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3. Beilage zumVomkrts" Berliner Volksblatt. Ur. 59. Sonntag, den 19. Marz 1895. 13. Jahrg. Vnrlcimenksverirlite. Abgeordnetenhaus. 39. Sitzung vom 9. März, 11 Uhr. Am Regierungstische: Thielen. Die, weile Beralhung des StaatZhaushalts-Etats für 189�96 wird im Extra-Ordinarium des Etats der Bau- Verwaltung fortgesetzt. Bei den Kosten des Ausschusses zur Untersuchung der Wasser- verbältnisse in den der Uebe.schrremmung ausgesetzten Fluß- gebieten weist der Ministerialdirektor Schulz die in der gestrigen Sitzung vorgebrachten Angriffe auf die Verwaltung zurück. Bei den Ausgaben für die Verbreiterung des Oder-S pree- Kanals bemerkt Abg. Ring(k.): Die Anlieger des Kanals behaupten, daß die erwartete Verbesserung der Vorflulhverhältnisse nickt ein- getreten sei. daß vielmehr der Kanal an verschiedenen Stellen nicht dicht ist. Tie Verhältnisse schildert uns besonders eine Petition der Gemeinde Spreenhagen , die über das Sickerwasser klagt, das eine Versandung der Wiesen herbeiführt. Ich bitte den Minister, sich dieser Klagen wohlwollend anzunehmen und die Anlieger für solche Schäden nicht immer auf den Prozeßwep zu verweisen. Man hat erwartet, daß dieser Kanal auch Landes- Meliorationen veranlassen werde; diese sind aber völlig aus- geschlossen. Ich bitte, die hier geforderten Mittel nicht für eine Verbreiterung des Kanals, sondern sür die Landesmeliorationen am Kanal zu verwenden. Geh. Ober-Baudirektor Wiebe erkennt die Klagen alZ früher berechtigt an. Die Verwaltung ist aber schon bemüht gewesen, durch technische Einrichtungen den Hochwasserstand im Kanal zu vermeiden. Minister Thieken: Daß der Oder-Spreekanal einem tief empfundenen Bedürfniß entsprochen hat. dafür bedarf es keines theoretischen Beweises, vielmehr kann sich die Regierung auf die that- sächlichen Erfahrungen seit seiner Eröffnung beziehen.' Ter Verkehr ist in einer Weise gewachsen, daß eine Vergrößerung ins Auge gefaßt werden mußte. Deshalb ist eine entsprechende Position im Etat vor- geschlagen. Es sind vereinnahmt aus dem Oder-Spreekanal im ersten Jahre rund 127 OOOM.. im zweiten rund Ivo S00M.. im dritten rund 220 S00 M. Daraus ergiebt sich also, daß der Verkehr gewallig gewachsen ist. Bei einer Einnahme von 220 000 M. ergiebt sich. ivenn man 98 000 M. Unterhaltungskosten abzieht und 12 600 000 Mark Balckosten in Rechnung stellt, eine Rente von rund 1 pCt. Das ist mehr als wohl früher jemals von einem Kanal er- wartet ist. Der Titel wird gegen die Stimmen der Konservativen be- willigt. Bei dem Titel zur Anlegung eines SicherheitShafenS bei Ober wesel befürchtet Abg. LotichiuS. daß die gewählte Stelle für einen Hafen nicht geeignet fei wegen der Enge des Stromes und ungünstiger Slauverhältnisse. Geheimraih Lange: Nach den technischen Untersuchungen hat sich die gewählte Stelle als die geeignetste erwiesen. Bei den Ausgabe» zur Vertiefung des Fahnvassers zwischen Stettin und Swinemünde weist Abg. Brömel(frs. Vg.) darauf hin, daß Stettin , um nach Fertigstellung des Rord-Ostsee-Kanals noch konkurrenzfähig zu bleiben als Hafenstadt, einen neuen Hafen für 10>/s Millionen Mark anlegen wolle, das mache pro Kopf der Bevölkerung der Stadt 83 M. au?; eine entsprechende Anleihe seitens des Staates würde 2'/a Milliarden ausmachen. Stettin habe außerdem noch einen Beitrag für die Verliefung des Fahrwaffers gewährt, also sich große Verdienste um den Verkehr erworben. Bei den Ausgaben zum Bau von Steindecken und Busch- lahnungen zum Schutze der Deiche auf Pellworm dankt Abg. Jürgensen(natl.) der Regierung sür dieses der Insel gewahrte Darlehu be»w. Beihilfe, und empfiehlt den Schutz der Halligen gegen daS allmälige Abbröckeln durch die Fluth. Die Erhaltung der Halligen erfordere allerdings unverhältniß- mäßig hohe Kosten, aber die Halligen schützten wieder das Fest- land gegen den Anprall der Wogen. Minister Thielen: Es ist wohl niemand im Hause, der nicht für die Reste dieses in Jahrtausenden durch die Nordsee zerrissenen Landes ein warmes Herz hat und diese Reste möglichst erhalten will. Die Regierung ist auch schon mit große» Opfern an diese Aufgabe herangetreten. Wie für Pell- worm, so ist auch für die Insel Führ ei» Schutz in Aussicht genommen, und es schweben darüber bereits Verhandlungen. Die Erhaltung dieser größeren Eilande ist weniger schwierig als die der kleinen. Es sind damit große technische Schwierig. keilen und verhältnißmäßig hohe Opfer verbunden. Bei den Entscheidungen über diese Fragen wird aber ein gut Stück warmer Sympathie mit diesen Resten des blühenden Landes und seiner biederen'Bewohner in die Wagsckale geworfen werden. Wir schützen auch mit der Erhaltung der Halligen einen Theil der Küste. Hoffentlich wirb stch dort allmälig ein Marschengebiet anschwemmen. Die Regierung hofft ibrem warmen Juteressc für diese Sache thalsächlichen Ausdruck geben zu können. Beim Neubau des Geschäflsgebäudes für beide Häuser des Landtages theilt der Berichlerstatler der Budgetkommission Abg. v Tirdemanu-Bomst mit, daß das Abgeordnetenhaus voraus- sichtlich mit Jahresschluß unter Dach kommen werde. Man habe jeden Luxus vermieden, aber alles solide und bequem gemacht. Ein besonderes Verdienst um die Einrichtung habe sich der ver- ehrte Bureaudireklor Kleinschmidt erworben, der in geradezu rafsiiiirter Weise für Bequemlichkeit gesorgt habe.(Heiterkeit und Beifall.) Am Ende des Jahrhunderts seien voraussichtlich beide Häuser zu beziehen. I», übrigen wird daS Extra-Ordinarium des Bau-Etats ohne Debatte bewilligt. Darauf wird der Gesetzentwurf, betreffend die von der Umgestaltung der Kassen im Bereich der Verwaltung der direkten Steuern betroffenen Beamten, ohne erhebliche Debatte in zweiter Lesung angenommen. Schlug 4 Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.(Etats der direkten und der indirekten Steuern.) Hodmrzö Nasarhrlyrr Sozialisten- Prozeß. (O r i g i n a l- B e r i ch t.) Zweiter Tag der Verhandlung. Der Andrang des Publikums zur Verhandlung ist heute ein bedeutend stärkerer als gestern. Es ist bekannt gewesen, daß heute mit Sz. K o v a c s das Verhör begonnen wird, außerdem aber waren von den Angeklagten heute nur etwa 20 vorgeladen, wodurch der Zuhörerraum sür das Publikum erweitert ist. Das Publikum besteht fast ausschließlich aus den Angehörigen der besseren" Klaffe und ist besonders das weibliche Element sehr stark vertreten. Auffallend sind die vielen Trauertoiletten, die fast den Glauben erwecken, als ob man über die grenzenlose Dummheit und Ungeschicklichkeit der Behörden trauerte. Nach wie vor durchziehen Militär- und Gendarmeriepatrouillen den Ort, obwohl die Arbeiter, die ohne Beschäftigung sind, sich kaum blicken lassen. Nach Eröffnung der Verhandlung meldet der Ober- Stadlhauptmann, daß die gestern beschloffene Vorladung der drei nicht erschienenen Angeklagten nur bei zweien erfolgen konnte, weil der dritte angeblich seinen Aufenthalt jetzt in Arad hat. Auf Antrag des Staatsanwalts werden die zwei vorgeführten Angeklagten sofort in Haft genommen, weil sie ein- mal nicht genügend entschuldigt erscheinen und dann keine Garantie dafür bieten, daß sie freiwillig zu den weiteren Ver- Handlungen erscheinen werden. Der drille aber soll telegraphisch ermittelt und vorgeführt werden. Hierauf werden alle er- schienenen Angeklagten mit Ausnahme Sz. Kovacs namentlich aufgerufen und außerhalb des Saales der Obhut von Panduren übergeben, mit dem Austrage, daß dieselben sich weder aus dem ihnen angewiesenen Raum entfernen, noch mit jemand verkehren dürfen. Nunmehr ruft der Vorsitzende den Haupt- Angeklagten Sz. Kovacs auf, der sich zwischen zwei Gendarmen mit auf- gepflanztem Gewehr vor die Richter stellt. Hochaufgerichtet steht er da, und das überlegene Lächeln um seinen Mund läßt darauf schließen, daß er sich der Situation gewachsen fühlt. Diejenigen, die das Verhör K o v a es' mit Spannung erwarteten, waren nicht entläuicht, denn derschlichte, dumme Bauer", wie er sich selbst nannte, hat nichr Kenntniß der sozialen Frage an den Tag gelegt, als der ganze Gerichts- hos mitsammt dem Staatsanwalt, der übrigens beinahe die Rolle des Angeklagten spielte, so trieb ihn der antikollektivistische Bauernschädel in die Enge. Vors.: Sz. Kovacs, wie alt sind Sie und welcher Beschäftigung? A n g e k l.: 43 Jahre, landwirthschaftlicher Arbeiter. Vors.: Sie waren Obmann des Arbeiterklubs oder jenes Vereins, der nicht genehmigt war. A n g e k l.: Jawohl, jedoch war ich der dritte, denn nach Neujahr 1892 war erst Balint Hegedüs, dann Johann Molnaz, und dann erst kam ich. Vors.: Zu welchem Zweck sollte dieser Verein gegründet werden? An gekl.: Wir wollten mittelst dieses Vereins unsere elende Lage verbessern, weil wir mit dem Verdienst nicht mehr auskommen konnten. Ich fühle die Last, die mich drückt, weil ich arm bin, Di« Herren Richter können das vielleicht nicht begreifen, weil sie in guten Verhälinissen leben. Die Regierung kümmert sich um die Lage der Arbeiter nicht und hört unsere Klagen nicht einmal an. Vors.: Warum ist der Hegedüs zurückgetreten? A n g e k l.: Er wurde von den Genossen dazu gezwungen, weil er beschuldigt war, fremde Gelder, die Gelder des Vereins sür sich verwendet zu haben. Ich vertheidigte ihn erst und sagte, man dürfe ohne Beweise niemals einen Menschen verurtheilen. Als ich mich jedoch von seiner Verschwendung überzeugt, nahm ich selbst Stellung gegen ihn. Vors.: Hegedüs behauptet aber, er sei zurückgetreten, weil ihm die Ungesetzlichkeiten nicht gefielen. A n g e k l.: Das wundert mich, er hat als Obmann in der- selben Weise agitirt wie ich, er hat aus denselben Büchern vor- gelesen wie ich, nur konnte er das Gelesene nicht erläutern, was ich, so gut ich es konnte, ja that. Der Vorsitzende konstatirt nun, daß der Verein von dem Minister nicht genehmigt war, und daß die Gelder desselben an verschiedene Personen abgegeben wurden. Der Angeklagte giebt das zu, erklärt aber, daß das Geld leihweise vergeben wurde, denn, sagt er. unsere Genossen sind sehr arm, aber ehr- liche Leute, die das Geld wahrscheinlich auch schon zurückgezahlt haben. Vors.: Ist es wahr, daß Sie die Auftheilung des Grund und Bodens empfohlen haben? A n g e k l.: Wer das sagt, lügt, sei es wer immer. Vors.: Wer ist die Parleivertretung? A n g e k l.: Dem Namen nach kenne ich sie nicht. Vors.: Wie können Sie also einer namenlosen Firma nachlaufen? A n g e k l.: Wenn ick sie auch nicht kenne, ich weiß, daß sie unser Bestes will, und darum vertraue ich ihr. Vors.: Sie haben auch Bücher verkauft, hatten Sie dabei einen Nutzen? A n g e k l.: Ja. ich bekomme 10 pCt., die ich jedoch an die Vereinskasse ablieferte. Auf Befragen erklärt der Angeklagte, daß diese Behauptung im Kassabuch ihre Bestätigung finden muß. Vors.: Sie sind beschuldigt, das Volk durch unpatriotische, staatsgefährliche Reden und Schriften ausgereizt zu haben, Sie haben ihnen gesagt, sie brauchen keine Steuer bezahlen, und wenn es gilt, dieHerren" zu erschlagen, werden Sie sich an die Spitze stellen, und Sozialisten brauchen überhaupt keine Steuern zahlen. Sie haben den Leuten die Steuerbücher abgenommen und gesagt, Sie werden schon dafür sorgen, daß sie keine Steuern zahlen brauchen. Stefan Varga wird Ihnen das beweisen. A n g e k l.: Das kann er nicht, weil ich von einer Steuer- Verweigerung nie gesprochen habe. Die Bücher aber habe nicht ich, sondern Hegedüs eingesammelt, denn damals war er noch Obmann. Was meine Aeußerung über die Steuern anbetrifft, so reduzirt stch dieselbe auf einen Antrag, den ich Ende 1893 in einer Volksversammlung stellte, nach welchem die arnien Tage- löhner keine Wegesteuer zahlen sollten, und hierbei berief ich mich auf eine Gnadcuschrift seiner Majestät, die im Jahre 188S in einer Gemeinderathssitzung durch den Bürgermeister verlesen wurde, und nach welcher bestimmt wurde, daß die Tagelöhner keine Wegesleuer zahle» brauchen. Wie kann ein städtisches Organ sich gegen den Willen der Majestät auflehnen und trotzdem diese ungerechte Steuer erheben? Der arme Arbeiter, der sich für seine paar Kreuzer bitter plagen muß, soll für diese Steuer auch noch seinen letzten Strohsack hergeben? Kann er sie nicht bezahlen, dann kommt der Exekutor und nimmt ihm alles fort. Ter Arbeiter ist fleißig und arbeilet gern, aber schon so tief gesunken, daß er sich einer jeden Ungerechtigkeit willenlos unterwirft. Ich habe gesehen, wie man eine Frau ivegen dieser Steuer auf die Straße setzte, eine Frau, die kaum noch imstande war, zu arbeiten. Giebt es da einen Gott? Vors.: Ich habe auch schon bei reichen Leuten die Trommel schlagen hören. Der Angeklagte winkt bedeutungsvoll. Vors.: Haben Sie gesagt, die Herren müssen todtgeschlagen iverden? Angekl.: Ich gestehe alles, was ich gesagt habe, weil ich das auch verantworten kann. Das habe ich aber nicht sagen können, weil ich der Anschauung bin, daß aus den heutigen Herren" unsere geistigen Vorkämpfer hervorgehen, die uns Dumme lehren, schützen und vertheidigen werden. Vors.: Ist es wahr, daß Sie gesagt haben, die Herren seien Feinde der Arbeiter, die sie aussaugen? Angekl.: Ich kann nur von der besitzenden Klasse ge- spräche» haben, die sich zu dem Zwecke organisirt, um die Löhne zu drücken, und das ist von feiten der Regierung gestattet, das kann ich beweisen. Vors.: Erklären Sie mir, waS Sie unter der Sozial- demokratie verstehen? Angekl.(überlegen lachend): Ich kann nicht sagen, daß ich ein gelehrter Mann sei. Nach meinem Begriff ist es die wahrste Idee, weil sie das Wohl des Volkes will und augenblicklich von der Gesellschaft den achtstündigen Arbeitstag und das allgemeine Wahlrecht verlangt.' Vors.: Für die landwirlhschaftlichen oder für die Industrie- Arbeiter? Angekl.: Für alle. Vors.: Wie stellen Sie sich daS in der Landwirth« schaft vor? Angekl.: Sehr einfach. Es werden, wo heute S Arbeiter arbeiten, 12 gebraucht werden. Vors.: Das verstehe ich nicht. Angekl.: Ich verstehe es sehr gut.(Heiterkeit.) Der Vor- sitzende ermahnt zur Ruhe, da die Sache viel zu ernst fei, um darüber zu lachen. Vors.: Glauben Sie, daß dies bald verwirklicht wird? Angekl.: Danach frage ich nicht. Ein jeder Mensch hat ein Ziel, eine Hoffnung. Ich klammere mich an dieses Ziel, an diese Hoffnung. Ist daS ein Verbrechen? Vors.: Wenn man eine Lehre nicht versteht, soll man si« nicht verbreiten. Wie stellen Sie sich Ihre Staatsform vor? Angekl.: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. DaS überlasse ich der Zukunft. Vors.: Sie sagten, es sei eine Ungerechtigkeit, daß der eine arm, der andere reich ist, und darum müsse der Grund auf- gctheilt werden. Angekl.: Das sage ich nicht, weil das nur neuerdings Privatkapital wäre und die Sozialdemokratie will keine Reichthümer aufhäufen, sondern vergesellschasilichen und dadurch jedem Menschen die Lebensmöglichkeit schaffen. Den achtstündigen Arbeitstag ver- langen wir von der gegenwärtigen Gesellschaft. Wir aber werden ein gemeinschaftliches Vermögen haben. Heute sind die Neichen geschützt und um die Armen kümmert sich niemand. Vors.: Nun sehen Sie, daß Sie nicht im Klaren sind und dennoch lehren Sie? Das Vermögen des Grafen Karvlzi schützt der Staat ebenso wie Ihren Rock und darum ist Ihre Lehre eine Aufreizung gegen den Staat. Der Vorsitzende erläutert in längerer Ausführung unser Eigenthumsrecht, wobei ihm das Malheur passirt, unwillkürlich auf das Eigeuthums- Unrecht hinzuweisen. Nunmehr wird der Angeklagte ausgefordert. zu erzählen, was sich am Sonntag, den 22. April 1894 zu- getragen hat und was die Ursache dieses Vorkommnisses war. In schlichter Weise erzählt er, wie er aufgefordert wurde, die nach dem 15. April angekommenen Schriften zur Einsicht vor- zulegen, wie er dieselben überreichte, und als er sie wieder«b- Holle, erklärte ihm der Stadthauptmann Poka, daß sie nicht staatsgefährlich sind, aber Jahrzehnte vergehen werden, ehe das verwirklicht wird, was darin verlangt wird. Am 21. ging er seine Schriften zurückverlangen und da wurde das erste B!al mit ihm ein Protokoll aufgenommen. Wäbrend dieser Protokollaufnahme ging der Polizeilieutenant zu zwei Genossen und verlangte von ihnen im Namen Sz. KovacS� fämmtlich« Schriften die sie haben. Er sowohl, wie auch die beiden Genossen wurden zu Sonntag, den 22. April hinzitirt. Er selbst mit dem Bemerken, daß er seine Bücher bekommen werde. Di» Protokollaufnahme erschien ihm verdächtig. Am Sonntag n a ch 3 Uhr ging er mit den beiden Genossen ins Stadthaus, wo sie im Korridor den Oberstadthauptmann trafen, der sie gleich barsch anfuhr, was sie wollten. Hierauf er- klärte er:Die Schriften, die man uns gestohlen hat." Der Oberstadthauptmann sagte hierauf:Gehen Sie!" Er ging zum Stadthauptmann Poka und hörte, wie der Oberstadthauplmann rief:Panduren unter die Gewehre!" Im nächsten Augenblicke ließ mich nicht Poka, sondern der Oberstadthauptmann ver- hasten. Gewehrt habe er sich nicht, sondern nur zu seinem Schutze die Hände vor sich hingestreckt. Es war mir sofort klar, daß jetzt ein Malheur passirt, denn ich wußte, daß man jetzt die Menge provozirte. Als mich 4 Mann packten, da rief ich einmalhelft mir", weil man mir beinahe das Kreuz brach. Nunmehr wurde er eingesperrt und hörte nur den Lärm. Was weiter geschah, weiß er nicht. Mit von Thränen erstickter Stimme erzählt er nun, wie sein Sohn, der IS Jahre alt ist, vor seine Zellenthür kam und nachdem man den Schieber herabließ, er ihn weinend und jammernd stehen sah. Er beruhigte ihn, indem er meinte, er werde schon wieder frei kommen. Da kam der Gefangenenaufseher und stieß den Knaben roh bei feite. Hier überniannte mich die Wuth, sagt er, und ich leugne es nicht, ich habe dem Zlufseher ein böses Schimpfwort gesagt, aber er hat eS verdient. Diese einfache Schilderung und die Art seines Vortrages machte sogar auf die Mastbürger im Auditorium Eindruck. Der starke, trotzige, unbeugsame Mann, er weinte. Dieser Thränen aber braucht er sich nicht zu schämen, Hiermit war das Verhör beendet. Jetzt begann der Staatsanwalt ihn auszuforschen, verrleth aber bei dieser Gelegenheit soviel Unkenntniß von allbekannten Dingen, daß man sich geradezu wundern muß, obgleich man von ungarischen Staatsanwälten ohnehin nicht viel erwartet. Der Augeklagte war demgelehrten" Herrn aber gewachsen und bereitete ihm soviel Verlegenheiten, daß der Vorsitzende sich veranlaßt sah, den Staatsanwalt zu ermahnen, er möchte nur solche Fragen stellen, die mitJa" oder Nein" beantwortet werden können. Unter anderem sagte er zum Slaatsanwalt auf die Frage, woher das Vermögen stamme? Dasselbe sei der Erfolg der gemeinschaftlichen Arbeit. Und wenn die Arbeiter nicht arbeiten würden, könnten die Unternehme» keine Reichlhümer aufhäufen. Zum Schluß stellte der Vertheidiger noch einige Fragen, bei denen er sich eine Rüge seitens deS Vorsitzenden zuzog, der ihn beschuldigte, daß er in seine Fragen gleich die Antwort lege. Hiergegen verwahrte sich Dr. P o l l a k auf das entschiedenste, indem er erklärte, daß, während der Staatsanwalt über die unglaublichsten Dinge Fragen stellte, ohne dabei behindert zu werden, stelle er jetzt einige Fragen, bei deren zweiten er schon disziplinirt werde, ohne daß ein Grund dazu vorliege. Mit seinen sehr geschickt gestellten Fragen zerstört der Vertheidiger das ganze innerhalb zwei Stunden aufgebaute Kartenhaus. Hiermit war die Vernehmung Kovacs beendigt und de» Vorsitzende schloß für heute die Verhandlung. Ein Moment muß ich noch erwähnen. Während der Ver- Handlung ließ der Vorsitzende eine Pause eintreten mit Rücksicht auf den Angeklagten. Derselbe erklärte aber, i h n nicht zu schonen. Es gefiel dem Staatsanwalt durchaus nicht, daß sich Kovacs als internationaler Sozialdemokrat bekannte. Dritter Tag. Mit der Fortsetzung deS Verhörs Sz. Kovacs wird Freitag die Verhandlung eingeleitet. Aus die Frage des Vorsitzenden, ob es ihm so schlecht ge- gange» sei. daß er Sozialdemokrat wurde, erwidert Kovacs, daß er, nachdem seine Kinder groß waren und er sammt seiner Frau arbeiten konnte, er wohl nicht genug zum Leben habe ver- dienen können, aber immerhin kamen sie infolge ihrer Sparsam« keit aus. Das Unrecht und die Roth seiner Klassengenossen haben ihn so verbittert, daß er sich der Sozialdemokratie ange- schloffen hat. In seinen weiteren Ausführungen sagt er:Zum Soldaten bin ich gut, aber wenn es zum wählen geht, stößt man mich bei seile. Jetzt hält man mich gefangen, weil man be- fürchtet, daß ich durchgehe. Ich hätte za als Soldat auch durch-