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von Schwindlern, Raubthieren, Cholera« bazillen, Gesindel und Parasiten geredet werden darf, ohne daß vom Präsidium dagegen ein­geschritten wird? Wir sind neugierig, od, wenn etwa bei Gelegenheit neuer Liebesgaben-Anträge von den Junkern und Agrariern als von Parasiten und Raubthieren geredet werden soll, dann dies auch so unbehindert geschehen kann, wie diese Liebkosungen heute unseren jüdischen Mitbürgern an den Kopf geworfen wurden. Sind die Juden im deutschen Reichstage vogelfrei, dann gut; aber so lange sie noch Bürger des Reiches sind und die Emanzipationsakte noch nicht aufgehoben ist, sollten Vorgänge, wie sie heute im Parlamente sich abspielten, nicht geduldet werden, wenn man wirklich den Ton heben und ihn nicht auf das Niveau des Fi' h.narktes herabdrücken will. Die sozialdemokratische Fraktion, die prinzipiell das Recht der Minoritäten und die absolute Redefreiheit ver- tritt, stimmte sowohl gegen den Uebergang zur Tages- ordnung, wie gegen den Schluß der Debatte. Sachlich ist bei der Debatte über die Anträge auf Ausschluß der Judeneinwanderung, wozu auch die National- liberalen durch den Antrag Hasse ihr Scherflein beitrugen, natürlich nichts herausgekommen. Ueber den antisemitischen Antrag ging der Reichstag zur Tagesordnung über; der konservative Antrag Hammerstein-Manteufsel wurde aber in namentlicher Abstimmung bei 213 anwesenden Abgeordneten niit 167 Nein gegen 59 Ja abgelehnt. Im Abgeordnetenhaus wurde heute die zweite Be- rathung des Etats der Berg-, Hütten- und Saliucn-Ver- waltung fortgesetzt. Nach Vorbringung verschiedener, für die Arbeiterkreise weniger interessanten Wünsche und Äe- schwerden folgte der Etat der H a n d e l s- und Gewerbe- Verwaltung. Dabei wünschte der Abg. B e u m e r, natürlich nationalliberal, im Unternehmer- Interesse eine Veränderung der Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Walz- und Hammerwerken. Und hierbei entschlüpfte ihm das wunderschöne Wort, daß dieIndustrie" die u g e n d nur darum beschäftigt, damit diese nicht auf der traße liege. Die guteIndustrie"! Dann gab es noch eine kleine Befähigungsnachweis- und Handelsvertrags- Debatte, bei welcher Gelegenheit der Handelsministcr von Ber­lepsch erklärte, daß er es für seine Pflicht als Handelsminister halte, zu einem Bruch der Handels- vertrüge nicht die Hand zu bieten. Daß der Mann heutzutage so etwas zu sagen riskirt! Sind übrigens andere preußische Minister eher dafür zu haben, die agrarischen Forderungen zu erfüllen? Nächste Sitzung ist Donnerstag. Zur Wahl in Eschtvege-Schmalkalden . Angesichts der günstigen Aussichten, ja der fast absoluten Sicher- h e i t für die Sozialdemokraten, bei der Roichstags-Nach- wähl im Kreise Eschwege -Schmalkalden zu siegen, beginnen unsere Gegner bereits, sich gegenseitig in die Haare zu ge- rathen. Bekanntlich findet Stichwahl zwischen unsereni Kandidaten Huhn und dem Antisemiten I s k r a u t statt, und um uns'nun den Sieg möglichst zu erschweren, haben die Nationalliberalen beschlossen, ihrenLiberalismus" fahren zu lassen und in der Stichwahl für den Antisemiten zu stimmen, wogegen sich nun wieder Herr Professor Stengel, der freisinnige Kandidat, wendet, der seinen Wählern den dringenden Rath giebt, geschlossen für den Sozialdemokraten Huhn zu stimmen. Aber gleichviel, ob nun eine Anzahl Freisinniger dieser Aufforderung nach- kommt oder nicht, unsere Genossen werden ihr Bestes thun, auch ohne jede äußere Unterstützung, blos auf die eigene Kraft gestützt, über die vereinten wirklichen und national- liberalen Antisemiten zu siegen. NuS dem ersten weimarischen Wahlkreise wird unS geschrieben: Die durch das Ableben des bisherigen Abgeordnete» für den ersten weimarischen Reichstags- Wahlkreis erforderlich werdende Neuwahl bringt neues Leben in die verschiedenen Parteien. War auch in der unseren niemals ein Stillstand in der agitatorischen Thätigkeit eingetreten, so wird der in Aussicht stehende Wahlkampf doch der ganzen Bewegung neue, kräftigere Anregung geben. Schon jetzt zeigt sich ein frischerer, fröhlicherer Sakramento, " rief der Richter,er steht an Ihrer Seite.. Dieser Herr", meinte ruhig der Kapitän,ist ein Passagier namens Antonio Recalde, der sich in Cuyaba nach Rio de Janeiro eingeschifft und seine Passage in guten englischen Pfunden bezahlt hat.... ich habe keinen Grund, ihn auszuliefern... er hat sich, so lange er an Bord ist, nichts zu schulden kommen lassen.. So zwingen Sie uns, ihn mit Gewalt zu nehmen.." Wollen Sie die Güte haben. Euer Gnaden," sagte da der Brasilianer, indem er sich aus seiner nachlässigen Stellung aufrichtete,sich innerhalb zehn Sekunden von meinem Schiffe zu entfernen... ich fürchte die geladenen Gewehre, die Euer Gnaden führen, sind für die Sicherheit meiner Passagiere nicht vortheilhaft genug." Damit gab er ein Zeichen und zog seine Uhr heraus. Am Top des Dampfers stieg die brasilianische Flagge in die Höhe. So, ich danke Euer Gnaden", sagte er dann, als der Richter zähneknirschend das Zeichen zum Rückzug gab, wenn Sie sich über mich beschweren wollen, können Sie es bei unserer Gesandtschaft thun. Meine Regierung wird Ihre Abfahrt zu verhindern wissen", rief der Richter aus seinem Boote hinauf. In diesem Falle dürfte Ihre Regierung mit unserer BesatzungStruppe, die hart an Ihrem Regierungsgebäude liegt, sich zu verständigen haben.. Adieu, meine Herren.." Empfehlen Sie mich seiner Exzellenz, dem Herrn Präsidenten," rief Jovellanos dem Boot nach,und ich lasse ihm eine gute Verrichtung wünschen. Kommen Sie, Kapitän, ich habe eine gute Flasche Champagner an Bord gebracht, die wir zusammen ausstechen wollen. Eine halbe Stunde später fuhr der Dampfer langsam den Strom hinab und Herr Bantista Gill hatte sammt dem Apotheker diesmal das Nachsehen. Der erstere that sehr erregt und wollte Himmel und Erde in Bewegung setzen. Er lief vergebens zum brasilianischen Gesandten, der achselzuckend sagte, daß er für den Fall keine In- struktionen habe, und daß nach seiner Meinung der Kapitän im Rechte gewesen sei, da keine Auslieferungsverträge existirten. Wenn er aber wolle, so könne er nach Rio berichten; weiter könne er ihm keinen Rath in dieser Angelegenheit geben.(Fortsetzung folgt.) Zug in den Genossen, und freudig begrüßt unsere Partei die ge- botene Gelegenheit, ihre Kraft niit der der Gegner zu messen. Es wird einen heißen Strauß geben, aber unsere Aussichten sind gute und unsere weimarischen Genossen werden ihr möglichstes thun, das alte, klassische Weimar im Reichstage durch einen Sozialdemokraten vertreten zu lassen. Die Frer- sinnigen scheinen nicht viel Vertrauen zu ihrer Sache zu haben. Wenigstens haben sie sich die beste Mühe gegeben, sich mit den Sozialdemokraten über einen Kompromißkandidaten(Dr. Harmening) zu einigen, haben aber natürlich einen Korb be- kommen. Dieses Zlnerbieten der Freisinnigen ist übrigens recht bezeichnend, wenn man sich der Affäre erinnert, die Herr Dr. Harmening vor kaum zwei Jahren im Lager der Frei- sinnigen zu bestehen hatte. Damals wurde der Herr Dr. Harmening vom hiesigen Freisinn unter Führung des Dr. Fränkel in Acht und Bann gethan, weil Harmening nach Meinung seiner hiesigen Parteigenossen schon mehrsozialdemokratisch" war. Heute, wo der Herr Dr. Fränkel nicht mehr am Orte ist, wollen dieselben Herren, welche früher stürmisch den Ausschluß Harmening's verlangten, letzteren aus den Schild erheben. Doch dies nur nebenbei. W i r steuern immer noch denselben alten Kurs". Und wenn links und rechts es tobt und stürmt: wir gehen langsam zwar, aber desto sicherervorwärts". Der Kaiser hat wieder eine Rede gehalten und zwar bei der Rekrulenvereidignng in Wilhelmshaven , wo er ungefähr folgendes äußerte: Ihr seid hierher gekommen, um den Eid der Treue z» leisten. Es war eine alte Sitte unserer Vorfahren und galt als heilige Pflicht, den Eid treu zu erfüllen. Sowie ich als Kaiser und Herrscher mein ganzes Thun und Trachten für das Vater- land hingebe, so habt Ihr die Verpflichtung, Euer ganzes Leben für mich hinzugeben; denn Ihr habt den Schwur als Christen geleistet, und christlich ist zu Euch durch die beiden Diener Gottes gesprochen worden. Ihr erblickt in der Kriegsflagge den Adler, das vornehmste Thier der Welt. Muthig und verjüngt erhebt er sich hoch in die Luft bis unter die Strahlen der Gottessonne, kennt keine Furcht und Ge- fahr.(Ob hier nicht eine Verwechslung mit dem Vogel Phönix vorliegt? Das ist ja schließlich auch einvornehmes Thier". Redaktion desVorwärts".) So muß auch Euer Sinnen und Trachten sein. Ihr kommt jetzt in eine Zeit, wo im Ernst des Dienstes die Anforderungen, welche an Euch gestellt werden. Euch schwer fallen, wo manche Stunde kommen wird, in der Ihr den Aufgaben nicht gewachsen zu sein glaubt. Dann denkt wieder daran, daß Ihr Christen seid. Denkt an Eure Eltern, als die Mutter Euch das Vater- unser gelehrt hat. Im Auslaiide seid Ihr berufen, das Vater- land zu vertreten durch Würdigkeit und gutes Betragen. Unsere Marine ist äußerlich zwar klein, aber was uns stärker macht als andere Marinen, das ist die Disziplin, der unbedingte Ge- horsam gegen die Vorgesetzten. So wird unsere Marine gedeihe» und groß werden in der Friedensarbeit zum Nutzen und Wohle des Vaterlandes und im Kriege, so wir zu Gott hoffen wollen, um den Feind zu vernichten. Seid, wie die alten Brandenburger!" TieWeber"«nd der Umsturz. Die Richtigkeit unserer gestrigen Notiz über dieses Thema wird von einigen Blättern bezweifelt, weil der Präsident eines Ober- Verwaltungsgerichts eigentlich die Pflicht hat, gerade Biibfallenskilildgebungen von oben gegenüber stand- Haft zu bleiben und die Unabhängigkeit des Gerichts aufrecht zu erhalten. Das ist sehr schön gesagt und sicherlich auch richtig, aber es geschieht eben nicht immer, wie Figura zeigt. Tie Richtigkeit unserer Mittheilung wird übrigens auch durch dasVolk" bestätigt, ein dem Abg. Stöcker nahe- stehendes Blatt, welcher Herr Stöcker wieder mit dem designirten Nachfolger des bisherigen Präsidenten des Ober- Verwaltungsgerichts, Herrn Grafen Bernstorff, intime Beziehungen unterhält. DasVolk" schreibt zu unserer Nachricht: TerVorwärts" theilt mit, daß der Präsident des Ober- Verwaltungsgerichts Persius seinen Abschied eingereicht habe. Er bringt dies mit der Genehmigung der Aufführung derWeber" in Zusammenhang und erzählt, daß sowohl Herr v. Kölker wie der Kaiser selbst ihr Mißfallen darüber zu erkennen gegeben hätten. Uns war diese Nachricht schon vor einigen Tagen aus Kreisen des Ober- Verwaltungsgerichts zu- gegangen, ohne daß wir uns zur Veröffentlichung für befugt hielten. Jedenfalls können wir bestätigen, daß das Eni- lassungsgesuch aus die Genehmigung derWeber" und die Miß- billiguiig dieser Genehmigung durch den Kaiser zurückzuführen ist. Na also!- Tlzcnkcv. Lessingtlieater. Das Examen. Lustspiel in fünf Akten von Heinrich Lee. Nunmehr hat auch die deutsche Literatur es glücklich zu einer Madame Sans-Göns gebracht. Zwar ist sie nicht ganz so niederen Ursprungs und steigt nicht ganz so hoch, wie ihr französisches Vorbild, aber dafür hat ihr großer Gönner auch, nicht nur wie Napoleon , irdische Potentaten vom Thron gestürzt, sondern keinen geringeren als den alten Herrgott im Himmelzerschmettert". Denn es ist Immanuel Kant , den der neue deutsche Sardou in Hausbackenheit und mit dutzenden spaßigen Anekdoten illuslrirt, auf die Bühne bringt. Man sieht durch fünf ausgedehnte Akte hindurch wie Kant der possirlich pünkl- liche Manu ist, nach dem, um mit Heine zu reden, die Leute auf dem Marktplatz in Königsberg ihre Uhr stellen, man erfährt, welche Hausmannskost er gern ißt, und daß er nur denken kann, wenn die Temperatur in seinem Zimmer Winter und Sommer hindurch auf eine Wärme von 19 Grad Reaumur regulirt ist; man hört auch, wie er sich mit seinem Diener über daS Parallelogramm der Kräfte unterhält. Ueber die Genauigkeit des großen Mannes in Geldangelegen- heilen, und wenn es sich auch nur um einen Thaler handelt, hat das Publikum gleichfalls Gelegenheit, sich zu amüsireu, und ferner darf es in Verwunderung gerathcn über seine Rechtschaffenheit und Unbestechlichkeit, vor der selbst der Johannistrieb in ihm sich beschämt zurückbäumen muß. Ja, Kant wird, und das zieht am meisten, von Mademoiselle Sans- G>-ne, von einer Leipziger Professorentochter in Liebesangelegenheiten verstrickt! Und um den Effekt noch vollkommener zu gestalten, muß die Kleine, die sich bei dem Denker von wegen des bevor- siebenden Examens ihres Geliebten einschmeichelt, wie Bliemchen sächseln, wogegen Immanuel Kaut, so unverfälscht und kon- sequent, wie es seinem jeweiligen Darsteller gegeben, von Anfang bis zu Ende ostpreußeln muß. Bei einer derartig genialen Aus- Nutzung von Aeußerlichkeilen versteht es sich von selber, daß auch die Abgänge und Aktschlüsse ihre Wirksamkeit fortwährend derart steigern, daß die Schlußszene des letzten Aktes es getrost mit den berühmten Finalen der Strauß'schen Werke aufnehmen kann. Fackelzug. Tusch, Gesang, Ansprachen, Militärmusik, alles dem großen Geisteshelden Kant zu Ehren, über den man sich so vortrefflich amüsirt hat. Es wäre bei solchem hübschen Arrangement unbillig und unpassend vom Publikum, wenn es zu alledem auch noch Kaut als Weisen von Königsberg , als Geistestitanen auf der Bühne sehen wollte; danken muß man dem Autor, daß er dezent war und es nicht wie Sardou machte, der den Welteroberer Napoleon bekanntlich das Fischweibergezänk seiner Schwestern mit der Feuerzange steuern läßt. Der Herr Ober- Präsident Graf Stolberg hat wirklich Malheur. Erst erklärt er sich für die Handelsverträge und erweist sich auch sonst demBund der Landwirthe' gegenüber wider- spenstig: da wird er diesetwegen denunzirt, und einer seiner ihm untergebenen Landräthe ihm bei der Kandidatur für den Reichstag beinahe vorgezogen. Tann unter- wirft er sich dem Bunde der Landwirthe in aller Form, und nun ist es wieder nicht recht. Es hat Reibungen gegeben mit der vorgesetzten Behörde, man sagt mit Herrn von Koller persönlich, und das Ende vom Lied ist, daß der bisherige Ober- Präsident von Ostpreußen , Graf Stolberg, seinen Abschied genommen hat und in den nächsten Tagen seine Stellung ver- läßt. Schließlich weiß ja so ein armer Oberpräsident selber nicht mehr, wie er es eigentlich den Leuten recht machen soll. Das Umsturzgesetz und die Bibliotheken. Wie wird es in unseren öffentlichen Bibliotheken aussehen, wenn dieUmsturzvorlage" Gesetz wird? Diese Frage wird in derVossischen Zeitung" folgendermaßen beantwortet: Als das S o z i a l i st e n g e s e tz in krast trat und die Bücherverbote begannen, gab es in den öffentlichen Bibliotheken viel zu thun. Alles was auf den Index kam, mußte eiligst von den Bücherregalen heruntergeholt undsekretirt", d. h. unter Verschluß gebracht werden. Verlangte«in Unkundiger ei» ver- botenes Buch, so wurde er beschieden, es seinicht verhandcn". Alles Verwundern, daß ein Buch, das man früher in der Bibliothek benutzt halte, plötzlich nicht mehr vorhanden sei, half nichts. Freilich gehen bisweilen auch bei der strengsten Kontrolle in Bibliotheken Bücher verloren. Sonderbar aber müßte es bedünken, daß gerade Schriften über Sozialwissen- schaft in so großer Menge in kurzer Frist verloren gegangen waren. Für manche Bücher ging die Zeit derSekrelirung" schnell vorüber. Ihr Verbot wurde von der Oberbehörde auf- gehoben und sie durfte» wieder auf ihren alten Platz in den Büchersälen zurückwandern. Für die Mehrzahl der verbolenen Schriften aber kam daS Ende derSekretirnng" erst herbei, als das Sozialistengesetz ablief. Welche Arbeiten aber werden er st die Bibliothekare haben, wenn ein Umsturzgesetz zu stande käme! Die Bestimmungen des Entwurfes sind unbestimmt und dehnbar. Aus den Korn- missionsverhandlungen konnte man schon ein anschauliches Bild gewinnen, was unter Umständen alles von Büchern in den Treff- bereich des Umsturzgesetzes fallen würde. Müßten nicht die öffentlichen Bibliotheken nach berühmtem Muster alles sekretiren, was dem Um- sturzgeseye zuwider ist? Die Bibliothekare hätten reichlich zu thun. Zunächst wären alle neuen Erscheinungen genau zu prüfen. Seite für Seite wäre durch- zusehen. Dann wäre zu erwägen, ob nicht das Buch über- Haupt zu sekretiren wäre, oder ob man sich zufrieden geben könne, den Inhalt einzelner Seiten zu vernichten. Ein den ge- schlichen Bestimmungen genügendes Buch würde sich bisweilen so ausnehmen, wie die Nummer eines deutschen Witzblattes, das die russische Zensur passirt hat und die schwarzen Zeichen davon mit sich trägt. Aber nicht genug daran, es müßte doch unzweifelhaft auch der alte Bestand mit der gleichen Sorgfalt darauf hin durchgesehen werden, was darin gegen das neue Gesetz verstößt. Unsere öffentlichen Bibliotheken sind fast durchweg Staatsanstalteu. Sie dürfen doch nicht das Staats- wohl gefährden, indem sie fahrlässig dem Volke Bücher über- lassen, die Gesetzwidriges entbalten. Tie Arbeit, die die Biblio- thekare zu leisten haben werden, wird nicht gering sein. Was z. B. die Ehefrage angeht, so wird, wenn streng nach dem Gesetz verfahren werden soll, nicht nur die philosophische, schön-wiffeu- schaftliche, uationalökonomische Literatur zu prüfen sein; es ist auch daran zu denken, daß kulturhistorische Bücher wie Wester- mark's Geschichte der Ehe, anthropologische wie Ploß-Bartel's daS Weib", medizinische wie Hegar'sSterilität" über die Ehe Kritisches enthaltcn. Jedenfalls dürften diese Bücher nur an durchaus gesinnungstüchtige und unverdächtige Leute ausgegeben werden, und vielleicht könnten selbst diese vergiftet werden. - Meyer's Konversations-Lexikon und die Umsturz- Vorlage. Im ersten Band von Meyer's Konversatioits- Lexikon sind in dem ArtikelAtheismus" u. a. folgende Sätze zu lesen: ... Falsch aber ist. anzunehmen, daß durch den Atheismus die Sittlichkeit selbst aufgehoben werde und daß ein Atheist folge- richtigerweise ein unsittlicher Mensch werden müsse. Man kann vielmehr behaupten, daß die Beseitigung des Motivs der sittlichen Belohnung oder Strafe die Möglichkeit echt sittlichen Thuns nicht mindert, sondern steigert, denn nur dasjenige Handeln kann für wahrhast sittlich gelten, bei dem jeder Verdacht selbstsüchtiger Beweggründe entfernt und der Wille von der Stimme des sitt- lichen Urtheils allein abhängig gemacht wird..... Di« religiöse Verfolgungssucht Hai jedoch die in Red« stehende Begriffsvcrmischung zu allen Zeiten ausgebeutet, um Gehässigkeit gegen unliebsame Freidenker zu erregen, wie aus der Kant hat weiter nichts in dem Lustspiel zu thun, als den ein wenig nach vorn geschobenen Hintergrund einer harmlosen Liebesgeschichte abzugeben, die zwischen einem nach Amt und Würden verlangenden Bruder Studio und der schönen Sächsin sich abspielt, die laut väterlichem Befehl von dem Geliebien heimgeführt werden darf, wenn er vor Kant das Examen be- standen hat. Rückhaltlos registriren wir den Beifall, der dem persönlich auf der Bühne anwesenden Autor von dem begeisterten Publikum entgegengebracht wurde. Aber wenn der Dichter auch mit dem Erfolg, den er am Dienstag Abend im Lessing -Theater errungen, vollauf zufrieden sein kann, so glauben wir doch, daß er die Wirkung seines Stückes noch bedeutend steigern könnle, wenn er sich mit einem Komponisten in Verbindung setzte, der das Lustspiel zu einer Operette umarbeitete. Dan» würde auch Immanuel Kaut noch viel drastischer wirken, als es am Dienstag unter der trockenen Darstellung des Herrn Merteu möglich war. Fräulein Jenny Groß könnte aber getrost ihre Rolle behalten, sie hat in der Premiire bewiesen, daß sie vollauf das Zeug zu einer Sou- breite hat. Literarisches. Die Sozialdemokratie und die Währungsfrage. Eine Aus- einandersetzung zwischen Dr. Olto Arendt und Max Schippe! (Sonderabdruck aus dem Sozialpol. Zentralblatt) Berlin 1835 Verlag von Hermann Walther 46 S. 8». Die vorliegende Schrift, der Abdruck einer Reihe von Aufsätzen imSozialpolitischen Zentralblatl", könnte den Anschein erwecken, als wäre diese Veröffentlichung vom Genoffen Schippet im Verein mit Herrn Arendt erfolgt. In Wirklichkeit hat Schippe! von der Publikation dieser Schrift erst nach ihrem Erscheinen im Buchhandel Kenntniß erhalten. Ter Abg. Arendt hat im Widerspruch mit anständigen literarischen Sitten eS nicht für nöthig geHallen, den Abgordnelen Schippet als Verfasser und die Redaktion desSozialpolitischen Zentralblatts" um Erlaubniß des Abdruckes zu ersuchen und lediglich die Zustimmung der Verlags-Buchhandlung eingeholt. KuH Nd Wijscnslljllst. DaS unglückselige Bellealliance-Theater wird zum Früh- jähr abermals den Namen ändern. Der neue Direktor desselben, terr Maurice giebt ihm den NamenNeueS Deutsches Volks- hcater" und versendet jetzt schon Prospekte, in welchen herab- gesetzte Eintrittspreise und Einladungen zu Abonnements ent- hallen sind. Herr Maurice leitete bisher ein Operetten-Unter- nehmen in London .