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Ferne verliert, desto unvermeidlicher wird hier eine Scheidung| internationale Arbeiterpolitit immer mehr in ein Instrument| Kommunisten irgendwelchen Sinn hat, ist auch zweifelhaft. zwischen den anarcho- syndikalistischen Elementen auf der nationalistischer Regierungsdiplomatie Sie bemühen sich jedenfalls mit ihrem Tamtam nach Kräften, einen, den Opportunisten, wie sie Sinowjem bezeichnet, auf verwandelt. der Reaktion Wasser auf die Mühle zu leiten. der anderen Seite. In der Mitte bleibt dann ein unentschlos fener Sumpf", der im Kampf der beiden extremen Flügel Wulle kann schreiben. aufgerieben wird. Bei jedem Ausbruch revolutionärer Stim­mungen siegt die Linke", beim Abflauen der Welle die " Rechte". Der Kampf dieser beiden Strömungen, der rein utopistischen und der realistischer Eingestellten, führt zu Ab­splitterungen und Spaltungen.

Der Mißerfolg der versprochenen" deutschen Revolution rückte in den Mittelpunkt der Tagesaufgaben eine mehr oder minder radikale umwertung aller Werte". In welcher Rich tung wird diese Umwertung in Moskau vollzogen werden? Welche Konsequenzen für die Zukunft ergeben sich aus den tragischen Ereignissen in Deutschland ?

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Wenn der neue Linkskurs der Kommintern nicht ein bloßes Fraktionsmanöver ähnlich dem neuerdings in Mos­fau durchgeführten Feldzug gegen die Bourgeoisie" oder eine eigenartige Aftion zur Forderung der diplomatischen Berhandlungen betreffend die Anerkennung Sowjetrußlands durch die auswärtigen Mächte darstellt, wird er noch weitere Uneinigkeit in die Reihen des internationalen Proletariats hineintragen.

Es ist aber taum anzunehmen, daß der mit Begeisterung propagierte Linkskurs in den kommunistischen Parteien des Westens so glait aufgenommen werden wird, wie sich das Sinowjew varstellt. Der neue Kurswechsel der Kommintern wird den Prozeß der Zersehung und des Zerfalls der ihr an­geschlossenen Parteien zweifellos beschleunigen. Es mag der Erefutive gelungen sein, die Hochzeit der Linken mit dem Sumpf in der deutschen Kommunistischen Partei zu bewerk­stelligen und die rechten" Führer Brandler und Thalheimer durch Ruth Fischer und Maslow zu ersehen. Auch dies ist nur ein Pyrrhussieg. Der Zerlegungsprozeß des Kommunis­mus wird mit unabwendbarer Konsequenz weiter fortschreiten.

3m Kampf gegen die Opposition entschloß sich der sieg reiche Parteiapparat zu einem entschiedenen Lintsturs auf dem Gebiet der internationalen Bolitik. Auf diese Weise versucht man, die Opposition von links unmöglich zu machen. Da sich die Opposition auf innenpolitischem Gebiete als die Linke der Partei hinstellt, soll ihr Opportunismus, ihre Rechtseinstellung in internationalen Fragen festgenagelt werden! Ans Tageslicht damit!, fagt Ginowiew, der neueſtes Stellvertreter Lenins . In internationalen Fragen habe die Opposition, behauptet der Allgewaltige, eine gefährliche, flein­bürgerliche Rechtsintention. In der Außenpolitit, sagt er, möchten Radet, Trozki und Kraffin wer weiß was für ver hängnisvolle zugeständnisse an das internationale Kapital machen, um ja die Anerkennung nebst Krediten zu erlangen. In der internationalen Arbeiterpolitik besorgen sie die Ge­schäfte der Zweiten Internationale, unterstützen sie die Rechts strömungen in den kommunistischen Parteien des Westens. Die Opposition hat eine Niederlage erlitten, der Links­furs triumphiert. Nach der Rede Sinowjews zerstreuen sich alle hinsichtlich der Einheitsfront" gehegten Illusionen. Die Fahne des Putschismus, des Seftierertums und der Spal tungspolitik ist erneut aufs Panier gehoben. Schärffter Kampf gegen die Sozialdemokratie! Rieder mit den Kompromissen! Die Taktik der Einheitsfront, wie sie in der sächsischen Koalis tion ihren Ausdruck fand, ist nach Sinowjem nichts als eine " banale parlamentarische Bosse". Für die Erekutive der Kommintern ist die Taktik der Einheitsfront nur eine Agitationsmethode.

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" Die Sozialdemokratie ist ein Flügel des Faschismus, und daraus ergibt sich unsere Taktif... Sind die Sozial­bemokraten zu einem Flügel der Faschisten geworden, dann müssen wir ihnen an die Kehle springen!"- Also sprach Sinowjew . Nach seiner Auffassung ist der Faschismus ein Agglomerat aus Reaktion und sozialer Demagogie. Was an fich eine ziemlich richtige Charakteristik auch der Partei wäre, die alle politischen Freiheiten vernichtet hat und, um mit dem felben Sinowjew . zu sprechen, durch die Aufpeitschung der Instinkte der nichtbefizenden Klassen" zur Macht gelangt ist. Für die weniger Einsichtsvollen möge folgendes fatale 3u sammentreffen als Beispiel dienen. In demselben Augenblic, wo sich die roten Armeen rüsteten, um der deutschen Revolution zur Hilfe zu eilen, wo die deutschen Kommunisten unter An­leitung von Moskauer Agenten den Generalstreif und ben be­waffneten Aufstand in Szene zu sehen sich bemühten, wurden im perheißenen Land der proletarischen Diktatur sich spontan über das ganze Gebiet der Republik ausbreitende Streits rück fichtslos und ohne Erbarmen von den verschiedenen Organen des roten" Heeres und der politischen Polizei niedergeworfen. Es genügt dieser Hinweis auf das doppelte Maß, mit dem bte russische Kommunistische Partei das eigene entrechtete und verelendete Proletariat auf der einen Seite behandelt, um auf der anderen Seite die deutschen Arbeiter zur Niederlage zu treiben. Hierin sehen wir zugleich ein bitteres historisches Paradoxon: die äußerste Linke der europäischen Arbeiter bewegung, die die utopisch eingestellten Massen umfaßt, steht unter Borherrschaft einer Partei, die unaufhaltsam den Pro­zeß ihrer tapitalistischen Umgestaltung durchmacht und ihre

Hermann Stehr .

Geb. am 16. Jebr. 1864.

Von Willibald Omankowski. Wenn Hermann Stehr heute 60 Jahre alt wird, steht er mit seinem dichterischen Wert, das die Zonen Dostojewskis streift, vor einem Bolte, das ihn nicht kennt, obzwer er in der Sprache dieses Bolkes dichtete und schrieb. Denn es ging lieber zu anderen, zu Rudolf Herzog , zu Straß, zu Ganghofer, Otto Ernst , Tovote und Presber; von den unzähligen Eintagsfliegen gar nicht zu reben. Und das ist bei dem Kulturzusland eines Bolles nicht verwunderlich, deffen literarisch- tünstlerische Erziehung bei meist grauenhaft unge­bildeten Lehrern begann, das dann weitere Nahrung fand in Litera­turhandbüchern, die auf die Heiligen der Tradition hinweisen, und das schließlich in dem Unterhaltungsteil der Generalanzeigerpresse feine einschlafenden Geister auffrischte.

Nun hat aber diefer Hermann Stehr weder Billen und Fähig zu unterhalten, noch bietet er schöne Geschichten". Er führt femme Leser durch die verschlungenen Stollenwege der menschlichen Seele an den Herzschlag der Welt heran, und was es da zu sehen gibt, das find Rätsel voll dunkler Qual; was es da zu hören gibt, das sind Seufzer und Schreie aus tiefster Not. So wird es ver­ständlich, daß Stehr trozdem unbeachtet blieb, und es hat symbolische Bedeutung, daß die Literaturpolizisten, des deutschen Boltes gleich das erste Buch Stehrs, die Erzählung Auf Leben und Lod" bis auf die Drudplatten vernichteten.

Stahlhelm hat Waffen.

Halle a. d. S., 15. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Im benache barten Eilenburg wurde durch die Aufmerksamkeit einiger Bewohner bei einem Kaufmann Mann ein Waffenlager entdeckt, das u. a. Militärfarabiner und eine größere Menge zugehöriger Munition enthielt. Die Polizei beschlagnahmte den Fund. Die Waffen waren aufbewahrt im 2ftrage des Stahlhelm".

Demonstrationsunruhen in Sachsen .

Das Verbot des Deutschen Tageblattes" aufgehoben. Das Deutsche Tageblatt", das wiederholt verboten worden ist und das auch seit dem Berbot der Partei sein Erscheinen einstellen mußte, hatte gegen die in Frage kommende Verfügung des Oberbefehlshabers Beschwerde eingelegt. Der Staats­gerichtshof hat nunmehr entschieden, daß das letzte Berbot zu Unrecht erfolgt sei und das Wiedererscheinen der Zeitung freigegeben.

Die Thüringer Wahl.

Amtliches Wahlergebnis.

Welmar, 15. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Das endgül tige amtliche Wahlresultat über die Thüringer Wahlen er. gibt für die Sozialdemokratische Partei bei 203 380 für sie abges gebene Stimmen 17 Abgeordnetenmandate. Die Kommunisten er­hielten nach dem amtlichen Ergebnis 162 114 Stimmen mit 13 Sißen im Parlament. Auf den Ordnungsbund entfielen 421 883 Stimmen mit 35 Abgeordneten. Die Deutschvölkischen erhalten 7 Size bei 81 706 Stimmen. Bon insgesamt 934 634 Wahlberechtigten nahmen 879 494, also weit über 90 Prozent, an der Wahl teil. Bei der Wahl 1921 zählten die beiden sozialistischen Parteien zusammen 265 566 Stimmen, die Kommunisten 73 709. Die Sozialdemokratie büßte also 62 186 Stimmen ein, während die Kom munisten 88 405 gewannen. Die im Ordnungsblod zusammen­gefaßten Parteien zählten 1921 333 507 Stimmen, sie haben jetzt 88 376 gewonnen, wozu man noch die 81 000 Bölkischen hinzurechnen muß. 1921 beteiligten fich allerdings nur 72 Prozent der Wahl­berichtigten an der Abstimmung.

Bei der jetzigen Wahl wurde fast überall von Frauen und Männern getrennt abgestimmt. Es ist nun bezeichnend, daß das lebergewicht der Frauen beim Ordnungsblod ganz ge­waltig ist. Aus einigen Städten, deren Einzelrefultate uns ge­rade vorliegen, geben wir eine vergleichende Zusammenstellung der männlichen und weiblichen Stimmen. Es wurden ge­zählt in:

Meiningen : Sozialdemokraten. Kommunisten. Völkische Drdnungsbund.

Apolda :

Schmölln :

Sozialdemokraten

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männlich weiblich

769

807

589

446

883

1084

1467

2470

1431

1592

Kommunisten.

1078

1002

Völkische

467

439

Drdnungsbund

3146

3975

Sozialdemokraten

1319

1611

Kommunisten.

584

441

77

87

Ordnungsbund

1107

1467

778

754

900

768

90

69

912

1064

Völlische

Meuselwitz: Sozialdemokraten

Dresden , 15. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Während in den fächsischen Großstädten der 13. Februar im allgemeinen zu feinen ernstlichen Unruhen geführt hat, ist es in mehreren fleineren Orten zu bedauerlichen Ausschreitungen gekommen. An Einzelheiten wird amtlich u. a gemeldet: Bombenanschläge erfolgten in Lauter, Hartmannsdorf und Schwarzenberg, wodurch eine Berson verletzt wurde. Zahlreiche Kommunisten find als Teilnehmer bzw. Anstifter der Unruhen verhaftet, worden. In Hohenstein Ernsttal wurden zehn Angehörige der KPD. in Haft genommen. Am Nach mittag 30gen 200 bis 300 Demonstranten zum Amtsgericht, um die Verhafteten zu befreien. Polizei und Justizbeamte wehrten den An­griff ab. Der Sohn eines Fabrifbefizers wurde auf der Straße er­fannt, von hinien angeschossen und schwer verletzt. Die heran­ziehende Landespolizei traf die Demonstranten schon im Ausein andergehen und fand keinen erheblichen Widerstand. Am Donners. tag wurde gegen eine Hohensteiner Fabrit ein Sprengstoff­anfchlag verübt und dabei großer Sachschaden angerichtet. In Leipzig wurden Haussuchungen bei kommunistischen Führern vor­genommen. Wichtiges Material wurde beschlagnahmt." Diese Meldungen werden von reaktionären Kreisen in Sachsen mit Wonne aufgegriffen, um die absolute unent­behrlichkeit des über alles geliebten Ausnahmezustandes zu erweisen. Es bagelt schon wieder Protesttelegramme. Der Berband sächsischer Industrieller und der Sächsische Landbund" telegraphierten an die Reichsregierung und an General v. Seedt. Der Wahlkreisverband Ostfachsen der Deut­ schen Volkspartei wandte fich ebenfalls an den Reichskanzler. Die Telegraphen- Union" verbreitet diese Meldungen mit sichtlichem Wohlbehagen. Sie zitiert auch einen Artikel, der angeblich von der Nachrichtenstelle der Sächsischen Staats­Zur Abrüftung beitragen soll eine in Rom togende linter­tanzlei verbreitet werden soll und der aus den bedauerlichen kommission des Bölkerbundes, die einen vorbereitenher Provokationen im Vogtland den erwünschten Schluß zieht, Blan für die automatische Ausdehnung des Washingtoner Ab daß man doch ohne Ausnahmezustand nicht leben kann. Darüftungsabkommens auf die nichtfignatarischen Mächte des Völker bei sind die Bombenanschläge, wenn die Meldungen richtig bundes cusarbeiten soll. sein sollten, so blöd, daß man sie selbst den Kommunisten nicht zutrauen fann und einstweilen lieber Provokationen an­nehmen möchte. Ob freilich eine Mahnung an die Adresse der

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nimmt teil an ihren Freuden und Schmerzen, belaufcht all ihre große und vielgestaltige Not und wird ihr Anwalt. So nennt er trotz aller Erniedrigungen jene Jahre des Kampfes reich, berauscht, lachend und fühn". Langsam und sicher findet er den Kontakt mit Webern, Schindelmachern und anderen fleinen Handwerkern, mit Wald- und Feldarbeitern. Was auf die Seele des Kindes als dunkelschwere Ahnung sich legt all der Kummer eines um seiner politischen Gesinnung willen geachteten Vaters, alle die Mühselig­teiten und Beladenheiten, unter denen die Mutter welkte vor der

Drama, bedeutet Stehr

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Zeit, all das beginnt die gereifte Seele des Mannes zu erfassen in ganzer Fruchtbarkeit. So wird Hermann Stehr der Dichter des proletarischen Menschen. Was Gerhart Hauptmann im wie Hauptmann ein Schlesier, geboren in Habelschwerdt im Roman, wobei er freilich die Mittel seiner Kunstform in weit reicherem und höherem Maße nüßt als jener. Denn wo Hauptmann es häufig mit einer zeichnerischen Gefte genug fein läßt, andeutet und weitergeht, bleibt Stehr stehen. 3äh und unnachgiebig padt er gerade das Härteste, Schrofffte, Abseitigste, Un­erschließbare und bohrt sich mit ganzer Kraft in das Herz der Dinge hinein. Mit besonderer Liebe legt der Dichter aber das Seelen­leben der Seltsamen", der feelisch Kranken, der Verbitterten, Einsamen, Geschlagenen, Schiffbrüchigen des Lebens bloß. Hier ist er ein Meister Don unerhörter Kraft und Eindringlichkeit.

Kommunisten. Völlische Ordnungsbund

Ueberall zeigt sich gerade beim Ordnungsblod ein außer. ordentlich starkes Ueberwiegen der weiblichen Stimmen. Was um so fennzeichnender ift, als die Parteien dieses Blocks durchgängig als Gegner des Frauenwahlrechts anzusprechen find. Die Tatsache zeigt aber auch, daß gerade die meibliche Bählerschaft den Einwirkungen der systematischen Verleum­bung am ersten unterliegt.

Die Spigbergenfrage. Norwegen het Somjetrußland de jure anerkannt, doch soll eine Haup bedingung die Anerkennung Spitz­ bergens als norwegisches Gebiet sein.

Es ist für Stehr bezeichnend, daß er, alles Geräusch eines marktschreierischen Lebens meidend, niemals um die lauten Massen geworben hat. In unserer wunden, wirren Zeit wird seine Dichtung dem ernsthaften Menschen weiterhelfen, ihn führen zu Rast, Be­fimmung und Wesentlichkeit.

Links- Schreib- Virtuosen.

Man schreibt uns: Der vor einigen Tagen verstorbene Direktor interessierte sich auch lebhaft für Links- und Doppelhändigkeit, wozu des Museums für Völkerkunde in Berlin , Prof. von Lusch an, er durch seine etnographischen Studien veranlaßt war. Es steht fest, daß alte Kulturvölker gewohnheitsmäßig die linke Hand weit mehr, als wir es tun, zur Mitarbeit auf allen merttätigen Lebens­gebieten herangezogen haben. In Schweden , England, Amerika ist Die Erziehung zur Doppelhändigkeit schon längst auf die Schulen übergegangen. In Deutschland ist man von diesem Ziel noch weit entfernt. Während des Weltkrieges wurde die Frage wieder afut durch die vielen Taufende von Kriegsteilnehmern, die den rechten

Arm verloren hatten.

Schreiber dieser Zeilen, der seit über 20 Jahren abwechselnd mit beiden Händen schreibt, mit der Linken noch erheblich schneller als mit der Rechten, hielt in Berlin im Jahre 1915 vor zahlreichen Einarmigen einen Demonstrationsvortrag über die Doppelhändig­teit. Hierzu hatte ihm Geheimrat von Lufchan mitgeteilt, er und fachkundige Freunde hielten Angaben aus der Literatur, daß die heranziehung der linken Hand bei sonst gefunden Kindern die geistige Entwicklung ungünstig beinflusse, für falfch. Weiter heißt es: Ich kenne mehrere hervorragend begabte Leute, die gleich. der linken Hand natürlich Spiegelschrift." Das Wort gleichzeitig ist hier unfiar. Schreiben mit beiden Händen zu gleicher Zeit wäre nicht nur nutzlofe Spielerei, fondern müßte ungünstig auf die Geistes­tätigteit wirfen, während das abwechselnde Schreiben oder Zeichnen mit beiden Händen nach zahlreichen Erfahrungen die geistige Ent widlung ohne jeten späteren Schaben fogar sehr belebt hat. Die Linksschrift ist dann feine Spiegelschrift, sondern genau so forrett und deutlich besbar wie die Schrift mit der rechten Hand. Nur ist sie Steilschrift oder neigt nach links.

Stehr jetzt beim Leser vor allem Stille voraus, Stille in fich und um sich. Die Romanleser des täglichen Lebens werden mit ihm nichts anfangen fönnen, weil sie feine Sprache nicht verstehen, Stehr lesen heißt: denkend lefen und lesend denken. Aber Stehrszeitig mit der rechten und der linken Hand schreiben tönnen, mit Bert ist nich etwa nur graue Trübfinnsdichtung; überall bei ihm blaut der Himmel des reichen, strogenden Lebens, und immer weiß er die Segen der reinen Natur zu breiten über die Wehen des Erdendaseins. Er sagt: Julegt auch mit himmlischen, göttlichen Augen betrachtet, ift das Leben jedes Menschen gleich zerbrechlich, gleich unvergeßlich und groß."

Ein Mensch aber, der es wagte, feine Brüber vor einem von Kirchenbeamten verhandelten und verschandelten Evangelium zu warnen, mußte zeitig erledigt werden. Die Inquifition des 19. Jahr hunderts, die über humane Folterfammern und Scheiterhaufen, die nur den Leib quälten und töteten, inzwischen zu weit graufameren Mitteln übergegangen ist: zur langsamen Strangulation der Seele, hetzte die des jungen Etehr durch alle Gräber und Höllen; in diefer schlimmen Zeit brohte auch der barber de Leib zu zerbrechen. Lieft man daraufhin den Roman Drei Mächte", so meiß man um all die inneren und äußeren Nöte, um alle Alengfte, Kämpfe und Eintritit( prechen baraus. Kampfansage und Wegweiser sind gleich famfeiten, denen der junge Landlehrer Hermann Stehr erbarmungs los preisgegeben war.

Eingeteilt in eine Gesellschaft verständnisloser Berufsgenossen, die die Knute flerifaler Borgefeßten in fflavischer Gelassenheit er­trugen, sich darunter beinahe wohl fühlten und sich für Spißeldienste Borteile zu erdienern mußten, zieht sich Stehrs empfindsame, nur dem Schönen und Wahrhaften aufgetane Seele immer tiefer in fich zurüd. Er wendet sich ab von den faulen Spießern mit ihren schlimmen bürgerlichen Ausdünstungen und geht zu jenen, bei denen noch unverbildetes, reines Menschentum zu finden ist. Der Sohn des Sattlers geht zu den kleinen Leuten, sest fich an ihren Tisch,

Aus dem Schmerz gebar fich Hermann Stehrs ganze Dichtung. Langsam und in oft großen, zeitlichen Abständen brach sie sich von feinem Leben los: In fast 25 Jahren ein knappes Dugend Bücher. Nicht julegt der menschliche Ernst und die hohe künstlerische Selbst­

die ersten Novellen: Der Graveur" und" Meide, der Teufel". Im Schindelmacher" rächt sich ein feinem Alters­schidfal überlaffener und verlaffender Greis an feinen herzlofen Kindern. Die Tragödie einer im grauen Eineriel des Tages hin­fiechenden subtilen Frauenfcele schildert Lenore Griebel". Ein Seitenstüd zum fleinen Hannele Hauptmanns bietet die Ge­schichte Das lezte Rind", ein gewaltiges, sich bis zu letzten Graufigkeiten steigerndes Eheleben und sterben enthält der oft an die großen Ruffen erinnernde Begrabene Gott". Als letzte Gabe seiner Kunst schenkte Hermann Stehr vor wenigen Jahren die Gedichte: Ein Lebensbuch".

Arbelfer und Dichter. Der durch die Ueberfeßung feiner Ro mane auch bei uns bekannt gewordene spanische Dichter Benito Perez Galdos genießt bei seinen Landsleuten eine unbegrenzte Bopularität, die den im Jahre 1920 verstorbenen spanischen Balzac als echien Bellsdichter fennzeidmet. Wie tief diese Liebe wurzelt, dafür erbringt die folgende Geschichte überzeugenden Beweis: Der Stadtrat von Madrid hatte schon vor langer Zeit eine Summe von 15 000 Befetas bewilligt, die dazu dienen sollte, an dem Haus, in wie es nicht nur in Spanien zu geschehen pflegt, geriet die Denk dem Galdos lebte und starb, eine Gedenktafel anzubringen. Aber malsangelegenheit allmählich micder in Vergessenheit. Am letzten Heiligen Abend fand sich im Haufe des Dichters ein einfacher Ar­beiter ein, der den Entel des Dichters, der gegenwärtig dori wohnt, zu sprechen fuchte. Ich bin," erklärte er diefem, ein glühender