Nr. 4341. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Auf den Pfaden der Taschendiebe.
Hyänen des Verkehrs. Nur die Großstadt ernährt sie.
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Es gibt heute noch Naturvölfer, bei denen der Diebstahl erlaubt ister gilt als Zeichen besonderer Gewandtheit. Der moderne Mensch hat scheinbar viel von der Naivität seiner Borahnen eingebüßt: für ihn ist der Verbrecher je gewandter, desto gemeingefährlicher. Der Taschendieb aber ist unter allen Dieben derjenige, ber es am meisten mit dem Taschenspieler hält:„ Geschwindigkeit der es am meisten mit dem Taschenspieler hält:„ Geschwindigkeit ist teine Hererei" lautet sein Wahlspruch.
Charakterzüge.
Man tritt dem deutschen Michel vielleicht nicht zu nahe mit der Behauptung, daß er zu diesem Berufe sehr wenig Eignung aufweist. Möglich, daß er als Tascherbicb zu plump ist, zu ungelent, zu wenig geschmeidig, nicht genug Schauspieler. Bielleicht liegt ihm auch nicht die zynisch offene Art, mit der er seinen Opfern etwas vor machen muß, um zum Ziele zu kommen. In der Regel find die Taschendiebe tipptopp gefleidet, mit tadellosen und ansprechenden Manieren, zuvorkommend, liebenswürdig, freundlich, oft gemütlich, mit einschmeichelndem Wesen. Sie gleifen ebenso leicht in die Seele ihrer Mitmenschen hinein wie in deren Taschen. Das bringt ihr Handwerk mit fich. Sie stellen dem Opfer das Bein, so daß es strauchelt, und helfen ihm dann auf die Beine. Sie treten zuvor tommend beiseite und lassen einen vor, um die Taschen zu ents Leeren. Sie bemühen fich nirgends anzustoßen, um sicherer zu fahren. Sie sind auch gute Menschentenner und befigen Scharf blid: fie miffer. genau, wo was zu holen ist, unterscheiden den ProDinzler von dem Hauptstädter, den nur gut Getleideten von dem mit Celd Beladenen, tennen die Gewohnheiten ihrer Opfer. Ge Scheit und intelligent, von verblüffender Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit, find fie gleichzeitig frech- dreift bis zum 8ynismus.
Diebesschulen und Jugendliche.
Wie bei Afrobaten und Taschenspielern heißt es auch hier: Frühe übt sich, wer ein Meister werden will. Geschäftstüchtige Senioren des Handwerks sorgen deshalb für Nachwuchs. So gab es und gibt es wohl noch heute in vielen Hauptstädten DiebesSchulen. Fünfzehn solcher Echulen wurden vor einigen Jahren von der Londoner Polizei in rerschiedenen Stadtteilen im Laufe Don 7 Monaten entdeckt. In Japan hat es eine originell und meilangelegte Diebesschule sogar zu großer Berühmtheit gebracht. Oft beginnt aber der Taschendieb auch ohne spezielle Schulung seine Laufbahn sehr früh. In den Straßenbahnen Mostaus fonnte man einen achtjährigen Jungen beobachten, der seine ersten Diebesschritte unter der Leitung seines sechs Jahre älteren Bruders machte. Niemard ahnte, daß diefer Dreifäsehoch, der so geschmeidig hin und her huschte, seine dünnen Fingerchen in die Gefäßtaschen Der Männer hinabgleiten ließ, die Handtaschen der Damen öffnete oder das von seinen Komplicen gestohlene Gut on fich nahm. Erst vor kurzem wurde von einem älteren Mann und zwei Jungen berichtet, die auf einer Berliner Straßenbahn feftaenommen wurden, ebenso auch von einem 33jährigen, der als 11jähriger Junge seine Laufbahn begann und dann für längere Reit nach Amerita gegangen war.( Wulffen erzählt von einem 13jährigen russischen Knaben, der es zu solcher Gewandtheit gebracht hatte, daß er selbst im Gerichtsfaal von den ihm vorgelegten Gegenständen einige Kleinigkeiten ftahl.) Während der Kriegszeit waren es Hunderte von ha'brichtigen Burschen, die an den Straßenbahnen und Bahnhöfen in kleinen Banden von 4 bis 5 Mann arbeiteten". Sie drängten sich an die überfüllten Tramwagen und machten hier leichte Beute. Es war wie eine psychische Infektion.
Taschendiebes Glück und Ende.
Wie wird gestohlen?
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Sonnabend, 26. Januar 1924
irgendeiner nachdenklichen Minute von fleinmütiger Schwäche oder seelischer Erleuchtung: Habe ich denn nicht auch anders meinen Lebensweg gehen können, so wie der größte Teil der Menschen, die doch nicht weniger glücklich geworden sind als ich, jedoch Arbeit, Heim, Familie besigen. Das ist es eben: Wer den Verbrecher tennen lernen will, der sieige hinab zum Anfang der verbreche ist noch leicht und tut not rischen Laufbahn größtenteils ist es die Jugend. Da anzupacken da tönnte unter Umständen noch manches tostbare Menschenfind fürs Leben gerettet werden und viel fremdes Gut verschont bleiben. Will man das Verbrechen erfolg reich bekämpfen, so bessere man unsere sozialen Ver hältnisse und forge in erster Linie für das physische, geistige und sittliche Wohl der Jugend. Denn schwer begeht der Neuling nur den ersten Diebstahl. Bleibt er unentdeckt, so folgen um so leichter die nächsten. Und dann geht es oft bis ins Endlose....
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Karnevalsfiguren.
Elektrischen, Untergrund- und Stadtbahn, an Bahnhofs-, Bant-, Warenhaus-, Konzert- und Theaterfaffen und Garderoben, an Schaufenstern, auf Sport- und Volksfesten, öffentlichen Versammlungen tommt der Taschendieb auf feine Kosten. Das Gestohlene es brauchen ja nicht gerade Krawattennadeln oder Uhren mit Ketten zu fein, es ist ja größtenteils Geld- tann ohne Fehler feine Dienste fun. Auch in mancher anderen Beziehung hat er es bequemer als sein Kollege, der Einbrecher. Dieser ist genötigt, seinem Anschlag auf fremdes Eigentum größtenteils mühseliges Austundschaften vorangehen zu lassen, Handwertszeug mit sich zu führen, das ge stohlene, oft umfangreiche Gut beiseite zu schaffen, um es dann unter Gefahr zu Geld zu machen. Diese relative Leichtigkeit im Berbrechen- Begehen wird dem Taschendiebe zum Verhängnis. Die Berstellung von Menschenansammlungen und eventueller Beute beginnt auf ihn znangsmäßig zu wirken; eine stete Unruhe hat ihn wenn Sozialisten, Republikaner und Friedensfreunde im Gedenken Wenn wir Sozialisten uns anschicken, den ersten Mai zu feiern, erfaßt, nur die entsprechende Diebeshandlung bringt ihm auf turze an den Beginn des fürchterlichen Völkermordens und an seinen endBeit Erlösung. Die besten Vorsäge, mit der letzten reichen Beute fich zu begnügen, das Gelb irgendwie nugbringend anzulegen und lichen Abschluß zu ernſten Feiern zusammenkommen, dann schreit das mit der Diebeslaufbahn Schluß zu machen, verflüchtet sich wie Rauch. ganze Heer der Reaktion in Presse und Versammlungen über unzeit Karten, Alkohol, Beiber, diese ständigen Begleiter des Diebes gemäßes Festefeiern und über„ Bergnügungssucht", und daß jetzt drängen ihn immer weiter in die Diebeslaufbahn hinein. Das feine Zeit zum Feiern sei, sondern daß gearbeitet werden müsse". Bewußtsein, daß er es ja nur nöfig habe, sich in diese Menschen- Da ist es geradezu auffällig, mit welchem Eifer sich die Angehörigen menge zu begeben und das Opfer herauszusuchen, um zu Geld zu der Reaktion selbst dem Feiern rauschender Feste hingeben. Mit fommen, verleitet ihn zu um so leichterem Berpulvern des eben Bomp und riesigem Schaugepränge wurde der 18. Januar, der Erbeuteten. Der zusammengeschmolzene Borrat zwingt ihn dann Tag der Kaisertrönung, gefeiert. In den Friedensjahren einfach zu weiteren Diebereien. hat sich faum ein Mensch um diesen Tag gefümmert. Der 24. Januar war schon wieder ein Festtag, nämlich der Geburtstag Friedrichs II., des Fridericus Reg, und er wurde und wird als Im großen und ganzen gedeiht der Taschendiebstahl nur auf Friedrichstag" gefeiert. Unglaublich lächerlich wirkt es, wenn auss dem Boden der Großstadt. Die Mittel, deren sich die Diebe bes gerechnet eine evangelische Gemeinde im Berliner Westen den Gedienen, sind verfchieden und variieren je nach der Individualität burtstag dieses Freidenfers und Religionsspötters mit Bläserchor, des Täters und der Verhältnisse. Ueber der simplen Inszenierung einem richtigen Feldprobst, einem Wizblattredakteur als Rezitator eines Gedränges, bei welcher Gelegenheit mit zufammengelegtem und den Primanern und Obersekundanern des Gymnasiums feiern 3eige- und Mittelfinger, der sogenannten Schere, Brieftaschen her- läßt. Denn dieser Fridericus Reg hat einmal gesagt:„ Unsere beutigen ausgholt, mit Hilfe einer Range Uhr und Rette abgefnipst oder aus der geöffneten Handtasche der Damen Geldbeutel entfernt wer- Religionen gleichen ebenso wenig der Christi wie der Jrofefischen. den, führt der Nep zu kompliziertesten, bis in die fleinsten Einzel. Jefus war ein Jude und wir verbrennen die Juden. Jesus predigte heiten durchdachten und mit größtem Raffinement durchgeführten Duldung und wir verfolgen. Jesus predicte eine gute Sittenlehre Diebstählen. So erzählt Ferrioni von einer Tame, die im Londoner und mir üben sie nicht aus." Was würden die evangelischen GeBorortzug einem Herrn im Wagen 2. Klaffe ihr in Spiken ge- meindemitglieder sagen, wenn ihnen statt des Hohenfriedbergers und hülltes Baby übergab. um in aller Eile ihre Zofe zu suchen. Der des Finnländischen Reitermarsches und des Gottes, der Eisen wachsen Herr blieb mit dem Babn. das sich als Kindernuppe entpuppte, dafür fieß, diese Worte des Reg und noch einige andere nicht ganz uninteraber ohne Taschenuhr figen. In einem anderen Falle, von dem essante vordeflamiert würden? Aber ganz egal, die Hauptsache iſt, unlängst in den Zeitungen berichtet murde, drängten sich brei internationale Diebe im Korridor des D- Ruges an einem Herrn vorbei daß gefeiert wird und daß die Feier ein Dorn ist, mit dem man die und nahmen ihm im Vorübergeben eine Kleinigkeit aus der Tasche. Republik blutig reißt. Dann kommt der'27. Januar, der trotz Beliebt sind auch andere Kunststückchen. Man bittet einen Herrn der Zedligschen Memoiren bei vielen Unentwegten„ Raisers Geburtsum Feuer, man strauchelt beim Verfaffen der Bahn und stützt sich tag" bleiben und als solcher gefeiert wird. Weiter: Ein gleichfalls hinterher auf irgendeinen aussteigenden Baffagier, man tritt einer im Westen befindlicher Schützenverein erklärt öffentlich daß er infolge Dame aufs Kleid und öffnet ihr die Handtasche. Besonders amis des Krieges leider fein 25jähriges Gründungsfest nicht habe feiern fant find die Fälle, wo das von Komrlicen Gestohlene mit Hilfe fönnen und nun dafür das 30jöhrine feiere. Mit fnalligen Worten ber 3che in eine unter dem Unterrod befindliche Tasche oder gar heißt es dann, daß die Schützennilde durch das Fest„ fremden Einzwischen die Oberschenkel gebracht wird, oder wenn mit einer fal- flüssen und undeutschen Elementen zeigen molle, dok es im Baterschen Hand gearbeitet wird, die rubia auf dem Schoß liegt. wähland nach genügend deutsche Männer und Frauen gibt, die sich den rend die richtige an dem Opfer herummanövriert. Gewöhnlich arbeitet man mit Romplicen, die dem Fauntiäter Wand" stehen Sinn für deutsche Weise bewahrt haben oder das Gestohlene entgegennehmen, während der erfte mit einem Einfluß" etwas zeigen kann, das fell die Schühenailde erst mal vorPaletot oder einem Plaid über dem Arm an seinem Objekt herum- machen, denn zum Sinn für deutsche Weise gehört doch wohl auch hantiert. die Beherrschung eines richtigen deutschen Sprachstils. Die deutsche Weise aber bestand nach einer gleichzeitigen Anzeice der Gilde in einer Tombola" umd einer Fadel polonäfe" nebst Breis fchießen, Bell mit vollbesetztem Orchester und Misitärkonzert des Botsdamer Reiterregiments 4. Tombola ist ein italienisches Bort und dient zur Bezeichnung eines italienischen BerlosungsSpieles. Das Wort Bolonäfe ift franzöfifchen Ursprungs und bedeutet ursprünglich einen polnischen Nationaltanz. Mie kommt num aber dieser italienisch- franzöfifch- neinische fremde Einfluß" in die deutsche Weise der Schützengilde hinein? Mie dem auch sei, die Hauptsache ist doch die Feier und der Ball, nicht wahr? Nur ein arger Drudfehler hat sich dann in die Anzeine des Bereins einge.
Nicht gering ist der Schaben, den die Taschendiebe der BevölteTrok der großen Gewandtheit. mit der die Taschendiebstähle rung zufügen. Mit Recht wird aber behauptet: Die Gesel! ausgeführt werden, haben diese Verbrechen doch besonders furze schaft hat die Berbrecher, bie sie verdient. Soziale Beire. Ist es nicht der Beamte, der den Dieb abfängt, fo ist es in Migstände, Not, jugendliche Bermahrlofung, ungenügende JugendDen meisten Fällen das Opfer selbst. Allzu lang fann der Taschen wohlfahrt, unzweckmäßige Verbrechenbekämpfung züchten das Ber dieb überhaupt nicht auf ein und derfelben Stelle in ein und der bredertum und macht sie zur Plage für die Menschheit. Der Berfelben Stadt arbeiten": er läuft Gefahr, dem aufsichttuenden Kriminalbeamten zu oft unter die Augen zu kommen. Es fällt ihm breder selbst wird seines Lebens nie richtig froh. Er verlebt die auch leichter als dem Einbrecher, feinen Tätigkeitsort zu wechseln! Tage seiner Freiheit in Saus und Braus, gewöhnt sich schließlich Er ist ja nicht an Ortskenntnisse, an bestimmte Hehler u. bgl. mehr an seinen Beruf, nimmt Gefängnis. und Zuchthausstrafe als selbst gebunden. Ueberall, wo Menschenanfammlungen entstehen, an der| verständliches Geschäftsrisiko mit in den Rauf, fragt sich aber in
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genug.
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Jürgen öffnete seinen Beutel.„ Da, sieh selbst! Habe ja Jürgen, du bist geradezu beleidigend. Nimm diese Summe. Ich könnte fonft unter feinen Umständen den Berfehr länger mit dir aufrechterhalten." Adolfs Hände und Schultern bekräftigten:„ Wir sind doch heute nachgerade keine Gymnasiasten mehr, gewissermaßen." Er öffnete die Tür. „ Bitte, nach dir!"
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Geschichte, weißt du, menn man daran geleckt hat," sagte Jürgen und verzog das Gesicht.
Wie man einem„ fremden
leicht gar nicht unangenehm, ein wenig hinaus in die schöne, frische Luft zu gehen.
Als die Freunde sich am dampfenden Glühwein die Zun- Bor dem Café sah Jürgen, wie eine gepflegte Dame auf gen verbrannt und im Bad des heißen Sonnenfcheins die einen Krüppel zuging, dem der rechte Arm und das linke 3igarillos angezündet hatten, erlangte Adolf die Fassung wies Bein fehlten. Die Frau des Krüppels nahm die Banknote soder, lehnte sich zurück, sah zum Knopfgebäude hinüber. Du fort an sich und stellte der sekündlich aufblizenden Wut ihres hattest Gelegenheit, die Parterrefäle in Augenschein zu neh- Mannes einen notgeftählten Blick entgegen. Der strofulöfe men. Derselbe Betrieb midelt sich in allen vier Stockwerfen Säugling auf ihrem Arme unterbrach den stummen Kampf ab. Und unterm Dach sowie im Keller befinden sich ebenfalls durch Geschrei. Dann zog die Familie weiter. Langsam, böse, gigantische Knopflager.. Das muß man sich nur vorstellen: farblos. Das ganze Riefengebäude vollgestopft mit lauter Knöpfen. Alle Sorten, notabene!"
Bon der Sonnenhiße mit Glühwein und Zigarillos war Jürgen übel geworden: Das Knopflager wurde lebendig, verwandelte sich in ein ungeheures Meer schwarzer SchwabenAm Stammtisch qualmten Statspieler, die alle Glazen fäfer, die an allen Wänden auf und übereinander frabbelten. hatten; eine spanische Band sonderte ein Kaffeefränzchen In nebelhafter Ferne hörte er die begeisterte Stimme Adolfs. neun, mit farbigen Kapotthüten geschmückte, papageienhafte ,, Alle, absolut alle Arten Knöpfe! Ich werde mir eine Damen ab von den stillen Zeitungslefern. Der Ober be- Knopffammlung anlegen. Sie wird die größte der Welt sein. Diente geschäftsfreudig und schwungvoll, stand manchmal reg- Lüdenlos! Denn, überlege- welcher Knopffammler hätte, los auf seinem erhöhten Beobachtungsposten neben dem wie ich, diefe Gelegenheit... Und meine ankünftigen Kollegen Büfett, wachsam das Lotal im Blid. Ein Fenstertisch, mit der da drüben, bei denen das gewissermaßen der Fall wäre, denAussicht auf das Knopferporthaus, war frei. fen vermutlich wieder nicht daran, sich eine Knopffammlung anzulegen."
Der Biffolo stand, ein Bein elegant übergeschlagen, reg Los in genau derselben Haltung wie der Ober, und wand sich auf dessen Augenwink hin schwungvoll und geschäftsfreudig um die Tischecken herum zu den Freunden; er war erst seit zehn Tagen Pikkolo.
Nachdem der offene Wagen der Trambahn die verkehrsreichen Straßen durchfahren, die letzten Häuser und den mäch= tigen Gasteffel hinter sich gelaffen hatte und in nun ungehinderter Fahrt durch sanfthügeliges Biefenland der Endstation entgegensauste, von fühler Luft durchzogen, röteten fich Jürgens Wangen wieder.
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Ein Herr, alt, grau, steif, wie aus grauem Pappendedel zusammengeflebt, wackelte steif hin und her. " Auch wenn andere Plätze fret sind, fahren alte Leute nicht mit den Augen zur Fahrtrichtung Die Jungen immer!" ,, Das ist eleganter Blödsinn." Adolf saß lässig zurückgelehnt, Bein übergeschlagen. „ Die Alten wollen gar nichts Neues mehr sehen. Die bliden immer in die Vergangenheit."
,, Glatter Unsinn! Dirett eleganter Blödsinn!" " Die Jungen wollen sehen, wohin die Fahrt geht." Die Alleebäume flogen plöglich nicht mehr nach rückwärts. Der Wagen hielt bei der Endstation im Knirschen der Bremfen. Stille, in die hinein ein Bogel zwitscherte.
Der Ober schwebte einen halben Meter über dem Fußboden durch das Lokal. Jürgen wagte Adolfs wegen nicht, die Rigarillos wegzuwerfen. Den Stumpen im Mundwinkel, das Geficht von faltem Schweiße befchlagen, sah er mit dem verWas befehlen die Herren?" Die schwiegen. Und der zerrten Ausdruck lächelnden Wohlbehagens feinen Freund an. Biffolo raffelte heraus: Bier, Wein, Kaffee, Tee, Schofo- Der entwickelte den Plan seines Vaters, eines großen lade... Eis, Bunich, Glühwein, Limonade." Achtungsvoll Knopffabrikanten, welcher sich mit der Idee trug, feiner Fabrit Der Führer blieb allein zurück, fezte sich in den Straßenbetrachtete er die Schweißtropfen, die auf den Stirnen der ein eigenes Knopfexporthaus anzugliedern, nachdem Adolf bei graben. Der Wagen stand beziehungslos in der Landschaft. Freunde hervortraten. Und fühlte seine Ueberlegenheit im der Konkurrenz den Betrieb aründlich kennengelernt habe. Der Tag war heiß und lang gewefen. felben Maße wachsen, wie die Ratlosigkeit der beiden zunahm," Da hast du meine Zukunft. Mein Weg läuft pfeilgrad em= Jürgen, schnell in Harmonie mit der Natur, wollte durch wiederholte fingend sein Gedicht. por... in logischer Folgerichtigkeit, gewissermaßen... In- den Wald heimwärts gehen, während Adolf, zu abrupt ins dustrie und Handel, mein Lieber! Alles andere ift Romantit." Grün gestellt, unwillige Blicke den Ackerfurchen zuwarf und Sie sahen zum Fenster hinaus; die Pferde vor dem vorschlug, wieder mit der Straßenbahn zurückzufahren. Exporthaus zogen an; die hochgetürmten fauberen Knopfkisten rollten fort, dem nahen Güterbahnhof zu.
Adolf bestellte zwei Glas Glühwein und zwei Glas Grenadine und sagte, nachdem der Bittolo an das Büfett gestürzt war:„ Ich habe Glühwein und Grenadine für uns bewert stelligt. Du gestattest doch!"
Der Biffkolo ließ unterwegs das Tablett, wie von einer Der Knopflaftwagen, das ganze Café, Statspieler, Meereswelle mitgeführt, aus der Tiefe weich in die Höhe stei- Meffinglüfter, Sammetbänke freisten wie eine Berg- und Talgen, wieder abwärts schwimmen und knirschend auf die bahn um Jürgen herum. Er wollte beiläufig feine schon in Marmorplatte auflaufen, ohne einen Tropfen zu verschütten. wenigen Jahren zu erwartende Wahl zum Bürgermeister er Die Grenadine schmeckt wie der Buchbedel der Biblischen wähnen und sagte trampfhaft gleichgültig:„ Es wäre jeßt viel
Die schon versinkende Sonne ließ noch Feuer aus den Fenstern der Stadt schlagen. Das sanftgewellte Land lag weit hingebreitet. Die fernen Wälder schienen nur handhoch zu fein. Der herauftönende Pfiff der Papierfabrik stieß die Arbeiter zu den Toren hinaus. Schon stand ein grüner Stern am Himmel. Liebespaare, umschlungen, gingen vorüber, der herauffommenden Sommernacht entgegen.( Forts. folgt.)