jedes Auftreten von Lloyd George bringen und mit aufgebauschten Schilderungen von enthusi- astischen Szenen eine entsprechende Atmosphäre zugunsten der Liberalen erzeugen wollen, unterdrückten einfach die Berichte ihres Korrespondenten! Die Blätter des Lord Rothermere , die ehemaligen Northcliffe -Blätter, die allerdings nicht den Ruf der Vor- nehmheit genießen und, wie es scheint, auch wenig Wert darauf legen, gejjen gegen die Arbeiterpartei mjt ganz ande- ren Mitteln vor. Sie betreiben eine wahre S o z i a l i st e n- Hetze, die sogar einen Kohr und einen Westarp vor Neid zerplatzen ließe. Dabei spielt die Zugehörigkeit der Labour Party zur Internationale genau die gleiche Rolle wie bei unserenMarxisten"-Fressern. Allein mit dem Unter- schied, daß die deutschen Sozialdemokraten alsFranzosen- knechte", während die englischen Sozialisten alsdeutsche Agenten" bezeichnet werden. So konnte'man imDaily Mail" vom 30. November in einem Leitartikel unter der Ueberschrift Die deutschen Gebieter der Labour Party " das Folgende lesen: Der Plan einer Kapitalabgabe ist nur verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die briiische Labour Party , wie sie 'sich unverständlicherweise selbst nennt, nicht im geringsten britisch ist. Sie hat keinerlei Anrecht auf diesen Namen. Durch ihre " würdelose Unterwerfung unter die Herrschaft/ der Autoritüt- der Sozialistischen Arbeiterinllrnationale in Hamburg im Mai d. I. ist sie lediglich zu einem Anhängsck der bolschewistischen und kam- munistischen(!) Organisation auf dem Kontinent geworden.(Wohl- gemerkt, die WorteSozialistische Arbeiterinternationale" stehen deutsch im englischen Text, in diesem und in Hunderten von ähn- lichen Hetzartikeln des Rothermereschen Pressekonzerns.) Sie kann nicht selbständig handeln oder denken, sondern sie Ist gezwungen, den Befehlen eines deutschen oder russischen Geheimkomilees zu gehorchen und. kraft eines dieser Befehle, muß sie für den Freihandel kämpfen

Der Dimetallist. Wenn man all die sachverständigen Gespräche über Marxismus von Leuten hört, die nicht einmal in einem Taschenwörterbuch nach- gesehen haben, was sich denn eigentlich hinter diesem schrecklichen Worte verbirgt,.so fällt einem eine wunderhübsche klein« Anekdote «m, die Ludwig Frank erzählt hat. Es war während eines Wahlkampses. Unser« Genossen über- legten, wie sie in einer kleinen Stadt im agrarischsten Preußen eine konservative Wählerversammlung auf das possierlichste auffliegen lasten könnten. Ein teuflischer Plan reifte heran. Es kam der Abend der Versammlung, und an die dreihundert bis vierhundert Bauern saßen behäbig pfcifequalmend in dem verräucherten Wirts- Haussaale. Redner des Abends war ein etwas steifleinener älterer Politiker aus der Provinzialhauptstadt, von dem man nur wußte, daß er einmal ein Büchlein über Währungsfragen, Bimetallismus und ähnliches geschrieben hatte. Der Redner war pünktlich erschienen und begann die übliche Wahlrede. Nach 10 Minuten erscholl von der Galerie her in vorwurfsvoll anklagendem Tone der Zwischenruf: Bimetallistl" Es gab einige Unruhe, an einigen Tischen steckten die Bauern die Köpfe zusammen, der Redner stockte, wollte etwas sagen, ließ es dann aber lieber, schielte über sein« Brille hinweg sehr ärgerlich nach der Galerie und begann weiter zu sprechen. Nach drei Minuten neuer Zwischenruf, diesmal aus der linken Saalecke, sehr laut und dröhnend:Bimetallistl" Darauf erhebliches Geschrei: Ruhe! Ruhel" Darauf wieder Köpfezusammenstecken an einer ganzen Reihe von Tischen, Flüstern und mißtrauisches Schielen nach dem Redner. Dieser, etwas nervös geworden, nahm die Brille ab, putzte sie, schluckte«in paarmal herunter, fuhr dann aber Programm- mäßig in seiner Rede fort. Der Saal war aber jetzt nicht mehr so ruhig wie vorher, es wurde getuschelt und geraunt. Nach weiteren drei Minuten erscholl es von zwei Saalseiten her ziemlich gleich- zeitig in schaung-dumpfem Tone, unerhört anklagend klingend: Bimetallist!" Jetzt wurde es lebhast. In einer Ecke schlug ein Bauer brüllend auf den Tisch und verlangte, daß der Redner erkläre, ob er Bimetallist sei oder nicht: das sei doch gewiß so etwas wie ein Bigamist oder gar noch Schlimmeves. Ein halbes Dutzend stimmte ihm aufgeregt zu. Der Redner putzte aufgeregt die Brille. Der Vorsitzende, ein schnei- diger Rittergutsbesitzer, stellte mit Stentorstimme muhevoll die Ruh: wieder her, indem er den Redner ersuchte, zur allgemeinen Aus- klärung schnell zu sogen, ob er Bimetallist fei oder nicht. Stürmische Zustimmung im ganzen Saale und vielfaches Geschrei:Ja, das soll er!" Der Redner schwitzt« stark. Er begann zunächst etwas stotternd und zaghaft:Bimetallismus, meine Herren, oder Doppelwährung ist«in Währungssystem, mittels dessen Gold und Silber als gesetz- liche Zahlungsmittel und bei einem soften Wertverhältnis von Gold- und Silbergeld derart in Umlauf erhalten werden sollen, daß der Nennwert beider Münzgattungen., ,"

. h. für freie deutsche Einfuhr»ach Großbritannien ) und r freie Zulassung fremder Einwanderer in England(um dem britischen Arberter Schmutzkonkurrenz zu bieten). Es ist nur natürlich, daß die Bolschewik! Deutschlands und Ruß- lands Großbritannien zu ruinieren trachten als Rache für Deutschlands Niederlage. Die Kapitalabgabe ist ihre Idee. Sie haben bereitwillige Werkzeuge in der Masse der Anhänger der Labour Party gefunden." Und in solchem Tone geht es noch eine ganze Weile weiter. Am nächsten Tage veröffentlichte dieEvening News"(vom gleichen Rothermere -Konzern) einen ganz ähnlichen Erguß, vielleicht den zehnten dieser Art seit vierzehn Tagen. Und das wird in Millionen von Exemplaren gedruckt, von Millionen von Wählern gelesen! Genosse W e l s, der deutsche Bertreter in der Exekutive der SAI., wird wohl nicht wenig überrascht sein, wenn er erfährt, daß e r es war, der im Per- ein mit demzum Bolschewismus bekehrten" russischen Ge- nassen Abromowitsch den Engländern den Befehl ge- geben hat, die Kapitalabgabe zu ihrer Wahlparole zu machen! Oder hat nicht vielleicht auch Rädel als Vertreter der russi- schen Kommunisten an diesen Beratungen� desGeheim- komitees" teilgenommen, in dem Mac Donald feine Wahl- kampfbefehle demütig in Empfang nahm?...

Knilling stellt neue Zorüerungen. Die Aussprache im Ausschuft des Bayerische « Landtags. Der bayerische Ministerpräsident K n i l l i n g hielt am Mittwoch seine lange angesagte Rede im Ständigen Aus- schuß des Bayerischen Landtags . Aus der vertraulichen Rede hinter verschlossenen Türen ist eine öffentliche geworden. Aus der Auseinandersetzung mit Kahr eine Auseinander- fctzung mit dem Reich.Das Reich und die Weimarer Verfassung sind an allem schuld" war der Sinn, des ersten Teils seiner Ausführungen, der sich ebenso breit wie einseitig mit einer Darlegung der Krise zwischen Bayern und dem Reich seit dem September dieses Jahres befaßte Bayern ist nicht bereit, auch nur um ein Jota nachzu- geben. Knilling erwartet, daß der Fall Lossow in nächster Zeit zugunsten Bayerns entschieden wird. Er erwartet, daß die Rekhsreaienmg Ja und Amen sagt, wenn die gegen die Führer des Hitl«l-Ludendorff-Putsckes anhängigen Sirafver- fahren vor den bayersschen Gerichten durchgeführt werden. Eine Auslieferung an den Staatsgsrichtshof ist für Bayern nicht erörterungsfähig. Aber mehr noch. Knilling rückt mit neuen Forderungen heraus, Unser Heil, so schloß der Ministerpräsident, liegt nur auf na- tionalem Boden und in einem auf föderalistischer Grundlage aufgebauten Deutschen Reiche. Die bayerische Regierung sieht es als ihre dringendste Aufgabe an. au die neue RÄchsregierunz als- bald mit ihren Forderungen wegen eines verfassungsrechlsichen Aus- baues des Reiches auf der bewährten Grundlage des Vlsmarckschen Vundesslaales herouzukreken. Ein« sofortige Aufhebung des bayerischen Ausnahmezustandes kann bei der gegen- wörtigen Sachlage nicht verantwortet werden. Auch in Bayern muß unverzüglich Zu durchgreifenden Maßnahmen geschritten wer- den, namentlich auf dem Gebiete der Abbauverordnung des Reiches, der Einschränkung der Staats- und Verwaltungsausgaben, der so- fortigen Vermehrung der. Staatseinnahmen,, der Steuern, und der sonstigen Abgaben. Ein entschiedenes Durchgreifen in allen diesen Richtungen ist nur dann möglich, wenn die /Regierung zu diesem Zweck im Weg« eines Er m ä ch t i g u n g s g e f e tz« s'mit. weit­gehenden außerordentlichen Vollmachten ausgestattet wird."...: Die Erklärung Knillings kann nur als Antwort auf die Antrittsrede des neuen Reichskanzlers Marx aufgefaßt werden. Marx hatte gesagt, er wünsche den Konflikt mit Bayern auf dem Wege freundschaftlicher Verhandlungen zu beseitigen. Knilling wünscht keine Verhandlungen. Er stellt seine Forderungen und damit basta. Das Reich hat diese

Weiter kam er nicht. Brüllendes Gelächter im ganzen Saaü unterbrach ihn. Laute Rufe von rechts und links und von te? Galerie:Das könnte ihm passen! So möchte er sich ausreden! So«in B irret allist, so was will für den Reichstag kandidieren! Unerhört! Skandal! Schluß! Schluß!" Der weitere Verlauf der Versammlung ist bald erzählt: sie löste sich in allgemein« Prügelei und unier dem huriigen Eingreifen des besorgten Wirtes auf. Der Redner ist nie. dazu gekommen, die Bevölkerung des Städtchens über den Bimetallismus und feine Stellung zu ihm aufzuklären. So wird man denn dort noch heute wohl von ihm als von einem Dunkelmann« sprechen, den man er- freulicherweise noch rechtzeitig entlarvt habe. So erzählte der prächtige Ludwig Frank . Dieses Geschichtchen jetzt wieder zu bringen, ist keineswegs unzeitgemäß. Es ist zu hoffen, daß es auch ein paar von den Leutchen lesen, für die der Marxismus ebenso wie für jene Bauern, der Bimetallismus eine Art Schinderhannes ist.__ H. G r.

Die üeutsche ZichorieknSustrie. In der setzigen Zeit, wo der billigste Bohnenkaffee 900 Mil» liarden das Viertelpfund kostet, wird es angebracht sein, in Kürze ein Bild der deutschen Zichorienindustrie zu geben, die, wie alle anderen Kaffee-Ersatz und Zusatzindustrien, gerade jetzt von beson- derer Bedeutung ist. Die Zentrale der deutschen Zichorienindustrie ist Magdeburg , das überhaupt zu den wichtigsten Plätzen der beut- schen Nahrung?- und Genußmittelindustrie gehört und neben Zi- chorien noch gewaltige Mengen von Mühlenprodukien, Rübenzucker, Malzkaffee, Keks, Kunsthonig, Margarine, Sauerkohl, Marmeladen, Gemüsekonserven und Präserven auf den deutschen Markt wirkt. Allen Deutschen , die in ihrem Daterlande einigermaßen Bescheid wissen, wohlbekannt ist die ungemein fruchtbar« Magdeburger Börde , «in Zuckerrübenland ersten Ranges. Hier wird, meist als Vorkultur für die Zuckerrübe, die Zichorie angebaut, jene sparrig verzweigte, krautartige Pflanze mit leuchtend blauen Blüten und tiefgehenden fleischigen Wurzeln, die in ganz Deutschland wild wächst und hier, bei systematischer, jahrhundertalter Kultur besonders gut entwickelte Wurzeln aufweist, die zuerst gedarrt und dann gebrannt werden. In Magdeburg bestehen für beide Behandlungen Großbetriebe. Der ertragreichste Same ist der sogenannte Magdeburger Spitzkopf. Zu- erst wurde die Zichorie im Braunschweigischen angebaut, nachdem ein Hofgärtner in Arnstadt in Thüringen herausgefunden hatte, daß man aus ihrer Wurzel Kaffee-Ersatz brennen kann. Aus dem Braun. schweigifchen kam die Kultur der Zichorie in die Börde , wo sie schon im 18. Jahrhundert zu den Ansängen der berühmten Magdeburger Zichorienindustrie führte. Die deutsche Zichorienanbaufläch« betrug 1913 9048 Hektar: davon entfielen rund zwei Drittel(0912 Hektar) allein auf die Provinz Sachsen , in dieser wiederum der Hauptantell auf die Börde . Reben Magdeburg weisen Breslau , ferner Berlin und Lud- wigsburg in Württemberg eine namhafte Zichorienindustrie auf. Dos württembergische Anbaugebiet umfaßte 1913 1Ü77 Hektar, das ba- difche im gleichen Jahre 1049 Hektar, wobei zu bemerken ist, daß

Forderungen zu schlucken und mag es darüber zugrunde gehen. Mit der Rede Knillings tritt die bayerische Frage in ein n e u e s S t a d i u m. Die Erledigung der bisherigen Streit- fragen nimmt Ministerpräsident Knilling kurzer Hand vor- weg. In den Vordergrund rückt er eine neue Frage: Auf- heb u.ng der Weimarer Verfassung und Rück- kehr zur Reichsverfassung vom Jahre 1871. Das ist aber keine einseitige Angelegenheit zwischen Bayern und der Reichsregierung. Die Entscheidung liegt beim Reichs- tag und den Ländern. Der Reichstag, von dem gerade die Kreise des Herrn v. Knilling behaupten, daß er in seiner jetzi- gen Zusammensetzung nicht mehr dem Willen des Volkes ent- spreche, steht vor Neuwahlen und wird sich mit einer so ein- schneidenden Frage nicht noch befassen können. Die For- derung Knillings an den Reichskanzler Marx ist also lediglich dazu angetan, neue Verwirrung zu stiften. Sie ist eine sehr bezeichnende Antwort auf die sanfte Taktik des Herrn Strcsemann und die sanften Worte des Herrn Marx. O An die Ausführungen des Ministerpräsidenten schloß sich sofort die politische Aussprache, die gegen den Willen Knillings ebenfalls für öffentlich erklärt wurde. Außer einem kommunistischen Redner sprachen drei Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion. Genosse Timm bemerkt«, Bayern habe noch niemals«ine so jämmerliche und unfähige Regierung gehabt wie heute, die einen Herrn v. Kahr als Regenschirm benutzen könne. In dem Konflikt mit dem Reich im Fall Lossow trage allein die bayerische Regierung die Schuld. Tos Weiterbestehen des Ausnahmezustandes sei vollkommen ungerechtfertigt: aber wenn schon ein einziger im Staat regiere, dann sei auch das Fcriwursteln der acht Minister vollständig überflüssig. Genosse Endres stellt das theoretische Verbot der Hitler-Berbände der tatsächlich geübten Praxis gegenüber. Die R a t i o n a l s o z i a. listen arbeiten im stillen unentwegt weiter und es bestände bei ihnen ganz zweifellos die Absicht, noch einmal einen Schlag zu führen. In Nürnberg z. B. veranstalten heute schon wieder unter Mitwirkung der Kartelle der Landespolizei die Nationalsozialisten vaterländische Abende. Wenn die Sozialdemokratie zu der baye- rische» Justiz kein Vertrauen hob«, so könne man ihr das nicht ver- Übeln in Anbetracht der Tatsache, daß zwei Beamte des Ober. sten Bayerischen Gerichtshofs aktiv am H i t l er- Putsch beteiligt waren. Die bayerische Regierung habe seit Ja- nuar dieses Jahres jede Autorität ocgenüber der nationalsoziali- stischen Bewegung verloren; sie habe diese Bewegung nicht nur ge- duldet, sondern gefördert und großgezogen und sie sei deshalb nicht zuletzt die intellektuell« Urheberin der Vorgänge vom 8. November und trage die Schuld an dem vergossenen Blut. Genosse Dill be- zeichnet die Ausführungen Knillings, die unsagbar kläglich und jämmerlich gewesen seien, als die Rede eines Ignoranten und nicht eines verantwortlichen Ministers.(Ordnungsruf.) Jahre. lang sei die Sozialdemokratie gequält, Arbeiter seien erschossen, fürchterliche Gerichtsurteile gefällt worden: jetzt aber soll der Marxis» mus an den bayerischen Zuständen schuld sein. Wie jetzt in Bayern regiert wird, sei ein Skandal, und wenn nicht bald die Konse- quenzen gezogen würden, so trieben die Ding« zu einem neuen Putsch, weil den Elementen vom 8. November wieder alle Be- tätigungsmöglichteiten gegeben feien. Die Aussprache wird am Donnerstag fortgesetzt._ DleZeil" bringt«inen tendenziös zugespitzten Artikel über Gärung m der Sozialdemokratie. Der Bericht behauptet u. a., auf einem Parteitag in Köln hätten sich Spaltungserscheinungen und. lebhaft« Oppösition gegen die Fraktionspolitit gezeigt, was be- merkenswert sei. In Wahrheit hat vor kurzem eine stärk besuchte Sitzung der Parteifunktionäre Kölns sich ausnahmslos einmütig für den Standpunkt des Kölner Abgeordneten Genossen Sosl- mann erklärt, dessen Stellung in der Partei hinreichend bekannt ist. Von Spaltungserscheinungcn, besonders in Köln noch sonstwo im Rheinland , ist nirgends etwas zu merken. Zum Vorsitzenden des amerikanischen Bepräsenkanlen Hauses ist Gillet wiedergewählt worden. Die Botschaft des Präsidenten Coolidge wird am 0. Dezember verkündet werden.

die früher in Baden so zahlreichen Zichorienfabriten bis auf«ine (1922) eingegangen find. Vor dem Kriege war der Zichorienanbou stetig zurückgegangen, weil der Kaffee immer wohlfeiler wurde. Während des Weltkrieges wurde das anders: der Kaffee blieb fast ganz aus, und die Zusatz- bzw. Crsatzindustrie blühte mächtig auf. Nach 1918 kam eine kurze Rückentwicklung. die aber neuerdings in- folge der Valuta schon wieder vorüber ist. Sehr wahrscheinlich wird der Zichorienanbau noch auf lange hinaus sehr rentierend sein. _ W. P. Maurice Varres gestorben. Der Dichter Maurice Barres. der Präsident der französischen Patriotenliga, der nationalistische Literat und unermüdliche Revoncheagitator, ist im 02. Lebensjah.e, wie ein Telegramm aus Paris meldet, gestorben. Er war in Charmes an der Mosel geboren und tat sich auf seine lothringische Abstammung viel zugute. Zunächst ein Verehrer Richard Waoners, wi-e der deutschen Literatur überhaupt, begann er seine pol-tische Laufbahn alsEdsl anarchist". Wie so viel« der jungen literarischen Schicke Frank- ceichs, bekehrte er sich End« des 19. Jahrhunderts zum Raftonalis» mus, ohne freilich, wie die meisten anderen seiner Gesinnung?- genossen, damit auch in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche und der mit dieser im Bunde stehenden Monarchie zurückzukehren. Diesen Schritt machte er erst zwei Jahrzehnte später, obne jedoch ausgesprochener Klerikaler oder Royalist zu werden. Wenn auch seine literarischen Produktionen durchaus beeinflußt wurden von seinen wechselnden polnischen Anschauungen, so muß man doch unterscheiden zwischen dem Literaten und dem Politiker Barres . Der Poliftker Barres war und blieb bis an sein Lebensend« ein Dilettant, während der Schriftsteller über eine beachtenswerte Meisterschaft in der Aneinandevreihung von Situationen und Stim- mungen verfügte. Sein Talent war jedoch ein auf den Roman be- grenzte? und wurde durch seine politischen Vorurteile noch weiter beeinträchtigt. Was eine englische Wahl kostet. Di« englischen Wahlen, die augenb'icklich wieder mit größtem Eifer von der ganzen politischen Welt Großbritanniens betrieben werd-?n, verschlingen sehr große Summen. Wie eine Londoner Zeitschrist ausrechnet, kostet ein« solche Wahl das Land mindestens 3 0 Millionen G o l d m a r k. In diesem Jahre bewerben sich 1200 Wahlkandidaten um die 013 Sitze, und da es jedem Kandidaten gesetzlich aestaOet ist, die Summe von 5 Pence für einen Wähler in einer Kleinstadt und in einer Großstadt 7 Pence für den Wähler auszugeben, so gehen schon durch diese Summen, die so gering angesetzt sind, da sie voll ausgenutzt werden, etwa 700000 Pfund Sterling drauk. Di« übrinbleibendeir 800 000 Pfund Sterling werden durch die Gehälter der Mitarbeiter der Kandidaten und die Unterstützung der Wahlbureaus verschlungen. Jeder Kandidat muh über die Ausgaben, die er und seine Helfers- Helfer machen, genaue Rechenschaft geben, damit er nicht sich geaen das Bestechungsgesetz vergeht. Wenn seine Wahlagenten nicht geschickt genug sind, die Summen, die sie für die Bearbeitung der Wähler oerwenden, in den gesetzlichen Grenzen zu halten, dann kann es dem Kandidaten sehr schlecht ergehen. Schon in ve�lchiedenen Fällen sind Abgeordneis. die glücklich gewählt waren, ihrer Sitz« für verlustig erklärt worden, weil herauskam, daß sie bei der Wahl zu große Summen ausgegeben hatten. Das meiste Geld der Auf-