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Nr. 63+ 41. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts Radio für alle?

Eine Angelegenheit, die mehr Förderung und weniger Engherzigkeit erfordert.

Das Radiofieber hat die Welt ergriffen. Auch Berlin ist nicht non ihm verschont geblieben. Der Handel mit Radioapparaten blüht, Radiozeitschriften werden vertrieben, Radiokorrespondenzen find gegründet worden und Radioklubs versuchen die Liebhaber des Funkwesens als Mitglieder zu gewinnen, um durch ein geschlossenes Borgehen die größtmögliche Funkfreiheit zu erringen. Seit dem Ende des vorigen Jahres haben wir in Berlin im Bor- Haus, Pots­ damer Str . 4, eine Rundfunksendeſtation, die jedem Rundfunk. lauscher, der seinen Apparat auf Welle 400" einstellt, Konzerte aller Art, Borträge, Markt- und Wetterberichte, neueste Nachrichten und zu guter Letzt auch noch die genaue Zeit übermittelt. Seitdem breitet sich das Radiofieber in Berlin immer weiter aus. Lokale bieten Radiokonzerte und Vorträge über das Funkwesen find stän­dig überfüllt.

Wie es anfing.

Ein

Die Radiotechnik wird selbst für den, der mit ihren Grundlagen vertraut ist, etwas Wundersames, Märchenhaftes behalten. größeres Bunder aber ist es, daß eine technische Leistung so die Menschen gefangen nehmen fonnte, wie es jetzt die drahtlose Tele­phonie und Telegraphie tut. Selbst die Begeisterung, die die Men­fchen ergriff, als fie fahen, wie Lenkballons und Flugmaschinen in den blauen Raum emporstiegen, fann sich nicht mit der meffen, die heute die Radiotecnit erweckt hat. Seit Jahrzehnten haben wir drahtloje Rachrichtenübermittlung. Die breite Deffentlichkeit nahm diefe Tatsache als etwas Gegebenes, etwas Selbstverständliches hin. Die übermittelten Morsezeichen fonnten bei der übergroßen Menge der untechnischen Zeitgenossen teine besondere Anteilnahme erweden. Erst ein Ereignis, das an sich gar nichts mit der Radiotechnik zu tun hatte, gab den Anstoß zu jener erstaunlichen Begeisterung, die mir heute erleben. Anläßlich des Bortampfes zwischen Carpentier und Dempsey in New- Jersey errichtete die Westinghouse Com­pagnie eine fleine Sendestation auf dem Borschlachtfelde. Alle Einzelheiten des Kampfes wurden drahtlos verbreitet, und die Zei tungen taten das Ihrige, um diese Nebenerscheinung des melt­erschütternden Bogtampfes bekannt zu machen. Mit einem Schlage wandte sich das öffentliche Intereffe der Radiotechnik zu Die im Jahre 1921 in Pittsburg errichtete Telephoniesendestation hatte Damals faum besondere Aufmerksamkeit erregen fönnen. Jetzt aber wuchsen Empfangs- und Sendestationen wie Pilze nach einem Regen empor. Bald wurden mehr als 2 Millionen Empfangs. stationen in den Vereinigten Staaten gezählt. Die Zahl der Sende. stationen war dort auf über 30 000 gestiegen. Die weitere Folge war ein heilloſer Radiowirrwarr. Eine Sendestation störte die andere. Biele fristeten mühselig ihr Dasein durch Berbreiten non Reflamenachrichten, die die Hörer natürlich nicht erfreuen fonnten. Sehr spät erst nahm sich die Gesezgebung dieser Sache an. Heute sind etwa 850 Gendestationen zugelassen. Aber ein großer Teil von ihnen tam bald nicht mehr auf seine Kosten und stellte den Betrieb ein, so daß heute nur noch etwa 450 Sendestationen ar­beiten.

Radio als Kulturträger.

fönnte.

den, daß sich über ganz Deutschland ein Rez von Sendeftationen breitet, das erlaubt, mit recht einfachem Empfangsgerät an den Rundfunkdarbietungen teilzunehmen. Damit taun der Rundfunk zu einem Kulturträger ersten Ranges werden. Bis heute aber hat es den Anschein, als ob die große Masse des arbeitenden Boltes von dieser Errungenschaft ausgeschloffen werden solle. Die Teil­nehmergebühr, die beim Bostamt mit einem Male zu zahlen ist, wurde von 25 auf 60 M. erhöht. Dafür erhält der Einzahler eine Lizenz, mit der er sich beim Kauf eines Radioapparates ausweisen muß. Die Preise der Radioapparate bewegen fich zwifchen 50 und 500 M. Es find also mindestens 60+50110 m. nötig, um die amtliche Erlaubnis zum Mithören zu erhalten, eine Summe, die für die meisten viel zu hoch ist. Andererseits lassen sich mit recht ge ringen Mitteln gute Empfangsstationen herstellen. Das teuerste an folch einer einfachen selbstgebauten Station ist der Kopfhörer, für den 10 bis 20 m. aufzuwenden sind. Jeder, der technisch nur einiger maßen vorgebildet ist, fann sich selbst eine Station bauen, die sogar den Anforderungen der Reichstelegraphenverwaltung genügen Als Antennen tönnen eiserne Baltons, nicht geerdete Regenrohre, eiserne Bettstellen, im Zimmer irgendwo unter gebrachyter Draht auch bei der Verwendung einfacher Empfänger mit Kristalldetektor, benutzt werden. In zahlreichen Fällen wird der Radiolauscher in seiner eigenen Wohnung unbemerkt eine Empfangsstation errichten und wenn er schweigen fann, ewig betreiben fönnen, ohne daß ihn irgend jemand zur Rechenschaft ziehen könnte. Ein solches Verhalten des einzelnen ist natürlich von feinem rechtlich Denkenden zu billigen, es sei denn, der Staat finan­zierte aus seinen Mitteln den Rundfunk und er wäre bestrebt, die Teilnehmerzahl ständig zu vergrößern, um möglichst das ganze Bolt durch Rundfunkdarbietungen zu unterhalten und zu belehren. aber zu dieser Großzügigkeit wird sich der Staat vorläufig nicht aufschwingen, obgleich es in seinem ureigensten Interesse läge. Der Staat sollte den Selbstbau von Rundfunkgerät grundfäßlich ge­statten, da er ihn ja doch nicht verhindern kann. Der Kauf von Zu­behörteilen möge dann von einer Genehmigung der Post abhängig gemacht werden, die jedem erteilt wird, der eine gewiffe, nicht zu hoch zu bemeffende Gebühr gezahlt hat und die dazu dient, den Rundfunk zu finanzieren. Der Boft möge ferner das Recht ein geräumt merden, die Empfangsstationen zu prüfen, um zu ver. hindern, daß unsachgemäß gebaute Apparate sich als Sender un­angenehm bemerkbar machen. Der Selbstbau von Apparaten sollte nicht an die Mitgliedschaft zu irgendeinem Radioflub gebunden sein. Ein folch weitherziges Entgegenommen würde die Zahl der Radio­zaungäste stärker vermindern, als alle Strafbeſtimmungen, die ja zum größten Teile doch nur auf dem Papier ständen. Abgesehen von den Rundfunkdarbietungen bringt die eingehende Beschäftigung mit der Radiotechnik aber noch anderen Gewinn: der Radioliebhaber, der sich mit den Grundlagen der Funktechnit beschäftigt, wird mit fast allen physikalischen Fragen in Berührung tommen. Sein Welt. bild wird sich erweitern, wenn ihn die Probleme des Aethers, der Elektronen, die Fragen von Kraft und Stoff beschäftigen. Der Be. griff der Fernfräfte wird ihm nicht nur verstandesmäßig, sondern auch gefühlsmäßig nähergebracht.

Borläufig scheinen wir in Deutschland von einer solchen den Interessen aller am besten entsprechenden Regelung noch recht weit entfernt zu sein. Vom 24. bis 26. Januar hat die Reichstelegraphen verwaltung mit Vertretern von Radiovereinen Richtlinien für die Regelung des Funtamateurwesens festgelegt, in denen zwar schon ein gewiffes Entgegenkommen des Reiches zu erkennen ist, das aber noch weit entfernt von einer wirklich befriedigenden Lösung ist.

In Deutschland ist es dem Radioliebhaber nicht so leicht ge­worden wie in Amerika . Die Reichspost wacht mit Argusaugen über das Telegraphengeheimnis und gab sich bisher alle Mühe, jeden privaten Funfverfehr zu unterbinden. Erst in den letzten Monaten hat sie ihre bisherige Stellung etwas geändert. Der staat­liche Funtverkehr war immer auf der Höhe, und gerade dieser Um­stand dürfte wesentlich dazu beitragen, den Widerstand gegen die Errichtung privater Empfangsstationen weiter zu dämpfen. Der Staat tann heute feinen drahtlosen Dienst unter Zuhilfenahme von Wo dürfen Gummifchlen aufgenagelt werden? Der Bolizei­Maschinenschnutelegraphen und Chiffriermaschinen so betreiben, daß das Telegraphengeheimnis ebenso gewahrt ist wie früher. Selbst präftdent weist darauf hin, daß auf Mariten bas Besohlen in dem Fall, wo ein privater Empfänger einen Schnelltelegraphen von Schuben mit Gummifoblen und Gummiabfägen nicht au­befäße, fönnte er dennoch nichts mit der chiffrierten Nachricht be laifig ist, da Gummifohlen und abfäße nicht zu den vom Be­ginnen. Die Reichstelegraphenverwaltung gab dann ihre 3uftim- airtsaussauß augelaffenen Wochenmarttartikeln geboren und ge­mung zur Einrichtung eines Wirtschaftsrundfunkdienstes, einer bewerbliche Leistungen auf Wochenmärften über­hördlich eingerichteten, zentralen Nachrichtenübermittlung auf draht losem Wege. Nun soll der Unterhaltungsrundfunkdienst, der von privaten Gesellschaften unter Benutzung von Sendestationen der Reichstelegraphenverwaltung eingerichtet wurde, so erweitert wer

19]

( Radbrud burch Malit- Berlag, Berlin .)

Der Bürger.

Don Leonhard Frank .

Schweinerei!" brüllte Jürgen, erwartete die 3immer revolution, sah die böse herausgedrückten Augen der Tante. Die Szene von früher wiederholte sich:

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Was hast du gesagt?"

" Ich habs doch nur gedacht."

" Du lügst mir wieder ins Gesicht hinein?" " Wenn doch diese verdammte Uhr endlich aufhören würde zu tiden!" Sie machte eine barsch abschließende Handbewegung und stellte die Häkelnadel senkrecht gegen ihn: Wenn du erst in Amt und Würden sein wirſt

Sein ganzer Körper wurde gemauerter Widerstand. Nie­mals! Ich studiere Philosophie.

Zuerst legte sie die Häkelarbeit weg, griff nach der Stiderei und stach langsam die Nadel von unten in den Stid rahmen, zog sie sentrecht hoch. Du weißt, dein Bater will..." Er ist ja tot. Tot!"

.. daß du Amtsrichter wirst."

Sein Gesicht verzog sich zu einer Lachfrage. Und in die Bause hinein gestand er: Ich studiere seit einem Jahre, studierte von Anfang an Philofophie. Ueberhaupt nie eine andere Borlesung gehört!"

Da faß fie aufrecht, faltete übertrieben ruhig die Hände im Schoß: In diesem Falle würdest du nicht einen Pfennig mehr von mir bekommen. Bon was also wolltest du leben?.. Philofophie? Was willst du denn werden?"

Er fah das Schäfchen auf dem Heiligenbilde an. Wer den?" Die Uhr ticte:" rich- tig, richtig.

Nun, was also?" Alle deine Schultameraden wissen langit, was fie merden wollen."

Plötzlich schlug feine Ratlosigkeit in But um. Er brach in die Knie, preßte beide Fäuste an den Hinterkopf und brüllte wild: Nichts weiß ich! Landstreicher werde ich. Ich gehe auf die Landstraße. Ein Gauner werde ich, wenn du mich noch länger quälft."

Der Aniende stierte auf die Krüppelfamilie, die grau, elend, schemenhaft vor der Dunkelheit stand. Auch den strofu

haupt nicht angeboten werben dürfen. Dagegen ift auf öffentlichen Stragen und lägen im Rahmen der Borschriften über den Straßenhandel und Straßenverkehr gegen das Benageln von Gummisohlen und abfägen nichts einzuwenden.

löfen Säugling auf der Mutter Arm sah Jürgen. Kniend rutschte er auf die imaginäre Gruppe zu und zur Tür hinaus. Erst oben in seinem Zimmer tam die Wut voll zum Aus bruch. Zuletzt riß er die Waschschüssel mit beiden Händen in die Höhe und schmetterte sie auf den Fußboden. Die Stirn blutete. Das Zimmer war verwüstet.

Allmählich wurde der vom Weinen Gestoßene still. Er saß, Arme verschränkt, Kopf darauf, am Tisch. Tränen und Speichel vermischten sich auf der Tischplatte. So blieb er hoden.

Plötzlich deutete er durch den Fußboden auf das Heiligen bild im Wohnzimmer und verlangte ausdrücklich: Das Lämm­chen muß dem Heiligenbild weggenommen und der Krüppel­familie vor die Füße gefeht werden."

Der arme Jürgen! Sei haben ihn so lange gequält, bis er irrfinnig wurde", ließ er Katharina Lenz fagen, ahmte eine Kinderstimme nach, schmollte trogig und meinerlich: Man muß das Lämmchen zur Krüppelfamilie tun."

Wie man ihn gequält hat! Jetzt ist der Arme irrfinnig," flagte Katharina.

Und er schauspielerte: Das Lämmchen gehört zu der Krüppelfamilie... Bäh, bäh, bäh!" Müdigkeit drückte des Erschöpften Wange auf die Tischplatte. Noch einmal hob er das von Tränen und Blut verschmierte Gesicht, rief trotzig und blöd: Bäh!" und schlief ein.

Da erschien, grün und aufgetrieben wie ein Ertruntener, der Vater hinter dem Stuhle, tippte Jürgen auf die Schulter und sagte leise und lächelnden, weitgeöffneten Mundes, so daß Dabet alle Zähne bledten:" Na, du schmähliches Etwas." drehte der Vater des Jahrmarktes rie " ge, pieltaufendstimmige Drehorgel, deren Töne fernher drangen durch den warmen

Herbftabend.

Der Kontakt im, Tunnel der Berg- und Talbahn funttio­nierte schon. Die Bude links neben dem Zaubertheater war mit Hilfe von Delfarbe in einen alten Stall umgewandelt, aus dessen Luke Heu hervorquoll. Der Kopf des mit kosmetischen Mitteln hergerichteten Pferdegesichtes" fah sehr abnorm aus.

Das Herz brüllte in das Riefenhorn, das Seidel hatte machen lassen: Hier ist zu sehen der Mensch mit dem Pferde­topf! Die größte Abnormität der Welt! Er frißt Heu wie Brot! Hafer ist ihm das liebste!... Man höre ihn miehern." Blies mächtig ins Horn, starrte, Hand am Ohr, ins Publitum: Aus der Bude erklang das brünstige Wiehern des Pferdegesichtes.

Donnerstag, 7. Februar 1924

Duftende Straßen.

3 Betlin redyt es jetzt gut. Nicht überall allerdings, nur in dieser und dann wieder in jener Straße. Und nicht nur am Kur­ fürstendamm und in anderen eleganten Quartieren, sondern auch da, wo Einfachheit und Armut haufen. Bertin ist bekanntlich in diesem Jahr mit Apfelsinen gefegnet, wie noch niemals. In allen Stadt gegenden und Straßen stehen die Handwagen mit den Früchten zwanzig Stüd für eine Mart und strömen ihren Duft straßab, straßauf. Aber nicht nur Apfelsinen und Mandarinen sind die Duft. Neben den Händlern mit diesen Südfrüchten haben sich träger. Saufierer etabliert, die warme Pfannkuchen feilbieten, zehn unb fünfzehn Pfennige das Stüd, und auch dieser Kuchenduft erfüllt die Straßen und steigt lieblich in die Nase. Das ist gewiß sehr an genehm für die Paffanten, und sind es arme Luder, die von diesen Herrlichkeiten nichts taufen und nach Haufe tragen fönnen, ver­mögen fie wenigstens gratis und franko eine Nase voll zu nehmen und es muß für sie reichen, daß sie wenigstens riechen dürfen, was die anderen verspeisen.

Aber man schaue sich einmal die Händler dieser Waren an. Meistens find es abgehärmte, blesse Gestalten in zerschliffener Klei­bung, bie weder der Kälte standhieft, die hinter uns liegt, noch vor dem Regen und Schmutzwasser dieser Tage genügend Schutz bietet. Es ist das ja überhaupt der traurige Zug der Zeit, daß so viele, die ohne Arbeit und Verdienst sind, als letztes Mittel zum Straßenhandel mit allen möglichen Gegenständen gegriffen haben. Noch niemals ist die Zahl der fliegenden" Händler in Berlin so groß gewesen, wie heute. Sie stehen nicht nur auf den Straßen, sie bestürmen auch die Bewohner der Häuser, und noch niemals sind einem so viele verlockende Angebote vor der Korridortür gemacht worden. deffen, das Angebot ist viel größer als die Nachfrage und die Kauftraft gerade des Publikums, an das sich die Hausierer und Händler menden, ist sehr gering. Andere Händler wieder haben es fich zur Spezialität gemacht, nur Behörden und Bureaus auf­zusuchen. Sie tommen meistens an Tagen der Gehaltszahlung, und manche von ihnen machen wohl auch Geschäfte, aber die meisten bieten vergebens an, denn der Andrang ist so groß, daß zu Stunden die Bureautüren nicht stillstehen.

In­

An einer Straßenede fonnte man unfängst folgendes beob­achten: Ein Händler mit Apelfinen und neben ihm ein Hausierer mit Pfannkuchen. Beide schon ältere Männer in beklagenswertem Auf­zug, mit Löchern in den Strümpfen und Stiefeln. Unaufhaltsam rauschte ein eiskalter Regen nieder und ein grausamer Wind fegte durch die Straßen. Und der eine der Händler flagte über seine Not, tlagte über die Kälte und daß keine Käufer fommen wollen. entgegnete der andere mit einem Optimismus, der etwas wahrhaft Erschütterndes hatte: Na, laß man, Mage! Nu jeht et ja uff's Frühjahr!" Und es war einem, als wenn die Straße plößlich dunkel würde, und die Apfelfinen und die Pfannkuchen dufteten gar nicht mehr.

Preistreiberei auf dem Buttermarkt.

Da

An­

Nachdem die Landwirtschaft erst unlängst durch eine gleichung" der Preise für Inlandsware" an die Preise für dänische und holländische Butter eine Herauffehung ihrer Milchprodukte er zwungen hatte, macht sich augenblicklich auf dem Buttermarkt eine Preistreiberei bemerkbar, der hoffentlich die Wucherbehörden und der preußische Staatsfommissar für das Ernährungswesen energisch entgegentreten werden. Durch den Umstand, daß der Preis für in­ländische Butter erst unlängst von 1,60 m. auf 1,80 m. heraufgefekt worden ist, wurde der in Abhängigkeit von der Butternotierung stehende Milchpreis ebenfalls erhöht, und so ergab sich die Tatsache, daß es für die Landwirte vorteilhafter wurde, Frisch­milch in die Städte zu liefern, anstatt die Milch zu Derbuttern, wie das bisher geschehen war. Durch diese Maßz­nahme wurde natürlich eine gewisse Knappheit der Butterproduktion herbeigeführt, die allerdings durch die reichlichen Zufuhren an Aus­landsbutter vollkommen ausgeglichen wurde. Die Landwirte mußten fogar befürchten, daß dänische und holländische Butter die deutsche Ware in noch stärferem Maße als bisher verdrängten und so beschloffen die Landmolkereien, die deutschen Butterpreise in die Höhe zu schrauben, um durch die gleichzeitig automa­tisch eintretende Erhöhung der Milchpreise den Verlust wieder einzu­bringen, der ihnen durch den Rückgang des Konsums an deutscher Butter zu entgehen drohte. So ist in wenigen Tagen der Preis für

Auch Jürgen, der außerhalb der Stadt auf der bewaldeten Höhe stundenlang am selben Flede reglos gelegen war und sich nach dreißig Schritten, gepeinigt von Unruhe und Rat­losigkeit, wieder in das Moos hatte fallen lassen, den Blick fernaus gerichtet, dem Flußlauf nach, in das weite Land, dem Meere zu, ganz und gar erfüllt von dem Wunsche, aller Last zu entlaufen, hinaus in ein Leben der Ungebundenheit, wurde auf dem Heimwege angezogen von den Drehorgelmelodien, Die, wie in der Knabenzeit, in ihm das Gefühl wieder er­wachen ließen, daß hier die Freiheit sei.

Das ist dasselbe Gefühl, das den sechsjährigen Sohn des Geheimrates sagen läßt: Ich will Droschtentutscher werden," dachte er und betrachtete den Stall. Rechts stand: Eingang; linfs: Ausgang. In der Mitte saß Leo Seidel vor der grünen Drahtgitterkasse.

Ihn jedoch hat nicht dieses Gefühl vor die Schaubude ge­setzt, dachte Jürgen, wollte schon durch die Menge durch, die drei Stufen hinauf, Seidel zu begrüßen, erinnerte sich in dieser Sefunde der Weltgeschichte und seines letzten Gesprächs mit Seidel und verliek den Jahrmarkt.

Seidel hatte Jürgen nicht bemerft; er war sehr beschäftigt. Wenn die Leute sahen, wie das aus der Lufe heraushängende Heu fich bewegte, siegte bei vielen die Neugierde, einen Men­schen mit einem Pferdegesicht beim Heufressen zu beobachten, so daß die Bude immer guten Zulauf hatte.

In der Hand die Rechnungen für Delfarbanstrich, innere Ausstattung, Riefenhorn und Stallmeisterlivree, die Das Herz trug, und im Kopfe die Idee, daß nur derjenige zu Geld tommen könne, der andere für sich arbeiten laffe, stellte der tapitalfräftige Seidel Herz und Bferdegesicht am Wochen­schlusse vor die Babl, entweder Mitinhaber zu bleiben und mährend der ganzen Meßdauer auf jeglichen Verdienst zu ver zichten denn diese Rechnungen müßten erst gewissenhaft be zahlt werden, ober alle mitinhaberrechte abzutreten und sofort Angestelltengehalt zu beziehen.

Erbe."

Das Herz fchrie:" Der Gewerbeschein war mein einziges Das Pferdegesicht erklärte, nicht jeder fönne feine Visage als Pferdefopf für Geld ausstellen, und jeden Tag bis Mitternacht Seu fressen, sei auch feine Kleinigkeit. Die grüne Drahtgitterkaffe, in der die Wocheneinnahme lag, flappte zu. Da wählten die beiden das Geld in die Hand. Seidel war Alleininhaber.

( Fortsetzung folgt.)