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Abendausgabe

Nr. 82 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 41

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Berliner Volksblatt

18. Februar 1924

Berlag und Angetgenabteilung Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Dorwärts- Berlag Gmbh. Berlin S. 68, Cindenficaße 3 Ferafprecher: Dönhoff 2506-250%

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Kahr und Lossow zurückgetreten.

München , 18. Februar. ( WIB.) Wie die Münchener Zeitung" foeben erfährt, hat Dr. v. Kahr das Amt des Ge­neralstaatsfommiffars niedergelegt mit ihm habe der bayerische Wehrkreisfommandant, General v. Cofiom, feinen Abschied eingereicht. Der Kommandeur der bayerischen Landespolizei Oberst Seißer bleibe auf seinem Posten.

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genug sieht, um dem deutschen Bolte den Weg aus der uns| bes Reparationsproblems auszusprechen hätten. Zweitens haben die geheuren Berwirrung zu weisen und daß sie imftande ist, mit Sachverständigen nur eine beratende Mission durchzuführen und den der Größe ihrer Aufgabe zu wachsen. alliierten Regierungen bestimmte Borschläge zu unterbreiten.

Das bayerische Volksbegehren.

München , 18. Februar. ( WTB.) Nach den Münchner Neuesten Zu dem Rücktritt schreibt das Blatt u. a.: Herr v. Kahr glaube, Nachrichten" beträgt das Gesamtergebnis der Abstimmung für Zu dem Rücktritt schreibt das Blatt u. a.: Herr v. Kahr glaube, bas Boltsbegehren in München für die Landtagsauflösung die Teilung der Gewalt zwischen dem Generalstaatskommiffa- 108 892 Stimmen und für die Verfassungsänderung 99 930 S'immen. riat und dem Staatsministerium, wie sie im Sinne der vom Cand­tage dieser Tage getroffenen Bereinbarung liegt, nicht verant- Teilergebnissen taum zweifelhaft fein, daß die erforder. Wie das Blott weiter meldet, fann es nach den bisher eingegangenen worfen zu fönnen, da er sie als bedentlich für die Staatssicherliche Stimmenzahi von 800 000 für beibe Bolts. helt betrachte. Er halte das Cand noch nicht für genug beruhigt, begehren aufgebracht worden ist. um eine Coderung der Sicherheitsmaßnahmen ertragen zu fönnen. Herr v. Kahr frete sicher nicht ohne Wehmuf zurüd. Die Anfech­fungen wegen der ihm selbst gräßlichen Komödie im Bürger­braut ller habe er überwunden.

München , 18. Februar. ( WEB.) Nunmehr wird auch von zuständiger Stelle bestätigt, daß Dr. v. Sahr von seinem Ami zuftändiger Stelle bestätigt, daß Dr. v. Kahr von seinem Amt als Generalflaatstommiffar zurüdgetreten ist.

Der Rücktritt bes unrechtmäßigen Diftators von Bayern D. Rahr und des Meuterergenerals v. 2offom ift ge eignet, für den ersten Augenblid einige Befriedigung hervor zurufen. Ein Experiment mit der nationalen Dittatur" ist in Schande und Schmutz zufammengebrochen, und für alle noch politisch Dentfähigen ist damit noch einmal der Beweis geliefert, daß sich auf diesem Wege die Dinge überhaupt nicht meistern laffen.

Indes bedeutet der Rüftritt jener beiden Männer leider noch lange nicht den Weg der verfaffungsmäßigen Rechtsordnung und der politischen Bernunft. Man darf nicht vergeffen, daß Herr v. Kahr am 26. September v. 3. von der Regierung Knilling in sein verfeffungswidriges Amt eingelegt wurde, meil sie vor der rechtspritschistischen Bewegung feinen Rat mehr wußte und hoffte, fie werde auf diese Weise den Teufel mit dem Beelzebub austreiben fönnen.

In Berlin erkannte man die Gefahr und antwortete mit Der Berhängung des militärischen Ausnahmezustandes für das ganze Reich. Aber das Instrument der Reichserefutive, das später in verfaffungstreuen Ländern wie Sachsen und This ringen so schneidig wirfte, bie Reichswehr , zerbrach in bie em staatsrechtlichen Ronffitt, und indem sich ihr Führer, Herr v. Loffow, auf die Seite Kahrs stellte, brach er dem Reich Die Treue und machte es sofern es sich nicht zu Mitteln äußerster Energie entschloßfattisch ohnmä htig. Bon da an hatte das Reich in Banern überhaupt nichts mehr zu sagen, ber zweitgrößte deutsche Einzelstaat war damit innerpolitisch auf sich allein gestellt.

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Es gelang Herrn D. Kahr, den gefährlichen Putsch der Hitler und Ludendorff vom 8. und 9. November zum Scheitern zu bringen. Die Mitel aber, die er dazu anwendete, waren geeignet, ihn selber so zu kompromittieren, daß er von da ab ein politisch toter Mann war. Er war im Kampf gegen die ertremfte Rechte ber physi'ch lleberlegene, aber der moralijch interlegene. Er hat durch sein zweideutiges Berhalten, bas ihm seine Verbündeten von vorgestern, Gegner von geftern und Todfeinde von heute als Berrat auslegen, diefen nur neue Sympathien zugeführt.

Die Sache liegt demnach so, daß die traurigen Sieger Dom 9. November, Rahr und Loffow, ausgespielt haben, die Besiegten, Hitler und Ludendorff, aber nicht. Dev bevorstehende Prozeß gegen sie hat den Fanatismus ihrer Anhänger noch verstärkt, und die bayerische Regierung, die Schuldige am verhängnisvollen Rahr- Experiment, sieht der Gerichtsverhandlung mit tiefer Gorge entgegen.

In diefer Situation würden das Reich und Bayern ent. schloffene republitanische Regierungen brauchen, die es verstehen, gegen die drohende innere Ber­störung von rechts die morali chen Energien des Boltes zu fammeln und auf diese Weise sich auch die notwendige physische Kraft zu verschaffen, um die Kräfte des Chaos zu überwinden. Solche Regierungen sind aber weder im Reich noch in Bayern borbanden, und was besonders Banern betrifft, so herrscht in bortigen Regierungsfreifen gegenüber der stürmischen Ent. midlung der Dinge eine vollenbete politische Ratlosigkeit.

Die nationale Diftatur" des Herrn v. Rahr ist verschwun­ben unter Burückloffung eines ungeheuren Trümmerhaufens. Die Macht aber, die hier mit ordnender Hand einzugreifen im'tande wäre, ist nirgends sichtbar. Sie ist am allerwenigsten bei denen vorhanden, die meinen, d'e'e nationale Dittatur fei mur o zusammengebrochen, weil sie noch nicht natio natbittatorisch genug gewesen fei. Denn nirgends ist die innere Berriffenheit und ber Mangel an flar er schauten politisch verwirklichbaren Zielen größer als eben dort. Darum besteht die Gefahr, daß sich die politische Hans. wurstfomödie, in die das innere Leben Bayerns und gar Deutschlands immer mehr auszuarten droht, zu noch un­erlebten Gipfelpunkten steigert.

Die Sozialdemokratie wird vielleicht in naher Zeit dazu berufen sein, den Beweis zu erbringen, daß sie allein flar

Die Sicherung der Wahlfreiheit.

München , 18. Februar. ( BTB.) Wie die Münchener Zeitung" hört, ist die Wahlfreiheits.Berordnung im Echoße der Regierung fertiggestellt und wird vielleicht am Mittwoch oder Donnerstag efer Woche in einer interfraktionellen Sigung den Parteien des Landtages zur Kenntnis gebracht werden.

Dr. Schacht in Paris .

Englische Krebite für Teutschland? Condon, 18. Februar.( TU.) Dem Bernehmen nach ist es dem deutschen Reichsbantpräsidenten Dr. Sch a cht gelungen, bei seinen Bemühungen, für die deutsche Industrie auswärtige Kredite zum Einkauf von Rohstoffen zu erlangen, sich die Unterstüßung englischer Banken zu sichern.

Ende der bulgarischen Koalition. Austritt der Sozialdemokraten aus der Regierung.

Sofia , 16. Februar. Auf dem Kongreß der sozialdemokratischen Bartet, der Anfang dieses Monats stattfand, war, wie seinerzeit ge meldet, eine Resolution angenommen worden, monach der Bollzugs. ausschuß der Partei von der Regierung ultimativ die Erfüllung gewiffer Brogrammforderungen der Partei verlangen und, wenn diese nicht durchgesetzt würden, der Bertreter der Partei in der Re gierung zurücktreten sollte. Diesem Beschluß gemäß hat der Verkehrs. minifter Rafofoff fein Rücktrittsgesuch eingereicht, das vom Ministerpräsidenten bevilligt worden ist. Landwirtschaftsminister Motoff ist mit der vorläufigen Leitung des Verkehrsministeriums be­auftragt worden.

Stilles Börsengeschäft.

Paris , 17. Februar.( TU.) Dr. Schacht ist heute vormittag aus London hier eingetroffen und wird morgen nachmittag vor dem Sachverständigenausschuß des General Dames erscheinen. Die eng lischen und belgischen Mitglieder des Ausschusses, die zur Bericht. erstattung an ihre Regierungen nach London und Brüffel aufge brochen waren, find gleichfalls zurückgekehrt. In Paris sieht man Die Börse zeigte bei Beginn der Woche eine mit besonderer Spannung der Unterhaltung entgegen, die sich zwifchwächere Tendenz bei außerordentlich fleinen Umfäßen. schen Vertretern der franzöfifchen Regierung und dem Sachver- Diese Zurückhaltung erklärt sich in der Heuptsache daraus, daß die ftändigenausschuß über die Anpassung des lotalen nächsten Tage voraussichtlich im Zeichen bedeutender politischer Ent Pfänder systems an ein allgemeines Reparationsscheibungen stehen werden. Man glaubt in hiesigen Bankkreisen, daß fystem entspinnen wird. Dieser Frage wird große Bedeutung bei­gemeffen, und man behauptet, daß ohne ihre Lösung der Schluß bericht des Eachverständigenousfchuffes nicht zustande fommen fann. Paris , 17. Februar. ( WIB.) Petit Barifien" weist offiziös darauf hin, daß bis auf weiteres die Nachtrichten über die Ergebnisse der Sachverständigenarbeiten nur mit ausdrücklichen Borbehalten aufgenommen werden können. Ueberdies dürfen, schreibt das Blatt, zwei Punkte nicht vergessen werden: Erftens haben die beiden Sach­verständigenkomitees einen genau umschriebenen Auftrag. Für das Romitee Dawes bestehe dieser darin, die Mittel für den Ausgleich bes deutschen Budgets und die Stabilisierung der Mark zu prüfen. General Dawes habe in seiner ersten Rede darauf hingewiefen, daß die Sachverständigen sich nicht über diese oder jene politische Seite

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die Gutachten der Sachverständigen fommissionen und die darauf baflerenden Beschlüsse der Reparationstemmission Deutschland noch immer weit über seine Leistungsfähigkeit hinaus belasten werden. Darauf deuten auch verschiedene Beröffentlichungen in maßgebenden franzöfifchen Blättern hin, die gewissermaßen die Forderungen Frankreichs darstellen. Außerdem beurteilt man auch die inner­politische Lage Deutschlands neuerdings sehr steptisch. Man nimmt an, daß die nächsten Wochen eine starke Verschärfung der innerpolitischen Gegenfäße bringen werden. Wäh rend der größte Teil des Aftienmarftes ausgesprochen still lag, ent wickelte sich in einzelnen Spezialmerten etwas regeres Geschäft.

Täglich Geld war mit 1 Bremille reichlich zu haben. Im Devisen­Dertebr befteht nach wie vor eine recht erhebliche Nachfrage, die wohl ausichließlich auf den tatsächlich großen Bedarf des Einfuhr­handels zurückzuführen ist.

Völkischer Vormarsch.

Landtagswahlen in Mecklenburg .

Schwerin , 18. Februar, 1 Uhr milfags.( BS.) Ge-| mals noch einschließlich aller antisemitischen Rachegeister- famfergebnis der Landtagswahlen von 775 Bezirken. bei den Landtagswahlen vom 13. Juni 1920 71 341 Stimmen, bei den am 13. März 1921 erfolgten Wahlen 73 452 Stimmen Es fehlen noch die Resultate von ungefähr 30 Dörfern. Sozialdemokraten BSPD.. 61 580( 1921: 137 971) haben, nach dem unvollständigen Ergebnis, die beiden Bar­erhalten. Sie waren alio ungefähr gleich geblieben. Jetzt kommuniffen 39 390( 1921: 15 328) feien zusammen schon 134 000, also einen Zuwachs von rund Unabhängige 2 268( 2 635) 60 000 Stimmen! Eine Erscheinung, die zum Teil wohl auf 54 4681 ( 1921: 78 452) bie systematische Durchlegung Mecklenburgs mit Roßbach 79 936 jüngern zurückzuführen, aber durch fie nicht allein zu erflären ift. Denn neben den Bölkischen haben die Kommunisten gewonnen, die ja mit den Bölfischen urandlich viel Wens verwandtes haben. Wenn Radek und Reventlow, Ruth Fischer und die Völkischen Studenten an einem Strange ziehen, fo zeigt das mehr, als alle Wahlpropaganda, die Richtung, die beide verfolgen.

Deutschvölkische Freiheitspartei Deutfchrationale Deutsche Volkspartei Demotraten Wirtschaftspartei Candlifte.

Republikanische Partei

22 582( 57 813) 10 654( 14 127) 4 481( 9 787) 3 207( 19 452) 2079( 0)

Das Wahlergebnis, das wir an der Spize wiedergeben, ist noch fein endgültiges, aber es zeigt einen außerordentlich scharfen Rud nach rechts, der sich nicht nur in dem starten Stimmenverluft unserer Partei, sondern vor allem in dem Rüdgang der Deutschen Boltspartei wieder Spiegelt.

Es hieße den Kopf in den Sand steden, wenn man nicht das außerordentlich starke 2 n machfen der völkischen Bewegung erfennen und seiner Bedeutung nach wür bigen wollte. Schon die Wahlen in Bremen und Lübed, noch deutlicher die in Thüringen und wieder am legten Sonntag Die Mecklenburger Wahlen zum Landtag zeigten ein startes Anschwellen der unter dem Namen Bölfische Freiheitspartei" auftretenden Bewegung, die neben dem Haß der Juden den Revanchegeist predigt. Die Partei ist durch den Oberbefehls. haber bes Ausnahmezustandes ebenso verboten wie die tom munistische. Aber was sich schon zu Zeiten des Sozialisten gefeßes zeigte, das wiederholt sich auch in der Gegenwart: bas Berbot und die Unterdrückung der Parteien und ihrer Breffe tuns allein nicht.. Wenn einmal gewiffe foziale Borbedingun­gen vorhanden sind, dann wächst jo eine parteipolitische Gruppe auch trotz aller behördlichen Maßnahmen gegen sie.

Die Deutschnationalen hatten mit einem Teil der fifchen gemeinsame Sache gemacht, während die Graefe- Wulle Richtung allein vorging. Die Deutschnationalen hatten-da

Es sind die Gewaltpolitiker, die die Siege biefer Bahlen heimtragen. Diejenigen Parteien, die bisher an der Regierung waren und für eine außenpolitische Ber­ständigung eintraten, büßen erheblich ein. Diese Tatsache ist die betrüblichste Begleiterscheinung der bisherigen Wahlen. Das gilt nicht nur für die Sozialdemokratie, die bisher in Mecklenburg mit Demokraten und Kleinbauern die Regierung bildete, das gilt auch für die Demokratie, den Dorfbund und die Deutsche Volkspartei , die vorübergehend in einer großen Koalition beteiligt war, nach ihrem Ausscheiden aber immer mehr nach rechts hinüberglitt, bis jegt ein erheblicher Teil ihrer Wähler ganz vom völkisch- deutschnationalen Konturrenten auf­gesogen wurde.

Erscheinung, daß sie trop starker Wahlbeteiligung genau bie Für die Sozialdemokratie ergibt sich die wenig erfreuliche Hälfte ihrer Stimmen einbüßte. Bon diesen rund 60 000 find aber nur 25 000 von den Kommunisten gewonnen worden, während der größere Teil in anderen Barteien auf­gegangen ist. Es spricht sogar ein hoher Grab von Bahr fcheinlichkeit dafür, daß sie zumeist den Bölkischen zugeftrömt find. Und das ist eine Tatsache, die allen unseren Bartei­genossen Grund zu ernsthafter Ueberlegung geben sollte, wo

die Ursache dieser Abwanderung zu suchen ist. Mit den biss herigen Mitteln der Parteifritif allein ist dieser starte Rud nach ganz rechts sowohl im industriellen Thüringen , wie im vorwiegend agrarischen Mecklenburg - nicht zu faffen.