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Nr.45 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 22

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Sonntag, den 27. Januar 1924

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Poincaré im Kammersturm.

Paris  , 26. Januar.  ( WTB.) Die Besprechung der von der Re­gierung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Franten fturzes wird fortgefeßt. Nach einer unwesentlichen Rede des reaktio. nären Abg. Lacotte verliest der ehemalige Borsitzende der Repa­rationstommiffion Louis Dubois   namens der demokratisch- repu blikanischen Aragon  - Gruppe eine Erklärung, in der es heißt, die augenblickliche Krise des Franks sei unzweifelhaft auf das Ber. lagen Deutschlands   bei der Bezahlung seiner Schulden zurück zuführen. Die Erklärung erinnert daran, daß, um die Währungs­trise zu überwinden, das feierliche Versprechen durchgeführt werden

müsse,

Von Toten und Lebenden.

Zwischen Moskan und London  .

Heute wird in Mostau Lenin zu Grabe getragen. Der Streit der Meinungen, der jahrelang jeden Schritt diefes Mannes umbrauste, wird noch lange durch die Welt weiter stürmen. Sichtbar jedoch verengt sich das Pro­blem Lenins   und des Bolschewismus auf die Frage, was Diese elementaren Erscheinungen für Rußland   und den ferneren Often bedeuten. Wir werden ihnen nur dann ge­recht werden, wenn wir begreifen, daß die bestimmenden Kräfte der großen russischen Revolution aus den besonderen fozialen und fulturellen Berhältnissen Rußlands   erwachsen

find.

faßt, verständen. Juristen und Diplomaten wirkten aus der Er. fahrung, daß jeder Politik Gerechtigkeit und Recht zugrunde liegen muß. Diese Bolitit hat die Regierung befolgt, und von Ihnen verlangt, daß Sie ihr die Möglichkeit geben, fie fortzusetzen. Gegen unsere Bolitit ift eine heftige Dffenfive losgelaffen worden, welche der Borrebner gefliffentlich mit Stillschweigen übergangen hat. Ich möchte mehr die politischen als die finanziellen Angriffe in das rechte Licht sehen. Der Redner verliest darauf angebliche Dotumente, die in deutschen, namentlich in Nürnberger   Blättern erschienen feien. In diesen werde die Annahmeverweigerung und der Verkauf von französischen   Franken empfohlen. Anschließend daran gibt er Kenntnis von französischen   Agentenberichten auf tein Recht Frankreichs   aus dem Friedensvertrag zu aus Deutschland   über die franzosenfeindliche Propaganda, namentlich Columbus glaubte in Indien   gelandet zu sein, als er verzichten. einen Bericht des franzöfifchen Konfuls in Nürnberg  . Die So. Amerika   entdeckte. Dieser Irrtum hat seinem Ruhm nicht ge­Bürde man das tun, so wäre Deutschland   in der Lage, Frankreich   ialisten verlangen genaue Angaben über diese Schriftstücke. schadet. Lenin   glaubte der sozialistischen   Weltrepo­und England wirtschaftlich zu erdrücken und den Reranchefrieg vor- Es tommt zu heftigen Lärmszenen. Poincaré   und Blum geraten lution voranzuschreiten, als er die bäuerliche Kolonisation zubereiten. Es sei also eine wesentliche Sicherheitsbedingung für in einen Wortwechsel, der eine start persönliche Färbung an. Rußlands   und feine bürgerliche Revolution vollziehen Frankreich  , für die ganze Welt, von Deutschland   die Erfüllung der nimmt. Poincaré   stellt fest, daß seine Absicht gewesen sei, den Sozia- half. Diese Revolution ist noch nicht abgeschlossen: die Wirt­Don ihm eingeggangenen Verpflichtungen zu erlangen. listen eine unfreiwillige Unterstügung der ausländischen Geg Der sozialistische Abg. Auriol vertrit den Standpunkt, daß ner Frankreichs   zum Borwurf zu machen. Es gelingt ihm aber da- fchaftsform des Kapitalismus, die Staatsform der Demokratie, für die mehr oder minder große Stabilität der Währung weit weniger mit nicht, die Kammer zu beruhigen. Diese Auseinandersehungen der Kampf der Arbeiter mit den Mitteln einer freien Staats­der Ausgleich des Budgets als vielmehr der nationale Kredit führen schließlich zu einem Zusammenstoß zwischen dem Minister verfassung gegen die Rapitalsmacht das alles find Ent­im Ausland maßgebend sei, auf den wiederum die Außenpräsidenten und dem sozialistischen   Abg. Brade, dem Poincaré widlungsstufen, die Rußland   nicht übersprungen hat, sondern politit von größtem Einflusse sei. So spiegele sich in der Kurs zuruft: Unsere Angelegenheiten gehören zu denen, die draußen die noch vor ihm liegen. bewegung des Frants nicht so sehr die Lage der französischen   Finan- geregelt werden!" Abg. Blum stellt darauf fest, daß gen, als vielmehr die Meinung des Auslandes von einer Möglich. der Zwischenfall feit der Lösung der Reparationsfrage wider. Als der Redner auf die Praris der französischen   Exporteure hinwies, die ihre Forde rungen in Devisen nur zum Teil der franzöfifchen Wirtschaft zu führten, den Rest aber zur Anlegung von Auslandsgut. haben verwendeten, berief sich Ministerpräsident Boincaré auf bie Aeußerung eines Mitgliedes des Sachverständigen komitees, es gebe aegen diefes Berfahren feine Abhilfe, es sei denn die Stabilisierung der Währung: gerade diese Stabilisierung, die die Eachperständigen, davon sei er überzeugt, Deutschland   aufzwingen würden, gedenke die Regierung in dem vorliegenden Entwurf aus eigener Initiative zu erreichen.

biefe hätten seit dem genannten Zeitpunkt abgenommen und in dieser

Abg. Auriol führte weiter aus, daß die Sozialisten genau so wie die anderen Barteien um die Wiederherstellung des Frank merts besorgt feien und daß der Fall des Franken   am meisten den Arbeitern schade. Die Steigerung der Gehälter stehe in feinem Berhältnis zu der der Preise. Die Sozialisten würden sich den ver­brecherischen Manövern widersehen, die jetzt gegen den Franken  unternommen werden, nachdem man in Desterreich, Deutschland   und Ungarn   die Währung entmertet habe. Der Front falle feit dem 2pril 1922, obwohl die wirtschaftliche Lage des Landes fich feither verbeſſert habe und das Budget balanciere. Der Grund fönne nicht in ten wiedereintreibbaren Schulden liegen, denn auch Seit feien die zer ftörten Gebiete wiederhergestellt worden.( Boincaré ruft dazwischen: awohl, das Land hat feinen Reichtum vergrößert, aber der Staat ist verarmt.") Diefer Situation wollen wir abhelfen, fuhr Auriol fort, aber vor allem wollen wir die Verantwortung für diefe Situation aufdecken. Auch die Steuern, die wir im Jahre 1921 bewilligt haben, sind ohne Einfluß auf den Wechselkurs geblieben.( Poincaré   ruft dazmifchen: Selbft der Wechselkurs von 1920 fann nur eine Folge der Politit bon 1919 gewefen fein." Auf eine Bemerkung des früheren Finanzminifters Riog   antwortet Boincaré: Um den Franken  mider zum Steigen zu bringen, müssen wir das Defizit in unserem Budget ausgleichen. Das Steigen des Pfunds ist eine

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Folge der widerfinnigen Polifit von 1919). Auriol fährt fort, man fönne nicht übersehen, daß zur Seit der Ron­ferenzen von Cannes   der Dollar auf 12 Franken stand, und bei der Ankündigung der Konferenz von Genua   fogar auf 11 Franten herunterging. Nach dem Scheitern der Sachverständigen. verhandlungen ift er dann auf 15 Franken geftienen und feitbem numer weiter. Weiterhin fraat Auriol, welche Mittel die Regie. runa anwenden wolle, um die Einfuhr fremder Baluten nach Frant. reich herbeizuführen.( Boincaré erwidert, er fei bereit, in diefer Beziehung den Anregungen der finanziellen Sachverständigen zu entsprechen, aber diese hätten noch feine Lösung für die auf gemorfene Frane gefunden Die von der französischen   Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen würden die Stabilisierung des Franken perbürgen.) Auriol erklärt, der Hauptgrund der geradezu Patastrophalen Entmertung des Franken fei von Baris felbft ausgegangen. Nachdem der vossive Widerstand beendet war, habe man Porzohlungen von Deutschland   erwartet. Als diese ausblieben, habe sich die ganze Welt auf das Pfund und den Dollar gestürzt. Die Sostulation fei oefolat. und des Unalüd fei eingetreten.

Nach Auriols Ansicht follte die Bank von Frankreich denjenigen Industriellen, die ihre Devisen nicht nach Frankreich   bringen wollten, allen Kredit verweigern. Die Steuererhöhungen würden die Ron fumenten treffen, befonders wenn die Erhöhung der Eisenbahntarife hinzuträte. Eine solche Bolitit fönne nur das wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht Frankreichs   stören. Der

Ministerpräsident fel in der Geiftesverfaffung eines Juristen und Diplomaten befangen, der sich in die gegenwärtige Lage nicht hineinfinde. Die Repa rationsfrage fönne nur gelöst werden. der Frieden nur verwirklicht werden durch ufammenmirten der ganzen Welt. ( Der Abq. Louis Dubois   ruft dazwischen:" Deutschland   hat nicht gewollt!") Auriel verlonat möglichst baldige Neuwahlen. Danach ergreift Ministerpräsident

Poincaré  

das Bort und führt aus: Die Regierung fürchtet den Urteilsspruch Des Boltes nicht. Nach dem Borrebner fönnte man meinen, daß one Juristen und Diplomaten nichts von der Bolitit, wie er sie auf

Er habe Poincaré   unterbrochen folgendermaßen entstanden sei: mit dem Zwischenruf, daß er cuf den Wirtschaftsfrieg von Deutsch  land von vornherein hätte gefaßt fein müssen. Darauf habe ihm der Ministerpräsident zugerufen: Jawohl, ich war darauf gefaßt. aber ich war nicht darauf gefaßt, daß jemand in diesem Haufe den Wirtschaftsfrieg unterstüßen würde." unter erneutem Lärm versichert Boincaré ehrenwörtlich, daß er den Abg. Blum nicht gemeint hobe. Nachdem schließlich die Ruhe wiederhergestellt ist, fährt Boincaré in feiner Rede fort Er verliest Zeitungsartibi und Berichte über den guten Eindrud der bloßen Anfündigung der französischen   Sanierungsmaßnahmen. Der Wechselkurs werde von drei Faktoren bestimmt: dem psychologischen, dem wirtschaft. lichen und dem finanziellen. Der erste sei im vorliegenden Folle

das Manöver, das gegen Frankreich   Mißtrauen fäen sollte. Daneben hätten die um das Pfund Sterling beforgten Engländer Franken vertouft, um sich Dollars zu verschaffen. Auriol habe ge. fagt, wenn die Regierung zurüdfrete, würde sich der Franken  augenblidlich bessern. Es sei in der Tat möglich, daß der Rüd tritt der Regierung ein Steigen des Franken zur Folge hätte, aber diese Befferung würde nur scheinbar sein, und Frontreich wäre bald neuen Einschüchterungsversuchen ausgefeßt. Ein Zu rückweichen der franzöfifchen Bolitik würde von tatastrophaler Wir tung für Frankreichs   Wirtschaftsleben sein. Glüdlicherweise seien diese Möglichkeiten nicht zu befürchten.

Nach einer Unterbrechung der Sigung ergreift Abg. Le Cour Grandmaison das Wort. Nach einer Rede Auriols( Soz.) wird die Weiterberatung auf Montag vertagt.

Das tschechisch- französische Bündnis. Der zwischen Frankreich   und der Tschechoslowakei gefchloffene Bündnisvertrag wird jetzt in seinem Wortlaut veröffentlicht, der ben bisher gemachten Angaben entspricht. Der Vertrag charotteri fiert fich als eine lebereinfunft zweds Konservierung der europäis fchen Machtverhältnisse, wie sie durch die Friedensverträge geschaf fen sind. In einem Puntt geht er jedoch darüber hinaus, indem er Sie absolute Notwendigkeit" feststellt, über Moßnahmen übereinzu­tommen für Deuben Fall bes Berjuchs, die Hohenzollern   in Deutschland   wieder zur Herrschaft zu bringen. Der Fall ist rein atademischer Natur, denn die Arbeiter in Deutschland   werden schon dafür sorgen, boß es nicht soweit fommt. Die Franzosen und die Tschechen haben aber fein Recht, sich darum zu fümmern, wer in Deutschland   regiert, und selbst der Frieden von Bersailles bietet zu einer solchen Einmischung in die inneren Berhältnisse Deutschlands   keine Handhabe.

Lenins   Totenfeier.

Die Regierung Sowjetrußlands verbreitet folgenden Bericht: Morgen, Sonntag, um 2 Uhr nachmittags, zur Zeit der Be­stattung Lenins  , werden gleichzeitig auf dem ganzen Territorium Ser Sowjetunion Gewehrfalven abgefeuert, alle Fabriken und Betriebe falutieren mit Sirenen, die Eisenbahnen stehen fünf Mi nuten still, der Telegraph und die Radiostationen unterbrechen ihre Arbeit für fünf Minuten und geben überallhin die Worte wieder: Lenin   ist tot, aber sein Wert wird ewig leben." Das drahtlose Telephon spielt den Trauermarsch. In Mostau treffen massenhaft Delegationen aus der Broving ein. Der Zuftrom der Bauern nach Moskau   hat den Charakter einer Massenpilgerschaft angenommen. Es sind Maß­nahmen zur Unterbringung der Ankommenden getroffen. In Thea. tern, Rafernen usw. Entsprechend der Ankunft neuer Gäste wächst auch die Reihe der Tag und Nacht vor dem Grabe Defilierenden, die fich momentan auf mehrere Werft ausgedehnt hat. Bis jetzt find über 600000 Personen vor dem Earge gewefen. Die zahlreichen Kolonnen, die auf Einlaß warten, regeln selbst die Be wegung. Der Zugang ist für alle frei. Freitag nachmittag 3 Uhr legte der deutsche Gesandte Graf Brockdorff- Rangau einen Kranz im Namen ter bei der Sowjetregierung vertretenen Regie. rungen auf den Sarg nieder.

Lenins   tragischer Irrtum bestand darin, daß er Ruß­ land   als Europäer, Europa   aber als Russe sah. In der Er­hebung Rußlands  , des sozial am weitesten zurückgebliebenen, der tapitalistischen Entwicklung taum erschlossenen Landes, glaubte er jene Revolution erblicken zu dürfen, die Karl Marg auf Grund feiner englischen Studien für den Punkt der höchsten fapitalistischen Reife angekündigt hatte. Und daraus ergab sich als zweiter Trugschluß die Ueberzeugung, daß es möglich fei, mit dem russischen Hebel die ganze kapi­talistische Belt aus den Angeln zu heben. Das war ein Jrr­tum, und nur wenige Menschen, die denkenden Kommunisten miteingeschlossen, bezweifeln heute noch, daß es wirklich ein Irrtum gewesen ist.

die ein.

Die Sowjetregierung hat inzwischen die ganze konzen­trierte Staatsmacht eines großen Reiches daran gewendet, dem toten Führer eine Leichenfeier zu bereiten, wie sie die Erde noch nicht gesehen hat. Offiziöse Telegramme schildern ausführlich, wie sich um die Leiche Lenins balfamiert in einem gläsernen Sarg aufbewahrt werden soll­nicht ohne wohlwollende Förderung der sowjetistischen Be hörben eine neue Heiligenverehrung entwickelt. Diese Leichen­feier will zu der gläubigen Seele des weiten Rußland   in einer Sprache sprechen, die fie versteht, in der Sprache des religiös gestimmten Machtgepränges. Aber das ist nicht die Sprache des modernen europäischen   Proletariats.

Der offiziöse Bericht unterläßt nicht, die Huldigungen aufzuzählen, die von Vertretern fremder Mächte der Majestät des Todes dargebracht wurden. Mit besonderer Ausführlich feit wird dabei des Beileidsbefuches gedacht, den der Ge­fandte Afganist hans der Sowjetregierung abgestattet hat. Afghanistan  , das halbwilde unzugängliche Bergland, In( dien vorgelagert, ist schon von der Vorkriegszeit her der Schnittpunkt rufficher und britischer Weltreichsinter effen. In Rußland   lebt nicht nur der alte 3arentult, sondern auch die alte 3 arendiplomatie...

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Ein seltsamer Zufall hat es gewollt, daß an bem Todes. tag Lenins Ramsay Macdonald   den Auftrag über nahm, die erste britische   Arbeiterregierung zu bilden. In real­politischer Bescheidenheit hat er selbst die Bildung dieser Re­gierung, die in ihrem Bestand von den Liberalen abhängig ist, als einen Schritt auf einem weiten Weg be zeichnet. Ramsay Macdonald   wird nicht den Versuch unter­nehmen, sich aus dieser Abhängigkeit durch einen Gewaltstreich zu befreien, er wird nicht das englische Parlament mit Bajo­netten auseinandertreiben, wie es Lenin   mit der russischen Nationalversammlung getan hat. Denn die Zeiten der Tudors sind für England länger vorbei als für Rußland die der Romanows, und ganz England- die Arbeiter voran- wür­den die Berjagung des Parlaments nicht als einen Sprung ins Neue, fondern als einen Rückfall in eine barbarische Ver gangenheit empfinden. Nicht Gewalt tann die Bindungen der Arbeiterpartei lösen, sondern nur der erflärte Wille des Boltes, indem er bei einer späteren Wahl der Arbeiter­partei die verfassungsmäßige Alleinmacht verleiht.

Aus der Begrenzung ihrer Macht ergibt sich aber auch für die Arbeiterregierung die Begrenzung des Kreises der für sie lösbaren Aufgaben. Es wird die große Probe für die politische Reife der englischen Arbeiterklasse sein, ob sie diesen Zusammenhang begreifen und ihrer Regierung das Leben erleichtern wird, ob sie es verstehen wird, auf diese Weise flug eine Stufe nach der anderen in den harten, steilen Felsen zu schlagen, der zur Höhe emporführt.

Die deutschen   Sozialdemokraten bringen bem englischen Experiment und der neuen Arbeiterregierung gespanntestes Intereffe und lebhafteste Sympathie entgegen nicht nur,

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