nistische Angriff richtet sich jetzt gegen die vereinigte Sozial- demokratie, wie er sich vordem gegen die Unabhängigen richtete. Dieser Angriff kann vorübergehende Erfolge erzielen, aber die können uns nicht entmutigen. Denn die Kommu- •nisten find eine Partei ohne Zukunft, und sie werden voraussichtlich ebenso schnell verschwinden, wie> sie gekommen sind. Der Anhang der Kommunisten rekrutiert sich aus jenen Arbeitern, die zwar einem noch reichlich unklaren sozialistischen Ziel nachhängen, die aber noch nicht begriffen haben, daß nur sachliche Arbeit auf dem Boden einer demokratischen Staats- Verfassung sie diesem Ziel näher bringen kann. Daß sie das begreifen lernen, dafür werden die Tatsachen sorgen, vielleicht ralchcr als man glaubt. Denn durch die neuesten Befehle aus Moskau ist ihre Partei in eine geradezu lächerliche Situation geraten: sie soll eine Revolution machen, die sie, wie sie genau weiß, nicht machen kann, und das wird sie zwingen, im AUderstreit zwischen der Disziplin und ihrer eigenen Erkennt- nis die sonderbarsten Sprünge aufzuführen. Hätte die Mos- kauer Zentrale beweisen wollen, daß die ganze kommunistische Politik Unsinn ist und daß die Sozialdemokraten .recht haben— sie hätte es nicht schlauer anfangen können. Die noch kommunistisch gesinnten Arbeiter werden sich vor die Wahl gestellt sehen, entweder eine Politik zu befolgen, von der jeder-Mensch mit' gesunden fünf Sinnen weiß, daß sie purer Wahnsinn ist, oder ihre Anschauungen zu revidieren und bei der Sozialdemokratie Anschluß zu nehmen. Das ist ein Prozeß, der seine Zeit braucht, und um diese Zeit wird es für die Arbeiterbewegung bitter schade sein, aber—.die Zeit arbeitet f ü r u n sl* •• Bon rechts kommt eine reaktionär-antisemitisch-nationasi- stifche Welle. Sie rüttelt zersetzend an dem Fundament der bürgerlichen Mittelparteien, selbst die Dcutschnationalen sehen den Ausstieg der.Völkischen" nur mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge Wenn sie die Entwicklung nach den Extremen noch nicht so schädlich empfinden wie die Sozial- demokratie, so kommt das daher, weil sie die Last der R e» gierungsverantwortung seit dem Zusammenbruch nicht mehr mitzutragen hatten. Eine Ausnahme bildete— bis zu den Wahlen in Thüringen und Mecklenburg — nur Bayern , dort kam aber die regierende Rechte alsbald in die Lage, auf ihre Mitbrüder von der äußersten Rechten .'s ch i e ß e n zu müssen. Die„völkische" Bewegung ist, wie«inst die Stöcker. Ahlwardt -Bewegung, wenn auch in größeren Verhältnissen, nichts als eine Schlammflut, die kommt und wieder verrinnt. * Die Sozialdemokratische Partei ruht /auf ge- schichtlich gefestigten Grundlagen. Ihre Anfänge liegen vor der Gründung des Kaiserreichs, das sie überlebte. Sie ruht soziologisch auf den breiten Massen der Arbeitnehmer, der Lohn- und Gehaltsempfänger, denen sie die politische Gleichberechtigung erkämpft hat und denen sie auch die soziale zu erkämpfen gedenkt. Sie weiß, daß das nicht von heute auf morgen geschehen kann und daß ihr auf ihrem weiten, harten, beschwerlichen Weg nicht immer die Sonne scheinen und der Wind in den Rücken wehen kann. Aber sie geht ihn welter. Mag das Ergebnis der nächsten Wahlen wie immer sich gestalten, die Sozialdemokratische Partei ist und bleibt dazu berufen, die politisch ent- scheidende Macht in Deutschland zu werden. Dieses Bewußtsein muß nur in allen kommenden Kämpfen durchdringen und mit ihr das Gefühl der ungeheuren V e r. «ntwortung für das Ganze, das auf uns lastet. * Der Weg zu den höchsten Gipfeln geht nicht immer den Grat entlang, sondern er führt auch durch Täler und Ab- gründe. Da mag dem Wanderer manchmal das Gefühl be- schleichen, daß alle seine Mühe vergebens gewesen sei, aber jede Entmutigung wird schwinden, wenn er bedenkt, woher
Der Korpsstuöent. Bon Joseph Roth . Der Korpsstudent ist das einzige zoologische Lebewesen, dessen „Vorkommen" nicht von geographischen und klimatischen Verhält- nissen abhängig ist, sondern von staatlichen und nationalen. Während er also in Ländern, welche dieselben biotogischen Bedingungen haben, wi'.' Deutschland , entweder bereits ausgestorben oder überhaupt nicht entstanden ist, kcmmt er bei uns in zahllosen, durch die(„Couleur" genannte) Färbung von«inander verschiedenen Gattungen vor. Man trifft ihn in Kneipen, auf Mensurböden und bei völkischen Veranlassungen(zu denen die Vorlesungen der Professoren Roethe, Freytag-Lovinghoven und ähnlicher gehören), auch in Hörsälen. Der Korpsstudent ist auf den ersten Blick zu erkennen: die theologische Theorie, daß Gott den Menschen nach seinem Ebenbilde erschaffen, leugnet der Student in praxi durch Gesichtstätowierungen, die er „SchnMe" nennt. Auf der obersten Wölbung seines kurzgeschorenen Schädels trägt er«in mit schiefer Vehemenz aufgesetztes Käppi, um dp ihn jeder amerikanische Telegraphen- und Exprehboy beneiden fonnte. Quer über die Weste hat er«in buntes, zwei- und drei- farbiges Band geschlungen, das manchmal mit einer goldenen Phrase geziert ist, wie zum Beispiel:„Mit Gott für König und Vaterland." Also projiziert er Gefühle und Ueberzeugungen nach außen, er selbst eine wandelnd« Phraje, von Traditionen und Bier genährt, und durch die unwahrscheinuche Geduld seiner deutschen Mitmenschen am papierne» Leben erhalten. Da er keinen Inhalt mehr hat, lebt er als eine Schale weiter: und gleicht etwa einem bunten Lampion am Morgen nach einem Fest. Um die Zweckmäßigkeit seiner Existenz detmoch zu erweisen, ver- ursacht er Aufsehen und Geräusch«— in der irrigen Meinung, daß akustische Wirkungen Daseinsberechtigung oerleihen. Indes beweist er gerade dadurch feine exzellente Vergangenheit und feine anachro- nistifch« Gegenwart. Sein Lärm gleicht einem gelegentlich aus der Unterwelt aufsteigenden Rumoren mangelhaft gestorbener Geister. ' Weil e r aus den Fugen der Zeit gefallen ist, glaubt er, die Zeit sei aus den Fugen. Weil er den Tag verschläst, sieht er die Welt nur bei Nacht— und auch dann nur doppelt. Deshalb verkennt er die Dimensionen der Wirklichkeit. Gespenster sehend, wandelt er selbst sich zum Gespenst, das im Klang des Vierglases Al'heidelbergs Glocken zu hören vermeint. Ihn stärkt also«in Rausch, in dem andere untergehen. Vom Moder des Gewesenen und Verwesenen lebt«r. Sein Glanz ist dem eines in der Nacht leuchtenden seuchten Kadavers zu oergleichen. Dennoch— und weil er ein Toter ist. den die Geschichte zu be- graben vergessen— macht«r, durch Gesetz und Sitte vor der unbarm- herzigen Wirklichkeit geschützt, seinen Weg, den man„Carriere" nennt, imd der ihn zu Richterstühlen, m Anwaltskammern, an Krankenbetten führt. Er fpricht Recht und verordnet Rizinusöl. Er
er kommt. Die Arbeiterbewegung kommt aus den tiefsten T i e f e n, der hilflosesten Ohnmac't. In zwei Menschenaltcrn ist sie soweit gediehen, daß das Problem der Machtergreifung für sie längst aufgehört hat, nur eine theoretische Frage zu sein. Marx, Lassalle und auch Bebel in seinen Anfängen standen an der Spitze einer kleinen Schar, aber sie glaubten an die Zukunft. Hätten sie etwa an ihr gezweifelt, wenn ein Millionen Heer hinter ihnen gestanden hätte, wie die Sozialdemokratie es jetzt darstellt? » Bei den kommenden Reichstagswahlen wird für das deutsche Volk unendlich viel entschieden. Namenloses Un- heil kann angerichtet werden, wenn Phrase und gedankenlose Unvernunft das deutche Reichsschiff manövrierunfähig machen. Durch Scharfmacherwirtschaft und Schutzzöllnerei kann die Masse der arbeitenden Bevölkerung unschätzbare Schädigung erleiden. Dies alles kann fein, muß aber nicht fein, da das Volk die Entscheidung in der Hand hat. Eines aber kann nicht fein. Ueber das Schicksal der deutschen Sozialdemokratie können diese Wahlen nicht Entscheiden. Das hängt von stärkeren Faktoren ab als von dem zeitweiligen Herüber- und Hinüberwandern noch un- aufgeklärter Wählermassen. Hier vollzieht sich ein Entwick- lungsprozeß, der Störungen erleiden, dessen Richtung aber nicht abgelenkt werden kann. Wir lachen üder die, die uns vernichten wollen. Aber wir wissen auch, welche Gefahr nicht uns, sondern dem deutschen arbeitenden Volk in den nächsten Jahnen von ihnen droht, wenn ihnen nicht bei den Wahlen das Handwerk gelegt wird!
�anüesverrat" im Stinnesblatt. Arbeit für den Qberrcichsanwalt! In der Sonnabend-Rachmittagsausgabe der„Deutschen Allgemeinen Zeitung"— Firma Stinnes— finden wir folgende fettgedruckte Meldung aus Weimar : Im Lauf« des gestrigen Abende ist es der hiesigen Polizei gelungen,«in großes Waffenlager auszuhelien. Es handelt sich um Jnfanteriegewehr« Modell 98, leichte M.-G. und Hand- granoten, die der verflossen« Minister Hermann zur Bewaff- nung der proletarischen Hundertschaften aufgekauft hatte, und zwar aus Mitteln, die das Reich für die Schutz- Polizei zur Verfügung gestellt hatte. Was bedeutet diese Meldung?„Proletarische Hundert- schaften" sind verbotene Organisationen, die erstens überhaupt nicht existieren, zweitens keine Waffen haben dürfen. Minister Hermann repräsentierte eine Behörde, nämlich das- für das Polizeiwesen zuständige Mini» st e r i u m. Da die Polizei jetzt ein Waffenlager„ausheben" konnte, das der Polizeiminister anlegen ließ, muß es also bis- her g e h e i m g est a l t e n worden fein. Durch die Mitteilung von einem solchen Waffenfunde er- hält die Militärkontrollkommission davon Kenntnis. Ein „militärisches Geheimnis" wird anderen Regierungen„ver- raten". Folglich liegt„Landesverrat" in bester Form vor und der schon so überlastete Oberreichsanwalt hat neue Arbeit____ Wir brauchen kaum zu sagen, daß die„Beweisführung", die in den vorstehenden Zeilen angedeutet ist, nicht die u n f r i g e fei. Bielmehr ist sie bisher gegen foztaldemo- k r a t i f ch e Blätter angewandt. So in Frankfurt a. M., so in Stuttgart und an anderen Orten, wo über bayerische Waffen- funde und Bandenbildungen berichtet würde. Auch das Ber - fahren gegen den ,', Vorwärts" beruht auf der Konstruktion, daß die Erwähnung eines Zusammenhanges zwischen Teilen der Reichswehr mit illegalen bewaffneten Organisationen Landesverrat darstelle, auch wenn die besprochenen Tatsachen längst aller Welt bekannt waren. Wir fordern daher den Oberreichsanwalt auf, die Sonne der Gerechtigkeit über Ge- rechte und Ungerechte scheinen zu lassen und dieselbe Anklage wie gegen den �„Vorwärts" auch gegen die„Deutsche All- gemeine" der Firma Stinnes zu erheben. Nicht weil wir eine Bestrafung wünschten oder auch nur für möglich hielten, son-
wird ein Professor und bildet sich ein, Wissenschaft zu verbreiten, wenn er sein Wissen verbrei'et. Di« Ideale aus der Rumpelkammer seiner Jugend zieren seine Wände und Höngen in seinem Gehirn. Er ist aus einem jungen Biertrinker ein„alter Herr" geworden. Denn xenau so, als ob er jemals ein Lebendiger gewesen wäre, wandelt er durch die Jahre, an der Peripherie der Welt zwar und dennoch ihr zugerechnet, wird grau und stirbt endlich den Tod der Lebendigen, nachdem er ein Leben der Toten absolviert hat. Seinem trauernd Hinterbliebenen Korps hinterläßt er Maßkrug, Schläger, Hakenkreuz, Kapp«, Band und was es sonst noch an studentischen Kulturutenstlien geben mag. Seiner gedenkend und ihm nachzueifern beflissen wächst die nächst« Generation heran und pflanzt an seinem Grabe ihr« Hoffnung auf, die unser« Ent» täufchung ist...,_
Lenins Seifetzang. Die dänische Sozialjstin Frau Sylvia Poussen berichtet in däni- schen Blättern über das Leichenbegängnis Lenins , dem sie selbst als Augenzcug« beiwohnte. Frau Poulfen erzählt: - Es war unvergeßlich. Fünf Tag« war der offene Sarg im Feftfaal des-früheren Adelsklubs in Moskau ausgestellt. Tag und Nacht, ununterbrochen, glitten dichte Menfchenslröm« an Lenins Leiche vorben Alle Bewohner Moskaus , alle Klassen, Delegier!« aus allen Städten 2900 ollein aus Petrograd , aus ganz Rußland kamen die Menschen; das Viertel war abgesperrt, und der Schnee lag nzeiß und dicht in den stillen Straßen; aus dem Platze vor dem Hause brannte das riesig« Feier, das orangenfarbig in der Nachl leuchtet«, und hier stand man nun und wartete fünf Stunden lang bei 39— 35. Grad Kälte, ehe man hineinkam. Ein pompöser Aufgang führte in den mächtigen Saal, der funkelnd weiß, von hohen weihen Säulen gelragen und von 72 prachtvollen Kronen erleuchtet, dalag. Minen aus dem Boden standen vier Palmen, die bis zur Deck» reichte� und zwischen ihnen ruht« auf einem Vostament aus grünen Pflanzen der in die rote Fahne gehüllte Sarg. Hier lag Lenin im Kl?akihemd halb bedeckt von dem roten flagqentuch. Das Gesicht erschien schöner als im Leben; sein« opsform war vollendet regelmäßig und harmonisch: in der letzten Zeit sollte er krank und fremd ausgesehen haben, jetzt aber waren es wieder die alten, ruhigen Züge; der Ausdruck war mild und freund- lich, wie wem. er mit den Kindern auf dem Lande spielte. Di« Leich« war einbalsamiert und Gehirn und HerA herausgenommen, um in einem Lenin-Museum aufbewalytt zu werden, das in Moskau eröffnet wird und wozu jeder Arbeiter einen Beitrag in Höhe von zwei Tagelöhnen gibt. Ich halte eine besonder« Eintrittskart« er- halten und war dreimal oben: merkwürdig war es zu beobachten, wie da» Gesicht sich von Tag zu Tag oeränderte, aber immer seine Schönheit und Ruhe bewahrte Um den Sarg stand Tag und Nacht eine Ehrenwache von vier Proletariern. Männer und Frauen in ihrer Alltagskleidung: man wetteifert« um die Ehre, und die Wache wechselte jede Viertelstund«. Außerdem standen vier Soldaten des Roten Heeres Wach«. Auf der einen Seite des Katafalk» faß meisten»«in Bildhauer und modelliert«, während di« ander« von einem Zeichner befetzt war.
dern lediglich, weil es notwendig ist. den politffch-juriffischen Unsinn auf die Spitze zu treiben, damit er von aller Well voll erkannt werde. Wobei noch eine Frage übrig bleibt: Der Stettiner Mili- tärgewaltige hat für seinen ausgedehnten Befehlsbereich allen Blättern verboten, über Waffenftmde etwas zu berichten. Weil sie trotz dieses allgemeinen, im November ergangenen Verbotes eine Nachricht über Waffenfunde beim Stahlhelm in Halle brachten, hat der Slettiner General wohl ein halbes Dutzend sozialdemokratischer Blätter verboten. Die„DAZ." wird auch in Pommern . Mecklenburg , Holstein, Hamburg usw. verbreitet, wo überall der Arm des Generals o. Tschischwitz herrscht. Was den Blättern in Rostock . Bergedorf usw. recht ist, wird natürlich dem Organ des Herrn Stinnes billig fein. Oder besser umgekehrt: Warum ist der „DAZ." erlaubt, was bei den kleinen sozialdemokratischen Blättern mit schwerer geschäftlicher Schädigung geahndet wird?
Haussuchungen bei öörsenleuten. Griffe ins Wespennest. Einige Berliner Blätter, die den Börsenkreisen nahe stehen. sind in Auflegung geraten. Schreckliches ist geschehen: Bertteier Berliner Finanzämter haben es gewagt, in den Wohnungen und Bureaus gewisser„Börsenoertreter" großer Banken Haussuchungen abzuhalten und die Bankkonlen nachzuprüfen, weil der Verdacht be- stand, daß sie bisher nicht genügend Gelegenheit gefunden hatten, ihrem unbegrenzten steueriichen Opfermut nach vollen Kräften Aus- druck zu geben. Haussuchung In Steuersachen! Dem guten Bürger sträuben sich vor Entsetzen alle eigenen und fremden Haarel Wie ist so etwas möglich? Es gehört doch zum unveräußerliche» Menschenrechl, nur seine eigenen Steuererklärungen als berechtigt und glaubwürdig an- zusehen. Die Börsenblätter wettern deshalb gegen das Finanzamt, das es wagt, seine eigenen Beamten in Begleitung von 5lriminalern den Herren Börsenvertretern ins Haus zu schicken. Uns scheint es, ernsthaft gesprochen,«in« sehr nützliche Tätigkeil, die da entfaltet wird. Wir wünschen ihr nicht nur vollen Erfolg, sondern auch ungehemmt« Fort- s e tz u n g. Die Arbeiter, Angestellten und Beamten, denen jeder Groschen von Lohn und Gehalt versteuert wird, haben das«lemcn- tarst« Interesse daran, daß auch den Börsianern genau nachge- rechnet wird, was sie versteuern und was sie versteuern müßt« n. Mit voygedruckten und ausgefüllten Steuererklärungen ist da nichts getan. Es kommt auf ernst« Nachprüfung an. Wir fordern von den Finanzämtern und vom Reichssinanz- Ministerium, daß sie sich durch das Wehegeschrei der betroffeneu Kreise nicht verblüffen lassen, sondern recht bald di«— fabelhaii klingenden— Summen in G o l d m a r k bekanntgeben, die bisher schon bei d«n Versuchen solcher Erfassung der hinter- zogenen Stcuern dem Reiche gerettet worden sind. Odcr soll das Staatsgeheimnis bleiben?
Zum �ttentatsplan gegen Geeckt. Di« Untersuchung gegen Dr. Grandel und Thormann konnte bisher noch immer nicht abgeschlossen werden, da das Gut- achten über die Z u r e ch n u n g s f ä h i g k e i t der beiden bisher noch nicht vorliegt. Thormann ist in der letzten Zeit«rneur dem Untersuchungsrichter vorgeführt und auf Grund einer in einem Char- lottenburger Blatt erschienenen Meldung über seine angeblichen Be- ziehbngen zu dem amerikanischen Großindustriellen Henry F o r d befragt worden. In dem genannten Blatt war nämlich angedeutet worden, daß Thormann die Geldmittel für seine polittsche Tätigkeil aus amerikanischen Quellen bezogen habe. Thormann stellte diese Behauptung entschieden in Abrede und erklärte, daß er niemals irgendwelche Beziehungen zu Ford gehabt habe. Auch der vielfach genannt« Major a. D. Gilbert, der zurzeit im Zusammenhang mit einem anderen Strafverfahren sich in Haft befindet, ist inzwischen vom Untersuchungsrichter über die Roll«, die er bei der Ausseckuna des Attsntatsplans gegen General o. Sceckt gespielt hat. eingehend vernommen worden.
Es war totenstill, in der Fern« hörte man gedämpft« Musik. An einem Tage stand ich eine S'unde hier und beobachtete die Haltung der Menge: fast alle schluchzten; neben mir stand«in halbwüchsiger Knabe und wurde vom Weinen geschüttelt. Tausende kamen aus einmal herein, im ganzen passierten Millionen die Leiche. Immer mehr Kränze brachten di« Arbeiter, zuletzt lagen sie wie ein grüner Wall an den Wänden Seltsam und unheimlich war es, wie viele Bauernmädchen, die hergereist waren und nun plötzlich von der Treppe aus das ganze Bild mit dem toten Lenin sahcn, in diesem Augenblick von einem hysterischen Anfall gepackt wurden und wilde Schreie ausstießen. Die Spannung, die Stim- mung überwältigten diese primitiven Wesen, aber man gewöhnt« sich schnell daran. Soldaten standen bereit, ergrissen die Mädchen und trugen sie immer noch laut schreiend, hinaus. Draußen warteten Krankenschwestern, um sie in Behandlung zu nehmen, und ihr Schreien verlor sich hinter verschlossenen Türen. Am Sonn'agn, argen um 7 Uhr fanden sich die Arbeiter Mos- kau» ein, um die Tausende von Kränzen aus den großen Platz zu tragen, wo sie am Fuße der Krcmlmauer hingelegt wurden. Eine Stunde später begann di« offizielle Zeremonie. Anwesend waren di« Familie, die ftemden Delegalivnen lmd di« Parteigenossen: Reden wurden nicht gehalten, nur der Chopinsch« Trauermarsch ertönte und 'dann sangen wir all« die Internationale. Dann nahmen Genossen den Sarg und trugen ihi hoch auf ihren Schultern zum Roten Platz. wo er auf einem Katafalk angebracht wurde, den wieder Zehn- tausende passierten. Pünktlich um vier Uhr wurde er herunter- genommen und in ein Mausoleum am Futz« der Mauer gebellt. In diesem Augenblick ruht« in ganz Rußland alle Arbeit fünf Minuten lang; die Züge hielten mitten auf der Strecke, die Schisse hielten im 5)afen an. in allen Städten wurde der Ehrensalut abgefeuert; besaß eine Stadt kein« Kanon«, so sollt« mit einem Gewehr salutiert werden. Endlich sollten all« Teleqraphenlinien fünf Minuten lang ununterbrochen ticken:„Lenin ist tot. aber sein Werk lebt ewin!" Im Mausoleum steht jetzt der Sarg mit G'asdcckel und Glas- feiten, so daß man immer die Züge Lenins sehen kann. Tag und Nacht halten Soldaten des Ro'en Heeres hier di« Wache und diese Wache soll bleiben, solange Rußland steht. „Da» Weib im Purpur"(Berliner Theater). Dies« neue Operelte(Text von Jacobson und O c st e r r e i ch e r) hat einen lahmen, sentimentalen, gro�tueri�cben ersten Akt, der den Erfolg in Frage stellt, dafür«inen Mittelakt von g'ücklichem Wurf mit viel List und Witz, hormlosem Spiel, Tanz und Springen. Er entscheidet den beherzten Erfolg. Des Themas allerdings sind wir überdrüssig peworden: Das Weib im Hermelin, das Weib im Purpur, die Siegerin, Katharina Ik— wicoiel Operetterstoff soll diese Frau noch hergeben? Diesmal erwählt sie sich für eine Rocht»inen ehrlichen menschlich gut gefärbten Leutnant, der zusällig auch ein bißchen Revolutionär ist. Ränke am Hof. Intrigen. Nebenregierung der Günstlinge, Bestechung, irrsinnig« und blöde Diplomatie. Soldateska und Schranzentum— alles entdeckt Ihr zugleich mit Katharina, die als Dauernmädel zur Schenke des Leutnants zieht. Sie wird ihn hoheitsvoll von der Derbannung noch Sibirien befreien und zum Obersten des Schlafkabinetts ernennen(zu End« de« letzten Aktes, hoff« ich). Wie weit liegt das alle» hinter un», wie schwer ist», Interesse neu zu beteben, wie unmöglich, Ernstes, allzu Menschliche»,