Einzelbild herunterladen
 

Nr.165.Jahrgang

Ausgabe Nr. 52

Bezugspreis:

chentlich 70 Goldpfennig voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutsch­ land . Danzig , Gaar- u. Memelgebiet, Defterreich, Litauen , Luxemburg 4,50 Goldmart, für das übrige Ausland 5,50 Goldmart pro Monat.

Der., Borwärts" mit der Sonntags beilage ,, Bolf und geit" mit Sied. lung und Aleingarten". fowie dez Unterhaltungsbeilage Heimwelt" und der Frauenbeilage..Frauenwelt erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.

Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Sonntagsansgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

15 Goldpfennig

150 Milliarden

Anzeigenpreise:

Die einipaltige Nonpareille. geile 0,70 Goldmart, Reklamezeile 3,50 Goldmart. Kleine Anzeigen" das fettgedruckte Wort 0,20 Golde mart( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 0.10 Goldmart. Stellengesuche das erite Wort 0,10 Goldmark, jedes weitere. Wort 0,05 Goldmart. Borte über 15 Buchstaben zählen für amet Borte. Familienanzeigen für Abonnenten Reile 0,30 Goldmark. Eine Goldmart ein Dollar geteilt burch 4,20.

Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 4% Uhr nachmittags im Hauptgeschäft, Berlin G 68, Linden­ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet Don 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-295

Verlag: Dönboff 2506--2507

Sonntag, den 2. März 1924

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Bostscheckkonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Distonto- Gefellschaft, Depositentasse Lindenstraße 3

Macdonalds Völkerbundsaktion.

Paris , 1. März.( Eigener Drahtbericht.) Zwischen Poincaré | and Macdonald hat ein neuer Briefwechsel stattgefunden, der die fchwebenden außenpolitischen Fragen zum Gegenstand hat. Die Initiative dazu ist von Ramsay Macdonald ausgegangen, deffen Schreiben bereits am vergangenen Sonntag in Paris überreicht worden ist. Die Antwort Poincarés ist am Mittwoch abend in London übergeben worden. Die Veröffentlichung der beiden Briefe foll am Sonntag erfolgen. Macdonald foll in feinem Schreiben den Wunsch nach einer gemeinsamen Polifif zur Stärkung des Bölferbundes ausgesprochen und Poincaré darauf zustimmend ge­

antwortet haben.

Berschiedene Nachrichtenbureaus berichten aus Baris über diesen Briefwechsel ziemlich übereinstimmend mit folgender Eca­Meldung:

Aus den Briefen geht aufs neue die Absicht des französischen und des englischen Premierministers hervor, die Entente zwischen Frankreich und Großbritannien en ger zu fnüpfen; sie geben den gemeinsamen Wunsch fund, eine Politik durchzuführen, die eine Stärkung des Bölferbundes zum Ziel hat. Der französische Bot­schafter in London , Graf St. Aulaire, ist am Donnerstag von Mac­donald empfangen worden und hat ihm den Wunsch Poincarés übermittelt, daß dieser Briefwechsel veröffentlicht werde. Der eng lische Ministerpräsident hat die franzöfifche Regierung wiffen laffen, daß er diese Veröffentlichung ebenfalls begrüßen werde. Beide Briefe follen je sieben bis acht Schreibmaschinenseiten umfassen.

dies zur Kenntnis des belgischen Außenministers gebracht, mit der Bitte, in Zukunft für die nötige Bewachung des Gebäudes Sorge zu tragen.

Marine- Ausbau/ Schul- Abbau.

Holländische Regierungspolitik.

Aus Holland wird uns geschrieben:

Seit Bochen stehen hier zwei Fragen im Vordergrund des Intereſſes. Zunächst beunruhigt die Flottenvorlage große Teile der Bevölkerung. Jezt ist durch ein neues Schulgefeß die bestehende Entrüstung weiter gesteigert worden.

Die gegenwärtige Politit des Rabinetts ist vollkommen auf den Ausbau der maritimen Kriegsmittel, aber den Abbau der fulturellen Einrichtungen gerichtet. Der Abbau der Bolksschule soll die Mittel ergeben, die zur Durchführung der Flottenvorlage notwendig sind. Die Regierung fordert deshalb eine

Umwandlung der bestehenden fiebenjährigen Schulpflicht in eine vier- bis fünfjährige.

Die ABC- Schützen sollen in Zukunft statt wie bisher mit fechs Jah ren erst mit sieben Jahren in die Schule tommen. Wo Spielschulen oder ähnliche Einrichtungen bestehen, soll vom 6. Lebensjahr an auf ein Jahr obligatorischer Besuch erfolgen. Es ist beabsichtigt, diefen Einrichtungen den Charakter von Kinderbewahranstalten zu geben und unter die Leitung von jungen Mädchen zu stellen. Außer dem sollen die Kinder in Zukunft nicht mehr bis zum vollendeten 13. Lebensjahre, sondern nur noch bis zum elften Jahre bem Schulzwang unterworfen werden. Sollte den Eltern die in dieser abgekürzten Schulzeit erfolgte Ausbildung der Kinder nicht genügen, dann lönnen sie auf eigene Roften den Besuch von Mittelschulen veranlassen.

England verringert die Heeresausgaben. London , 1. März.( Eigener Drahtbericht.) Daily Telegraph " teilt mit, daß der in Kürze dem Unterhaus zugehende englische Miftart litäretat eine weitere Verminderung der Ausgaben um 7 Millionen Pfund gegenüber dem Vorjahre enthalten wird. Seit Kriegsende find die Militärausgaben Jahr für Jahr herabgefeht worden. Im Finanzjahr 1921/22 betrug der Militäretat 95 Millionen, im Jahre 1922/23, im Jahre 1923/24 52 und jetzt im beginnenden Finanz jahr noch 45 Millionen Pfund. Auch die Ausgaben für die Kriegsflotte feien im bevorsteherßen Finanzjahr 2 Millionen Pfu: geringer als nach dem Programm des letzten tonfervativen Ministeriums.

Die Sachverständigen.

um

Paris , 1. März.( Eca.) Die beiden Sachverständigen- Unter. ausschüsse für das deutsche Budget und für die Goldnoten. bant haben heute ihre Studien über die Bilanzierung des deut­fchen Staatshaushalts und über die Reorganisierung der deutschen Eisenbahnen unter eventu: fler Nutzbarmachung als Pfand für eine internationale Anleihe fortgesetzt.

Noch einer Parifer Meldung der Telegraphen- Union entspricht bie Meldung, wonach die Sachverständigen befchloffen hätten, in Deutschland eine Reihe von Monopolen einzuführen, right Dementierte Anleihemeldung.

den Tatsachen.

Paris 1. März( Eigener Drahtbericht.) Die in Baris und Lon­ don vertreiteten Gerüchte, daß die Sachverständigen die Auflegung einer internationalen Anleihe in Höhe von 250 Millionen Pfund Sterling beschloffen hätten, die in der Hauptsache der Stabilisierung der deutschen Währung dienen soll, wird hier dementiert. Die Chicago Tribune" will wiffen, daß die Sachverständigen am Diens. tag die Abfassung ihres für oie Reparationstommiffion bestimmten Gutachtens beginnen und bis zum 8. März abschließen werden. Nach ber gleichen Quelle foll die zu errichtende Goldemiffionsbant ihren Siß nicht in Zürich , sondern im Haag oder in Amsterdam haben.

Micum- Zollermäßigung.

Der Zweckverband der Metallindustrie der besetzten Gebiete in Düsseldorf hat nach monatelangen Berhandlungen mit der Micum Düsseldorf und der Rheinlandkommission in Koblenz je 17 3o11­ermäßigungsverträge abgefchloffen. In allen Verträgen ist die Zollabgabe auf ein Achiel der bisher erhobenen Zolljähe er­mäßigt. Außer diesen Zollfäßen wird jedoch für alle die Bollinie überschreitenden Sendungen nach dem unbesetzten Deutschland und nach dem Ausland eine Reparationsabgabe erhoben, welche dem Deutschen Reich auf Reparationsforto gutgeschrieben wird. Die Höhe dieser Reparationsabgabe schwankt für die einzelnen Untergruppen des Zweckverbandes zwischen zwei Achteln und fünf Achteln des alten Zollfages. Die Berträge gelten für den 15. Februar bis 15. April 1924. Vorgesehen ist, daß dem 3wedverband neue hin­zutretende Firmen noch nachbenannt werden fönnen und sodann auch an den Vorteilen der Berträge teilhaben tönnen.

Faschisten auch in Belgien .

Anfang mit Büberei. Brüssel , 1. März.( Eca.) Wiederholt wurden in den letzten Nächten Fensterscheiben der in der Rue de la Loi gelegenen Amts­gebäude von Unbekannten gerirümmert. Auf der Giebelfeite der Ge. bäude wurden Aufschriften wie Es lebe der Faschismus"," Wir verlangen einen Mussolini " usw. angebracht. Nachdem in der vorigen Nacht auch vier Fensterscheiben der Niederländischen Ge. jandtschaft zertrümmert wurden, hat der niederländische Gesandte

Der Plan ist selbstverständlich nur

auf Kosten der unbemiffeffen Schichten

durchzuführen. Sie werden in den Bildungsmöglichkeiten beschränkt, während der Besitzende seine Kinder auf eigene Roften fortbilden laffen fann. Das führt schließlich zu schweren Gefahren für das spätere Fortkommen der Kinder von unbemittelten Eltern, aber auch zu einer Gefahr für den Staat selbst. Wird der Plan der Regie rung durchgeführt, dann dürfte sich der Raubbau an der Bolts fultur balb bemerkbar machen. Das Groteste ist aber erft, daß au gleicher Zeit, wo dieser Raubbau erfolgt, Millionen don Gulden für Flottenrüftungen ausgegeben werden sollen!

Die Sozialdemokratische Partei und die Gewert fchaften mehren sich natürlich mit aller Entschiedenheit gegen die Pläne der Reattion. Ueberall veranstalten sie große Protestkund gebungen und veranlaffen Gingaben an die Behörden. Dagegen er fahren die Pläne der Regierung von den bürgerlichen Bar teien nicht ben geringsten Widerstand, sondern vielmehr Unterstüßung. Also auch hier zeigt sich wieder, daß die Reaktion überall wohl in nationalen Phrasen tobt, aber international teine Rultur, fein Recht, feine Gerechtigkeit. Diese moralischen Dinge ift, sobald es heißt, die Arbeiterschaft zu fnechten. Dann tennt fie verlangen sie nur von anderen für sich.

Albaniens Staatsform. Vorläufig nur Attentate.

ben albanischen Ministerpräsidenten Ahmet Zogu von einem Mailand , 1. März.( Eẞ.) Wie die Stampa meldet, ist auf albanischen Studenten aus Matia ein neues Attentat verübt worden, als er den Sigungsfaal des Barlaments betrat. Bon fechs Schüssen trafen ihn zwei am rechten Arm und am linken Fuß. Der Attentäter wurde nach erbittertem Widerstand festgenommen. Er begrünbete den Anschlag damit, der Ministerpräsident verfolge eine verfassungsfeindliche Politik und wende fich gegen alle gebildeten und patriotischen Kreise. Zudem sei er ein aufrichtiger Freund Süd­flamiens und dadurch eine Gefahr für den albanischen Staat. Das Parlament steht vor der Entscheidung über die Staatsform; man erwartet die Ausrufung der Republit mit einem Dittator an der Spige.(!) Die Regierung ist zurückgetreten, um einem Roa fitionsministerium Blaß zu machen.

Das Memelstatut.

Genf , 1. März.( WTB) Nach langer und zum Teil schwieriger Arbeit hat der Memelausschuß des Völkerbundes heute den Entwurf cines Abkommens über das Memelgebiet fertiggestellt und der litaui schen Abordnung überreicht. Ueber die Autonomie des Memel gebiets im Rahmen des litauischen Staates, und zwar sowohl hin fichtlich der Selbstverwaltung durch ein eigenes Parlament als in bezug auf die kulturellen Einrichtungen ist volle Einigung mit Litauen erzielt. Das Abkommen regelt weiter die Fragen der Durch fuhr auf dem Njemen, der Befugnisse und Zusammenlegung des Hafenausschusses und der Besaßungstoften. Die litauische Abordnung wird voraussi htlich am Montag zu dem Entwurf end gültig Stellung nehmen. Remmt es dann troß der Einwände, die bisher von Litauen erhoben wurden, zu einer Berständigung, fo mirb bas Abkommen am 10. März dem Bölkerbundrat zur Genehmigung unterbreitet werden.

Eine Wiederbelebung des Kabinetts Theunis gilt nach Brüsseler Meldungen als sehr wahrscheinlich.

Auserwähltes Volk.

Die feindlichen Brüder von München . Ueber die blutige Münchener Hanswurstfomödie, die sich zurzeit im Stadium einer sogenannten gerichtlichen Verhand­lung befindet, läßt fich bequem das Motto schreiben: Jeder dieser Lumpenhunde wird vom andern abgetan." Die Kahr und Lossow, an denen monatelang Auge und Herz des nationalen Deutschland " hing, sind durch die Aussagen der Hitler und Kriebel so gründlich erledigt, daß kein Hund mehr von ihnen ein Stüd Brot nimmt. Im Lauf der nächsten Woche sollen nun die Kahr und Lossow- nicht als Beschul digte fondern als Zeugen- vernommen werden, und da kann man sich wieder auf allerhand Erbaulichkeiten über Hitler und Ludendorff gefaßt machen. Im ganzen gewinnt man das Bild einer nicht mehr überbietbaren Konfusion beschränk­ter Geister, die unermeßlichen Schaden anzurichten drohte, schließlich aber an sich selbst und in sich selbst zusammenbrachy.

*

Die beiden reaktionären Richtungen, die in Bayern mit­einander spielten, sich gegenseitig auszunüßen und zu über­tölpeln versuchten, schließlich untereinander handgemein wurden und jetzt ihren Streit vor Gericht austragen, sind nach Gedankeninhalt und Ziel weit voneinander ver. schieden. Die bodenständig bayerische Bewegung, die in Herrn v. Kahr ihren Führer besessen und verloren hat, wurzelt obgleich Rahr selber Brotestant ist in der katholischen Kirche und in der katholischen Dynastie. Sie ist die Berkörpe rung eines tonservativen Bayerntums, das fcheinbar zu Bismard und den Refervatrechten, in Wirklichkeit weit hinter Bismarck und die Reichsgründung zurückstrebt. Sein 3deal ist ein partikularistisch zergliedertes lose gefügtes Reich.

-

Man muß bedenken, daß eine Verbindung zwischen der herrschenden katholischen Partei Bayerns und der katholischen Dynastie Wittelsbach viel enger war als das Verhältnis zwischen den protestantischen Hohenzollern und dem Zentrum, das durch das Fegefeuer des preußischen Kulturkampfes hin­durchgegangen war. Dazu kommt, daß das preußische Zen­trum in der katholischen Arbeiterschaft des Westens immer noch eine starte Stüge hat, während sich das jetzt zur Bayerischen Boltspartei umgewandelte bayerische Zentrum auf den städtischen Mittelstand und die Bauern stützt. Dies und die Ausartung der Revolution zur Räteherrschaft in München hat dem bayerischen Zentrum die Umstellung auf die neuen Verhältnisse viel schwerer gemacht. Es blieb fon­fervativ, mittelsbachisch und partikularistisch.

Im schärfsten Gegensah dazu steht das Streben der Böl­fischen" zur machtpolitischen Zusammenfassung aller deutschen Boltsteile. Diefes machtpolitische Streben verweist sie in das Lager der Unitarier, sie sind großdeutsch" und in ihrer reinsten Ausprägung fogar antichristlich und anti­monarchisch.

Das hängt nämlich so zufammen: Die Bölkischen" stehen auf rassischer" Grundlage. Nach ihrer Theorie ist das deutsche Bolt das edelste, das auserwählte Bolt der Welt. Es muß sich nur von allen Vermischungen mit schlechteren Rassen und allen fremdrassigen Einflüssen befreien, um die schwarzweißrote Fahne über den Rhein " tragen und fönnen. der Welt den germanischen Schwertfrieden aufzwingen zu

Mit dieser Theorie verträgt sich das Christentum schlecht. Denn dieses ist ja bekanntlich eine jüdische Erfindung". Darum haben die tonfequenten Völkischen" das Kreuz zum Hakenkreuz verwandelt, darum mollen sie die germanische Edelfeele von dem reformierten Judentum, das man Chriften­tum nennt, befreien. Sie wollen zurück, aber nicht zur allein­Seligmachenden katholischen Kirche des Mittelalters, sondern noch ein Jahrtausend weiter zu Wotan und Teut.

Dieser tonsequent rassische" Standpunkt ist auch unver einbar mit der Monarchie, wenigstens mit der Wiederkehr der alten Fürstenfamilien auf ihre Throne. Denn die Kron prinzen a. D., die heute in Deutschland herumlaufen, sind ja feine germanischen Adalinge, sondern europäische Pro­menadenmischung. Französisches, englisches, ipa­nisches Blut fließt in ihren Adern, in denen der Hohenzollern angeblich sogar auch etwas jüdisches. Der letzte holsteinische Bauernknecht ist unvergleichlich edler, weil germanischer, rein­blütiger als so ein Dynast, dessen Stammbaum in alle euro­ päischen Fürstengeschlechter zurückreicht.

Die Ironie der Weltgeschichte will es, daß diese amüsante Theorie von einem Franzosen begründet worden ist, so wie betantlich ein Jude der Professor Stahl, Begründer der Theorie des Konservatismus war. Im Jahre 1853 per öffentlichte der französische Diplomat, Dichter und Gelehrte Graf Gobineau feinen Verfuch über die Un­gleichheit der Menschenrassen", den er in demutvoller Ber­ehrung dem König Georg von Hannover widmete. In diesem Buch ward auseinandergesetzt, daß diejenige Rasse die wert Dollste fei, die sich im Lauf ihrer Entwicklung am meisten von