Nr. 71 41. Jahrgang
„ Nackttanz"-Schwindel.
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Beilage des Vorwärts
Borschriften machen dürfen. Nur mit der allmählichen, unabläffia neu versuchten Berfittlichung der Einstellung der Deffentlichkeit zum menschlichen Körper wird Schritt für Schritt auch der Jugend das reine, naive Verhältnis zu ihrer Leiblichkeit errungen werden fönnen. Der Kampf für die Sittlichkeit und die Jugend wird dabei stets ein Rampf gegen die Dunkelmännerei sein müssen. Diesen Kampf auch weiterhin mit Nachdruck aber auch mit Ueberlegung und unter richtiger Einschäzung aller Zeitverhältnisse zu führen. wird der Bund entschiedener Schulreformer fich angelegen fein laffen.
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Aus der unterirdischen" Arbeit der Kommunisten. Nach dem Verbot der Kommunistischen Partei sind bekanntlich schon mehrfach Kurierstellen ausgehoben worden. Unter der Befchuldigung, der verbotenen Kommunistischen Partei Borschub ge leistet zu haben, hatten sich vor der 6. Straffammer des Land gerichts I der Techniker Frizz M., der Hoteldiener Alfred B., der Schlosser Otto H., der Arbeiter Joseph P. und die Sekretärin Anna B. zu verantworten.
Bet den Versuchen, die in Berlin vorgekommenen Radtübungen mit Kindern gegen die städtische Schulverwaltung und den sozialistischen" Magiftrat auszuspielen, hat der deutschnationale Landtagsabgeordnete Kimbel nicht nur als Wortführer und erster Angreifer eine wichtige Rolle gespielt. Er hat auch da durch, daß er im Landtag die Nacktübungen als Radttänze" bezeichnete, ein Schlagwort in die Deffentlichkeit hineingeworfen, das die ganze Angelegenheit von vornherein in ein übles Licht rückte. In der Stadtverordnetenversammlung, deren Mitglied Herr Kimbel gleichfalls ist, haben die Deutschnationalen felber in ihrem Antrag den voreilig gebrauchten Ausdrud Nadttänze" vermieden und dafür die richtige Bezeichnung rhythmisch- gymnastische Uebungen" eingescht. Aber bürgerliche Beitungen, und nicht nur folche ganz rechtsfstehender Parteien, haben noch noch der Stadtverordnetenfizung, durch die sie über den Sachverhalt hinreichend befehrt sein konnten, an der Bezeichnung Nadttänze" hartnädig festgehalten.„ Nackttänze" ja, das ist doch ein Wort, das sich als sensationell mirtende Ueberschrift verwerten läßt, weil es an das Treiben gewiffer Kreise erinnert, denen der Nackttanz ein Sinnentigel ist. Nacktiänze" das ist, wie der Berfiner fagt,„ gerade was Schönes", weil man damit einer gläubigen Leserschaft so recht vor Augen führen kann, was für eine„ vertommene Gesellschaft" diese Sozialdemokraten sind. Bon Berlin aus geht der Schwindel in die Provinz, Tausende von Blättern und Blättchen verbreiten ihn, teils in gutem G'auben, teils in böswilliger Abficht zum 3med der Wahlmache und nun weiß man's dort, wie es in dem fozialistischen Berlin zu geht. Eine Probe des heißen Bemühens, für die„ Nadttänze" die Sozialdemokratie verantwortlich zu machen, liegt vor uns in einem Artikel, den ein in der Ost priegnig erscheinendes Blättchen veröffentlicht. Bei dem Verfasser wollen wir den guten Glauben annehmen, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Bas foll annehmen, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Was soll man aber dazu sagen, daß er die Nackttänze", von denen er gläubig erzählt, auch zum Anlaß nimmt, gegen die Arbeiter Lurn und Sportverbände loszuziehen und die von ihm gewaltungsbezirte, u a. ein Ressort für Ernährung, eine Abteilung priesene Deutsche Turnerschaft" in empfehlende Erinnerung zu bringen? Mahnend und warnend flagt er, daß eine solche Ent. artung der Leibesübung nicht die Grundlage der Befreiung Deutsch lands sein könne. Der nur mit einem Anfangsbuchstaben unterzeichnete Berfaffer soll der deutschnationale Vorsitzende eines MännerTurnvereins sein, der im Ort besteht und zur„ Deutschen Turner schaft gehört. Das Bedürfnis, durch diesen Artikel für Deutsch lands Befreiung zu wirken, wäre bei ihm begreiflich. Im Kriege soll ihm das nicht nach Wunsch möglich gewesen sein, weil er leider unabkömmlich war.
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Der Vorstand des Bundes entschiedener Schul. reformen. Bezirksverband Groß- Berlin, erklärt zu dem Streit um die gymnastischen Radtübungen, die der Lehrer Adolf Roch mit Schülern und Schülerinnen veranstaltet hat, daß er von den reinen und fachlichen Absichten Kochs voll überzeugt ist, daß er es nleichfalls für in der Seche begründet hält, daß ernste Körper. rhythmit nur bei llebunnen des un befleideten Körpers ihre Biele erreichen kann, daß er andererseits die wohldemagogischen Anritse und Berzerrungen. die die fraglichen Vorränge durch nationalistische und zelotische Kreife erfuhren, aufs fchrofffte ablehnt und verurteilt. Jedoch verhehlt der Vorstand nicht, daß er es( wie bisher schon) ano fichts der Mentalität der Peit insbesondere der Beschränktheit und Unwohrhaftigkeit vieler Kreise, die dem Bolte angeblich Sittfichkeit und Frömmigkeit erhalten wollen, für eine, wenn auch gutgemeinte Uebereilung erklären muß, wenn man schon heute die beiden Geschlechter und verfchiedene Altersstufen zu Nacktübungen vereinigt. Es wird einer langen Läuterung des Volksempfindens bedürfen, bis die Deffertlichkeit das ertragen fann, ohne ihre innere Unfauberteit auf jene reine Natürlichkeit zu übertragen. Borläufig werden die Erwachsenen mit ihrer lüfternen Auffaffung vom Leibe immer wieder die Jugend infizieren. Deshalb heißt es zunächst der Soche der nefunden und schönen Körperentwicklung dadurch zu dienen, bak man die Nadiübungen nach Geschlechtern und Afters. stufen getrennt vornimmt. Anders steht es z. B. bei fommerfichem Baden im Freien wie es die Gelegenheit ergibt. Da wird fo wenig wie etwa in Standinavien Brüderei reiner Natürlichkeit
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„ Das wäre der erste Fall dieser Art," entgegnete un gläubig der Ingenieur. Der Mann hat aus ganz offensicht lich politischen Motiven den Polizeipräsidenten erschossen." Ich kann ihn doch nicht fragen: Was soll ich tun, um die Welt zu erlösen? dachte Jürgen.
" Und politische Verbrecher werden bekanntlich nicht ausgeliefert."
Der Hilfsredakteur legte das Brot weg, ergriff ein Bapter. Es ist eine amtliche Depesche, in der das Attentat als gemeines Berbrechen dargestellt wird. Uebermorgen mird er von hier abtransportiert zur Grenze."
Am 7. Dezember v. J. wurden die Angeklagten in einem Restaurant durch Bolizeibeamte festgenommen. Bei M. wurden mehrere Zettel gefunden, aus denen die Polizei entnahm, daß Frig M. für die verbotene Kommunistische Partei tätig gewesen war. Bei den anderen Angeklagten wurden Batete mit Nummern der " Roten Sturmfahne“ und kommunistische Flugblätter gefunden. Die Angeklagten bestritten, daß sie nach dem Verbot vom November noch für die Kommunistische Partei tätig gewesen seien. Es habe sich darum gehandelt, Esmarten der Internationa len Arbeiterhilfe auszugeben, die an Arbeitsloje ohne Unterschied der Partei und der Konfession verabfolgt wurden. Bon besonderem Interesse war das Gutachten des Bolizei. rates Hennig. Die KPD , so erklärte er, war vor dem Berbot im Reich in 26 Bezirke eingeteilt. Der Bezirk Berlin hatte 20 Unterbezirke, die wieder in Gruppen und Abteilungen zerfielen und zu= lezt fogar durch Zehner und Fünfergruppen die Mitglieder zu erfaffen fuchten. Auch nach dem Berbot ist diese Organisation weiter aufrechterhalten worden. An Stelle der Gesamtpartei ist ein Direftorium getreten, das nicht gewählt, fon. bern gestellt wird und sich aus sich selbst ergänzt. Es bestehen Verfür Zerfeßung der Reichswehr - und Schuhpolizei, eine Abteilung für Waffenbeschaffung. Eine besondere Abteilung beschäftigt sich mit der Erfassung des Post-, Telegraphen, und Funkendienstes. Die Militärabteilung fezt sich aus den proletarischen Hundertschaften zufammen, welche jetzt Ordnungsdienst" heißen. Gegenwärtig ist die wichtigste Abteilung der Kurierdienst, der, schon früher vorbereitet, iebt bis in die kleinsten Einzelheiten ausgearbeitet und erweitert wird. Die Internationale Arbeiterhilfe ist nicht als eine rein faritative Einrichtung ohne politischen Einschlag zu betrachten, denn sie ist seinerzeit von dem Erefutiotomitee der 3. Internationale in Mostau begründet worden. Neben der Hilfeleistung wird tommunistische Bropaganda betrieben. Rechtsanwalt Dr. Weinberg verwies den Sachverständigen darauf, daß an der Spitze der Internationalen Arbeiterhilfe auch fozialdemofratische Reichstagsabgeordnete ständen, worauf Polizeirat Hennig erwiderte, daß es auch harmlose Ideologen gäbe, die den 3 wed der IAH. nicht begriffen. Rechtsanwalt Weinberg: Ist es dem Herrn Zeugen bekannt, daß an der Spiße der JAH. auch Romain Rolland , Henri Barbusse und Profeffor Einstein fomie Marim Gorfi fteten? Beuge: Harmlose Leute sind mit ihrer Unterschrift unter jedem Aufruf zu betemmen. Wir ha ben den Antrag gestellt, auch die Internatio nale Arbeiterhilfe zu verbieten. Aus welchem Grunde es das Wehrkreiskommandó noch nicht getan hat, weiß ich nicht. Staatsanwalt Dr. Burchard war der Meinung, daß es der Polizei gelungen sei, eine fommunistische Kurierzentrale auszuheben. Man habe nicht erwartet, daß das Verbot den Tod der APD. herbeiführen werde. Tatsächlich gehe sie unter. irdisch weiter. Der Staatsanwalt beantragte gegen die Angeflagten Gefängnisstrafen von je einem Monat. Rechtsanwalt Dr. Weinberg wandte sich scharf gegen diesen Antrag. Es sei nicht erwiesen, daß die Angeklagten für die Kommunistische Partei gearbeitet hätten. Somit tönne nur auf Geldstrafe erfannt werden. Man müsse fich fragen, weshalb nicht gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei , die genau so wie die KPD. weiterarbeite, in derselben Weise Anflage erhoben würde. Das Gericht sprach daraufhin P. frei und verurteilte die anderen Angeklagten zu je 150 Goldmart Geldstrafe. Bon einer
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Wenn Sie sich dessen nur auch späterhin bewußt bleiben! Dann ist es ganz gleich, welchen Beruf Sie wählen. Wichtig ist dieses Bewußtsein. Möchten Sie das nie vers geffen.
„ Das Bewußtsein?"
" Der Mensch fann auch sein Bewußtsein, nämlich das, was der in der Jugend, als noch Protestierender, schon erfannt und sogar tief empfunden und erlitten hatte, mit den Jahren vergessen."
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Jürgen lauschte hinein in sein dunkles Gefühls- Ich.„ Er tann, ich verstehe Sie schon, in eine gefährliche Schicksals paufe hineinschlingern, ja? und in dieser Schicksalspause den Kampf aufgeben: alles verraten, was er erstrebt hatte.
Der Agitator steckte die Uhr ein.„ Höchste Beit! Sie fommt nicht mehr. Wahrscheinlich ist sie von der Redaktion aus direkt ins Paradies" gefahren... Ungefähr das meine ich. Schicksalspause... Wie die das Mädchen ausnügen! Wie die das Mädchen ausnügen!
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Dienstag, 12. Februar 1924
Gefängnisstrafe wurde Abstand genommen, weil die Angetlagten nicht aus ehrloser Gesinnung gehandelt hätten.
Frauenmord in der Lynarstraße.
Eine 52jährige mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Am Montagnachmittag wurde in der sechsten Stunde in bein Hause Lynar str. 13 die 53 Jahre alte Frau Riara Lieban in ihrer im zweiten Stock des Hauses belegenen Wohnung im ent tleideten Zustande fie war nur mit Strümpfen befleidet mit einer tiefen Stichperlegung in der linten Halsseite und mit mehreren schweren Verletzungen im Border- und Hinterkopf in einer großen Blutlache neben dem Bette liegend tot aufgefunden.
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Die Frau, die dort seit Jahren wohnt und sich in der letzten Zeit als Botenfrau für eine auf dem Wedding belerene Likörfabrik betätigte, war am Montag morgen um 7 Uhr wie gewöhnlich aus dem Hause gegangen und noch von verschiedenen Bewohnern gesehen worden. Am Abend ist, nachdem ein bei der Frau wohnender Aftermieter nach Hause kam, diesem aufgefallen. daß die Frau sich nicht ihrer Gewohnheit entsprechend meldete. Das veranlaßte ihn, in dem Schlafzimmer der Frau nach ihr zu forschen, und er fand fie in dem oben beschriebenen Zustande dort vor. Die benachrichtigte Polizei sperrte den Tatort bis zum Erscheinen der Mordkommission und der Kriminalpolizei ab. Der Leiter der Berliner Kriminal fich sofort an den Tatort. Gerichtsarzt Prof. Dr. Störmer stellte Man vermutet, daß es sich hier die tödlichen Verletzungen fest um einen an der alten Frau begangenen Luftmord handelt. Die Beamten der Mordkommission haben sofort an Ort und Stelle die Nachforschungen eingeleitet. Es ist aber bis zur Stunde noch nichts ermittelt worden. Nach dem Gutachten des Professors Dr. Störmer muß die Tat in den frühen Nachmittagsstunden begangen worden sein. 3weddienliche Mitteilungen, wofür eine Belohnung zugesichert wird, nimmt die Kriminalpolizei( Krlminalfommissar Dr. Riemann) entgegen.
polizei, Oberregierungsrat Hoppe, und die Mordkommission begaben
Die Volksgesundheit in Gefahr.
In der Aerztetammer berichtete Profeffor Dr. Bennhoff über den Abbau gefundheitlicher Einrichtungen. Indem er warnend auf die der Volksgesundheit drohenden Gefahren hinwies, führte er etwa folgendes aus:
Seit dem Kriege ist das öffentliche Gesundheitswesen in Deutsch . land ganz erheblich zurückgegangen. In zahlreichen Orten Deutsch lands hat man die Ausgaben für die Ausbesserung der Wafferleitungsschäden gescheut. oder man hat in der Milchkontrolle nachgelaffen. Die Folge davon ist ein solches Umsichgreifen der Typhus. erfrankungen, daß Preußen z. B. die höchsten Zahlen in ganz Europa hat. Die Zahl der Krankenhausbetten ist in Deutschland um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Seit dem vorigen Jahre sind die Bläge in Lungenheilstätten um 4000 vermin dert worden. Die Lungentuberkulose aber nimmt so zu, daß die Sterblichkeit in Berlin schon bald wieder den Stand der bösen Kriens jahre erreicht hat. Die Berliner Krankenhäuser sind verstopft, zum großen Teil mit fiechen Greifen, die anderwärts nicht unterzubringen find. Da, wo früher Einheitlichkeit des Gefundheitswesens herrschte. im Bereich der alten Stadtgemeinde Berlin , ist ießt Zerrissenheit. Jeder der sechs Bezirke hat nicht geruht, bis er seine eigene Gesundheitsverwaltung hatte. Wo früher der Stadtmedizinalrat von Berlin die Berantwortung trug, entscheiden fezt nebeneinander sechs verschiedene Bezirksstadträte In der Zentrale der Seuchenbekämpfung und vorbeugung, dem Hauptgesundheitsamt Berlin , wird so abgebaut, daß die Wasseruntersuchungen auf ein ganz geringes Maß eingeschränkt werden. Sonar die Milchunterluchungen und die Untersuchungen der Nahrungsmittel für die städtischen Anstalten find in Frage gestellt. Diphtherieschwestern gibt es nicht mehr, Schulschwestern gibt es viel zu wenig, obwohl schon wegen der zu.
nehmenden Berlaufung der Kinder ihre Zahl vervielfacht werden müßte. Das Badewesen ist in erschreckendem Rückgang. Die Zahl der privaten Badeanstalten ist in Deutschland auf weniger als ein Viertel herabgefunken, öffentliche sind vielerorts geschlossen, teilweise sogar gewerblichen Zweden zugeführt. Auch an den Spiken will man abbauen. In furzem geht der Direktor der preußischen Medizinalabteilung in den Ruhestand. Es ist fraglich, ob ein Nachfolger ernannt wird. Den Stadtmedizinalrat von Berlin gibt man für älter aus, als er ist. Man will seine Stelle nicht wieber belegen. Der Stadtmedizinalrat von Neukölln, Dr. Silberstein, be
Kampfe um die Verwirklichung des Sozialismus, Seite an Seite mit der Arbeiterklasse, finden tann... Das gilt auch für Sie persönlich. Alle anderen Befreiungs- und Erlösungsideen sind Nebel und Wolfen in verschiedener Beleuchtung und werden von der bürgerlichen Front glatt verdaut, ja, von ihr selbst gestartet und als Fangangeln ausgelegt."
Erst in dieser Sekunde, da er das echte Interesse des Agitators fühlte, erkannte Jürgen, doß es anfangs nicht ganz echt gewe'en war. Das erstemal in meinem Leben, dachte er, gibt ein ernstzunehmender Mensch mir einen ernstgemeinten Rat, und ich weiß mit diesem Rate nichts anzufangen. Ber stehe ihn gar nicht. lleberführung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum? Er hätte ebenso gut fagen fönnen: Der Inhalt des Idealismus eines jungen Menschen unserer Zeit fann nur darin bestehen, daß er lernt, ohne Führer den Montblanc zu besteigen oder das Baterunser von rüdwärts zu beten. Jürgen war ernüchtert.
,, Aber so erstice ich eines Tages noch in diesem zähen Muß die Artikel schreiben und die Zeitung dann auch noch gefinnte bürgerliche Jugend steht und fämpft gegen die
Sumpf, wenn nicht etwas geschieht." " Ich werde noch vor Mitternacht eine Notiz über den Fall „ Ich in die Redaktion schicken für die morgige Nummer."
Der ist mitten drin in der Umsturzbewegung, dachte, plöß lich entflammt, Jürgen und fah leuchtenden Blickes den In genieur an. Bielleicht können Sie mir doch raten, was ich beginnen foll," fagte er, als ob er das, was er nur gedacht hatte, ausgesprochen hätte. Einen Weg zeigen! Ich tue alles. Ich bin nicht feige!"
Der durch viele Bublikationen im ganzen Lande bekannt gewordene fozialistische Agitator, vor dem fchon öfters ideafistisch gefinnte junge Menschen gefeffen hatten, im Blid die Frage, was sie mit ihrem Idealismus anfangen follten, fragte mit mehr Intereffe im Ton, als er hatte: Haben Sie schon Arbeiterversammlungen besucht?" und lehnte seine Taschenuhr gegen das Tintenfah.
„ Ich nicht. Aber mein Bekannter! Er hatte eine Siedlung gegründet. Jetzt ist er Mitglied der sozialistischen Bartei, und da wird er wohl..." fagte Jürgen und erröbete tief, als er fah, daß der Agitator ein Lächein nicht ganz unters brüden fonnte.
„ Die Siedlung war vollkommen fommunistisch... Auch diese Siedler konnten es einfach nicht ertragen, das Leben, fo wie es ist... Alles zusammen, das Ganze! ist ja eine ein zige ungeheuerliche Niederträchtigkeit."
verkaufen."
,, Dann kommt das Geldzusammenscharren. Und wenn
dann einer eine Zeitlang tüchtig, das heißt: brutal genug und nur auf seinen eigenen Borteil bedacht war, ist er husch, die Lerche! wie mein Schulfreund sagt auf Roften unterdrückter Elendsmenschen ein geachteter Mann."
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Aus solchen geachteten Männern besteht die herrschende Klaffe."
Ich habe nämlich erfahren, weshalb Ihnen gekündigt wurde. Sie find Sozialiſt?" Und ob er ihn noch ein Stüd begleiten dürfe. fragte Jürgen auf der Straße. Gie glauben alfo, daß im Sozialismus alles von Grund auf besser werden würde?"
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Der Agitator sprang auf die anfahrende Straßenbahn Ich glaube, daß jede Zeitepoche in sich ihre durch den Stand der Produktionskräfte bedingte Aufgabe trägt, die zu erfüllen der zeitbedingte Inhalt des Idealismus aller Kampf- und Opferbereiten ist, und daß die Aufgabe unferes Jahrhunderts in der Abschaffung des Brinateigentums an den Produktionsmitteln besteht, in der Ueberführung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum, in der Berwirklichung des So zialismus auf dem Wege des Kloffenkampfes
Und was
die idealistisch gefinnte bürgerliche Jugend unseres Jahrhunderts anfangt, glaube ich, daß sie den wahren, weil zeitbedingten, Inhalt ihres Idealismus eben auch nur in dem
„ Tatsächlich aber geschieht das Gegenteil: Die idealistisch Arbeiterklaffe, gegen die Verwirklichung des Sozialismus, und damit gegen den nächsten großen Schritt zur Befreiung der Menschheit, gegen des Menschen nächsten Schritt zu fich felbft. Diefe Jugend erkennt ihre Aufgabe nicht und gerät deshalb in die tollsten Berirrungen." So allmählich, wie die Trambahn den Brachtstraßen, dem Bruntviertel entrückt und in die Elendszeilen der verluderten, nadten Mietstafernen vorgerüdt war, hatten die autgefleideten Fahrgäste für schlechtaekleidete den Wagen geräumt, der nun, überfüllt mit Arbeitern und Fabrifmädchen, feine fchmukige Ladung weiterschleppte durch das Viertel, wo die Not stand in ihrer ganzen Größe. Hier rollten feine Gummiequipagen, feine Autos mehr. Der Barfümbuft gepflegter Damen war niedergeschlagen und aufgefressen worden von dem dicken Schweißgeftant der Armut. In dem Magen, wo noch furz vorher meiße und frische Gefichter mondgleich geSchienen hatten, hingen jekt graue Antlige im Dunft, hautüberzogene Schädel mit tief in die Höhlen versunkenen Augen, die blickten.
Zwei Menschheiten: eine Menschheit war ausgestiegen; die andere Menschheit war eingeftiegen.
Ein winziger, ganz weißer Schokbund, von einer veraeklichen Date im Wagen zurückgelassen, hefam irrblickende Augen und bellte die fremde, die andere Menschheit an. ( Fortsetzung folgt.)